Protocol of the Session on October 12, 2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leiharbeit wird immer als Schmuddelkind in der Beschäftigungspolitik angesehen - zu Unrecht! In der Vergangenheit war es vielleicht so, im Moment sehe ich das nicht mehr.

Es gab sogar Zeiten, da weigerten sich die etablierten Gewerkschaften in Deutschland, mit Verleihfirmen Tarifverträge abzuschließen, da sie diese als Vorreiter für eine ungesicherte Beschäftigung betrachteten. Dies hat sich inzwischen grundlegend geändert und das Gegenteil ist der Fall. Im Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit müssen flexiblere Arbeitsmodelle gefunden werden. Einen zunehmenden Beitrag leistet dabei die Leiharbeit.

Bei erfolgreicher Vermittlung zeitlich befristeter Tätigkeiten erhöhen sich die Chancen auf eine Festanstellung. Das wurde hier alles schon gesagt. Ich möchte nicht näher darauf eingehen.

Wer befindet sich hauptsächlich in Leiharbeit? - Das Durchschnittsalter der in Zeitarbeitsfirmen Beschäftigten ist relativ niedrig. Mehr als die Hälfte ist unter 30 Jahre alt, weitere 30 % sind zwischen 31 und 40 Jahre alt, knapp 20 % sind bis 60 Jahre alt. Der Frauenanteil liegt bei rund 20 %.

Wir von der CDU-Fraktion haben die auch als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnete Leiharbeit immer als wichtige Ergänzung zum ersten Arbeitsmarkt angesehen. Durch Rückgriff auf diese Beschäftigungsform können Unternehmen flexibel auf Schwankungen in der Auftragslage oder beim eigenen Personalbestand, etwa bei Krankheit, Urlaub, Schwangerschaftsvertretung, Zivildienst, Wehrdienst usw., reagieren. Dabei ist im Übrigen der Einsatz von Zeitarbeiterinnen und Zeitarbeitern nicht billiger, weil die Vermittlungsfirma bezahlt werden muss. Der Vorteil für das Unternehmen ergibt sich fast ausschließlich durch die zeitweise Einstellung.

Leiharbeit ist für viele langzeitarbeitslose Arbeitnehmer der letzte Strohhalm, um jemals wieder eine Chance im ersten Arbeitsmarkt zu erhalten.

Wenn Sie mit den Verleihfirmen sprechen, werden Sie schnell feststellen, dass ein Großteil der vermittelten Arbeitskräfte durch die Unternehmen fest eingestellt worden ist. Auch hier liegt ein weiterer Vorteil klar auf der Hand: Das Unternehmen erhält die Möglichkeit, einen Beschäftigten zu testen. Dies ist ein positiver Nebeneffekt der Zeitarbeit, der vor allem kleinen, mittelständischen und Handwerksunternehmen zugute kommt, die keine eigenen Arbeitsabteilungen haben, von denen Schwankungen im Personal ausgeglichen werden können.

Dennoch gibt es durchaus Entwicklungen, welche näherer Betrachtung bedürfen. Frau Kollegin Hampel hat das schon angesprochen. Wenn zum Beispiel bei BMW in Leipzig, die einen ausgesprochen guten Tarifvertrag haben, knapp 30 % der Beschäftigten dauerhaft in Zeitarbeit verbleiben, dann müssen wir uns schon fragen, ob das die richtige Lösung ist oder ob wir nicht einmal mit ihnen reden müssen. Genauso gibt es bei VW hauseigene Verleihfirmen. Man muss sich über die Sinnhaftigkeit dieser Firmen unterhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir dürfen Leiharbeit nicht als moderne Sklaverei verteufeln, sondern müssen möglichst viele Aspekte berücksichtigen. Die Linkspartei hat mit ihrem Antrag ein Thema aufgegriffen, über das man zweifellos reden muss. Allerdings ist der Antrag meiner Ansicht nach zu dünn und zu einseitig, da er sich nur mit den Rechten der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer auseinandersetzt.

Ich wünsche mir eine weiter reichende Diskussion, welche unter anderem jene Aspekte anspricht, die ich in meiner Rede nur skizzieren konnte. Daher möchte ich Sie bitten, den Antrag in den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zu überweisen.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Frau Take. - Frau Rogée, Sie hätten die Möglichkeit zu erwidern.

Ich lege erst einmal Wert darauf, dass ich mich grundsätzlich überhaupt nicht gegen Leiharbeit ausgesprochen habe, Herr Paqué; denn neben Schwarz-Weiß gibt es auch noch ein paar Grautöne. Ich gebe zu: Ich stecke noch gar nicht so tief in der Materie, um das so zu verteufeln, wie es Frau Take eben dargestellt hat. Das habe ich auch gar nicht gemacht. Aber das nur so nebenbei.

Ich möchte noch auf zwei Aspekte eingehen, zunächst auf den Tarifvertrag. Ich finde, bei den Diskussionsrednern ist ziemlich deutlich geworden, dass es bei den Tarifverträgen, die für Leiharbeitsfirmen gemacht werden, immer Tarifverträge gibt, die unter den normalen Tarifverträgen der Beschäftigten in der Branche sind, wohin sie verliehen werden. Denn wenn der Leiharbeitnehmer dem Unternehmen zu teuer wird, weil es vielleicht gleiche Tarifverträge gibt und die Firma nichts mehr daran verdient, dann macht es keinen Sinn mehr. Lassen Sie uns da einmal auf dem Teppich bleiben! Es kann nicht sein, dass immer gesagt wird, die Gewerkschaften hätten die schlechten Tarifverträge gemacht.

Der zweite Aspekt bei den Tarifverträgen ist: In einer Leiharbeitsfirma besteht keine Chance zu streiken; denn

wenn die Leiharbeitsbeschäftigten in einer Firma streiken, dann können sie sich gleich verabschieden. Insofern wollen wir doch einmal sehen, wie die realen Situationen sind.

Frau Take, zu dem Flugblatt: Der DGB informiert seine Mitglieder natürlich. Das, was Sie vorgelesen haben, sind Regelungen, die bereits in Gesetzen festgeschrieben sind. Es gibt auch Informationsblätter vom Arbeitsamt, in denen ganz deutlich steht, welche Rechte und Pflichten bestehen. Ich finde, der DGB ist dazu verpflichtet, seine Leute zu informieren; denn er macht ja auch Tarifverhandlungen. Von daher sagt er nicht, wir wollen die alle abschaffen.

Was wir mit unserem Antrag machen wollen, ist genau das, was auch Herr Paqué eingeschätzt hat, nämlich dass sich die Situation aus unserer Sicht verschlechtert. Da wollen wir näher hingucken.

Deswegen finde ich es gut, dass wir den Antrag, bevor wir ihn ganz wegstimmen, in den Ausschuss für Wirtschaft überweisen und gemeinsam darüber reden. Wahrscheinlich werden wir noch ganz viel dabei lernen und uns die konkrete Situation in Sachsen-Anhalt näher anschauen. Dafür danke ich Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr. - Damit ist die Debatte beendet und wir stimmen über die Ausschussüberweisung der Drs. 5/897 ab.

Nach meiner Wahrnehmung ist die Überweisung in den Wirtschaftsausschuss unstrittig. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist das einstimmig so beschlossen worden.

Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 21, verbleiben aber bei einem wirtschaftlichen Thema.

Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, darf ich zunächst Seniorinnen und Senioren aus Schwanebeck bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Beratung

Weiterentwicklung des Außenwirtschaftskonzeptes des Landes Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/905

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Miesterfeldt. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist kein schlechtes Zeichen, wenn sich der Landtag in einer Sitzung sehr intensiv sowohl mit den Fragen der Wirtschaft als auch mit Fragen des Arbeitsmarktes beschäftigt, und zwar in Deutschland im Allgemeinen und in Sachsen-Anhalt im Besonderen.

Mit dem Arbeitskreis Wirtschaft und Arbeit der SPDFraktion und mit einigen Kolleginnen und Kollegen des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit durfte ich mich in den vergangenen Wochen und Monaten im europäischen und kürzlich im US-amerikanischen Ausland davon überzeugen, dass Sachsen-Anhalt bereits zum heutigen Tag eine Außenwirtschaftspolitik betreibt, die auf dem richtigen Weg ist. Das heißt aber nicht - darin sind sich Exekutive und Legislative wohl einig -, dass es nicht noch besser werden kann.

Es war schon ein beeindruckendes Erlebnis, in einem der nördlichen Bundesstaaten der USA zu sein und dort einem in Ehren ergrauten US-Unternehmer gegenüberzusitzen, an dessen Unternehmen in Osterweddingen zumindest ich regelmäßig vorbeifahre. Er stellt dort tiefgekühlte Pizzen her, die wohl auch gegessen werden.

Das zweite interessante Ereignis - dann will ich es auch schon mit den Reisebeschreibungen sein lassen - war, dass es nicht nur interessant, sondern auch wichtig war, dass wir im Bundesstaat Minnesota auf Menschen und Institutionen trafen, die sehr daran interessiert waren und sind, zukünftig sowohl im Bereich der Forschung und Wissenschaft als auch im Bereich der wirtschaftlichen Umsetzung in Bezug auf die erneuerbaren Energien mit Sachsen-Anhalt zusammenzuarbeiten. Der gute Ruf Sachsen-Anhalts in Bezug auf das Thema erneuerbare Energien war bereits bis in den Norden der USA vorgedrungen.

Die andere positive Nachricht, die ich an den Anfang dieser Rede setzen will, können Sie beinahe täglich in den Medien zur Kenntnis nehmen. Deutschland ist nach wie vor Exportweltmeister. Das Nächste ist keine Klammerbemerkung, sondern das kann man selbstbewusst daneben setzen: Auch in Sachsen-Anhalt sind stetig steigende Ausfuhren zu verzeichnen.

Im Vergleich zum Jahr 1995 ist der Außenhandel in Ostdeutschland überdurchschnittlich stark gestiegen. Ich will Sie zu dieser nachmittäglichen Stunde mit einigen wenigen Zahlen behelligen. In Gesamtdeutschland ist er um 7 % gestiegen, in Sachsen-Anhalt um 14 %. Im Jahr 2006 erreichten die Ausfuhren Sachsen-Anhalts einen Wert von 9,9 Milliarden €. Das sind rund - das ist wirklich eine bemerkenswerte Zahl - 30 % mehr als im Vorjahr. Gegenüber dem Jahr 2001 - das ist noch nicht so lange her - hat sich das Volumen der Ausfuhren mehr als verdoppelt.

Der Außenhandelsüberschuss beträgt 545 Millionen €. Die Exportquote, also der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz des verarbeitenden Gewerbes erhöhte sich seit dem Jahr 2005 um 5 % auf aktuell 28,5 %.

An diese Stelle will ich doch ein Aber setzten, nämlich bei den 28,5 %. Aber in Sachsen beträgt er 37,5 % und in Thüringen 33,3 %. Das heißt also, wir liegen zwar zwischen den wirtschaftlich eher etwas zurückgebliebenen Ländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg - die liegen bei 25 und 24 % -, aber eben hinter Thüringen und Sachsen.

Ich denke, da ist ein Potenzial, das es zu erschließen gilt. Die Ursachen sind sicherlich bekannt. Ich will aus der Vielfalt zwei nennen. Wir haben nach wie vor eine sehr kleinteilig strukturierte Wirtschaftsstruktur und bis auf wenige Ausnahmen verfügen wir über zu wenige Global Player. Das heißt, wir brauchen ein Außenwirt

schaftskonzept, das sich insbesondere auf die Fähigkeiten, aber eben auch auf die Beschränkungen kleiner und mittlerer Unternehmen bezieht und das auf dieselben eingeht.

Sowohl diese Analyse als auch diese Schlussfolgerungen sind nicht neu. Das konnte man auch schon im Außenwirtschaftskonzept aus dem Jahr 2004 nachlesen. Aber die Fraktionen der SPD und der CDU sind der Meinung, dass wir an diesem Thema dranbleiben müssen und deshalb unser Außenwirtschaftskonzept zu überarbeiten ist.

In diesem Außenwirtschaftskonzept aus dem Jahr 2004 werden detailliert und auch durchaus einleuchtend unterschiedlichste Instrumentarien wie zum Beispiel Unternehmens- und Delegationsreisen, die Messeförderung, Repräsentanzen, zum Beispiel Kontaktbüros in Schanghai, Tallinn, Plovdiv sowie anderenorts beschrieben. Das Kontaktbüro in Tallinn zum Beispiel existiert nicht mehr. Ich frage: Ist das gut? Bei anderen hat es allerdings auch positive Weiterentwicklungen gegeben.

Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat der Wirtschaftsminister in der Öffentlichkeit bereits eine Konzentration der Exporthilfe angekündigt. Das heißt, es ist ein richtiger Schritt, die vorhandenen Instrumentarien und auch die Strukturen, die wir benutzen, zu überprüfen - zum Beispiel die Intercom - und gegebenenfalls an Veränderungen oder veränderte Situationen anzupassen.

Der Antrag soll die Landesregierung - wir wissen, dass sie diesbezüglich schon auf dem Weg ist - auf diesem richtigen und wichtigen Weg unterstützen und begleiten. Ich will dazu jetzt fünf Punkte nennen.

Erstens. Unser Außenwirtschaftskonzept muss sich noch stärker als bisher auf kleine und mittlere Unternehmen beziehen und hier weitere Angebote unterbreiten,

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

wobei alle, also die wenigen, die geklopft haben, und die vielen, die nicht geklopft haben, wissen, dass das nicht ganz so einfach ist, wie es sich in dieser freitag-nachmittäglichen Stunde vom Pult aus sagen lässt.

Zweitens. Wir müssen die Fragen klären, ob die vorhandenen Strukturen zur Förderung der Außenwirtschaft in einem richtigen Verhältnis zur Situation stehen und ob sie wirklich auf einen Nutzen besonders für die KMU ausgerichtet sind.

Drittens. Wir brauchen klare Vorgaben für die Arbeit der sachsen-anhaltischen Repräsentanzen.

Viertens. Wir brauchen - davon bin ich auch fest überzeugt - eine noch stärkere Hinwendung zu den osteuropäischen Märkten, insbesondere auch zu den Ländern, die neu in die EU gekommen sind. Dabei können wir stärker als manches Unternehmen in den alten Bundesländern von Kontakten und Beziehungen aus der Zeit vor 1990 profitieren. Das sollten wir zukünftig auch noch stärker nutzen.

Fünftens. Ich sagte, als ich Ihnen die Zahlen vorstellte, dass wir mit Sachsen und Thüringen durchaus zwei Länder in unmittelbarer Nähe haben, die vorbildhafte Zahlen haben. Es ist zu fragen, ob wir nicht gemeinsam mit diesen mitteldeutschen Ländern auch über außenwirtschaftlich-politische Schwerpunkte nachdenken soll