dass dazu nicht jeder redet, weil er hier mal reden wollte. Das war nämlich bis jetzt so. Jeder sprach irgendwie über das Dienstrecht.
Das können wir uns wirklich nicht leisten. Wir brauchen im Innenausschuss Kompetenz und wir brauchen im Finanzausschuss Kompetenz. Es sind nicht nur finanzpolitische Dinge. Ich habe das schon einmal angemahnt: Das Parlament muss jetzt mitziehen, wenn wir uns dieses Thema auf den Tisch holen.
Ich kann es mir auch nicht verkneifen, noch einen Satz zu diesem Auswuchs der Föderalismusreform zu sagen. Ich habe Ministerin Kuppe, als es um die verpartnerten Beamten ging, pausenlos sagen gehört: Das Land Sachsen-Anhalt kann da nicht der Vorreiter sein. Das müssen wir alles gemeinsam regeln. - Liebe Leute, wir sind das Parlament und wir müssen so selbstbewusst sein, dass wir sagen, da machen wir dann eben mal den Vorreiter.
Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Damit ist die Debatte beendet. Es wurde beantragt, diesen Antrag zur federführenden Beratung in den Finanzausschuss zu überweisen. Das dürfte unstrittig sein. Darüber stimmen wir als Erstes ab. Wer stimmt zu? - Das sind offenbar alle. Dann ist das so beschlossen. Gibt es Mitberatungsanträge?
- Innenausschuss ist noch beantragt worden. Wer ist für die Mitberatung im Innenausschuss? - Die Mehrheit wächst. Das ist dann so beschlossen.
Wir unterbrechen jetzt unsere Sitzung. Ich schlage vor, dass wir die Zeit, die wir hinterherhinken, wieder einarbeiten und uns um 13.30 Uhr hier wieder treffen.
Ich habe noch eine Mitteilung an diejenigen, die Mitglieder der Arbeitsgruppe des Ältestenrats „Benennung der Beratungsräume“ sind: Wir treffen uns jetzt gleich in Raum B2 01.
Meine Damen und Herren! Es zeigt sich, dass mein Präsidiumskollege mit der Begrenzung der Mittagspause etwas optimistisch war. Dennoch setzen wir in der Erwartung, dass gleich die Massen von beiden Seiten strömen, die Beratung mit Tagesordnungspunkt 21 fort:
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich vermute, dass das Thema Leiharbeit uns noch etwas länger beschäftigen wird. Soweit ich weiß, beschäftigen wir uns in diesem Hohen Haus zum ersten Mal mit ihm. - Ich fange an, obwohl noch ein paar Abgeordnete fehlen; aber die an diesem Thema interessierten sind wahrscheinlich schon da.
Unser Antrag ist zustande gekommen, weil der EU-Kommissar Vladimir Špidla im September dieses Jahres besonders die Bundesrepublik Deutschland und Großbritannien aufgefordert hat, die Bedingungen für Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter zu verbessern. Es wäre gut, wenn Deutschland ebenso wie Großbritannien seinen Widerstand gegen eine verbesserte Arbeitsplatzqualität für Leiharbeitnehmer in Europa aufgeben würde, betonte der Kommissar. Er kritisierte zugleich, dass Unternehmen auch in Deutschland die Zeitarbeit ausschließlich zur Kostendämpfung nutzten und dabei fest angestellte Mitarbeiter entließen, um sie anschließend durch billige Zeitarbeiter zu ersetzen. Špidla kündigte an, dass die EU möglicherweise schon bis zum Jahresende versuchen werde, entsprechende Regelungen zu finden.
Schauen wir nach Sachsen-Anhalt. Voller Stolz verkündete Herr Meyer, Chef der Magdeburger Arbeitsagentur, am 17. Juli 2007 in einer Presseerklärung, dass die „Zahl der Zeitarbeitnehmer in den letzten drei Jahren in Sachsen-Anhalt kräftig gestiegen“ ist. Zeitarbeit kann nach seiner Einschätzung eine „Einstiegshilfe für Erwerbslose, Berufseinsteiger und Berufsrückkehrer sein“. - Das sehe auch ich so, wenn es nach einer befristeten Zeit - man könnte sie auch Einarbeitungszeit nennen - einen unbefristeten Arbeitsvertrag gäbe.
„Die Zeitarbeit boomt. Wie kaum eine andere Branche haben Unternehmen der Zeitarbeit in der jüngsten Zeit die Zahl der Beschäftigten aufgestockt. Besonders gefragt sind gegenwärtig Fachkräfte aus den Metall- und Elektroberufen…“
40 Zeitarbeitsfirmen haben sich anlässlich eines Informationstages im Juli in der Agentur vorgestellt und Personal geworben.
In Sachsen-Anhalt gab es im Juni 2006 - leider habe ich keine neuere Zahl - 24 000 Leiharbeitnehmer. Das war vor mehr als einem Jahr. Deutschlandweit gibt es gegenwärtig 600 000 Leiharbeitnehmer; das wiederum sind doppelt so viele wie 2003. Der Erstbedarf an Arbeitskräf
ten wird immer öfter über Leiharbeitnehmer gedeckt. In einigen Unternehmen in unserem Land liegt heute der Anteil der Zeitarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer bereits bei mehr als 50 %. Zwei Beispiele: Mehr als 50 % der Beschäftigten des Schokoladenbetriebes Wergona, ehemals Argenta, in Wernigerode sind Leiharbeitnehmer. Nemak, ehemals Rautenbach, ein Automobilzulieferer, beschäftigt um die 40 % Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer.
Die Hälfte der neuen Arbeitsplätze im Aufschwungjahr 2006 waren Leiharbeitsjobs. Leiharbeitnehmer sind für die Unternehmen billiger und können bei nachlassender Konjunktur problemlos gekündigt werden. - Das zu der Frage - schade, Herr Gürth ist nicht da -, ob der Kündigungsschutz ein Hemmschuh für die wirtschaftliche Entwicklung ist.
Der Bundesverband der Zeitarbeitgeber ist nach eigenen Aussagen insbesondere bestrebt, die durch die HartzReformen erreichten Standards in der Zeitarbeit gegenüber inländischen und ausländischen Anbietern zu erhalten und damit den deutschen Arbeitsmarkt für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu schützen. - Ich frage mich: Wovor schützen? Davor, dass Arbeitnehmer in einem Unternehmen einen Anstellungsvertrag bekommen und dann mehr verdienen?
Auch hier gibt es viel zu viele, die auf Kosten der Arbeitnehmer verdienen. Der Mensch wird immer mehr als ausgeliehenes Objekt zur Ware auf dem Arbeitsmarkt. Für die Tarifpolitik ist dies verheerend. Leiharbeitnehmer ersetzen zunehmend Stammbelegschaften. Trotz Tarifbindung in Zeitarbeitsfirmen erreichen die Stundenlöhne zum Teil nur 50 % der durchschnittlichen Tariflöhne regulärer Beschäftigter. Darüber hinaus ist die Beschäftigungsstabilität dieser Arbeitsverhältnisse gering. Nach Angaben des IAB liegt die durchschnittliche Verweildauer von Leiharbeitnehmern im Betrieb gegenwärtig bei etwa vier Monaten und ist damit nur halb so hoch wie 2003.
In einer Anhörung unserer Bundestagsfraktion, bei der ich anwesend war, kamen insbesondere Betriebsräte zu Wort. Nur wenige Zeitarbeitsfirmen haben einen Betriebsrat. Ein Betriebsrat aus dem Berliner Schaltwerk vermeldete, dass über 60 % der Produktionsarbeiter als Leiharbeiter beschäftigt sind. Der Betriebsrat, der selber als Schlosser tätig ist, schilderte anschaulich die Probleme, die eine solche Beschäftigtenstruktur mit sich bringt: wachsender Druck auf die Stammbelegschaft, die immer flexibler werden muss, und eine enorme Zunahme der Arbeitsintensität. Eine Betriebsrätin vom Randstad-Betriebsrat schätzte Zeitarbeiter als in der Regel gut qualifiziert und flexibel ein. Sie stünden unter einem sehr hohen Druck, weshalb sie nach ihrer Meinung eigentlich sogar besser verdienen müssten als ihre fest angestellten Kollegen.
Deshalb hält die Fraktion DIE LINKE eine sozial gerechte Regulierung der Leiharbeit für unumgänglich. Dies muss nach drei Grundsätzen geschehen: gleicher existenzsichernder Lohn für gleiche Arbeit, Schutz der regulären Beschäftigungsverhältnisse und Recht auf Mitbestimmung auch für Leiharbeitnehmer.
Erstens wollen wir, dass für die Leiharbeitnehmer das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ gilt. Aus unserer Sicht schließt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in seiner jetzigen Form die Ungleichbehandlung nicht aus und muss daher geändert werden.
Zwar regelt § 9 - Unwirksamkeit - des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes, dass für die Leiharbeitsbeschäftigten für die Zeit der Überlassung keine schlechteren Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts gelten dürfen, als diese im Betrieb des Entleihers für vergleichbare Tätigkeiten in Anwendung gebracht werden, aber gleichzeitig wird dies dadurch aufgehoben, dass durch Tarifverträge abweichende schlechtere Regelungen zugelassen werden, die in der Praxis das Fairnessprinzip aushebeln.
Entweder ist der bestehende Tarifvorbehalt, der eine Abweichung von dem Prinzip „gleiches Entgelt für gleiche Arbeit“ ermöglicht, abzuschaffen oder die Tarifvertragsparteien sind verbindlich auf die Umsetzung des Gleichbehandlungsprinzips zu verpflichten.
Lohndumping muss auch im grenzüberschreitenden Verleih von Arbeitnehmerinnen verhindert werden. Deswegen ist eine europaweite Regelung notwendig, die den Gleichbehandlungsgrundsatz für Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer gegenüber den Beschäftigten des Einsatzbetriebes festschreibt.
Zweitens will die Fraktion DIE LINKE, dass reguläre Beschäftigungsverhältnisse auch durch eine begrenzte Verweildauer geschützt werden. Die gesetzlichen Regelungen müssen der ursprünglichen Intention der Leiharbeit, nämlich der Abfederung von Auftragsspitzen, gerecht werden.
Die durch die Hartz-Gesetze in das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz eingeführte Möglichkeit, einen Dauerarbeitsplatz zeitlich unbefristet mit ein und demselben Leiharbeitsbeschäftigten zu besetzen, öffnete der Verdrängung regulärer Beschäftigungsverhältnisse und der Umgehung tariflicher Beschäftigungs- und Entlohnungsregelungen Tür und Tor.
Deshalb fordert DIE LINKE die gesetzliche Befristung des Einsatzes von Leiharbeitskräften sowie die Unterbindung der lückenlosen Wiederbeschäftigung in ein und demselben Entleihbetrieb.
Drittens wollen wir, dass die betriebliche Mitbestimmung über den Einsatz von Leiharbeitnehmern gestärkt wird. Betriebsräte verfügen über Mitbestimmungsmöglichkeiten in Personalfragen, bei Betriebsänderungen und bei Maßnahmen der Beschäftigungssicherung. Das Betriebsverfassungsgesetz berücksichtigt derzeit aber nicht hinreichend die spezifischen Anforderungen an die Mitbestimmung, die sich aus der Leiharbeitsbeschäftigung ergeben.
Deswegen fordern wir die Aufnahme des Aspekts der Änderung der Beschäftigtenstruktur, also der Zusammensetzung der Belegschaft eines Betriebes nach der Form des Beschäftigungsverhältnisses, in den Anwendungskatalog des § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes. Auf diese Weise könnten Betriebsräte an Entscheidungen über den Umfang und die Dauer von Leiharbeit beteiligt werden.
Notwendig ist auch die Präzisierung der Mitbestimmung nach § 99 des Betriebsverfassungsgesetzes bei personellen Einzelmaßnahmen über die Beschäftigung von Leiharbeitnehmerinnen. Sicherzustellen ist insbesondere das Informationsrecht des Betriebsrates bei der Einstellung. Gegenwärtig wird das bestehende Informationsrecht bei personellen Einzelmaßnahmen häufig dadurch unterlaufen, dass die Auswahl der Leiharbeitnehmerinnen durch das entleihende Unternehmen bzw. durch
externe Personalagenturen erfolgt und dass der Betriebsrat vor der Einstellung nicht einmal mehr die Namen der Beschäftigten erfährt.
Außerdem muss der Katalog beratungspflichtiger Vorschläge des Betriebsrates zur Beschäftigungssicherung nach § 92a - Beschäftigungssicherung - des Betriebsverfassungsgesetzes um den Tatbestand der Nutzung von Leiharbeit erweitert werden.
Meine Damen und Herren! Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit hat im vergangenen Jahr in einer Untersuchung zum Thema Leiharbeit festgestellt, dass Leiharbeit Lohndumping begünstigt und bei den Beschäftigten zu erheblichen Einkommenseinbußen führt. Leiharbeiter verdienen deutlich weniger als ihre fest angestellten Kolleginnen und Kollegen in dem jeweiligen Betrieb, die die gleiche Arbeit verrichten.
Die Leiharbeit ist ein weiterer Strang des Niedriglohnsektors, der sich verfestigt, wodurch sich die Kosten der sozialen Transferleistungen weiter erhöhen. Wenn Sie das nicht wollen, dann unterstützen Sie bitte unseren Antrag. - Vielen Dank.
Danke für die Einbringung, Frau Rogée. - Für die Landesregierung spricht der Wirtschaftsminister Herr Dr. Haseloff.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Leiharbeit wird durch das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geregelt. Im Prinzip gilt, dass die Leiharbeitsfirma Arbeitnehmer zu den wesentlichen geltenden Arbeitsbedingungen einschließlich des Entgelts des entleihenden Betriebes beschäftigen muss. Das ist erst einmal die Grundaussage.
Wenn ich dies extra so hervorhebe, dann deswegen, weil man sagen kann, dass es dann, wenn es nicht Tarifpartner gäbe, die die Gleichbehandlung im Job im Sinne der Betroffenen, der Branche oder der Region anders regulieren wollten, keinen Unterschied zwischen den Konditionen für die Leiharbeiter und für die normalen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in einem Unternehmen gäbe. Das ist erst einmal zumindest die Grundaussage.
Das heißt, ich kann Herrn Spidla überhaupt nicht verstehen. Ich würde dringend darum bitten - das würden wir sogar in unsere Verantwortung legen -, ihn darüber zu informieren, wie das deutsche Recht eigentlich funktioniert; denn das, was er über den deutschen Leiharbeitsmarkt sagt - ich beziehe mich auf das von Ihnen, Frau Rogée, angebrachte Zitat -, ist einfach nicht nachvollziehbar.