Für uns ist Wirtschaftspolitik deshalb nicht Selbstzweck. Aber die Stärkung der eigenen Wirtschaftskraft ist der einzige Weg in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Nicht unter den abschirmenden Schutzstrukturen eines abgeschlossenen Wirtschaftsraums mit nicht konvertierbarer Binnenwährung, sondern in einem offenen System globaler Zusammenarbeit und weltweiten Wettbewerbs müssen wir uns bewähren.
Die uns zur Verfügung gestellten finanziellen Hilfen sind als Unterstützung zum Aufbau der Selbsthilfe gedacht und nicht als eine Form der Daueralimentierung. Wir sind dankbar dafür, aber erfolgreich werden wir nur sein, wenn wir den Ehrgeiz, den Stolz und die Kraft aufbringen, möglichst bald nicht mehr auf solche Hilfen angewiesen zu sein.
Wir müssen aus meiner Sicht jetzt jene Mentalität überwinden, die das eigene Selbstwertgefühl vom Maßstab anderer abhängig macht. Natürlich braucht eine Leistungsbewertung Maßstäbe aus Vergleichen. Das gilt nicht nur im Sport, sondern auch in allen Politikfeldern.
Es gibt Bereiche, in denen wir besser sind, und andere, in denen wir noch schlechter sind als vergleichbare westdeutsche Länder. Wir jubeln nicht über die einen;
denn sie werden mit fremdem Geld finanziert. Und wir lamentieren nicht über die anderen; denn sie haben mit den Folgen einer früheren Politik in dieser Region zu kämpfen. Aber wir sollten uns in der Zuversicht gegenseitig ermuntern, dass wir die Erfolge bald selbst finanzieren können und die Defizite systematisch ausgleichen können.
Meine Damen und Herren! Ursprünglich hatte ich ein ganzes Zahlenwerk vorbereitet, um im 18. Jahr nach der Wiedervereinigung den eigenen Leistungsstand im Vergleich zu den westdeutschen Flächenländern oder den anderen neuen Bundesländern zu messen.
Ich halte das auch für jeden Fachausschuss für notwendig und bitte ausdrücklich darum, dass so verfahren wird. Es schien mir aber mit der Würde und dem Selbstbewusstsein unseres Landes nicht vereinbar, uns an dieser Stelle immer nur an den anderen zu messen. Wir wollen unseren eigenen Weg gehen. Wir kennen unsere Probleme. Wenn wir die richtigen Prioritäten setzen, werden wir auch die Kraft haben, sie zu lösen, aber eben nur dann. Diese Kraft schöpfen wir auch aus den Erfahrungen unserer eigenen Geschichte.
Es gehört zu den Vorteilen eines föderalen Systems, unterschiedliche Wege und Strukturen wählen zu können. In einigen Gestaltungsbereichen stellen wir jetzt fest, dass andere Länder mit einem geringeren Mitteleinsatz gleiche oder sogar größere Erfolge haben. Ich bitte jeden Fachausschuss, sich darüber zu informieren.
Für uns ist eine kritische Reform der eigenen Strukturen wichtiger, als mehr finanzielle Mittel in ein nicht wirklich effektives System zu geben. Wenn wir uns unkritisch selbst für optimal halten und nur finanzielle Mittel in größerem Umfang fordern, würden wir die Chancen des Föderalismus ungenutzt lassen. Deshalb bitte ich darum, in allen Bereichen zu beobachten, wie andere Länder die meist gleichen Probleme lösen. Ich hielte es für falsch, wenn wir unsere Probleme immer nur auf Finanzierungsprobleme reduzieren würden.
Wir in unserem Teil Deutschlands haben allein durch die Wiedervereinigung einen Transformationsprozess aller gesellschaftsrelevanten Strukturen hinter uns, der uns auch Erfahrungen im Umgang mit Reformen gelehrt hat, die das gesamte Deutschland noch brauchen wird.
Das begann mit der Einbeziehung in den Rechtsrahmen des Grundgesetzes und mit der damit verbundenen Änderung fast aller Rechtsnormen und Rechtsstrukturen. Diese Reformen sind aus meiner Sicht erstaunlich konfliktarm verlaufen; aber manches wurde auch vom Grundsatz her missverstanden.
Mit der bitteren Aussage „Wir wollten Gerechtigkeit und bekamen den Rechtsstaat“ werden die Begriffe, wie ich es sehe, unzulässig vermischt. Niemand würde formulieren: „Wir wollten Gesundheit und bekamen das Gesundheitswesen“.
Der Rechtsstaat ist eine Struktur, die sich an selbst gesetzte Normen bindet, die Willkür vermeiden soll und die die Suche nach Gerechtigkeit befördern soll. Mehr als mit der Verpflichtung, unter vergleichbaren Bedingungen und Voraussetzungen - unabhängig von der Person - nach gleichen Regeln zu entscheiden, wird sich eine
Mit dem Begriff „soziale Gerechtigkeit“, mit dem politische Parteien im Wettbewerb argumentieren, ohne ihn präzise zu definieren, wird diese Undeutlichkeit noch größer. Sie macht einen großen Teil der gegenwärtigen öffentlichen Diskussion über unser Selbstverständnis aus.
Sozialwissenschaftler haben festgestellt, dass sich in allen Teilen Deutschlands zunehmend ein Eindruck von wachsender Ungerechtigkeit verbreitet. Bei der Frage nach den eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit gehen die Antworten weit auseinander. Eine große Mehrheit plädiert dafür, dass der Staat für alle, die arbeiten wollen, einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen sollte.
Dafür habe ich Verständnis; das kommt uns nicht unbekannt vor. Deshalb haben wir auch mit dem Projekt „Bürgerarbeit“ begonnen. Nach unserer Vorstellung gehört es zur Würde des Menschen, dass er nicht nur mit Geld getröstet wird, sondern dass jedem eine wie auch immer geartete gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird.
Diejenigen, die sich selbst als Verlierer der Wiedervereinigung bezeichnen - das sind bei uns in SachsenAnhalt immerhin 15 % -, werden wir nicht aufgeben. Wir werden auch weiterhin versuchen, sie zu integrieren. Wir wissen, der beste Weg dahin führt über einen eigenen Arbeitsplatz.
Ein zugegeben schwieriges Problem in einer offenen, dem Rechtsstaatsgedanken verpflichteten Gesellschaft ist der Widerstand gegen gesellschaftspolitisch extreme Aktivitäten. Geschlossene Gesellschaften mit eigener Staatsdoktrin lösen solche Probleme mit uns bekannten Methoden staatlicher Machtanwendung. Eine offene Gesellschaft muss aushalten, was sie nicht verbieten kann.
Das heißt aber nicht, dass wir alles unwidersprochen hinnehmen müssen. Unterschiedliche Urteile der verschiedenen Ebenen der Rechtsprechung beweisen nur die Schwierigkeiten dabei. Umso wichtiger ist es, die eigene Bevölkerung gegen diese Denkinhalte zu immunisieren.
Als während des letzten Sachsen-Anhalt-Tages überraschend eine kleine Gruppe verirrter Rechtsextremer durch die Straßen zog,
haben sich erfreulich viele umgedreht und diese demonstrativ geringschätzig einfach ignoriert. Schneller war ein solcher Spuk noch nie zu Ende.
Je besser es uns gelingt, für die Akzeptanz demokratischer Strukturen zu werben, umso geringer wird die Empfänglichkeit für dieses Gedankengut werden.
Unserem Netzwerk für Demokratie und Toleranz haben sich inzwischen 268 Organisationen und Vereine angeschlossen. Nur mit einer breiten und im Einzelnen sehr unterschiedlichen Bewegung werden wir die Menschen erreichen und erfolgreich sein. Die gewollte Offenheit unserer Gesellschaft zwingt uns, durch Überzeugung jene Akzeptanz zu erreichen, die eine andere Gesellschaft mit staatlicher Gewalt erzwingen wollte.
Wir haben, so denke ich, dieses Ziel noch nicht erreicht. Wir wissen aber auch, dass wir unsere Offenheit wieder verlieren würden, wenn wir es nicht erreichen sollten. Das sichert uns die Zustimmung vieler, denen das offene Selbstverständnis gelebter Demokratie wichtig ist.
In diesem Zusammenhang ist es, denke ich, unverzichtbar, uns gegenseitig an das Ende der so genannten Weimarer Demokratie zu erinnern, die nach nur 14 Jahren von einer gewählten Diktatur abgeschafft wurde. Bereits im Jahr 1930 hatte der für den Zeitgeist sensible Thomas Mann in seiner berühmten „Deutschen Ansprache - Ein Appell an die Vernunft“ die - ich zitiere - „primitiv-massendemokratische Jahrmarktsrohheit“ angeprangert und von einer Kulturnation erwartet, dass diese nicht einer - ich zitiere - „verstandesschlichten strammen Biederkeit nationaler Simplizität“ verfällt.
Da jeder weiß, wie die Geschichte weiterging, gilt es, den Anfängen zu wehren und zum Beispiel diese Rede auch in jeder Schule zu erklären.
Es ist unbestritten, dass große soziale Probleme die Akzeptanz für eine demokratische Entscheidungsfindung eher belasten als begünstigen.
Aus den alten Bundesländern sagen uns Fachwissenschaftler, dass es dort in den frühen 50er-Jahren durchaus noch kein gefestigtes Demokratieverständnis gab und dass dieses erst mit dem wirtschaftlichen Aufschwung zu Beginn der 60er-Jahre gewachsen sei.
Unter den Bedingungen des schwierigen wirtschaftlichen Transformationsprozesses sollten wir uns deshalb derzeit nicht überfordern; aber es wäre sicherlich falsch, diese Aufgabe jetzt nicht als die unsere zu erkennen.
Die wirtschaftliche Entwicklung läuft für deutsche Verhältnisse gegenwärtig relativ gut. Auch wir profitieren davon. Wie im Vorjahr haben wir auch im ersten Halbjahr dieses Jahres überdurchschnittlich hohe Wachstumsraten mit steigenden Exportanteilen zu verzeichnen. Es gibt weiterhin einen Zuwachs an versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen und einen zunehmenden Bedarf an Facharbeitern. Darauf wird die Arbeitsverwaltung mit gezielten Qualifizierungsangeboten reagieren.
Im Jahr 2007 konnten bis September 173 gewerbliche Investitionsvorhaben mit einem Gesamtvolumen von ca. 800 Millionen € als Grundlage für 3 200 neue Dauerarbeitsplätze umgesetzt werden. Erfreulich ist die Zahl von 120 Erweiterungsinvestitionen in diesem Jahr als Zeichen des eigenen Wachstums.
Derzeit laufen Verhandlungen mit mehreren potenziellen Investoren - auch bei größeren Projekten -, von denen bis Ende des Jahres Entscheidungen über Investitionen mit einem Volumen von noch einmal etwa 500 Millionen € zu erwarten sein werden. Damit wird nach den Planungen die Schaffung weiterer 800 neuer Arbeitsplätze verbunden sein. Auch die anderen Länder berichten über ähnliche Entwicklungen.
Nach der abgeschlossenen Transformation der Staats- und Rechtsstrukturen sowie nachdem der wirtschaftliche Transformationsprozess seine Talsohle durchschritten hat, müssen wir jetzt selbstkritisch feststellen, dass wir dem mentalen Transformationsprozess zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet haben. Mit der Wiedervereinigung sind wir in kürzester Zeit in die Strukturen einer offenen Gesellschaft gekommen, die wir wollten, aber auf die wir nicht vorbereitet waren. Ich will versuchen, dies am Beispiel eines einzelnen Buches deutlich zu machen:
Im Jahr 1989 veröffentlichte der in Magdeburg geborene, philosophisch gebildete ehemalige - wie er sich selbst bezeichnet - Nomenklaturkader der SED Rolf Henrich beim Rowohlt-Verlag in Hamburg sein Buch über den vormundschaftlichen Staat. Es ist eine brillante Abrechnung mit dem DDR-Regime, wofür er damals verständlicherweise nicht gelobt wurde. Das Buch war hier verboten, wurde aber heimlich viel gelesen, viel diskutiert und sehr geschätzt.
Nach der Öffnung der Mauer wurde es Anfang des Jahres 1990 vom Kiepenheuer-Verlag nur für die DDR nachgedruckt und jeder konnte es jetzt kaufen. Nur noch wenige haben sich dafür interessiert. Wir alle waren zu sehr mit uns selbst beschäftigt und mit der Lösung aktueller Probleme im ständigen Wandel. Niemand hatte Zeit für demokratietheoretische Diskussionen.
Wenn wir jetzt aus dem Sachsen-Anhalt-Monitor erfahren, dass eine überwiegende Mehrheit das Demokratieprinzip als erstrebenswert empfindet, aber eine noch größerer Teil unserer Bürger über die von uns praktizierte Art schwer enttäuscht ist, dann können wir, wie ich denke, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Manches abgegebene Urteil empfinde ich sogar als ungerecht. Aber die repräsentative Demokratie ist eben erklärungsbedürftig und die Sachzusammenhänge, aus denen heraus wir entscheiden müssen, sind es auch. Das heißt, wir müssen uns mehr Zeit nehmen, sie zu erklären.
Ich bin für jeden schüchternen Versuch unserer Medien dankbar, einen solchen klärenden Diskussionsprozess zu begleiten. Sie müssen das in ihren eigenen Strukturen gestalten. Die Analyse der jeweils eigenen Sachzwänge der Medien in unserer Gesellschaft, die Tony Blair in seiner Rede beim Abschied aus dem Amt sehr zutreffend beschrieben hat, trifft auch auf uns in Sachsen-Anhalt zu.
Trotzdem frage ich mich gelegentlich, warum wir uns immer nur mit der Repressionspolitik der ehemaligen DDR beschäftigen, so schmerzhaft diese auch war, aber nicht mit der sozial motivierten Umverteilungspolitik in einem zwangsläufig abgeschotteten Wirtschaftsraum, die genau diese Repressalien notwendig gemacht hat.
Eine offene Analyse des so genannten Schürer-Berichts aus dem Oktober 1989 ist meines Wissens bisher nur in der Fachliteratur erfolgt.
Ich war vor etwa einem Jahr - das will ich beispielhaft gern einfügen - zu einem zehnjährigen Betriebsjubiläum nach erfolgreicher Zweitprivatisierung in ein Motorenwerk eingeladen. Gleichzeitig feierte der Betrieb sein 60-jähriges Bestehen. Der Investor hatte einen zweistelligen Millionenbetrag investiert und war stolz auf die steigende Umsatzentwicklung und auch auf seine guten