Essengeld in der Kita oder der Schule nichts zahlen können. Denken Sie dabei an die 2,58 € pro Tag gemäß Regelsatz. Nun werde ich an dieser Stelle keine kostenlose Kita- und Schulspeisung für alle Kinder fordern, weil das finanziell vom Land nicht in der Gänze zu leisten wäre und auch nicht erforderlich ist.
Auf dieses Problem angesprochen, äußerte der Kultusminister kürzlich, dass es sich nur um Einzelfälle handele, in denen mit individuellen Lösungen geholfen werden könne. - Gut, dann lassen Sie uns darüber reden, wie wir die entsprechenden Fälle mildern können und niemanden durch das Netz fallen lassen.
Nun ist neben dem Sozial- und dem Kultusministerium auch das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr gefragt. Großinvestoren sind wichtig, aber die Stadtentwicklung sollte sich vor allem an den Interessen der Bevölkerung orientieren. Durch Kinderfreundlichkeit kann die urbane Lebensqualität steigen und kann auch der Ghettoisierung vorgebeugt werden. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass der Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr, der die Kinderfreundlichkeit quasi im Namen führt, noch weitere Ideen hat.
Aber auch die Wirtschaftspolitik kann und muss ihren Beitrag gegen die Kinderarmut leisten. Ein großes Stichwort ist dabei sicherlich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns. Mit großem Interesse habe ich wahrgenommen, dass die Kinderarmut in Großbritannien seit der Einführung des Mindestlohns um mehr als die Hälfte gesunken ist.
Außerdem haben wir die Wirtschaft bereits beim Landesbündnis für Familien im Boot. Lassen Sie uns auch dort die Kinderarmut thematisieren und dafür werben, dass beispielsweise Bildungspartnerschaften zwischen Unternehmen und Schulen oder Kitas geschlossen werden. Warum sollten Unternehmen nicht davon überzeugt werden, die Schulspeisung zu fördern? Sie haben ein originäres Interesse an gesunden, gut gebildeten Fachkräften in der Zukunft. - All das sind kleine Schritte, die wir aber dringend gehen müssen.
Lassen Sie abschließend noch etwas zum Landeshaushalt und zur Finanzpolitik sagen. Nach wie vor sind in der Finanzpolitik grob formuliert Investitionen in Beton mehr wert als die Förderung der Bildung. Das ist ein fataler Fehler, der uns, wenn wir genauer hinschauen, schon jetzt auf die Füße fällt. Ich denke, dass es gut ist, dass mit der Einführung der so genannten Bildungsquote im Haushalt zumindest Teilbereiche sichtbar werden, die als Investition in die Zukunft zu erkennen sind. Aber: Die so genannten konsumtiven Ausgaben bei Kindern und Jugendlichen sind keine Last für die Gesellschaft, sondern sind endlich als Investitionen in die Zukunft zu verstehen und damit auch zu verteidigen.
Es ist richtig und wichtig: Wir müssen sparen, weil die Einnahmen sinken und weil zukünftige Generationen nicht auf ewig verschuldet sein sollen, sein dürfen. Aber das Argument, wir müssten dringend sparen, weil wir die zukünftige Generation nicht mit dieser Schuld belasten dürften, darf uns nicht die Augen davor verschließen lassen, dass wir die Kinder von heute damit doppelt bestrafen.
Ja, es ist problematisch, die zukünftigen Generationen mit hohen Schulden und schließlich auch mit wenig Rente zu belasten. Aber es ist eben auch falsch, die Kinder
von heute damit zu bestrafen, dass wir ihnen beispielsweise durch einen Halbtagsplatz in der Kindertageseinrichtung Bildungschancen nehmen.
Deshalb lassen Sie uns eine vernünftige Haushaltskonsolidierung vornehmen, die sich an den Interessen der heutigen und der zukünftigen Kinder messen lassen muss, und gleichzeitig Strategien gegen die Kinderarmut entwickeln.
Nun zu Ihrem Alternativantrag, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen. Ich möchte Ihren Alternativantrag nicht ins Lächerliche ziehen, aber ich möchte schon sagen, woran ich beim Lesen denken musste: an Weichspüler. Den benutzt man, um sich das Tragen der Wäsche so angenehm wie möglich zu machen; sie soll schließlich nicht kratzen und soll angenehm duften.
Warum haben Sie ein Problem damit, die Armut ganz klar als ein gesellschaftliches Problem zu benennen und sich dafür auszusprechen, Maßnahmen dagegen zu ergreifen? Mit Ihrem Alternativantrag drücken Sie sich um eine klare Positionierung. Dass das dem Problem angemessen ist, bezweifele ich.
Sie fordern die Landesregierung auf, einen neuen Armuts- und Reichtumsbericht im Frühjahr 2008 vorzulegen. Berichte sind zur Wissensvermittlung und Wissensaneignung sicherlich immer gut und machen uns auch nicht dümmer. Aber, sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen, wollen Sie sich tatsächlich damit zufrieden geben, dass Ihnen die Landesregierung Zahlen und Fakten vorlegt, die Ihnen schon heute größtenteils bekannt sind?
Den Zahlen und Fakten müssen endlich konkrete Taten folgen, die wirksam und nachhaltig etwas für die Kinder in diesem Land ändern. Ich fordere nicht nur von der Landesregierung, Strategien gegen die Kinderarmut zu entwickeln. Bei dieser Thematik ist unser aller Hirnschmalz gefragt.
Auch in unserem Antrag wird die Landesregierung zur Berichterstattung aufgefordert, das ist richtig.
Doch darüber hinaus haben wir uns aus der Deckung gewagt und unter Punkt 3 unseres Antrages einige konkrete Vorstellungen formuliert, die dazu beitragen könnten, die Lebenssituation betroffener Kinder und Jugendlicher zu verbessern. Dies tun Sie nicht, sondern Sie verstecken sich und füllen - um im Bild zu bleiben - noch etwas Weichspüler nach. Aber warum diese Angst, sich zu positionieren und Vorschläge zu machen? Das haben Sie doch eigentlich gar nicht nötig.
„Armut beginnt heute vor allem als Bildungsarmut. Dies kann lebenslang nachwirken. Kinder zu fördern und zu fordern und ihnen dabei zu helfen, ihre Talente zu entfalten und eines Tages selbstbewusst und in Freiheit Verantwortung zu übernehmen, ist eine wichtige Aufgabe. Unser Ziel ist es, die Startchancen von Kindern unabhängig von ihrer sozialen Herkunft zu verbessern. Kinder müssen auf der Werteskala unserer Gesellschaft ganz nach oben rücken.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, das müsste Ihnen bekannt vorkommen. Das ist ein Auszug aus Ihrem Parteitagsbeschluss vom November 2006 in Dresden.
Warum dann also heute dieser unentschlossene Alternativantrag? Ringen Sie sich doch durch und zeigen Sie ein paar Ideen. Seien Sie doch ein bisschen kreativ und füllen Sie Ihren eigenen Parteitagsbeschluss endlich mit Leben in Sachsen-Anhalt.
Wenn Ihnen dann immer noch der Mut fehlt, schauen Sie doch einfach mal nach Nordrhein-Westfalen. Dort wird gerade mit der Begründung, dass alle Kinder gleichermaßen gefördert werden müssen, für das modernste Kinderbetreuungsgesetz gestritten, und zwar von der CDU.
In Richtung der SPD sage ich: Sie wissen sehr genau, dass wir hier über ein sozialpolitisches Thema mit hoher Brisanz reden, das konkrete Maßnahmen unabdingbar macht. Außerparlamentarisch klappt das. Ich finde es ausgesprochen richtig und absolut unterstützenswert, dass die AWO einen Kinderfonds ins Leben gerufen hat. Das ist ein tolles Projekt, und ich hoffe, dass es funktionieren wird.
Warum aber retten Sie nicht einen Bruchteil Ihres außerparlamentarischen Mutes in das Parlament und treten mit uns in einen an der Sache und an konkreten Hilfen orientierten Dialog ein?
Was halten Sie beispielsweise von einem Sozialziel, das folgendermaßen lautet: Sachsen-Anhalt hat sich zum Ziel gesetzt, die Kinderarmutsquote bis zum Jahr 2012 um mindestens 5 Prozentpunkte zu senken? Natürlich wäre das Satz, an dem wir alle uns messen lassen müssten, aber vielleicht braucht die Politik genau diesen Anreiz, um endlich aktiv zu werden.
In diesem Sinne halten wir Ihren Alternativantrag für sich allein zwar nicht für schädlich, da er aber nicht zum Ziel, nämlich zu einer wirksamen Bekämpfung der Kinderarmut, führt, werden wir ihn ablehnen und werben für die Zustimmung zu unserem Antrag, der bewusst mehr Reibungsfläche bietet, Ideen beinhaltet und zur Auseinandersetzung einlädt.
Sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen! Kinder machen vielleicht nur einen Anteil von 14 % der Bevölkerung aus, aber ich denke, wir alle wissen: Sie sind 100 % der Zukunft. Ich denke, wir müssen gemeinsam alles dafür tun, damit ihr erster Kontakt mit dem Staat nicht der Besuch des Sozialamtes ist. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Kinderarmut ist ein bedrückendes Pro
blem. Wenn, wie in der Unicef-Studie aus dem Jahr 2005 dargestellt, die relative Kinderarmut in Deutschland mit 2,7 % stärker angestiegen ist als in den meisten anderen Industrienationen, dann ist das alarmierend. Wenn in einigen Regionen Ostdeutschlands mehr als 30 % der Kinder als arm gelten und die Armutsrate bei Kindern hier schneller steigt als im Durchschnitt der sonstigen Bevölkerung in Deutschland, dann wird deutlich: Armut hat in Deutschland neben vielen anderen Gesichtern inzwischen eines, das sehr jung ist.
Es geht aber schon lange nicht mehr darum, Kinderarmut zu leugnen oder klein zu reden, wie noch vor ca. zehn Jahren, als der zehnte Kinder- und Jugendbericht wegen dieses Themas unter Verschluss gehalten wurde. Das heißt, wir haben grundsätzlich kein Erkenntnisproblem mehr, spätestens seit die Bundesregierung den ersten Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt hat und Sachsen-Anhalt diesem Beispiel gefolgt ist.
Worum es jetzt gehen muss, ist in der Tat die Frage nach den richtigen Handlungskonzepten und -strategien. Dem muss aber eine saubere Analyse vorangehen. Dazu folgende Feststellungen:
Die Kinderarmut in Deutschland ist nach der genannten Unicef-Studie nach einem Tiefstand im Jahr 1989 bereits seit Anfang der 90er-Jahre im Steigen begriffen. Ein signifikanter Anstieg ist nochmals nach dem Jahr 1999 zu verzeichnen gewesen.
Auch wenn jetzt ca. ein Drittel der unter 15-Jährigen in Sachsen-Anhalt in Bedarfsgemeinschaften lebt, ist dennoch eine gewisse Vorsicht geboten, einen nur monokausalen Zusammenhang zwischen Kinderarmut und der Einführung von Hartz IV zum 1. Januar 2005 herzustellen. Ich glaube, dann blendet man auch andere Bereiche, die Gefährdungen darstellen, aus.
Nach einer Analyse des IAB aus dem Jahr 2007 sind die Gewinner der damaligen Arbeitsmarktreform Haushalte mit zwei und mehr Kindern; die Verlierer sind Haushalte, die vor der Reform einen vergleichsweise hohen Anspruch auf Arbeitshilfe hatten, sowie kinderlose Haushalte und Haushalte mit nur einem Kind.
Kinderarmut ist zu großen Teilen ein von der Einkommensarmut von Erwachsenen abgeleitetes Problem. Das höchste Risiko, durch Kinder in Armut zu geraten, tragen, wie wir wissen, Alleinerziehende. Alleinerziehende sind nicht nur häufiger arm, sondern bleiben es auch über längere Zeiträume als der Durchschnitt der Bevölkerung.
Eine der wesentlichen Ursachen für Armut ist - auch das ist bekannt - Arbeitslosigkeit, aber eben nicht nur. Immer mehr Menschen sind trotz Arbeit arm, können trotz Erwerbstätigkeit ihre Existenzsicherung nicht allein bestreiten und bedürfen ergänzender Hilfen. Es ist gut, dass die Diskussion um die Mindestlöhne weitergeht, dass im Postbereich zwei Verabredungen getroffen worden sind und Gespräche in weiteren Branchen geführt werden.
Meine Damen und Herren! Die Landesregierung hat in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um Menschen in Sachsen-Anhalt dabei zu unterstützen, in Arbeit zu kommen - ich denke, mit Erfolg. Die Zahl der Beschäftigungsverhältnisse ist gestiegen. Dies ist für uns aber kein Grund, in irgendeine Art von Selbstzufriedenheit zu verfallen. Die nächste EU-För
derperiode gibt uns aber die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen für die Schaffung von Arbeitsplätzen und auch die Zugänge von Benachteiligten zum Arbeitsmarkt weiter zu verbessern.
Die Fortführung der Bürgerarbeit und die Ausgestaltung des Kommunal-Kombi sind wichtige Optionen, ebenso die Bedingungen für Zuverdienstmöglichkeiten für Menschen, die unter die SGB-II-Regelung fallen, zu verbessern. Die Überprüfung der Regelsätze zu intensivieren und den Kinderzuschlag zu erweitern, halte ich auch für richtig.
Einen zumindest für mich wesentlichen Punkt möchte ich noch erwähnen: Mütter, die arbeiten, sind die wirkungsvollste Strategie gegen Kinderarmut; das sagt zumindest Gösta Esping-Andersen. Das bedeutet für die Landesregierung, dass wir noch stärker auf die Förderung der Frauenerwerbstätigkeit, und zwar auf die Förderung einer Vollzeiterwerbstätigkeit, setzen müssen, wenn wir uns vor Augen halten, dass gegenwärtig 43 % aller erwerbstätigen Frauen weniger als 900 € im Monat verdienen.
In meinem Hause werden wir EU-Programme fortsetzen, die zum Beispiel jungen Alleinerziehenden eine Berufsausbildung und damit eine berufliche Entwicklung ermöglichen, Mädchen und junge Frauen für zukunftsträchtige Berufsfelder gewinnen helfen und Existenzgründungen von Frauen fördern.
Die Einkommensarmut - Frau von Angern hat es dargestellt - ist aber nur ein Teil eines großen Problems. Kulturelle Armut, Teilhabearmut und Bildungsarmut sind der andere große Bereich, mit dem wir uns auseinander setzen müssen.
Kinder aus armen Familien sind in vielerlei Hinsicht benachteiligt und zum Teil ausgegrenzt. Neben materiellen Dingen fehlt es oft an Bildung, an Zuwendung, an Erziehung und an einem guten gesundheitlichen Zustand. Auch die Klage vieler Kinder, dass die Eltern nicht oder nicht mehr ausreichend mit ihnen sprechen, gehört dazu. In diesem Zusammenhang hat die Landesregierung durchaus Gestaltungsmöglichkeiten, zum Beispiel wenn es um die Bildung und Stärkung der Elternkompetenz geht.