Protocol of the Session on September 13, 2007

Denn die Erfahrung der letzten Zeit ist immer nur, Herr Gürth: Unser Populismus von heute ist Ihr Realismus von morgen.

(Herr Kosmehl, FDP: Oh!)

Und deswegen: Lassen Sie uns erfolgreich in diese Haushaltsverhandlungen starten!

(Lebhafter, lang anhaltender Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Meine Damen und Herren! Ich habe dem Redner etwas mehr Redezeit zugestanden und möchte das auch den anderen Rednern zugestehen, weil die Landesregierung bei diesem wichtigen Thema natürlich ein Stückchen länger gesprochen hat. Das ist zwangsläufig der Fall gewesen.

Ich möchte aber den Fraktionsvorsitzenden Herrn Gallert bitten, dass wir uns auch bei der Wortwahl gegenseitig respektieren. Feldzüge werden wir in diesem Hause nicht zulassen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ja!)

- Herzlichen Dank! - Jetzt hat Herr Scharf für die CDUFraktion das Wort.

Herr Scharf, ich gestehe Ihnen auch ein bisschen mehr zu. Es wäre aber schön, wenn sich alle an die Redezeiten halten würden, die wir vereinbart haben.

(Herr Tullner, CDU: Warum fangen Sie denn bei Herrn Scharf damit an?)

- Er kriegt natürlich genauso viel Zeit wie alle anderen. Das ist doch logisch, mein Lieber. - Bitte schön, Herr Scharf.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe keinen Zweifel an der fairen Verhandlungsführung des Präsidenten.

Meine Damen und Herren! Der erste neuverschuldungsfreie Haushalt zählt zweifellos zu den bedeutendsten Wegmarken in der Geschichte Sachsen-Anhalts. Seine Bedeutung kann nach meiner Auffassung nicht hoch genug eingeschätzt werden, wie ein Blick in die Geschichte offenbart.

Auf der Bundesebene wurde letztmalig im Jahr 1969 ein ausgeglichener Haushalt verabschiedet. Für die einzelnen Bundesländer weist die Schuldenstatistik der Bank deutscher Länder jedoch bereits seit dem Jahr 1950 nennenswerte Schulden aus. Erst im Jahr 2006 gelang es drei Bundesländern, keine neuen Schulden mehr aufzunehmen: Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen.

Deshalb, meine Damen und Herren, geht von diesem Doppelhaushalt 2008/2009 das Signal aus, dass es auch ohne Schulden geht. Wir wirtschaften nicht mehr auf Kosten künftiger Generationen. Wir können unsere

Aufgaben mit den Mitteln erledigen, die uns zur Verfügung stehen. Wir sind darüber hinaus auf dem besten Wege, mit dem Abbau der in gut eineinhalb Jahrzehnten angehäuften Schulden in Höhe von rund 20 Milliarden € zu beginnen.

Ihnen, Herr Gallert, muss ich ganz deutlich sagen, Ihre Strategie ist ganz einfach, dass Sie die Aufgabe des Abbaus der Verschuldung - weil das eine sehr unangenehme Aufgabe ist, die auch entsprechende Konsequenzen erfordert - konsequent dem Bund zuschieben, damit Sie im Land Sachsen-Anhalt vollkommen frei von dieser Hypothek öffentlichen argumentieren können.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Gallert, DIE LINKE: Das macht der Finanzminister doch auch!)

Diese Argumentation ist aber relativ einfach zu durchschauen. Deshalb gehe ich einmal davon aus, dass sie auch in der Öffentlichkeit relativ einfach zu erklären sein wird.

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Wer vor fünf Jahren prophezeit hätte, dass Sachsen-Anhalt schon bald zu den Schrittmachern der Konsolidierung öffentlicher Haushalte gehören würde, der hätte für diese Prognose wahrscheinlich viel Spott geerntet.

Im Juni konnten wir es in den Tageszeitungen lesen: Sachsen-Anhalt steht bei der Konsolidierung des öffentlichen Dienstes deutschlandweit an der Spitze. Diese Entwicklung steht stellvertretend für viele andere Entwicklungen schon seit dem Regierungswechsel im Jahr 2002. Die rote Laterne ist weg. In einigen Bereichen können wir inzwischen sogar ganz vorne mitmischen.

Meine Damen und Herren! Das allgemeine Aufkommen an Steuern beträgt im Jahr 2007 voraussichtlich 5,1 Milliarden €, wird sich im Jahr 2008 auf 5,3 Milliarden € erhöhen und hoffentlich im Jahr 2009 5,5 Milliarden € erreichen. Dies darf uns aber wirklich nicht zum Übermut verleiten; denn die Ausgleichsleistungen zwischen Land, Bund und Ländern betragen im Jahr 2007 immer noch 2,7 Milliarden € und werden im Jahr 2009 auf ca. 2,6 Milliarden € zurückgehen.

Wir wissen, meine Damen und Herren, dass wir unser Haushaltsvolumen bis zum Jahr 2019 wahrscheinlich um ein Viertel werden reduzieren müssen. Es muss jedem klar sein, dass der Spardruck jetzt und in den nächsten Jahren keinesfalls nachlässt. Es gibt also jetzt und in Zukunft nichts zu verschenken.

Es sollte jedem klar sein, dass wir uns als Land Sachsen-Anhalt zumindest für den Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung keinesfalls einem Wettbewerbsföderalismus werden stellen können. Das grundgesetzlich verankerte Ziel, vergleichbare Lebensverhältnisse in ganz Deutschland anzustreben, müsste fallen gelassen werden. Zumindest ich lehne eine solche Politik kategorisch ab. Wenn ich den Finanzminister richtig verstanden habe, hat er dazu eine ähnliche Auffassung.

Meine Damen und Herren! Im Einzelplan 13 ist auch das Finanzausgleichsgesetz verankert. Darin ist unter anderem die vorgesehene Förderung freiwilliger Zusammenschlüsse von Gemeinden etatisiert. Wir erwarten seitens des Innenministeriums noch im Herbst die Novelle zum FAG. Wenn es über die reine Binnenverteilung hinaus Veränderungen geben sollte, müssten wir dies in den

Haushaltsplan einarbeiten. Wir werden hierbei konsequent und zügig arbeiten.

Ich muss Herrn Gallert an dieser Stelle aber auch sagen, dass wir finanzielle Spielräume, die Kommunalfinanzen unabhängig von den Landesfinanzen betrachten zu können, nicht sehen. Wir sitzen alle in demselben Boot und können jeden Euro nur einmal ausgeben.

An dieser Stelle ist auch eine Anmerkung zum Personalkonzept angebracht. Das allgemeine Personalkonzept ist im Wesentlichen aus den Stellenplänen ersichtlich. Der Stellenbestand in den Stellenhaushalten für das Planpersonal in den Wirtschaftsplänen, in den globalen Produkthaushalten und in den Titelgruppen wird sich von ca. 62 000 Planstellen im Haushaltsjahr 2007 auf ca. 57 900 Planstellen im Haushaltsjahr 2009 verringern. Darin ist ein Einstellungskorridor in Höhe von durchschnittlich, wie ich gerechnet habe, 237 Neueinstellungen jährlich bis zum Jahr 2011 inbegriffen.

Diese Zahl - das ist natürlich richtig - ist eine politische Entscheidung, die die Koalition mitträgt. Von den Bedarfen nach dem Arbeitsanfall in den einzelnen Bereichen her könnte man sich durchaus mehr vorstellen. Wenn wir unsere finanzpolitischen Ziele aber nicht gefährden wollen, dann sollte mehr nicht drin sein, zumal noch völlig offen ist, wie die Verhandlungen bezüglich der erfolgten Kündigung des Arbeitsplatzsicherungstarifvertrages für den Lehrerbereich verlaufen werden.

Ich will an dieser Stelle ganz deutlich sagen: Herr Gallert, natürlich ist es sehr misslich, dass wir eventuell infolge dieser Kündigung die gesunde Durchmischung der Lehrerkollegien in den nächsten Jahren nicht hinbekommen werden.

Es ist in meinen Augen aber auch ein unverantwortlicher Schritt der GEW, auf diese Notwendigkeit keinerlei Rücksicht zu nehmen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Re- gierungsbank)

Wir werden als CDU gewiss keinem Schwarzer-PeterSpiel zustimmen, das dann auf Kosten der Schülerinnen und Schüler ausgetragen wird. Aber wenn ein Partner haushaltspolitische Zwänge permanent ignoriert, dann, meine Damen und Herren, sind die Verhandlungen schwierig. Das muss als politische Aussage einmal gesagt werden, auch wenn die Tarifverhandlungen andere führen als wir im Parlament.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das sehen aber an- dere von der Landesregierung anders!)

- Ja, das sehen andere anders.

Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt kurz auf den Einzelplan 03 eingehen und mich hierbei auf drei Punkte konzentrieren: die Gefahrenabwehr, die Umsetzung der kommunalen Gemeindereform und die Arbeit der Stiftung Gedenkstätten. Das sind finanzpolitisch relativ unterschiedliche Bereiche, aber man darf in einer Haushaltsrede auch politische Schwerpunkte setzen.

Meine Damen und Herren! Wir haben eine im Allgemeinen gut arbeitende Polizei, die sich der vollen Unterstützung der CDU-Landtagsfraktion sicher sein kann.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Meine Damen und Herren! Damit dieses auch in Zukunft so ist, gilt es ständig, die gesetzlichen Grundlagen, wenn

notwendig, zu verbessern, die materiellen Ressourcen sicherzustellen und den notwendigen politischen Rückhalt zu geben. All dieses tun wir uneingeschränkt. Wir sind der Auffassung, dass einzelne Defizite im Polizeivollzug nicht dazu berechtigen, die Polizei zu diskreditieren.

Die Fachaufsicht über die Polizei liegt jetzt und in Zukunft beim Innenministerium und nicht bei selbst ernannten Beobachtungstrupps. Dabei haben wir Vertrauen zum Ministerium.

(Zustimmung bei der CDU)

Nun zum Einstellungskorridor bei der Polizei. In den Jahren 2008 und 2009 werden mehr Polizeianwärterinnen und -anwärter ihre Ausbildung beenden, als wir in dem im März 2007 beschlossenen Einstellungskorridor vorgesehen haben. Diese jungen Menschen brauchen wir in der Polizei, um die unabweisbare Alterung auch dieses Personalsbestandes im Vollzugsdienst so weit wie möglich in Grenzen halten zu können. Daher macht es Sinn, den Einstellungskorridor so zu flexibilisieren, dass der Nachwuchs, der jetzt ausgebildet wird, übernommen werden kann und die Gesamtsumme der Anzahl der Neueinstellungen durch eine entsprechende restriktive Einstellungspraxis im Jahr 2011 trotzdem nicht überschritten wird.

Aber, meine Damen und Herren, dies ist trotzdem ein grundsätzlich anderes Vorgehen, als es Herr Gallert vorgeschlagen hat, weil wir uns nur das zutrauen, was wir finanzwirtschaftlich auch wirklich verantworten zu können meinen.

Zur Gefahrenabwehr gehört als rechtliche Grundlage auch ein Gesetz, das den Umgang mit den Gefahren regelt, die von den Hunden ausgehen. Hierbei, meine Damen und Herren, haben wir die Situation, dass die Landesregierung einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, der uns nicht überzeugt hat. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Kolleginnen und Kollegen der SPD bisher nicht überzeugt hat. Ich hoffe aber - das sage ich deshalb hier, weil ich es als eine Aufgabe für uns sehe -, dass wir im Herbst eine Lösung finden werden, die dann auch die Mehrheit der Kolleginnen und Kollegen in diesem Parlament überzeugen wird. Hiermit haben wir eine Aufgabe vor uns, die die Koalitionsfraktionen noch lösen müssen.

Zur kommunalen Gemeindereform. Die Landesregierung hat Anfang August ihr Leitbild für die kommunale Gemeindereform beschlossen und am 11. September den gesetzlichen Rahmen für die Gemeindegebietsreform zur Anhörung auf den Weg gebracht. Als Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion sage ich eine konsequente und zügige Beratung im Landtag zu. Verträge werden eingehalten.

Das von der Landesregierung erarbeitete Leitbild entspricht den Verabredungen in der Koalition. Wie immer müssen natürlich Einzelheiten in den Fraktionen und im Parlament beraten werden. In der Regel verlässt ein Gesetz das Parlament auch anders, als es hineingekommen ist.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Aber wir werden dieses Leitbild, das vorgelegt worden ist, als politischen Willen der Koalition umsetzen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Herrn Stahlknecht, CDU)