Protocol of the Session on July 13, 2007

Ich verlasse Tagesordnungspunkt 23 und rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

Erste Beratung

Rechtliche Regelungen zur Gleichstellung von verpartnerten Beamtinnen und Beamten sowie von Richterinnen und Richtern

Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 5/742

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Bull. Bitte sehr.

Meine Damen und Herren! Ich würde behaupten, dass in Fragen der Akzeptanz schwuler und lesbischer Lebensformen die gesellschaftlichen Mehrheiten den politischen Mehrheiten inzwischen weit voraus sind. Europaweit tut sich etwas. Es gibt politische Entwicklungen, die in Richtung Normalität gehen.

Das katholische Spanien hat auf Initiative des - er heißt tatsächlich so - sozialistischen Ministerpräsidenten Zapatero die Ehe für Lesben und Schwule geöffnet, Belgien und Holland ebenso. Erfreulicherweise ist diese Öffnung gegen den Widerstand des damaligen Staatspräsidenten Václav Klaus auch in Tschechien eingeführt worden.

Aber, meine Damen und Herren, in den letzten Monaten und Jahren gab es auch höchst problematische Entwicklungen, die betroffen machen und die ich selber - das will ich ganz persönlich sagen - nicht für möglich gehalten hätte. In Russland und Polen müssen Homosexuelle um Leib und Leben fürchten. In Moskau und Riga sind CSDs verboten worden.

Und auch Polens Zwillinge denken über Berufsverbote für schwul oder lesbisch Lebende nach. Dabei kann einen schon das Gruseln ereilen. Ich hoffe an dieser Stelle auf die Integrationskraft der Europäischen Union, die solche Menschenrechtsverstöße klar und unmissver

ständlich beim Namen nennt und eine Auseinandersetzung darüber forciert, und das mit offenem Visier.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Gleichstellung von schwulen und lesbischen Lebenspartnerschaften hat auch hier in Deutschland Dynamik erfahren. Das Lebenspartnerschaftsgesetz ist im Jahr 2001 verabschiedet worden - ich würde sagen, dass dies zu dem positiven Saldo von Rot-Grün gehört -, unter Tolerierung der CDU im Bundesrat.

Angefochten, bekriegt, beklagt - letzten Endes hat sich die Vernunft durchgesetzt. Die einen begrüßen das, die anderen knirschen mit den Zähnen. Man wird den Eindruck nicht los, dass Bayern es wahrscheinlich am liebsten gehabt hätte, wenn die Betroffenen zum Heiraten ins Ordnungsamt geschickt würden, damit man ihnen für das räudige Ereignis noch eine Knolle aufdrückt. Genützt hat es ihnen nichts, meine Damen und Herren. Es ist durch.

Die Länder waren und sind gefordert, die gesetzliche Anpassung in eigener Zuständigkeit vorzunehmen. Wie ich finde, hat Sachsen-Anhalt einen akzeptablen Teil der Hausaufgaben gemacht, auch wenn die Landesregierung seinerzeit ein Stück weit zum Jagen getragen werden musste.

Die Föderalismusreform hat den Regelungsbedarf für die Länder aber erhöht. Umfassende Teile des Beamtenrechts sind in die Zuständigkeit der Länder überführt worden. Das Land ist gefragt, die Regelungen des Beamtenrechts in einem umfassenden Sinne neu zu regeln. Ich darf an die gestrige Debatte über das Landesbesoldungsrecht erinnern.

Das vorgelegte und gestern verabschiedete Gesetz zum Landesbesoldungsrecht konnte die Gleichstellung von verpartnerten Beamtinnen in der vorgelegten Form allerdings nicht leisten. Der politische Wille ist aber vom Innenminister beim CSD im vergangenen Sommer ausgesprochen worden. Die CDU hat auch gleich Wind davon bekommen. Er hat uns damals dazu eingeladen, dieses Vorhaben überfraktionell zu unterstützen.

Wir haben gedacht, dem Mann kann geholfen werden. Genau das soll der Antrag heute leisten. Er kann es auch leisten, meine Damen und Herren, sofern die SPD- und die FDP-Fraktion zu ihrem Wort stehen; dass die Letztere das tut, davon gehe ich einmal aus. Das ist im Übrigen auch für die CDU leistbar, meine Damen und Herren, weil es entsprechende löbliche Initiativen aus der Fraktion der Hamburger Bürgerschaft gibt. Das wundert nicht unbedingt, aber bemerkenswert ist es trotzdem.

Meine Damen und Herren! Ich möchte dennoch im Interesse der Sache gern die Möglichkeit einräumen, darüber im Ausschuss zu beraten, weil es eine komplizierte Materie ist. Deshalb beantrage ich die Überweisung des Antrages an den Ausschuss für Inneres, an den Ausschuss für Recht und Verfassung und an den Ausschuss für Soziales. Ich beantrage, den Ausschuss für Inneres zum federführenden Ausschuss zu bestimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Bull, für die Einbringung. - Frau Ministerin, möchten Sie an dieser Stelle sprechen? - Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich biete an, meine Rede zu Protokoll zu geben, wenn Sie damit einverstanden sind.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

(Zu Protokoll:)

Bevor ich auf Ihren Antrag, Frau Bull, eingehe, lassen Sie mich vorausschicken, dass die Landesregierung der Gleichstellung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnerinnen und Lebenspartnern positiv gegenübersteht. Auch und gerade das Sozialministerium begrüßt und befördert konkrete Schritte zur Gleichstellung von Ehen und Lebenspartnerschaften im Rahmen des gesetzlich Möglichen. Allerdings sind unsere Möglichkeiten als Landesregierung hier begrenzt, gerade was die zentrale Frage etwa des Adoptionsrechts betrifft.

Im Beamtenrecht und seinen so genannten Nebengebieten erfährt das Thema „gleichgeschlechtliche Partnerschaften“ schon jetzt keine nachteilige Differenzierung mehr; zum Teil ist es ausdrücklich berücksichtigt worden. So gibt es keine Diskriminierung wegen sexueller Identität im Beamtengesetz und im Personalvertretungsrecht. Es erfolgt die Berücksichtigung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften im Urlaubsrecht und im Disziplinarrecht. Insofern haben Sie mit Ihrem Antrag im Bereich des öffentlichen Dienstrechts richtigerweise nur besoldungsrechtliche Regelungen angesprochen.

Unter Punkt 1 des Antrags fordern Sie, eine Gleichstellung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnerinnen und -partnern bei den besoldungs-, versorgungs- und beihilferechtlichen Regelungen bis zum Jahr 2009 auf den Weg zu bringen.

Bei der Besoldung wird gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes für einen Anspruch auf den Familienzuschlag der Stufe 1, den so genannten Verheiratetenzuschlag, eine „Ehe“ vorausgesetzt. Diese Voraussetzung hat insofern Bestand, als das Bundesverwaltungsgericht bereits mit Urteil vom 26. Januar 2006 entschieden hat, dass die fehlende Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaften mit den Ehen nicht gegen höherrangiges Recht verstoße, also weder gegen das Grundgesetz noch gegen europäisches Recht.

Nach den Ergebnissen einer im Mai 2007 durchgeführten Umfrage unter den Ländern und dem Bund sieht momentan weder der Bund noch ein Bundesland vor, im Besoldungsrecht eine Gleichstellung der Ehe mit der eingetragenen Lebenspartnerschaft vorzunehmen. Um insbesondere die bundesweite Mobilität des genannten Personenkreises zu berücksichtigen, erwägt daher auch die Landesregierung von Sachsen-Anhalt, vor einer Änderung dieses Rechtsgebietes eine Abstimmung mit dem Bund und den Ländern herbeizuführen.

Dasselbe gilt für das Versorgungsrecht. Auch hier erfolgte bisher weder beim Bund noch bei den einzelnen Bundesländern eine entsprechende Gleichstellung. Zum einen setzt § 19 Abs. 1 des Beamtenversorgungsgesetzes nach dem Tod einer Beamtin oder eines Beamten für den Anspruch auf Witwengeld oder Witwergeld wiederum eine Ehe voraus. Daher sollte auch im Bereich der

Versorgung zur Erhaltung einer bundesweiten Mobilität dieses Personenkreises eine Abstimmung mit dem Bund und den anderen Ländern erfolgen.

Allerdings will ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die eingetragenen Lebenspartnerschaften im Hinblick auf die Hinterbliebenenrente seit dem 1. Januar 2005 der Ehe gleichgestellt sind. Mit dem Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsrechts, das seit 1. Januar 2005 in Kraft ist, wurden insbesondere die Hinterbliebenenversorgung, das Rentensplitting, die Anrechnung von Zeiten der Kindererziehung und auch die Durchführung eines Versorgungsausgleichs bei Aufhebung der Lebenspartnerschaft geregelt. Eingetragene Lebenspartner und Lebenspartnerinnen haben seither Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung.

Insoweit haben Sie mit Ihrem Antrag Recht, dass das Beamtenrecht hinter den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung zurückbleibt.

Zu der unter Ziffer 1 ebenfalls genannten Beihilfe ist zunächst festzuhalten, dass § 88a des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt auf die Beihilfevorschriften des Bundes verweist. Dort ist in § 3 geregelt, dass Lebenspartnerinnen oder Lebenspartner in eingetragenen Lebenspartnerschaften nicht zum berücksichtigungsfähigen Personenkreis gehören.

Die Beihilfe folgt den derzeitigen Regelungen im Bereich des Familienzuschlags im Besoldungsrecht, sodass auch im Beihilferecht die fehlende Gleichstellung der Ehe mit der Lebenspartnerschaft ausschlaggebend ist. Fünf Bundesländer haben jedoch angekündigt, eingetragene Lebenspartnerinnen und -partner in Beihilferegelungen zu berücksichtigen. Bei diesen fünf Bundesländern handelt es sich um Berlin, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und SchleswigHolstein.

Die sachsen-anhaltische Landesregierung wird die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet beobachten und zu gegebener Zeit, wenn ein Bundestrend zur Gleichstellung im Bereich der Beihilfe erkennbar wird, die notwendigen Schritte unternehmen. Dies gilt natürlich auch für die besoldungs- und versorgungsrechtlichen Regelungen.

In der Ziffer 2 Ihres Antrages fordern Sie von der Landesregierung, bis zum 31. Dezember 2010 alle von der Gleichstellung tangierten Gesetze und Verordnungen zu erfassen und dem Landtag einen entsprechenden Gesetzentwurf zur Beschlussfassung vorzulegen.

Hier gestatten Sie mir, an die von Ihnen selbst zitierte Kleine Anfrage zu erinnern, die ebenfalls die Änderung von landesrechtlichen Regelungen infolge des Lebenspartnerschaftsrechts zum Inhalt hatte. Am 14. Juni 2007 hat die Landesregierung unter anderem geantwortet, dass bereits eine Mehrzahl von Verordnungen und Gesetzen angepasst worden sei und weitere Überlegungen zurzeit bestünden. Die detaillierte Auflistung bitte ich der Antwort der Landesregierung zu entnehmen.

Ich bin sehr damit einverstanden, Frau Ministerin.

Wir treten damit in die Debatte der Fraktionen ein. Als erster Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Scheurell für die CDU-Fraktion sprechen. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es freut mich, dass ich zu diesem interessanten Antrag der Fraktion DIE LINKE in der heutigen letzten Landtagssitzung vor der Sommerpause sprechen darf.

Immer wieder, ob auf Bundes- oder auch auf Landesebene, wird die Gleichstellung von verpartnerten Menschen und von deren Rechten, resultierend aus der Verpartnerung, zum Diskussionsthema. Meine sehr geehrten Damen und Herren, in jeder Diskussion stelle ich fest, dass es darum geht, eine Gleichstellung der Verpartnerung mit der Ehe zu erreichen. Im Erbrecht, im Pflichtteilsrecht und im Unterhaltsrecht ist das bereits weitgehend gelungen.

Einfügung von mir: Ich weiß wohl, dass es in der Diskussion darüber noch einige weitere Stufen und Klippen zu überwinden gilt; denn die Steuerfreiheit umfasst bei verpartnerten Lebenspartnern wohl nur einen Betrag von 5 000 €, bei Ehepartnern wohl aber einen Betrag von 500 000 €. Ein Stück weit wird also sicherlich noch darüber diskutiert werden müssen.

Wir als Volkspartei CDU, die wir alles abzudecken und nicht nur Spartenklientel zu betrachten haben - -

(Frau Bull, DIE LINKE: Manches mehr, manches weniger!)

- Nein, nein. Wir werden sicherlich auch darüber diskutieren. Das ist aber heute nicht das Thema. Ich wollte nur sagen, dass mir und wohl auch den Fraktions- und Koalitionskollegen klar ist, dass es hierbei sicherlich noch Luft gibt.

Wenn ich die heutige Gesellschaft genau beäugen und die Lebensweise der Menschheit beurteilen soll, dann stelle ich fest, dass der Einzelne mehr und mehr für sich arbeitet und lebt und der Egoismus in jedem Einzelnen steigt. Daher freue ich mich zu sehen, dass es Menschen gibt, die bereit sind, füreinander da zu sein und füreinander einzustehen, und damit nicht ausschließlich an sich, sondern auch an den jeweils anderen denken.

Es ist etwas Wunderbares, wenn Menschen sich die gegenseitige Liebe gestehen und diese Liebe amtlich bekennen und beglaubigen lassen.

Dabei fällt mir ein, die Fraktionsführerin unseres Koalitionspartners - auf jeden Fall bis zum Jahr 2011 - hat heute früh schon einmal die „Ode an die Freude“ bemüht:

„Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein“,

und dann geht es weiter:

„Wer auch nur eine Seele sein nennt auf dem Erdenrund“.