- Danke. - Dahinter steckt ein ganz ernsthafter Kern. Der ernsthafte Kern ist, dass Dinge, die so komplex sind, dass sie dem normalen Menschenverstand nicht mehr zugänglich sind, typischerweise auch als unfair und ungerecht angesehen werden. Man sieht nur das als gerecht an, was man intuitiv zumindest einigermaßen versteht.
Darin besteht ein grundlegendes Problem, übrigens auch in unserem Steuersystem, aber noch viel schlimmer im Finanzausgleichssystem. So manches, was an dummem Zeug an den Stammtischen in Deutschland über die Finanzierung in anderen Regionen geredet wird, beruht schlicht auf der Komplexität des Systems.
Dafür brauchen wir einfachere Mechanismen. Das ist auch ohne Weiteres möglich. Die haben natürlich bestimmte Umverteilungswirkungen. Über die muss man dann reden. Die muss man auch an anderer Stelle kompensieren. Aber es ist möglich.
Der zweite Punkt ist: Das System ist nicht leistungsgerecht. Eine Region, die ein überdurchschnittliches Wachstum hat, kann kaum etwas von dem zusätzlichen Steuerwachstum behalten. Der Grenzsteuersatz liegt nahe 100. Manchmal liegt er aus bestimmten Gründen sogar über 100. Das bedeutet übrigens keineswegs, dass die Reichen mehr kriegen als die Armen, sondern dass die, die ihre wirtschaftliche Leistungskraft, auch wenn sie heute noch arm sind, überdurchschnittlich steigern, davon kaum etwas behalten können. Auch das wird zu Recht als unfair angesehen.
Der dritte Punkt ist natürlich die Verwischung von Verantwortlichkeiten. In dem System ist völlig unklar, wer für welche Rechnung was bezahlt.
Die ständige Diskussion um das Konnexitätsprinzip hängt natürlich auch damit zusammen, dass der Bund sehr viele Aufgaben nach unten delegiert hat und auch Restriktionen auferlegt hat. Ich denke zum Beispiel an das Arbeitsrecht, das es einem Land sehr erschwert, Personal abzubauen, wenn es in die Situation eines strukturellen Ungleichgewichts geraten ist. Darüber muss diskutiert werden. Der Ministerpräsident hat angedeutet, dass das ein Schwerpunkt sein muss.
Vierter und letzter Punkt ist die Frage der Schuldenkrisen. Wir können mit der Situation in den letzten Jahren, dass eine Reihe von Ländern in eine schwere Finanzkrise geraten ist, und erst recht mit der psychologischen Situation, die sich daraus ergibt, nicht zufrieden sein.
Ich erinnere daran, dass das Land Berlin jüngst vor das Bundesverfassungsgericht gezogen ist und eine Haushaltsnotlage proklamiert hat. Nun hat Herr Sarrazin verkündet, dass Berlin in zwei Jahren einen ausgeglichenen Haushalt haben wird. Irgendetwas stimmt daran nicht.
Wenn Herr Wowereit dann noch verkündet „Wir sind arm, aber wir sind sexy“, dann ist das ein Stil, der dem politischen Umgang in einem Finanzausgleichssystem nicht unbedingt angemessen ist.
Wir brauchen härtere Regelungen - darüber haben wir gestern schon diskutiert -, was die Nettokreditaufnahme - -
Herr Präsident, ich bitte Sie herzlich, mir noch einen oder zwei Sätze zu gestatten. Der Ministerpräsident hat seine Redezeit auch deutlich überzogen.
Wunderbar; das schaffe ich. - Zwei Sätze zum Schluss: Wir brauchen in dem System mehr Eigenverantwortlichkeit; diesbezüglich besteht Einigkeit. Wir brauchen härtere verfassungsmäßige Verschuldungsgrenzen. Über die konkrete Ausgestaltung müssen wir dann reden. Insbesondere auch hinsichtlich des Bundes, der eine große Verantwortung für Katastrophen und große konjunkturelle Krisen im Gesamtsystem hat, müssen wir ins Gespräch kommen.
Innerhalb der Kommission gibt es dazu unterschiedliche Meinungen; das hat die Expertenanhörung am 22. Juni 2007 gezeigt. Für die Zukunft des Föderalismus ist es von zentraler Bedeutung, dass wir diese Fragen offen und ehrlich angehen und dabei selbstverständlich die spezifische Situation der mittel- und der ostdeutschen Länder adäquat berücksichtigen. - Herzlichen Dank.
Danke sehr. Das waren mehr als zwei Sätze, aber gut. - Ich erteile nun der Abgeordneten Frau Rotzsch das Wort. Sie spricht für die CDU-Fraktion. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem Herr Dr. Paqué in den Höhen der Volkswirtschaft schwebte, kehre ich nun in die Niederungen der politischen Realität zurück.
Der von der Fraktion DIE LINKE vorgelegte Antrag, die Landesregierung möge sich in die Arbeit der Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder-Beziehungen einbringen und sich im Interesse des Landes engagieren, geht in die richtige Richtung, stellt jedoch eine Selbstverständlichkeit dar, da sich die Landesregierung bereits von Beginn an in die Arbeit der Kommission einbringt.
Gerade die Forderung, dass eine Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern an das bisherige Modell eines solidarischen Föderalismus anknüpfen und die Besonderheiten der neuen Länder, einschließlich des Landes Sachsen-Anhalt, berücksichtigen muss, dürfte daher unstreitig sein.
Die gemeinsame Föderalismuskommission hat die anspruchsvolle Aufgabe, die unterschiedlichen Interessenlagen zu einem stringenten Gesamtkonzept zusammenzuführen. Wie komplex die dabei zu behandelnden Thematiken sind, wird schon ersichtlich, wenn man einige nur stichpunktartig anreißt; das haben meine Vorredner schon verdeutlicht.
So ist in der Kommission zu klären, wie Konflikte künftig zu lösen sind, wenn der Bund Gesetze beschließt, deren finanzielle Auswirkungen die Länder und die Kommunen zu tragen haben. Ebenso soll geklärt werden, wie das undurchsichtige Steuerrecht, das Bundesrecht ist, vereinfacht werden kann. Des Weiteren ist das System von Gemeinschaftsaufgaben und Mischfinanzierungen im Ergebnis bürokratisch und ineffektiv.
Über diese Punkte hinaus wird weiterhin die Frage zu diskutieren sein, wie jährlich Mittel in Höhe von 30 Milliarden € - fünf reiche Länder stehen elf armen Ländern gegenüber - umverteilt werden sollen.
Gerade vor dem Hintergrund der besonderen Verhältnisse in den neuen Bundesländern wird es darum gehen, dass die unterschiedliche Finanzkraft auch zukünftig ausgeglichen und die durch das Grundgesetz gebotene Herstellung gleicher Lebensverhältnisse ermöglicht wird.
Unabhängig davon, dass das komplizierte Berechnungssystem, bestehend aus Ausgleichsmesszahlen, Einwohnergewichtungen und Sonderlasten, nur noch von wenigen Fachleuten durchschaut wird, ist der Einwand der Geberländer, Sparen lohne sich nicht, weil man für den wirtschaftlichen Erfolg bestraft werde, durchaus zu berücksichtigen.
Nichtsdestotrotz ist es für die neuen Bundesländer, insbesondere für Sachsen-Anhalt als Nehmerland, für die weitere wirtschaftliche Entwicklung unabdingbar, dass ein System föderaler Finanzbeziehungen gefunden wird, welches die unterschiedlichen wirtschaftlichen Voraussetzungen der Bundesländer entsprechend berücksichtigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Vorschläge zur Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sind umfangreich. Sie reichen vom radikalen Schuldenverbot - darüber haben wir gestern im Zusammenhang mit einem anderen Antrag diskutiert - über einen Steuertausch zwischen Bund und Ländern bis hin zu einer Bundessteuerverwaltung sowie dem Vorschlag eines strikten Wettbewerbsföderalismus.
Wir als Nehmerland müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Forderung nach einem Wettbewerbsföderalismus insbesondere von den reichen Geberländern thematisiert wird. Diesbezüglich ist anzumerken, dass Wettbewerb per se nichts Verwerfliches ist, sondern - gemäß einem Zitat - geradezu natürlich:
„Kleinkinder messen ihre Kräfte im Spiel. Hunde laufen um die Wette. Pflanzen wetteifern um Sonnenlicht. Wettbewerb ist die Suche nach dem Besseren, dem Streben nach Fortschritt und Erkenntnis. Ohne dieses Streben säße der Mensch heute noch auf dem Baum und würde die Erde noch immer für eine Scheibe halten.“
Die Folge der Forderung nach einem Wettbewerbsföderalismus kann jedoch nicht sein, dass im Ergebnis reiche Geberländer ihre wirtschaftliche Stärke zulasten armer Nehmerländer ausspielen. Den Bundesländern muss die
Möglichkeit gegeben werden, ihre finanzwirtschaftlichen Grundlagen zu sichern und ihre Aufgaben aus eigener Kraft zu erfüllen. Der Föderalismus ist die Voraussetzung für ein gesundes, faires innerstaatliches Miteinander. Föderalismus lässt sich ohne Solidarität nicht denken.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Komplexität der im Rahmen der Föderalismusreform II zu behandelnden Fragen und auch weil die eingesetzte Kommission erst am Anfang steht, plädieren auch wir für eine Überweisung des Antrags an die Ausschüsse für Finanzen und für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank für Ihren Beitrag, Frau Rotzsch. - Nun erhält noch einmal Frau Dr. Klein von der LINKEN das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zwei kurze Bemerkungen. - Ja, Herr Ministerpräsident, wir haben in den Ländern gleich lautende Anträge gestellt; das ist möglich und durchaus üblich.
- Das liegt nicht an uns, sondern das lag am Willen der Mehrheit, die der in den Landesparlamenten mit wesentlich weniger Sitzen vertretenen FDP einen Sitz in der Kommission zugestanden hat. Die Möglichkeit, fünf Landtagsvertreter in die Kommission zu entsenden, hätte niemandem wehgetan, aber das war nicht gewollt.
Daher brauche ich einen anderen Weg, um die Positionen zu erfragen. Ich kann Ihnen versichern: Ich habe die Papiere gelesen und die Rede selbst geschrieben.
Ich bin beruhigt, dass wir nicht zwangsverwaltet werden können. Die Möglichkeit der Zwangsverwaltung der Länder, die sich dort hineinbegeben, spielte ja bei einigen Vorschlägen - gerade im Zusammenhang mit dem Schweizer Modell der Schuldenbremse - durchaus eine Rolle. Das hat mich schon ein bisschen beunruhigt. - Danke schön.
Vielen Dank, Frau Dr. Klein. - Weitere Debattenbeiträge sind nicht angemeldet worden. Damit kommen wir zur Abstimmung.
Es wurde beantragt, den Antrag in der Drs. 5/737 zur federführenden Beratung an den Finanzausschusses und zur Mitberatung an den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien zu überweisen. Wer einer entsprechenden Überweisung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Ich sehe Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist der Ausschussüberweisung zugestimmt worden und wir können den Tagesordnungspunkt 20 verlassen. - Herzlichen Dank.