Protocol of the Session on June 14, 2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 22. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der fünften Wahlperiode. Dazu möchte ich Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, herzlich begrüßen.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Zu Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Für die heutige 12. Sitzungsperiode des Landtages liegen drei Entschuldigungen vor: Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer

(Unruhe)

- ich bitte, doch die Gespräche jetzt zu beenden - lässt sich ganztägig entschuldigen. Er nimmt an der Konferenz der Regierungschefs der Länder in Berlin teil.

Herr Staatsminister Robra wird bis 16 Uhr nicht anwesend sein. Er nimmt ebenfalls an dieser Konferenz teil.

Der Kultusminister, Herr Professor Dr. Olbertz, entschuldigt sich ab 17 Uhr aufgrund der heute und morgen in Berlin stattfindenden Kultusministerkonferenz.

Meine Damen und Herren! Das waren die Entschuldigungen der Landesregierung. Zur Tagesordnung. Die Tagesordnung für die 12. Sitzungsperiode liegt Ihnen vor. Aufgrund einer interfraktionellen Übereinkunft wird diese Sitzungsperiode nur an einem Sitzungstag durchgeführt.

Die Fraktion der Linkspartei.PDS und die Fraktion der FDP haben fristgemäß je einen weiteren Antrag für die Aktuelle Debatte eingereicht. Der Antrag der Linkspartei.PDS mit dem Titel „Rechtsradikaler Überfall - ein Anschlag auf die Zivilgesellschaft in Sachsen-Anhalt“ liegt Ihnen in der Drs. 5/706 vor und soll als Tagesordnungspunkt 1 b behandelt werden.

Der Antrag der FDP mit dem Titel „Konsequenzen der Gutachten zur Wirtschaftlichkeit von Einheitsgemeinden und Verwaltungsgemeinschaften in Sachsen-Anhalt“ liegt Ihnen in der Drs. 5/707 vor und soll als Tagesordnungspunkt 1 c aufgenommen werden.

Zusätzlich hat der Ausschuss für Recht und Verfassung, der gestern getagt hat, um die Aufnahme eines zusätzlichen Tagesordnungspunktes gebeten. Dabei geht es um Beschlussempfehlungen zu Verfassungsgerichtsverfahren. Die Drs. 5/706 und 5/707 liegen Ihnen vor und sollen unter dem Tagesordnungspunkt 16 a und b, also als letzter Tagesordnungspunkt, aufgenommen werden.

Signalisiert wurde mir, dass der Tagesordnungspunkt 13 - Technische Bildung an allgemeinbildenden Schulen in Sachsen-Anhalt - von der Linkspartei.PDS heute aufgrund der Fülle der Beratungsgegenstände von der Tagesordnung genommen wird und bei der nächsten Sitzung in die Tagesordnung eingeordnet werden soll.

Weitere Änderungen liegen mir nicht vor. Ich sehe auch keine Wortmeldungen. Dann bitte ich, über die Tagesordnung abzustimmen. Wer der Tagesordnung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist die Tagesordnung so bestätigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Debatte

Für die Aktuelle Debatte liegen, wie gesagt, drei Beratungsgegenstände vor. Wir kommen zum ersten Thema der Aktuellen Debatte:

Schutz der biologischen Vielfalt ist Klimaschutz

Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 5/701

Einbringerin ist die CDU-Fraktion. Der Abgeordnete Herr Stadelmann hat jetzt das Wort. Bitte schön. - Anschließend sprechen die FDP, die SPD und die Linkspartei.PDS.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werte Kollegen, damit alle wach werden, fange ich gleich mit einer Hiobsbotschaft an: Unser Bier wird teurer. Das liegt daran, wie wir gestern in der Zeitung lesen konnten, dass die Rohstoffe für das Bier teurer werden, und daran ist natürlich der Klimawandel schuld. Wenn man allerdings bedenkt, dass die Kosten für die Rohstoffe beim Bier nur denen des Kronkorkens entsprechen, kann man sich schon fragen, wofür der Klimawandel inzwischen alles herhalten muss.

(Zustimmung bei der CDU - Heiterkeit bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Am 22. Mai war der Tag der biologischen Vielfalt. In diesem Jahr haben die Vereinten Nationen diesen Tag unter die Überschrift „Biodiversität und Klimawandel“ gestellt. Mit dem Begriff des Klimawandels sind wir in den vergangenen Monaten zu Recht täglich konfrontiert worden. Anders sieht es jedoch mit dem Begriff der Biodiversität, also der biologischen Vielfalt aus.

Was verstehen wir unter biologischer Vielfalt, worin besteht der Zusammenhang zum Klimaschutz, wie bedingen die beiden Begriffe einander und welche Wechselwirkungen treten auf? - Diese Fragen möchte ich zu Beginn der heutigen Debatte gern andiskutieren, denn mehr als ein Andiskutieren wird es nicht sein können, da dieses System ausgesprochen komplex ist.

Was verstehen wir also unter dem Begriff der biologischen Vielfalt? - Die biologische Vielfalt umfasst die Vielfalt an Arten und Lebensräumen wie auch die genetische Vielfalt innerhalb der einzelnen Tier- und Pflanzenarten. Alle drei Bereiche sind eng miteinander verknüpft und wirken aufeinander ein.

Die Biodiversität nimmt weltweit kontinuierlich ab. Der Mensch - entweder direkt oder indirekt - ist der Hauptverursacher dieses Rückgangs der Vielfalt. Dazu nur ein paar Zahlen, die, so meine ich, recht eindrucksvoll sind:

Die weltweite jährliche Entwaldungsrate beträgt 13 Millionen ha, hauptsächlich durch Umwandlung in Agrarflächen. 36 % aller Wälder sind Urwälder, 6 Millionen ha werden jährlich zerstört und umgewandelt.

Die karibischen Korallenriffe sind zu 80 % zerstört, 35 % aller Mangroven weltweit sind innerhalb von nur 20 Jahren vernichtet worden.

25 % aller Meeresfischbestände sind gefährdet, mehr als 50 % werden bereits so intensiv ausgebeutet, dass

keine Steigerung möglich ist. Arten wie Kabeljau, Schellfisch und Heilbutt sind bereits massiv vom Aussterben bedroht.

Worin besteht nun der Zusammenhang zwischen Biodiversität und Klimaschutz? - Der anthropogen verursachte Klimawandel stellt eine Gefahr für die Biodiversität dar. Dies ist völlig unbestritten. Außer bei Knut schmilzt allen frei lebenden Eisbären das Eis unter den Pfoten weg. Ganze Regionen und ihre Lebensräume drohen zu vertrocknen. Laut IPCC-Studie gehören zu den Risikogebieten übrigens auch weite Teile SachsenAnhalts, insbesondere der Bereich der Elbe.

Über den Kohlenstoffkreislauf, den Wasserkreislauf und das Verhältnis von Sonneneinstrahlung und Reflexion bestehen sehr enge Wechselwirkungen zwischen Klima und biologischer Vielfalt auf der Erde. Da die biologischen Systeme das Klima direkt beeinflussen, kommt der biologischen Vielfalt in der Debatte um den Klimawandel eine neue, meiner Meinung nach derzeit noch nicht ausreichend berücksichtigte Rolle zu.

Der Raubbau an den Regenwäldern durch Brandrodungen, der großflächige Abbau oder gar das Abfackeln von Mooren, die durch übermäßige Nutzung verursachte zunehmende Erosion von Graslandschaften und die Überfischung der Meere sind Phänomene, die das Klima auf unserem Planeten in einem erheblichen Maße beeinflussen.

Der Schutz der Wälder ist eine der wichtigsten Maßnahmen des Klimaschutzes. In diesem Zusammenhang muss auch auf die Probleme hingewiesen werden, die sich aus der Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung ergeben. Insbesondere in Südostasien wird Regenwald in zunehmendem Maße zugunsten von Palmölplantagen abgeholzt oder sogar brandgerodet.

Welche Folgerungen können wir aus dieser Wechselbeziehung ziehen? - Ich denke, auf den Punkt gebracht heißt das: Schutz der biologischen Vielfalt ist Klimaschutz und Klimaschutz ist Schutz der biologischen Vielfalt.

Derzeit laufen in diesem Bereich einige Prozesse ab, von denen ich glaube, dass sie uns und andere Staaten auf den richtigen Weg bringen können. Ich möchte einige wesentliche Prozesse kurz vorstellen.

Auf internationaler Ebene ist das zentrale Instrument zum Schutz der biologischen Vielfalt das Übereinkommen über die biologische Vielfalt. Die Abkürzung für die englische Bezeichnung lautet CBD. Es ist eines der drei völkerrechtlichen Abkommen, die auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro im Jahr 1992 beschlossen worden sind.

Im Rahmen dieses CBD sowie beim Nachhaltigkeitsgipfel 2002 in Johannesburg wurde von der Völkergemeinschaft ein 2010-Ziel zur Biodiversität vereinbart. Bis zum Jahr 2010 soll die Verlustrate bei der biologischen Vielfalt signifikant reduziert werden. Die EU war auf ihrem Gipfel in Göteborg doch ehrgeiziger und beschloss, den Rückgang der biologischen Vielfalt innerhalb der EU bis zum Jahr 2010 sogar zu stoppen.

Der Umsetzungsstand dieses Zieles wird ein zentrales Thema auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt sein, die im Mai 2008 in Bonn stattfinden wird. Das ist auch ein Grund dafür, dass wir diese Aktuelle Debatte beantragt haben.

Im März dieses Jahres einigten sich die G8-Umweltminister sowie die fünf wichtigen Schwellenländer im Vorfeld des G8-Gipfels auf die „Potsdam Initiative zur biologischen Vielfalt 2010“. Sie fanden außerdem eine gemeinsame Basis beim Klimaschutz. Die klare Botschaft des Treffens war, dass wir die gemeinsamen Anstrengungen gegen den massiven Verlust an biologischer Vielfalt verstärken müssen. Es besteht Einigkeit darin, dass wir nicht länger die Datenbank der Natur mit ihrem großen Potenzial für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung löschen dürfen.

Mit der „Potsdam Initiative zur biologischen Vielfalt 2010“ wurden konkrete Aktivitäten zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung der Biodiversität auf den Weg gebracht. Ein Bündel von Maßnahmen in den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft, Handel, Finanzierung wie auch beim Schutz der Weltmeere soll dazu beitragen, den Verlust an biologischer Vielfalt bis zum Jahr 2010 erheblich zu reduzieren. Zudem wird in einer globalen Studie die wirtschaftliche Bedeutung des Verlustes an Biodiversität untersucht.

Auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm wurde sicherlich eine Annäherung insbesondere der USA beim Klimaschutz erreicht. Dennoch muss das Zusammenwirken der beiden betroffenen Konventionen, der Konvention über die biologische Vielfalt und der Klimarahmenkonvention, zur besseren Nutzung von Synergieeffekten zwischen Klima- und Naturschutzinstrumenten auch weiterhin verbessert werden. Dieser Prozess muss kontinuierlich vorangetrieben werden.

Noch bis morgen findet im niederländischen Den Haag die 14. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, bekannt als Washingtoner Artenschutzübereinkommen, statt. Mit dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen verfügt die Staatengemeinschaft über ein wirksames Instrument, die Vielfalt der belebten Natur durch Regulierung und Kontrolle des internationalen Handels mit geschützten Exemplaren und den aus ihnen gewonnenen Erzeugnissen zu sichern.

Auf Bundesebene hat das Bundesumweltministerium am 18. Mai 2007 den Entwurf der nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt zur Anhörung versandt. Die Länder - auch unser Land - und die Verbände sind nun aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen und eigene Vorschläge einzubringen.

Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen muss einer breiten Öffentlichkeit vermittelt werden. Auf Bundesebene wurde eine „Naturallianz“, übrigens ähnlich unserer Kabinettsarbeitsgruppe Klimawandel, gegründet. Diese Allianz besteht aus prominenten Personen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Verbände, Kultur und Medien, die helfen sollen, die Botschaften zu transportieren, Menschen zu informieren und zu motivieren.

Das Bundesamt für Naturschutz wird Anfang 2008 einen Bericht über die Folgen des Klimawandels für die Artenvielfalt vorlegen.

Bei uns in Sachsen-Anhalt laufen im Moment verschiedene Projekte, die mit diesem Themenkomplex zu tun haben. Ich möchte diese aber nur stichwortartig aufführen, weil einige Einzelheiten, wie ich weiß, Frau Wernicke später noch vortragen wird. Zu erwähnen sind beispielsweise die Erarbeitung unseres Energiekonzeptes

und der Biomassepotenzialstudie, das Klimaschutzkonzept des Landes und natürlich die Gründung der ressortübergreifenden Arbeitsgruppe Klimawandel im Kabinett. Bewährt hat sich bei uns bereits die Umweltallianz.

In diesem Zusammenhang muss auch noch die wichtige Rolle der nachwachsenden Rohstoffe für unsere Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft genannt werden. Neben den vielen positiven Effekten wird es zukünftig unbestritten zu einer Flächenkonkurrenz zwischen der Nutzung von Biomasse für die stoffliche und energetische Verwertung und der Produktion von Nahrungsmitteln kommen.

Derzeit wird für die Herstellung von 1,2 Tonnen Biokraftstoff immer noch eine Tonne fossile Rohstoffe verbraucht. Da stellt sich schon die Frage bezüglich der Ökobilanz. Die Lösung dieses Problems und anderer damit zusammenhängender Konflikte stellt uns vor neue Herausforderungen.

Last, but not least möchte ich an dieser Stelle noch erwähnen, dass wir mit dem Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben im eigenen Land einen, ja, weltweiten Leuchtturm in Sachen Biodiversität und Artenschutz von Nutzpflanzen vorzuweisen haben. Mit dem Klimawandel wird zum Beispiel die Resistenz unserer Nutzpflanzen gegenüber abiotischen Einflüssen immer wichtiger.

Ich muss meine Rede jetzt ein wenig abkürzen, weil meine Redezeit abläuft. Ich weiß, dass Ministerin Wernicke in ihrem Beitrag noch einige konkrete Maßnahmen darstellen wird. Deswegen möchte ich jetzt kurz zum Fazit kommen.