Protocol of the Session on April 27, 2007

Wir haben in Deutschland - das kann man wirklich nachweisen - insbesondere in diesen Bereichen immer noch die höchsten Kosten bzw. die höchsten Preise im Angebot.

Das ist also nicht so einfach. Herr Kurth argumentiert dann immer so, dass das nicht seine Aufgabe sei; seine Aufgabe sei der Wettbewerb und für den Rest gebe es Tarifpartner und Tarifautonomie, Sittlichkeitsvorstellungen zu unteren Arbeitseinkommen usw. Die Politik ist dann gefordert, dies durch andere Instrumente zu flankieren, zu puffern und das nicht Gewollte auch nicht zuzulassen.

Für Sachsen-Anhalt als sehr stark nachgefragten Standort für die Telekommunikationsbranche, auch in Kombination mit Callcentern, stellt sich in diesem Zusammenhang auch die Förderfrage immer wieder völlig neu. Bei jedem Callcenter, das bei uns einen Förderantrag abgibt, prüfen wir sehr detailliert, in welcher Form wir überhaupt einsteigen und einsteigen wollen. Wir haben Derartiges auch schon abgelehnt bzw. die Konditionen sehr stark verändert.

Wir haben uns auf ein mit der Europäischen Union abgestimmtes Raster verständigt, das sich, wenn nicht - das ist noch am Einfachsten - die unmittelbare Investitionsförderung möglich ist - meistens geht es aber nicht um die Finanzierung von Hardware -, an den Qualifikations- und Personalentwicklungskosten festmacht.

Dabei sind unsere, auch zwischen den Bundesländern abgestimmten Fördergrößen so limitiert, dass wir sagen, es gibt nur dann eine Förderung, wenn im Durchschnitt dieses Callcenters ein Jahresmindesteinkommen von soundso viel tausend Euro gesichert ist. Ich kann das jetzt nicht aus dem Kopf sagen. Das liegt bei über 20 000 €.

Das heißt, es muss klar sein, dass in der Hierarchie eines solchen Unternehmens eine ausreichende Anzahl von gut bezahlten und damit anspruchsvollen Arbeitsplätzen und von damit verbundenen anspruchsvollen Tätigkeiten realisiert werden. Natürlich müssen sich wie in jedem Unternehmen auch einfache Tätigkeiten in dieser Kaskade wiederfinden. Das muss von uns auch nachgeprüft werden. Wir haben auch dafür ein ganz klares Verfahren mit entsprechenden langjährigen Bindungsfristen vorgesehen.

Eine ganze Reihe von Briefen, die ich von CallcenterBetreibern bekomme, bezieht sich auf die von uns verhängten Konditionen. Wir bleiben aber hart, weil wir der Meinung sind, das kann keine Einflugschneise für einen sittlich nicht gerechtfertigten Arbeitsmarkt sein. Es muss dort irgendwo eine Unterkante geben.

Es ist aber ein Bereich, der sehr stark wächst. In Sachsen-Anhalt sind in den letzten Jahren fast 11 000 Jobs entstanden. Weitere 1 000 sind im Rohr und harren sozusagen unserer anteiligen Förderung. Wir werden uns dem nicht verschließen können. Es wird also unter dem

Strich keine Reduzierung der Arbeitsplatzzahlen in diesem Gesamtbereich geben. Es wird nur schlicht und einfach eine Umverteilung geben, weg von dem früheren Monopolisten hin zu den neuen Anbietern.

Eine letzte Bemerkung dazu. Wenn Sie heute eine Volksbefragung bei den Endkunden dazu durchführen würden, dann würde man Ihnen sagen: Das sehen Sie doch an meiner Entscheidung. Ich habe gerade gewechselt, habe ein Topangebot, telefoniere hervorragend und spare jeden Monat 50 € - das sage ich jetzt einmal so.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Das ist das Problem, vor dem wir stehen. Das ist keine einfache Sache, aber so ist das Leben.

Vielen Dank, Herr Minister. - Nun spricht für die SPDFraktion Herr Miesterfeldt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer am 17. April die „Zeit“ gelesen hat, der hat in dem Artikel „Bei Anruf Stress“ Peter Smit kennen gelernt. Peter Smit war Maschinenbauschlosser, hat dann - so steht es in der „Zeit“ - Toiletten geputzt und landete irgendwann bei einem Callcenter, in dem er für 4,76 € je Stunde gearbeitet hat. Dann wurde das Klima in dem Unternehmen schlecht, der Druck groß. Man gründete einen Betriebsrat. Heute gibt es das Unternehmen nicht mehr und Peter Smit ist wieder arbeitslos.

Solche Geschichten verunsichern verständlicherweise die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telekom und erzeugen auch Angst.

Etwas anderes ist die Situation des Unternehmens. Die Zahlen sind genannt worden. Herr Minister, wenn man so will, findet ja eine Volksabstimmung statt, nämlich durch das Wegbrechen der Kunden.

Der Antrag, wie er von der Linkspartei.PDS eingebracht worden ist, ist in seinem Anliegen nachvollziehbar und verständlich, in seinen Forderungen schon weniger; aber auch dazu hat der Minister eigentlich alles gesagt.

Ich denke, dass wir uns darüber einig sind, dass die Telekom ihren Service verbessern muss. Das muss man einfach so sagen. Wenn ich allein an meine Erlebnisse beim Einrichten meines Büros in Halberstadt denke, dann könnte ich meine Redezeit weit überschreiten.

(Herr Wolpert, FDP: Zustimmung! - Herr Franke, FDP: Das ist so!)

Gleichzeitig wird es aber auch zu Veränderungen im Personalbereich kommen müssen. Wir als Sozialdemokraten gehen davon aus, dass es zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen den Mitarbeitern, der Gewerkschaft und dem Arbeitgeber kommt. Ob das am Ende über den Weg des Streikes geht, sei jetzt dahingestellt.

Beim letzten Punkt Ihres Antrages, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir eigentlich schon beim nächsten Tagesordnungspunkt; hierbei reden wir nämlich über Niedrig- und Mindestlöhne. Ich kann all diejenigen nicht nur verstehen, sondern ich unterstütze sie sogar, die sagen: Ja, wir brauchen in Deutschland auch einen Niedriglohnbereich, und vielleicht ist der noch zu klein, aber wir

brauchen keinen Niedrigstlohnbereich. Der Weg, der in vielen dieser Dienstleistungsunternehmen beschritten worden ist und wird, geht leider in die letzte Richtung.

Über diese und andere Dinge muss diskutiert werden. Über den Mindestlohn diskutieren wir gleich unter dem nächsten Tagesordnungspunkt. Ich gehe davon aus, dass wir den Antrag, den die Linkspartei.PDS gestellt hat, im Wirtschaftsausschuss behandeln, und plädiere für eine Überweisung des Antrages an diesen Ausschuss. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Miesterfeldt. - Nun spricht für die FDPFraktion Herr Franke.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor mehr als zehn Jahren war die Telekom noch ein behäbiger Beamten- und Behördenapparat, der seine Monopolstellung rigoros gegenüber den Verbrauchern ausspielen konnte.

Seit der Privatisierung im Jahr 1996 hat sich auf dem Telekommunikationsmarkt aber eine ganze Menge geändert. Agierte der Konzern in den ersten Jahren nach der Liberalisierung noch in einem relativ geschützten Raum, so trifft ihn seit spätestens zwei, drei Jahren die volle Härte des Wettbewerbs am Markt. Der Kunde und nicht der Telekommitarbeiter kann sich über diese Entwicklung freuen: Ein Ferngespräch kostete noch Mitte der 90er-Jahre 30 Cent pro Minute. Heute zahlen wir 1 bis 2 Cent pro Minute.

Die Telekom verliert in diesem Markt Kunden. Insbesondere im Festnetzgeschäft wechseln sie in Scharen zur Konkurrenz. Der Marktanteil des ehemaligen Staatskonzerns sinkt immer noch und immer schneller. Inzwischen verliert die Telekom jeden Monat 200 000 Festnetzanschlüsse. Bis zum Jahresende rechnet man mit ca. zwei Millionen Anschlüssen, die der Telekom verloren gehen.

Doch, sehr geehrte Damen und Herren von der PDS, eine Zerschlagung des Konzerns kann und will auch niemand vornehmen. Es geht der Telekom um Wettbewerbsfähigkeit. Es geht darum, die Telekom insgesamt wieder wettbewerbsfähig zu machen.

Es wurde schon ausgeführt, dass es um 50 000 Mitarbeiter des Kundenservice geht, die nicht entlassen werden sollen,

(Zustimmung von Herrn Prof. Dr. Paqué, FDP)

und dass auch nicht über den Verkauf des Kundenservice diskutiert wird. Es geht um die Sicherung der Arbeitsplätze für 50 000 Mitarbeiter der Telekom.

(Zustimmung von Herrn Prof. Dr. Paqué, FDP)

Es geht um die Zusammenfassung der Servicemitarbeiter in Callcentern und T-Punkten innerhalb des Konzerns und nicht außerhalb.

Herr Franke, möchten Sie eine Frage von Herrn Thiel beantworten?

Im Anschluss gern, Herr Thiel.

Es geht schließlich um die Anhebung der Wochenarbeitszeit von 34 Stunden auf 38 Stunden bei einer gleichzeitigen Senkung der Gehälter um 12 %, und das innerhalb von drei Jahren.

Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich will die Telekom als marktbeherrschendes Unternehmen hier nicht verteidigen. Ich befürworte aber den freien und fairen Wettbewerb im Interesse der Konsumenten. Mir ist die Sicherung tarifgebundener Arbeitsplätze wichtiger als Massenentlassungen.

(Zustimmung von Herrn Prof. Dr. Paqué, FDP, von Frau Take, CDU, und von Herrn Thomas, CDU)

Ein fairer Wettbewerb verlangt auch faire Wettbewerbsbedingungen. Hierbei kommt Verdi ins Spiel, Frau Rogée. Die Dienstleistungsgewerkschaft handelt nicht nur die Tarifverträge bei der Telekom, sondern auch bei deren Wettbewerbern aus. Damit steuert Verdi direkt den Wettbewerb im Servicebereich.

Der Verdi-Tarifvertrag bei der Telekom lässt einem Callcenter-Agenten als Berufsanfänger bei einer 34-Stunden-Woche einen Jahresverdienst von 34 000 €. - Das ist gut für den Mann. Aber auch bei Walter Telemedien - wir haben es vorhin gehört - hat Verdi die Tarife ausgehandelt. Hier bekommt ein gleich hoch qualifizierter Berufsanfänger bei einer 40-Stunden-Woche einen tariflichen Jahreslohn von 14 000 €. - Das sind 20 000 € weniger bei 312 Arbeitsstunden mehr im Jahr.

(Herr Dr. Eckert, Linkspartei.PDS: Und einen An- trag für das Sozialamt!)

So kostet die Telekom - das ist ganz natürlich bei diesen Unterschieden - eine Arbeitsstunde im Callcenter derzeit 90 €, während die Dienstleistung von den Konkurrenten für 30 bis 40 € zu haben ist.

In unserer freien Gesellschaft muss den Unternehmen die Entscheidung überlassen bleiben, wie und wo sie ihre Mitarbeiter einsetzen. Herr Krause hat gestern in seiner Rede zum Fleischhygienegesetz eindeutig gesagt: Ein Betrieb hat das Recht, Strukturen und Strukturveränderungen vorzunehmen. - Richtig, Herr Krause. Der Telekom sollte das genauso gestattet werden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Herr Gürth, CDU: War das der Abgeordnete Krause von der PDS? - Heiterkeit bei der CDU)

- Das war Herr Krause von der PDS. Das ist richtig, Herr Gürth.

Die Forderung, der Telekom diese Entscheidungsfreiheit zu nehmen, ist abenteuerlich. Der Sinn der Privatisierung bestand ja gerade darin, bei der Telekom unternehmerisch optimale Entscheidungen zuzulassen. Die Alternative zu den Einschränkungen für die Beschäftigten, die sicherlich ein kleines Übel sind, wäre ein kurzfristiger Erhalt von überbezahlten Arbeitsplätzen, die das Unternehmen nicht braucht. Damit wäre insgesamt überhaupt nichts gewonnen. Das Unternehmen würde endgültig seine Wettbewerbsfähigkeit verlieren und im Zuge des gegenwärtigen Selektionsprozesses am Telekommunikationsmarkt vom Markt verschwinden.

Wenn man den vorliegenden Antrag der PDS auf einen Satz herunterbricht, dann lautet er: Der Staat soll ein pri

vates Unternehmen dazu zwingen, indirekte Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu finanzieren.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Die FDP-Fraktion lehnt den Antrag ab. - Danke.