Aber wir werden uns den Erkenntnissen des Bildungskonventes nicht verschließen. Klar ist jedoch auch, dass es aus dem genannten Grund grundlegende Strukturveränderungen in dieser Legislaturperiode nicht geben wird. Aber der Diskurs über Bildung in Sachsen-Anhalt und in Deutschland ist notwendig. Diesem werden wir uns stellen. Wir werden auch - so hoffe ich - mit der SPD gemeinsame Erkenntnisse aus diesem Konvent gewinnen und entwickeln, meine Damen und Herren.
Das Ziel der EU, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu werden, bleibt auch unser Ziel in Sachsen-Anhalt. Es verpflichtet uns zu außerordentlichen Anstrengungen in den Bereichen Bildung und Forschung. In den vergangenen vier Jahren hat Sachsen-Anhalt Maßnahmen zur Forschung und Entwicklung im Umfang von rund 153 Millionen € gefördert.
Dennoch haben wir insbesondere im Bereich der anwendungsorientierten Forschung im Vergleich zu vielen anderen Regionen in der EU nach wie vor erheblichen Nachholbedarf. Die Industrieforschung in den neuen Ländern hat sich von ihren enormen Kapazitätsverlusten nach der Wende bis heute nicht erholt. Im Jahr 2004 wurden nur 4,1 % des gesamten Mitteleinsatzes deutscher Unternehmen für Forschung und Entwicklung von ostdeutschen Unternehmen getätigt. Lediglich rund ein Zehntel aller in Forschung und Entwicklung Beschäftigten in Ostdeutschland arbeiten in Sachsen-Anhalt.
Vor diesem Hintergrund sendet der Koalitionsvertrag deutliche Signale zur Stärkung der Industrieforschung aus, meine Damen und Herren. Wir müssen die Kräfte bündeln. Ich hoffe, dass wir mit der organisatorischen und konzentrativen Bündelung der anwendungsorientierten Forschungs-, Entwicklungs- und Innovationsförderung im Ministerium für Wirtschaft und Arbeit auf diesem Gebiet auch auf der exekutiven Seite vorankommen.
Meine Damen und Herren! Ich komme zu einem anderen wichtigen Thema. Die meisten Mitglieder der CDUFraktion verfügen über eine große kommunalpolitische Erfahrung, ob als Bürgermeister, als Beigeordneter, als Stadt- oder als Gemeinderat oder als Kreistagsmitglied. Wir in der CDU-Fraktion wissen daher, dass Leistungsfähigkeit auf der einen und die Einheitlichkeit der Kom
munalstrukturen auf der anderen Seite nicht automatisch und unmittelbar in einem engen Zusammenhang zueinander stehen. Es gibt kleine Gemeinden, die sehr effizient organisiert sind und seit der Wende aus eigener Kraft viel erreicht haben. Es gibt größere Gemeinden, die aufgrund einer erdrückenden Schuldenlast mittlerweile kaum noch Gestaltungsmöglichkeiten haben.
Vor diesem Hintergrund, meine Damen und Herren, muss der Innenminister jetzt vor Ort Überzeugungsarbeit leisten. Er muss über Land fahren und erklären, worin die Vorteile einer einheitlichen Gemeindestruktur, wie wir sie im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben, bestehen. Wir müssen die Überzeugungsarbeit vor Ort leisten, meine Damen und Herren.
Ohne eine offen geführte Leitbilddiskussion, die die Kommunalpolitiker vor Ort und die kommunalen Spitzenverbände mitnimmt, werden wir auch die kommunale Familie auf dem Weg unseres Koalitionsvertrages nicht mitnehmen. Deshalb müssen die Kommunen und die kommunalen Spitzenverbände ganz eng in die Leitbilddebatte eingebunden werden, meine Damen und Herren.
Umso wichtiger ist es, dass alle bisher selbständigen Gemeinden die freiwillige Phase auf der Basis des zu erstellenden Leitbildes für intensive Gespräche nutzen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang gern daran, dass für die Größe von Einheitsgemeinden heute bereits niedrigere Mindestgrößen gelten als für die Verwaltungsgemeinschaften. Das heißt, auch schon in den letzten Jahren haben wir eine gewisse Priorisierung in unserem Leitbild dargestellt und versucht. Aber der Erfolg war nicht so vielversprechend, wie wir uns das gedacht hatten. Aber Anreize für freiwillige Zusammenschlüsse hat es durchaus schon gegeben.
Aber wir müssen uns methodisch auch über eines im Klaren sein: Der Beginn der Diskussion kann naturgemäß noch nicht das zu erarbeitende Leitbild selbst vorwegnehmen. Der Zeitrahmen der Leitbilddiskussion ergibt sich aus der Natur und der zeitlichen Abfolge der zu entscheidenden Detailfragen. Eine entsprechende Liste mit den abzuarbeitenden Detailfragen wird zurzeit im Arbeitskreis für Inneres der CDU-Landtagsfraktion erarbeitet. Ich vermute, dass im Hause des Innenministers ähnlich vorgegangen wird. Die freiwillige Phase, meine Damen und Herren - -
- Sie haben wahrscheinlich doch nicht so viel Regierungserfahrung, um zu wissen, dass Fraktionen und Regierung durchaus eigenständige Gebilde sind.
(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Ich habe acht Jah- re lang mehr daran zu tun gehabt als Sie! - La- chen bei der CDU)
Meine Damen und Herren! Die freiwillige Phase ist keine voraussetzungslose Phase. Mit der Fortentwicklung der Verwaltungsgemeinschaften in der letzten Legislaturperiode sind vielerorts Strukturen entstanden, auf die sinnvollerweise aufzubauen ist, um nicht durch unbedachtes Handeln Ressourcen wie vorhandene Computertechnik, Programme oder gar Liegenschaften zu entwerten. Dies alles muss jetzt bedacht werden.
Am Ende, meine Damen und Herren, nicht am Anfang der freiwilligen Phase werden wir die gewonnenen Erkenntnisse auswerten und daraus gegebenenfalls Schlussfolgerungen für ein zu schaffendes Gesetz ableiten. Insofern können wir heute - das brauchen wir auch gar nicht - dieses Gesetz in der öffentlichen Diskussion noch nicht vorwegnehmen.
Wir wollen uns jetzt gemeinsam mit der SPD auf den Weg machen. Ich will deutlich in Richtung SPD sagen: Die Koalition zwischen CDU und SPD steht. Sie steht auch in dieser Frage. Wir werden auf dem gemeinsamen Weg genügend gute Erfahrungen sammeln, sodass wir diese schwierige Arbeit gemeinsam leisten werden, meine Damen und Herren.
Ich will noch kurz auf die heute entflammte Extremismusdiskussion eingehen. Jeder, der auch dem Landtag der letzten Legislaturperiode angehört hat, wird sich gut daran erinnern, dass es hier ein Stück weit die gemeinsame Selbstverpflichtung gab, uns in der Extremismusdiskussion nicht gegenseitig vorzuführen
Nun hat der Erfolg immer viele Väter. Aber wir können uns alle wirklich freuen, dass die Extremisten nicht Einzug in diesen Landtag gehalten haben.
Vielleicht ist es wirklich so, dass keine der jetzt im Landtag vertretenen Parteien der Versuchung zur Instrumentalisierung dieser Frage im Wahlkampf erlegen ist und die Extremisten daraus keinen Honig saugen konnten.
Ich denke, wir sollten auch weiterhin mit Ruhe, Besonnenheit und großer Sachlichkeit über die Fragen des Umgangs mit Fremdenfeindlichkeit und Extremisten in diesem Landtag beraten, um Extremisten keine Chance zu geben, aus dieser Diskussion in den nächsten Jahren Honig zu saugen. Deshalb bin ich sehr dafür, dass wir die guten Erfahrungen, die wir mit dem Netzwerk für Demokratie und Toleranz gesammelt haben, in den nächsten Jahren weiter ausbauen und diesen Weg ruhigen Schrittes, aber konsequent weiter fortführen, meine Damen und Herren.
Ich will am Ende meines Beitrags - Herr Gallert hatte Angst, ich rede zu lange, aber das habe ich nicht vor - noch auf eine mir wichtige Frage eingehen. Das ist die Frage der Gedenkstättenarbeit im Land Sachsen-Anhalt und des Umgangs mit unserer eigenen zu verantwortenden Vergangenheit. Auch diese Arbeit liegt administrativ verantwortet im Bereich des Innenministers.
Im Koalitionsvertrag haben wir uns unter diesem Stichwort dazu verpflichtet, die schweren Menschenrechts
verletzungen in der DDR darzustellen und hierüber Kenntnisse zu verbreiten. Das setzt nach meinem Verständnis ein Bekenntnis zur weiteren Aufarbeitung der DDR-Geschichte voraus. Ich darf daran erinnern, dass das Land die Aufarbeitung gesetzgeberisch, institutionell und auch finanziell fördert. Das gilt insbesondere für die Arbeit des Beauftragten für die Stasi-Unterlagen und für die Arbeit der Opferverbände.
Meine Damen und Herren! Ich will ganz deutlich sagen: Für eine öffentliche Schlussstrichdebatte habe ich kein Verständnis.
Wir dürfen das andauernde Leid Tausender Opfer, die ein Recht darauf haben, Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, nicht ignorieren oder relativieren. Wer die DDR-Vergangenheit auf sich beruhen lassen will, steht auch einer Erinnerungskultur entgegen, die, wie es Marianne Birthler formuliert hat, nicht nur wissen, sondern auch begreifen will.
Eine solche Erinnerungskultur kann nicht politisch verordnet, sie kann nur Stück für Stück vorgelebt werden. Sie braucht Vorbilder, meine Damen und Herren. Wie steht es um unser eigenes Verhältnis zur DDR-Vergangenheit? Werden wir als Abgeordnete oder Minister unserer Vorbildrolle auch wirklich gerecht?
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, will ich einen kleinen Ausflug in die Geschichte machen und an die Stuttgarter Schulderklärung aus dem Jahr 1945 erinnern: Im Herbst 1945 hat der Rat der Evangelischen Kirchen in Deutschland nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft sein eigenes Schuldbekenntnis formuliert. Ich zitiere:
„klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.“
Bezogen auf die DDR-Zeit als zweite deutsche Diktatur im 20. Jahrhundert kann ich dieses Bekenntnis auch für meine Person bekräftigen. Als Grundhaltung halte ich es auch für diejenigen für angemessen, die damals schon mit wachem Bewusstsein und mit geschärften Sinnen in der DDR gelebt haben bzw. hier Verantwortung trugen.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist die CDU-Fraktion dafür, dass wir auch in dieser Legislaturperiode eine Überprüfung der Mitglieder des Landtages auf eine eventuelle Mitarbeit in der Staatssicherheit oder den Nachfolgeorganisationen organisieren sollten,
auch wenn die Überprüfung im öffentlichen Dienst nach bisheriger Rechtslage zum Jahresende auslaufen wird.
Meine Damen und Herren! Wir tragen eine große Verantwortung für dieses Land. Der Koalitionsvertrag trägt die Überschrift „Sachsen-Anhalt - Land mit Zukunft“. Machen wir uns jetzt an die Arbeit! - Vielen Dank.