Protocol of the Session on March 22, 2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 18. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der fünften Wahlperiode.

(Unruhe)

- Ich bitte Sie, den Schallpegel ein wenig zu senken. - Ich möchte alle Anwesenden herzlich begrüßen.

Ich habe die große Freude, heute einem Geburtstagskind zu gratulieren. Der Abgeordnete Herr Jens Ulrich Thomas hat heute Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch vom Hohen Hause und alles Gute!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich möchte Sie davon in Kenntnis setzen, dass uns die Nachricht erreicht hat, dass ein ehemaliges Mitglied des Landtages, Herr Rudi Wichmann, am 28. Februar 2007 verstorben ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest. Wir können somit ordentlich arbeiten.

Ich komme zu Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung. Für die 10. Sitzungsperiode des Landtages liegen folgende Entschuldigungen vor:

Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer und Herr Staatsminister Robra haben sich für den heutigen Donnerstag entschuldigt. Beide nehmen an der Konferenz der Regierungschefs in Berlin teil.

Frau Ministerin Wernicke nimmt am heutigen Tag an einer Sondersitzung der Umweltministerkonferenz in Düsseldorf teil.

Herr Minister Professor Olbertz entschuldigt sich für den heutigen Sitzungstag ab 18 Uhr. Er ist Ehrengast des Programmbeirats Arte Deutschland TV in Halle.

Herr Minister Dr. Haseloff leitet am heutigen Tag die Präsidiumssitzung des Netzwerkes der europäischen Chemieregionen in Brüssel und ist auch am morgigen Tag nicht anwesend. - Das sind die Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung.

Zur Tagesordnung, meine Damen und Herren. Die Tagesordnung für die 10. Sitzungsperiode liegt Ihnen vor. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 13 - Struktur der Arbeitsförderung nach der Kreisgebietsreform - als ersten Punkt am morgigen Tag zu behandeln.

Des Weiteren hat der Ausschuss für Recht und Verfassung beantragt, zwei Gesetzesberatungen zusätzlich auf die heutige Tagesordnung zu nehmen. Diese werden als Tagesordnungspunkt 19 - Entwurf eines Gesetzes zum Staatsvertrag über die Übertragung von Aufgaben nach § 9 Abs. 1 und § 10 des Handelsgesetzbuches zur Errichtung und zum Betrieb eines gemeinsamen Registerportals der Länder - und Tagesordnungspunkt 20 - Entwurf eines Gesetzes zum Staatsvertrag über die Errichtung eines gemeinsamen Mahngerichts des Landes Sachsen-Anhalt, des Freistaates Sachsen und des Freistaates Thüringen - in die Tagesordnung eingeordnet und werden nach dem Tagesordnungspunkt 7 behandelt werden.

Die entsprechenden Beschlussempfehlungen dazu liegen in den Drs. 5/598 und 5/599 vor. Da eine Debatte dazu nicht vorgesehen ist, wird der Zeitplan lediglich unwesentlich beeinflusst werden. - Das waren die Dinge, die ich Ihnen zu verkünden habe.

Es gibt eine Wortmeldung. Herr Gürth, bitte.

Herr Präsident, ich bitte darum, den Tagesordnungspunkt 6 - Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Hochschulzulassungsgesetzes - von der Tagesordnung abzusetzen und in einer der folgenden Landtagssitzungen zu beraten.

Dies ist entsprechend § 57 Abs. 1 Nr. 4 der Geschäftsordnung möglich. Gibt es dazu Anmerkungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist das so beschlossen. Wir nehmen den Tagesordnungspunkt 6 von der Tagesordnung.

Gibt es weitere Wortmeldungen? - Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich um Zustimmung zu der Tagesordnung für die 10. Sitzungsperiode mit den vorgetragenen Änderungen. Wer dieser zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Ich sehe Zustimmung bei allen Fraktionen. Damit ist die Tagesordnung so beschlossen worden.

Zum zeitlichen Ablauf der 10. Sitzungsperiode: Die heutige Landtagssitzung wird voraussichtlich gegen 18.15 Uhr beendet sein. Ab 20 Uhr findet im Raum B0 05 unseres Hauses die parlamentarische Begegnung mit der Mitteldeutschen Medienförderung GmbH statt. Die morgige Sitzung beginnt wie üblich um 9 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

a) Aussprache zur Großen Anfrage

Strukturreform der Finanzverwaltung in SachsenAnhalt

Große Anfrage der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/444

Antwort der Landesregierung - Drs. 5/538

b) Erste Beratung

Neugliederung der Finanzverwaltung nur durch Gesetz

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/591

Im Ältestenrat wurde vereinbart, den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS im Zusammenhang mit der Aussprache zu der Großen Anfrage zu behandeln. Der Redner der Fraktion der Linkspartei.PDS wird gebeten, diesen Antrag im Rahmen seines Beitrags einzubringen. Im Anschluss an die Debatte werden wir dann über diesen Antrag abstimmen.

Wir kommen zunächst zur Aussprache zu der Großen Anfrage. Der Ältestenrat schlägt die Redezeitstruktur C vor; diese sieht eine Gesamtdebattendauer von 45 Minuten vor. Gemäß der Geschäftsordnung wird zunächst dem Fragesteller das Wort erteilt. Alsdann erhält es die Landesregierung. Nach der Aussprache steht dem Fra

gesteller das Recht zu Schlussbemerkungen zu. Für die Debatte sind folgende Redezeiten vorgesehen: CDU zwölf Minuten, FDP fünf Minuten, SPD acht Minuten und Linkspartei.PDS acht Minuten.

Ich erteile zunächst Frau Dr. Paschke von der Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort. Anschließend wird für die Landesregierung Herr Minister Bullerjahn sprechen. Bitte sehr, Frau Dr. Paschke, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über die Neustrukturierung der Finanzverwaltung hat das Kabinett Ende Januar 2007 aus der Sicht der Landesregierung abschließend entschieden. Dennoch ist das Thema längst nicht vom Tisch. Mit der heutigen Aussprache sollen aus unserer Sicht die Positionen der Fraktionen zu zwei grundsätzlichen Fragen deutlich werden.

Erstens. Teilen die Fraktionen die Position der Landesregierung, dass die Neustrukturierung der Finanzverwaltung gemäß dem beschlossenen Konzept wirtschaftlich ist und dass die Qualität der Dienstleistung aufrechterhalten wird?

Zweitens. Teilt das Parlament und vielleicht auch die Landesregierung nach der Vorlage des Gutachtens des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes mehrheitlich die Auffassung der Linkspartei.PDS, wonach die Neuordnung der Finanzverwaltung nur per Gesetz geregelt werden kann?

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir einleitend einige Worte allgemeiner Natur. Die Reduzierung der Zahl der Finanzämter ist Bestandteil von Strukturveränderungen staatlicher Sonderbehörden auf der Ortsebene. In der Tendenz sollen die staatlichen Behörden durch Kommunalisierung aus der Fläche zurückgezogen werden. Bei den jetzt bevorstehenden Kreisstrukturen bleibt dies jedoch bei vielen Ämtern auf der Ortsebene eine Illusion.

Stattdessen beschreitet das Land Sachsen-Anhalt seit Jahren den Weg der Zentralisation - diesmal unmittelbar einhergehend mit der Kreisgebietsreform. Die Finanzverwaltung hat mit der Polizeiverwaltung und den Gerichtsstrukturen insofern etwas gemeinsam, als sie wie diese - im Unterschied zu den übrigen unteren Landesbehörden - unabhängig von der Größe der Kreise nicht für eine Kommunalisierung infrage kommt und eine klassische Form staatlicher Eingriffsverwaltung darstellt.

Die Gerichtsstrukturen, die Polizei- und die Steuerverwaltung müssen somit dauerhaft den Beweis dafür erbringen, dass es der staatlichen Verwaltung gelingt, die Dienstleistungen auch bei veränderten Rahmenbedingungen in hoher Qualität sowie bürgernah und wirtschaftlich vorzuhalten. Die Qualität der Dienstleistung in Verbindung mit einem effizienten Ressourceneinsatz muss somit auf den Prüfstand gestellt werden; dies muss einem jeden Gutachten zugrunde gelegt werden.

In den letzten Monaten standen Gutachten verschiedener Art im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit. Deutlich wurde dabei immer wieder eines: Die vom Auftraggeber beabsichtigten Resultate sind von entscheidender Bedeutung für das Ergebnis.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Das der Neustrukturierung der Finanzverwaltung zugrunde gelegte Gutachten ist dafür exemplarisch. Das

Gutachten erstreckte sich über den Zeitraum des Regierungswechsels. Es wurde hinsichtlich der inhaltlichen Ausrichtung mehrmals - um es ganz vorsichtig auszudrücken - nachjustiert, und der Gutachter stand unter dem Zwang, seine eigene Behörde zu begutachten. - Das sind Fakten, die man nicht einfach von Tisch wischen kann.

Dann erstaunt auch die enorme Differenz in Höhe von mehr als 50 Millionen € bei der Analyse der Wirtschaftlichkeit der Neustrukturierung in dem Zwischenbericht vom Januar 2006 und in dem Endergebnis 2007 nicht sonderlich. Das liegt nicht an dem Gutachter, sondern einfach an der Aufgabenstellung, die dem Gutachten zugrunde gelegt worden ist.

So hat die damalige Landesregierung am 8. Februar 2005 zunächst den Präsidenten der Oberfinanzdirektion Magdeburg beauftragt, die bisherige Dreistufigkeit der OFD nach der Herauslösung der Bundesaufgaben auf den Prüfstand zu stellen. Danach gab es meines Wissens zwei Erlasse mit der Maßgabe, die Wirtschaftlichkeitsberechnung auf die notwendige Anzahl der Finanzämter im Land Sachsen-Anhalt auszurichten.

Welche Kriterien sollten dem zugrunde gelegt werden? - Die Angleichung der Zuständigkeitsbezirke an die Kreisneugliederung - darauf komme ich noch zu sprechen -, Personalbedarfsentwicklungsprognosen, die vollständige Ausnutzung der landeseigenen Liegenschaften und die weitgehende Aufgabe von Mietobjekten.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass bei der Aufgabenstellung nicht ein einziges Kriterium auf die Qualität der Steuerverwaltung abzielte. Vielmehr wurde in der Antwort auf die Frage I.3 nach der Notwendigkeit der Umstrukturierung aus fachlichen Erwägungen heraus ausdrücklich bestätigt, dass es keinen konkreten Bedarf zur Umstrukturierung aus der Quantität und Qualität der Aufgabenerfüllung heraus gab.

In der Antwort auf die Frage I.5, inwiefern die angestrebten Zielstellungen erreicht worden sind, ist sich die Landesregierung sicher, dass die in dem Gutachten definierten Zielstellungen der Umstrukturierung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten erreicht wurden: nämlich Reduzierung der Anmietung, Reduzierung des Leerstands in landeseigenen Liegenschaften, Verzicht auf die Einrichtung von Außenstellen und Beibehaltung von mindestens einem Finanzamt pro Kreis.

Der Grad des Erreichens der Zielstellung wird jedoch ausdrücklich an der wirtschaftlichen Nachnutzung landeseigener Liegenschaften an den aufzugebenden Standorten festgemacht. Diese landeseigenen Liegenschaften wurden nach einem Marktanpassungsabschlag in Höhe von 50 % des Verkehrswertes mit einem Wert von 7,79 Millionen € - wenn man sie addiert; unten steht eine geringere Summe - ausgewiesen.

Der Landesrechnungshof vertritt die Auffassung, dass die Summe um die Hälfte reduziert werden muss. Das bedeutet bei einem unverzüglichen Verkauf einen Erlös von maximal 3 Millionen €. Dieser reduziert sich bei längerem Leerstand deutlich; zudem würden laufende Betriebskosten durch Sicherung und Unterhaltung verursacht.

Im günstigsten Fall - wenn man die Richtigkeit aller anderen Zahlen unterstellt - wäre über zehn Jahre eine Kostenreduzierung in Höhe von ca. 13 Millionen € möglich. Aber, meine Damen und Herren, auch diese Zahlen

sind sehr straff gefasst. Deshalb sind Zweifel durchaus angebracht.