Auch wenn man der Auffassung ist, dies solle durch zweckgebundene Zuweisungen des Landes SachsenAnhalt ausgeglichen werden - das wollen Sie ja auch nicht -, brauchten wir einen entsprechenden Lösungsvorschlag, aus dem hervorgeht, woher das Geld genommen werden soll.
Die Forderung, wir müssen mehr Freiheit der Entscheidung im kommunalen Bereich haben, klingt wirklich sehr
populär, aber sie beantwortet nicht die daraus resultierenden Frage, wer denn für die Kosten, die durch dieses Mehr an Freiheit der Entscheidung entstehen, tatsächlich aufkommt. Ich finde, es gehört dazu, hier diese Frage zu beantworten.
Ich möchte Ihnen gegenüber auch noch zum Ausdruck bringen, dass ich mit der Begründung, die Sie vorgetragen haben, doch an einer Stelle auch sehr unzufrieden bin. Sie bringen vor, dass Gemeinderäte oder auch Vertreter von Gemeinderäten in Zweckverbandsversammlungen nicht in der Lage seien, die Interessen der Menschen ausreichend zu vertreten. Sie sagen, die Bürger hätten keinen wirklichen Einfluss darauf, was wie wo investiert wird.
Wenn wir denn eine Vertreterdemokratie haben, in der die Menschen durch Wahl ihre Vertreter in die kommunalen Gremien entsenden, dann muss man auch unterstellen, dass diejenigen, die für die und von den Menschen in diese Gremien gewählt wurden und dort Mitglied sind, auch deren Interessen vertreten. Ich unterstelle den in diesem Land in der Kommunalpolitik aktiven Menschen, dass sie sich sehr wohl für die Interessen der Bürger, die sie vertreten, engagieren und für nichts anderes.
Das, was Sie, Herr Grünert, zu dem Beispiel Bad Kösen vorgetragen haben, macht es besonders interessant. Erstens ist mir kein Fall bekannt, in dem ein Bürger von Bad Kösen nach Thüringen umgezogen ist, weil dort die Straßenausbaubeiträge geringer sind - das liegt ja praktisch um die Ecke.
Zweitens - das ist viel interessanter - kennen Sie doch die Situation in Bad Kösen. Bezüglich des Abwasserzweckverbandes Bodeniederung haben Sie ein paar Zahlen genannt; für Bad Kösen haben Sie die entsprechenden Zahlen nicht genannt.
Die Stadt Bad Kösen hat gegenwärtig eine Verschuldung in Höhe von 29 Millionen € zu verzeichnen. Hinzu kommt ein laufendes Haushaltsdefizit von etwas mehr als 5 Millionen €.
Wenn dann noch der Stadtrat aufgefordert werden soll - so interpretiere ich es; ich kann es ja auch falsch interpretieren -, auf die Erhebung von Beiträgen zu verzichten oder geringere Beiträge zu erheben, weil er damit den Menschen etwas Gutes tut, dann muss man die Frage stellen, ob man den Menschen tatsächlich etwas Gutes tut, weil es die Verschuldung der Gemeinde immer mehr nach oben treibt und damit die Perspektive und die Entscheidungsfähigkeit in der Zukunft für die Gemeinde und für die Stadt Bad Kösen immer schlechter werden. Ich glaube, das kann nicht gewollt sein. Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass das vermieden wird.
In diesem Sinne und ausschließlich in diesem Sinne will ich deutlich sagen, dass ich Ihren Vorschlag, die Rechtslage in Sachsen-Anhalt gegebenenfalls zu ändern, nicht nur populär, sondern tatsächlich populistisch finde.
Aber wir sollten uns die Zeit nehmen, die Begründung der sächsischen OVG-Entscheidung in Ruhe anzuschau
Vielen Dank, Herr Innenminister. Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Gallert. - Bitte sehr, Herr Gallert.
Es ist eine Frage und eine Antwort, Herr Innenminister. Zuerst die Antwort. Sie haben gefragt: Woher sollen denn die Gelder kommen, die dadurch verloren gehen, dass man möglicherweise nicht die Höchstsätze heranzieht?
Dazu sage ich: Das ist das Strukturproblem in der kommunalen Selbstverwaltung. Wenn ein Gemeinderat sich dazu durchringt, nicht die Höchstsätze zu nehmen, dann ist es seine verdammte Aufgabe zu gucken, wie er diese Dinge refinanziert. Ansonsten könnten wir auch zentrale Vorgaben für alle Gebühren einführen.
- Ja, das ist eine Strukturfrage der kommunalen Selbstverwaltung. Ansonsten sollten wir landesweite Regelungen für alle kommunale Gebühren finden; denn dieses Problem haben wir bei jeder kommunalen Gebührenentscheidung, egal ob es im Kindergarten der Fall ist, ob es beim Sport der Fall ist oder ob es beim Straßenausbau der Fall ist. Warum geht es bei dem einen und bei dem anderen nicht?
Die zweite Geschichte. Herr Innenminister - das ist wirklich eine Frage -, wenn bei den Zweckverbänden aus Ihrer Sicht keine Demokratiedefizite vorliegen, wenn das alles so hervorragend klappt, dann frage ich Sie mal: Warum sind Sie eigentlich ein so engagierter Verfechter der Einheitsgemeinde? Denn deren demokratischer Vorteil - der einzige, den die hat - ist, aus dem Zweckverband Verwaltungsgemeinschaft auszusteigen und daraus eine Gemeinde zu machen. Die großen Befürworter der Einheitsgemeinde argumentieren immer mit den Demokratiedefiziten der Zweckverbände. Warum ist das da und hier nicht der Fall?
Zunächst habe ich jetzt keine Lust darauf, eine ausführliche, lange Debatte über das Thema Einheitsgemeinde zu führen.
Aber der Kern der Frage ist doch - das war mein Vorwurf an den Redner Herrn Grünert - die Unterstellung, die Bürger hätten keinen direkten Einfluss auf Entscheidungen über den Umfang von Straßenausbaumaßnahmen oder anderen Investitionen im Gemeindebereich. Diese Unterstellung akzeptiere ich nicht, weil sie impliziert, dass die gewählten Vertreter die Interessen der Bürger bei der Entscheidung nicht berücksichtigen.
Das sehe ich anders und das ist keine Frage - das will ich ausdrücklich sagen -, ob hierüber ein Gemeinderat entscheidet oder eine Zwecksverbandsversammlung, je nachdem, um welche Investition es geht. Es ist die
grundsätzliche Frage, ob man jemandem, der vom Bürger für eine Funktion gewählt ist, unterstellt, nicht die Interessen der Bürger, sondern andere Interessen zu vertreten.
Dazu bin ich der Auffassung, dass die Einschätzung, die Herr Grünert vorgetragen hat, nicht den Realitäten entspricht. Die Menschen, die sich dort engagieren, vertreten die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, von denen sie gewählt worden sind.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der letzten Sitzung des Landestages schwebte Kollege Heft hier durch das Hohe Haus, einem Friedensengel gleich, die militärische Nutzung des Flughafens Halle-Leipzig geißelnd. Heute nun folgt Herr Grünert einem barmherzigen Samariter gleich. Man hat ihm förmlich angemerkt, dass er die ganze Last der armen, geschundenen Bürger tragend hier vorne stand.
Meine Damen und Herren von der Linkspartei.PDS, was wir soeben von Ihnen hier hören durften, ist nichts als pure Heuchelei, billiger Populismus. Ich glaube, die bevorstehende Kommunalwahl lässt an dieser Stelle grüßen.
Bereits gestern beim Thema Stasi-Überprüfung konnten wir erneut erleben, wie Sie letztlich zu Ihrer eigenen Vergangenheit stehen. Sie haben selbst gewählt das Erbe der SED-Herrschaft angenommen.
Sie tragen deshalb nach wie vor auch die politische und moralische Verantwortung für die Hinterlassenschaft aus 40 Jahren DDR.
Erinnern Sie sich noch daran, wie es im Jahr 1989 in unseren Städten und Dörfern aussah? Ich glaube es nicht; denn dann müssten Sie sich an Folgendes erinnern: an verfallende Innenstädte, eine vielerorts marode kommunale Infrastruktur, kaputte Straßen, fehlende Abwasserentsorgung.
In den 17 Jahren seit der Wiederherstellung der deutschen Einheit hat sich in unserem Land viel getan. Die Dörfer sind im Rahmen der Dorferneuerung aufgeblüht. Mit Programmen wie Stadtsanierung, Urban 21 oder Stadtumbau Ost wurde erreicht, dass unsere Städte wieder zu lebenswerten Orten geworden sind.
Möglich geworden ist dies unter anderem durch den Einsatz von Mitteln der EU, des Bundes und des Landes. Aber auch unsere Kommunen selbst haben viel in die Modernisierung ihrer Infrastruktur investiert. Bei all den genannten Mitteln handelt es sich letztlich um Steuermittel, die von den Bürgern, aber auch von den Unternehmen unseres Landes aufgebracht worden sind.
Nach wie vor gibt es erheblichen Bedarf bei der grundhaften Instandsetzung der kommunalen Infrastruktur. Die angespannte Finanzsituation der öffentlichen Haushalte hat in den letzten Jahren zu einer deutlichen Verlangsamung des Erneuerungsprozesses geführt. Sollten wir dem Tenor Ihres Antrages folgen, die Regelung des sächsischen KAG auf Sachsen-Anhalt zu übertragen, wird sich das Sanierungstempo entweder weiter verlangsamen oder gänzlich zum Stillstand kommen.
Gemäß § 91 Abs. 2 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt sind die Kommunen verpflichtet, zur Erfüllung ihrer Aufgaben die erforderlichen Finanzmittel, soweit es zu vertreten und geboten ist, aus Entgelten für ihre Leistungen oder aus dem Steueraufkommen zu beschaffen. Sie haben dabei die wirtschaftlichen Kräfte ihrer Abgabepflichtigen zu berücksichtigen. Im KAG ist geregelt, dass die Beiträge zu erheben sind.
Damit ist der Spielraum für die Kommunalaufsichtsbehörden, aber auch für die Kommunen selbst relativ eng gesteckt. Dies bedeutet aber auch, dass letztlich alle Kommunen, egal ob arm oder reich, verpflichtet sind, ihre Grundstückseigentümer an der Herstellung dieser Einrichtungen finanziell zu beteiligen. Spielräume gibt es bei der prozentualen Höhe der Heranziehung in den entsprechenden Ausbauklassen.
In Sachsen hat man in der Gemeindeordnung eine Pflicht festgeschrieben, dagegen im KAG die Möglichkeit offen gelassen, diese Beiträge zu erheben. Das ist sicherlich auch der Punkt gewesen, den das sächsische OVG genutzt hat, um sein Urteil zu sprechen.
Meine Damen und Herren! Der Innenminister ist bereits darauf eingegangen: Das Urteil in Schriftform liegt noch nicht vor; auch die Leitsätze werden erst in Kürze zur Verfügung stehen.
Wer, wie die Linkspartei.PDS, mit einer Übernahme der sächsischen KAG-Regelung liebäugelt, der muss den Kommunen klar sagen, woher die Mittel kommen sollen, wenn diese nicht mehr über Beiträge erhoben werden sollen. Sich hier hinzustellen und die Finanzmisere der kommunalen Haushalte zu beklagen und gleichzeitig den Kommunen Möglichkeiten zu nehmen, eigene Einnahmen zu beschaffen, ist mehr als scheinheilig.
Sollte Ihre Antwort lauten - die habe ich von Grund auf so verstanden -, dies müsse aus Steuermitteln finanziert werden, zeigt das die ganze Scheinheiligkeit in Ihrer Argumentation. Denn diese Steuern müssten durch alle Bürger dieses Landes aufgebracht werden. Damit wäre es letztlich nur eine Umverteilung.
Zum Schluss meiner Ausführungen möchte ich sagen: Hätten Ihre Vorgänger in 40 Jahren DDR diese Infrastruktur nicht so verkommen lassen, wie wir sie im Jahr 1989 vorgefunden haben, wäre der Erneuerungsbedarf heute geringer und letztlich auch die Belastung unserer Bürger.