Protocol of the Session on February 23, 2007

Es war über viele Jahre Konsens unter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, nicht über die Folgen des Klimawandels zu debattieren, sondern langfristig zu versuchen, den Klimawandel aufzuhalten, das menschliche Handeln so umzustellen, dass Klimaschutz unsere oberste Prämisse ist, und die Erde für unsere Kinder in dem Zustand zu bewahren, in dem sie unseres Erachtens sein müsste.

Inzwischen hat hierbei ein Paradigmenwechsel stattgefunden, und ich möchte Sie bitten, diesen heute mit nachzuvollziehen.

Natürlich darf niemand davon ablassen, über Klimaschutz zu reden bzw. in diesem Bereich zu handeln. Wenn wir über Klimaschutz reden und dort handeln wollen, muss auch über die Frage diskutiert werden: Wo kann man eingreifen? Dabei müssen auch Erbhöfe aufgegeben werden und man muss neue Prioritäten setzen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es hieße die Augen vor der Wirklichkeit zu verschließen, wenn wir sagen würden, es sei noch alles beim Alten.

Wer sich die Messdaten des Wetterdienstes anschaut, und zwar nicht nur den schlichten Temperaturgang, sondern auch die phänologischen Datenreihen, stellt fest, dass in den letzten 20 Jahren im Unterschied zu den 20 Jahren davor eine deutliche Vorverlegung des Blühtermins der wichtigsten Frühjahrsblüher zu verzeichnen ist, dass es auch bei den Sommerblühern schon eher losgeht, dass im Herbst aber überraschenderweise der Blätterabfall nicht vorgezogen ist. Das heißt, das Klima in sich verändert sich.

Wer sich einmal die jüngsten Studien und deren Ergebnisse anschaut, also zum einen das IPCC, das Intergovernmental Panel on Climate Change, der Uno und zum anderen die Wettreg-Studie des Umweltbundesamtes, die eine andere Datengrundlage, eine andere Datenbemessung verwendet, stellt fest, dass gerade Sachsen-Anhalt von dem Klimawandel, der bereits eintritt und nicht mehr in vollem Maße zu verhindern ist, betroffen ist.

Klimawandel heißt, wie der unbedarfte Zuhörer glauben mag, nicht nur, dass es ein wenig wärmer wird und dass es damit gut ist. Meine sehr verehrten Damen und Her

ren! Gerade unsere Region ist - das ist in den Studien festgestellt worden - von einer erhöhten Vulnerabilität betroffen. Das heißt, es wird nicht dazu kommen, dass wir hier ein bisschen mehr Sonne haben oder eben keine Winterreifen mehr brauchen; vielmehr wird der Klimawandel gerade im Leegebiet des Harzes zu einer deutlichen Veränderung im Hinblick auf die Niederschläge und auch auf die Verdunstungen führen.

Der Harz ist noch relativ wenig betroffen. Das kann auch nach den gegenwärtigen phänologischen Daten so festgestellt werden. Aber die Gebiete danach, sowohl die nordostdeutschen als auch die südostdeutschen Ebenen, sind von einem Wandel, sowohl was die Niederschläge als auch was die Temperaturen betrifft, in höchstem Maße betroffen. Wir werden einen deutlichen Übergang vom humiden zum semiariden Klima zu verzeichnen haben. Das führt dazu, dass eine Regenwirtschaft in der Landwirtschaft in Zukunft quasi nicht mehr möglich sein wird. Es wird notwendig sein zu bewässern.

Zudem wird durch einen geringeren Bedeckungsgrad des Himmels im Sommer eine stärkere Verdunstung auftreten. Das heißt, die Atmosphäre, die sich gewandelt hat und wärmer ist, hat auch eine höhere Wasseraufnahmekapazität. Man rechnet mit 100 bis 150 mm Niederschlag, der zusätzlich in die Atmosphäre aufgenommen werden kann.

Die Energiesteigerung, die dabei stattfindet, führt natürlich auch zu Starkwetterereignissen. Das heißt, die Zahl der Stürme und die Zahl der heftigen Niederschläge wird zunehmen. Die gesamte Region ist zukünftig stärker davon betroffen, auch wenn der Gesamtwind über ein Jahr gesehen abnimmt. Man muss also sagen, dass gerade in unserem Gebiet die Zahl der Extremereignisse zunehmen wird.

Außerdem wird es zu einer zeitlichen Verschiebung des Niederschlags kommen. Das heißt, auch wenn sich die Gesamtniederschlagsmenge nur geringfügig verändert, so verschiebt sich der Niederschlag in seiner Stärke vom Juli, wo wir ihn traditionell haben und auch brauchen, in die Wintermonate.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist das Problem der Wüsten in Afrika. Dort gibt es manchmal auch starke Niederschläge, aber ausnahmslos im Winter, sodass sie nichts nutzen. Diese Gefahr besteht auch bei uns, wobei hinzukommt, dass die Niederschläge, die sich im Winter als Schnee ablagern, im Frühjahr ganz andere Wassermengen erbringen, die ins Tal hinabstürzen.

Daher, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist es aus unserer Sicht dringend notwendig, sich diesem Klimawandel zu stellen und auch regionale Studien anzufertigen. Andere Bundesländer haben dies längst getan.

Im Jahr 1999 haben die Länder Baden-Württemberg und Bayern mit dem Deutschen Wetterdienst eine Klimavereinbarung getroffen. Man hat sich also sehr darum gekümmert, dass zukünftige Gefahren im Zusammenhang mit Niederschlägen und Hochwasserereignissen, aber auch mit dem Temperaturgang insgesamt erforscht werden und die Ergebnisse der Regierung zur Verfügung stehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben die Verantwortung, das Klima in unsere Planungen einzubeziehen. Das betrifft Fragen der Wasserver- und Abwas

serentsorgung. Wie hoch müssen die Deiche sein? Wie muss künftig das Wassersystem in den Ortschaften aussehen?

Das reicht bis zu der Frage der Errichtung großer Gebäude: Welche Windlasten müssen hier ausgehalten werden? Wie groß sind die Schneelasten? Das setzt sich fort bis zu den traditionellen Siedlungsstrukturen, die auch betroffen sein können.

Von den Auswirkungen auf die Landwirtschaft will ich hier gar nicht reden. Sie sind augenscheinlich. Auch in diesem Bereich sehe ich die Verantwortung, diesen Aspekt in die Förderpolitik und in ähnliche Dinge einzubeziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegen globale Studien vor, regionale nicht, obwohl wir gerade in Sachsen-Anhalt ausgewiesene Forschungseinrichtungen unser Eigen nennen können. Dazu gehören einerseits das Helmholtz-UFZ, also das Umweltforschungszentrum Halle/Leipzig, und andererseits die MartinLuther-Universität, die auch über eigene Fachbereiche verfügt, die sich diesem Thema seit Jahren verschrieben haben und die auch in Regionen, die sich im Wechsel vom humiden zum semiariden Klima befinden, bereits tätig wurden, so etwa in den Great Plains oder auch in einigen Gegenden in Russland. Hier haben wir Fachwissen, das es zu nutzen gilt.

Unser Antrag zielt darauf ab, dieses Fachwissen, unsere Wissenschaftler und die bei uns vorhandenen Kapazitäten einzubinden. Das gilt natürlich auch für das Umweltbundesamt in Dessau, das die jüngste Studie mit vorgestellt hat.

Wer sich die heutigen Zeitungen anschaut, stellt fest, dass sie je nach Seriosität den Zeitraum, der uns noch bleibt, verkürzen. Einige reden von 15 Jahren. Das sind die regionalen Zeitungen, die noch etwas mehr Zeit sehen. Die überregionalen Zeitungen reden von 14 Jahren, und die Zeitung, die nicht das Wort „Text“ in ihrem Logo führt, spricht von 13 Jahren. Wie auch immer, die Zeit, die uns verbleibt, um noch etwas zu beeinflussen, ist extrem gering, aber die Zeit des Klimawandels ist bereits angebrochen.

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, erachten wir als FDP-Fraktion es als dringend geboten, uns diesem Klimawandel zu stellen und für unser Land das Beste herauszufinden. Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der FDP)

Danke sehr, Herr Abgeordneter Kley, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Ministerin Frau Wernicke. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße es außerordentlich, dass sich das Parlament mit dem wichtigen Thema Klimafolgen und Klimaanpassung befasst. Schließlich geht dieses Thema uns alle etwas an.

Des Weiteren gibt dieser Antrag der Landesregierung die Möglichkeit, den Wissensstand einiger Abgeordneter

zu erweitern, was die zahlreichen Aktivitäten der Landesregierung betrifft.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man sich einmal die Zeit nimmt, in Ruhe darüber nachzudenken, welche Bereiche politischer Entscheidungen und auch des täglichen Lebens unser Klima mehr oder weniger direkt beeinflussen, dann wird die Komplexität dieses Bereichs deutlich: Schadstoffverminderung durch Geschwindigkeitsbegrenzung, CO2-Steuer, Verkehrsalternativen oder Emissionsrechtehandel, Nutzung alternativer Energiequellen, insbesondere von Biomasse, die Aufforstung und die umweltschonende nachhaltige Bewirtschaftung in der Land- und Forstwirtschaft, energiesparendes Bauen, energiesparende technische Geräte - das sind nur einige Stichworte, die Herr Kley auch beschrieben hat, die aber vermutlich zeigen, welche Bandbreite von diesem Thema angesprochen wird.

Die jüngsten Veröffentlichungen und Erkenntnisse über die Klimaveränderung sind alarmierend und rücken den Klimaschutz stark in den Fokus. In den zurückliegenden 100 Jahren hat sich die mittlere Temperatur in Europa nahezu um 1°C erhöht. Der heutige CO2-Wert ist der höchste seit 650 000 Jahren. Namhafte Klimaforscher gehen davon, dass sich das Zeitfenster zur Einhaltung des „Zweigradkriteriums“ für einen beherrschbaren Klimawandel in den nächsten 15 Jahren schließen wird.

Wenn größere Temperaturanstiege vermieden werden sollen, dürften die weltweiten Treibhausgasemissionen nur noch etwa bis zum Jahr 2020 ansteigen und müssten dann bis zum Jahr 2050 um mindestens 50 % gegenüber dem Jahr 1990 zurückgehen. Ein mittlerer Temperaturanstieg um 2°C wäre nach der Ansicht der Fachleute gerade noch verkraftbar.

Um diese Herausforderung zu meistern, bedarf es großer Kraftanstrengungen. Ich denke, darin sind wir uns alle einig.

Die vorausgesagten Klimaveränderungen werden auch im Land Sachsen-Anhalt erhebliche und auch regional sehr unterschiedliche Auswirkungen auf Ökosysteme und die Biodiversität haben.

Aus unserer Sicht ist es erforderlich, zwei Strategien parallel zu verfolgen. An dieser Stelle scheinen sich unsere Strategien, Herr Kley, etwas zu unterscheiden; denn ich habe den Eindruck, Sie legen den Schwerpunkt auf die Anpassung an die Klimafolgen.

Deshalb unterstützte ich den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen ausdrücklich, die den Klimaschutz nach wie vor in den Fokus stellen und als zweite Strategie die Anpassung an die Klimafolgen sehen. Wir müssen beide Strategien zeitgleich oder parallel verfolgen.

Zum einen geht es um deutlich größere Anstrengungen bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Verminderung von Klimagasemissionen mit dem Ziel einer Begrenzung des Temperaturanstiegs über 2°C hinaus. Zum anderen ist es erforderlich, Strategien zur Anpassung an die sich bereits unvermeidlich verändernden Bedingungen zu entwickeln.

Die Landesregierung hat in den vergangenen Jahren den Schwerpunkt auf Maßnahmen zur CO2-Minderung gesetzt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf eine Vielzahl von Maßnahmen des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt im Bereich der Energieeinsparung, der erneuerbaren Energien sowie der Informa

tions- und Öffentlichkeitsarbeit. Ich denke, es ist ein wichtiger Schwerpunkt, die Öffentlichkeit darüber zu informieren und für dieses Thema zu sensibilisieren.

Ich will Pilotprojekte zur Energieeinsparung in Schulen und in Krankenhäusern sowie zum kommunalen Energiemanagement nennen. Ich will die Förderung von mehr als 150 Klimaschutzprojekten im Rahmen der Stiftung „Klimaschutz“, die Gründung der Koordinierungsstelle „Nachwachsende Rohstoffe“ sowie Studien zum Biomassepotenzial, zu Geothermie und zu Biokraftstoffen erwähnen. Das sind nur einige Beispiele für die Aktivitäten.

Wir haben in den zurückliegenden Jahren gemeinsam mit Verbänden und der Industrie intensiv an der Einführung des neuen Systems des europäischen Emissionsrechtehandels und an seiner Umsetzung im Land gearbeitet.

Auch in Bezug auf das Thema Klimaveränderung und Klimafolgenforschung ist eine Menge getan worden. Daher möchte ich öffentlichen Äußerungen, insbesondere von Wissenschaftlern wie Herrn Professor Frühauf, widersprechen, nach denen das Land der Forschung und der Erarbeitung von Anpassungsstrategien nicht die gebotene Aufmerksamkeit schenkt.

In den Bereichen Landwirtschaft, Hochwasserschutz, Forstwirtschaft und Naturschutz befassen sich unsere Fachbereiche sehr intensiv mit den Fragen der Anpassung der Systeme an künftige Klimaveränderungen. Auch hierfür möchte ich einige Beispiele nennen:

Wie alle Elbeanrainer arbeitet das Land im BMBF-Projekt „Glowa Elbe“ mit, in welchem die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wasserverfügbarkeit und auf die Wassernutzung im Elbeeinzugsgebiet untersucht werden.

Die Landesanstalt für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau arbeitet bereits seit Längerem an wassersparenden Techniken, wie der konservierenden Bodenbearbeitung.

Im Forstbereich wird seit Jahren ein Umweltmonitoring durchgeführt, das insbesondere die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf das Ökosystem Wald im Blick hat. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch das sind einige Beispiele. Dass wir an diesem Thema weiter arbeiten, ist selbstverständlich.

Im Geschäftbereich des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt wird derzeit die Aufbereitung von Ergebnissen aus deutschlandweit einheitlichen Klimaprognosen für das Territorium des Landes vorbereitet. Diese Daten werden dann den Ressorts und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und können in fachspezifischen Klimafolgebetrachtungen verarbeitet werden.

Wir haben zusätzlich Ende 2006 bei der TU Dresden die Erarbeitung einer regionalen Klimadatenbank SachsenAnhalt in Auftrag gegeben, damit die Prognosen unter Berücksichtigung der Trends in der Vergangenheit ergänzt werden können. Wir wollen den Behörden und den Wissenschaftseinrichtungen des Landes noch in diesem Jahr die aufbereiteten Daten für differenzierte Zeithorizonte als Arbeitsgrundlage zur Verfügung stellen.

Anstatt umgehend Regionalstudien zu veranlassen, halte ich es für sinnvoller, ein systematisches Vorgehen zwischen den Ressorts der Landesverwaltung und der

Forschung abzustimmen. Ein im Sommer zu diesem Zweck anberaumtes Strategiegespräch soll einen regelmäßig stattfindenden Dialog starten - analog zu den Dialogerfahrungen in der Umweltallianz.

Ich denke, diese Verfahrensweise, diese strategische Ausrichtung sollte auch im Interesse der Verfasser des Memorandums zur Entwicklung angewandter Klimafolgenforschung sein, welches im Übrigen Grundlage für einen Workshop war. - So weit zu der Äußerung: keine Reaktion der Landesregierung auf das besagte Memorandum.

Das Kabinett wird sich in Kürze zum wiederholten Mal mit dem Klimaschutz befassen, wobei die Anforderungen sowohl zur weiteren CO2-Minderung als auch zur Entwicklung von Klimafolgenanpassungsszenarien beraten werden. Dabei darf natürlich kein Thema ausgespart bleiben. Das betrifft auch die zurzeit heftig diskutierten und dem Grunde nach vernünftigen Maßnahmen, wie die schadstoffabhängige Kraftfahrzeugsteuer oder das Tempolimit auf Autobahnen.