Protocol of the Session on February 23, 2007

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU, und von Herrn Weigelt, CDU)

Mit anderen Worten - das ist mir wirklich sehr wichtig -: Alte Strukturen und Verfahrensweisen werden alte Ansätze reproduzieren, also genau das tun, was wir vermeiden müssen.

Deshalb muss auch die Frage nach der Legimitation für die Formulierung eines Kanons neu und irgendwie anders gestellt werden. Es ist noch nicht allzu lange her, dass man für den Ruf nach einem Kanon gleich der kulturellen Willkür, der Reproduktion von Herrschaft und was weiß ich was allem bezichtigt wurde. Legimitation ist hier sowieso nicht über irgendeine Instanz oder Organisation zu erlangen. Das Mandat, einen Kanon zu entwickeln, kann nur aus der Verwurzelung seiner Bestandteile in unserer Kultur abgeleitet werden. Die ist schon per se demokratisch, weil sie allen gehört, wobei allerdings auch der Zugang allen offen stehen muss.

Der Lehrplan für die Sekundarschule soll aus einem Grundsatzband, aus Fachlehrplänen und einem dritten Band mit Beispielen und Materialien bestehen. Die aktuelle Zeitplanung sieht vor, dass in den beiden kommenden Schuljahren kleine Arbeitsgruppen unter der Leitung des Lisa die einzelnen Fachlehrpläne entwerfen. In diese Fachgruppen werden erfahrene Lehrkräfte vor allem aus unserem Land berufen, die auch von den Universitäten beraten werden. Aber es wird, wie gesagt, auch klare Vorgaben geben, die den Charakter und den Anspruch des Gesamtlehrplanwerks betreffen.

Wie bei der Einführung des Lehrplans für die Grundschule - übrigens ein sehr erfolgreicher Lehrplan; nebenbei bemerkt: schade, dass Sie das nicht auch erwähnt haben - wird es eine zweijährige Erprobungsphase geben. Sie soll im Schuljahr 2009/2010 beginnen und mit einer umfangreichen Lehrerfortbildung begleitet werden. Nach der Erprobungsphase könnte der Lehrplan zum Schuljahr 2012/2013 endgültig in Kraft treten, wobei er sich dann schon drei Jahre in der Erprobung befindet.

Daraus folgt, dass eine detaillierte Berichterstattung über den Verlauf der Entwicklungsarbeit im Ausschuss, zu der ich selbstverständlich gerne bereit bin, frühestens zum Ende dieses Jahres möglich ist. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Reinecke. Doch zuvor haben wir die Freude, Seniorinnen und Senioren der Halberstädter Wohnungsbaugenossenschaft bei uns begrüßen zu können. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, an dieser Stelle etwas Grundsätzliches zur Sekundarschule zu bemerken. Aus unserer Sicht hat die Schulform Sekundarschule in Sachsen-Anhalt sehr wohl ein Akzeptanzproblem. Die fehlende Akzeptanz zeigt sich unter anderem an den stetig steigenden Zahlen der Übergänge an das Gymnasium.

Es ist bisher nicht gelungen, die Schulform Sekundarschule in der öffentlichen und schulinternen Wahrnehmung als einen dem gymnasialen Bildungsgang gleichwertigen - oder wie Sie es sagten: gleichartigen - und eigenständigen Bildungsgang zu etablieren. Dafür gibt es sicherlich mehrere Gründe.

Ein Grund besteht schlicht darin, dass zum Beispiel ein Hauptschulabschluss wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Das hat man zur Kenntnis zu nehmen. Der Besuch eines Gymnasiums bzw. einer Gesamtschule eröffnet hingegen die Möglichkeit, das Abitur abzulegen. Damit kann man dann studieren oder man hat eben auf dem Lehrstellenmarkt bessere Chancen.

Wenn allerdings - das bewerten wir vor dem Hintergrund des künftigen Fachkräftebedarfes positiv - mittlerweile in einigen Regionen ein sehr hoher Prozentsatz eines Jahrgangs das Gymnasium besucht, hat das auch Auswirkungen auf die Arbeit an den Sekundarschulen.

Das Land Sachsen-Anhalt verfügt über eine sehr hohe Zahl von Schulabbrechern bzw. Schulabgängern ohne Abschluss. Das wurde von mehreren Stellen erwähnt. Aus der Wirtschaft kommt immer wieder Kritik, dass Absolventen von Sekundarschulen über starke Defizite gerade bei Schlüsselkompetenzen verfügen bzw. der Unterricht nicht ausreichend auf die berufliche Praxis vorbereitet. All das führt letztlich dazu, dass viele Eltern und Schüler glauben, dass sie bzw. ihre Kinder am Gymnasium besser aufgehoben sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verrate kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass die SPD die Wiedereinführung der getrennten Hauptschul- und Realschulbildungsgänge als großen bildungspolitischen Fehler betrachtet, der nicht zur Stärkung der Schulform Sekundarschule beigetragen hat.

Das Grundproblem besteht unserer Meinung nach jedoch in der frühen Trennung der Bildungswege. Diese Trennung wiederum manifestiert sich insbesondere in den gegenwärtigen Rahmenrichtlinien bzw. dem von der KMK beschlossenen Bildungsstandard. Durch die auf unterschiedliche Kompetenzen orientierten Rahmenrichtlinien werden Schüler des Hauptschulbildungsgangs bereits bei der reduzierten Vermittlung von Unterrichtsinhalten benachteiligt, nur weil sie diesem Bildungsgang zugeordnet worden sind. Differenzierte Begabungen können so nicht berücksichtigt werden. All dies muss und wird sicherlich auch ein Thema im anstehenden Bildungskonvent werden.

Meine Einschätzung entbindet uns nicht von der Aufgabe, das Image der Sekundarschule zu verbessern - ich denke, das ist auch das Anliegen dieser Maßnahme - und die Rahmenbedingungen für das Lernen der Schüler zu verbessern. Es ist also sachlich geboten, die Anpassung der Unterrichtsinhalte an die Erfordernisse der Gegenwart vorzunehmen. Bei der anstehenden Lehrplanreform sollte deshalb die Kompetenzentwick

lung der Schüler und eine effektive Berufs- und Lebensvorbereitung im Mittelpunkt stehen.

Der Herr Minister berichtete bereits, dass für die Erarbeitung der einzelnen Fachlehrpläne Kommissionen gebildet werden, die bis zum Jahr 2009 tätig sein werden. Daran schließt sich eine Erprobungsphase an.

Vor diesem Hintergrund macht es aus unserer Sicht keinen Sinn, noch im Sommer eine erste Berichterstattung vorzunehmen. In unserem Änderungsantrag schlagen wir deshalb als ersten Termin Ende 2007 vor. Über die nachfolgenden Termine können wir uns dann im Ausschuss verständigen. Grundlagen für eine Anhörung sind zunächst entsprechende Arbeitsergebnisse.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Frau Reinecke. - Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kley. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Thema weckt wieder zwei Seelen in meiner Brust. Zum einen: Man ist ja Elternteil, man ist ja auch Betroffener. Man hat Kontakt mit Menschen, die ständig sagen: „Es muss sich etwas ändern. Du bist doch im Landtag, kümmere dich darum.“ Man sieht sozusagen seine Aufgabe als lokalferner Politiker auch darin, hier ein wenig Lokalpolitik zu betreiben, indem man sich um die örtlichen Schulen kümmert.

Auf der anderen Seite stellt sich immer wieder die Frage: Ist der Politiker aufgerufen, Bildungsinhalte festzulegen? - Ich stimme Letzterem zu. Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen uns immer wieder deutlich davon absetzen, die Grundformen der Schule, die Möglichkeiten des Lernens vor Ort festzulegen, dürfen uns andererseits aber doch nicht einbilden, dass die Wahl in den Landtag uns automatisch zu Pädagogen macht.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Wir sollten uns diesbezüglich deutlich zurückhalten und sollten, meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle sehr wohl auch bei der inhaltlichen Debatte eine Strukturdiskussion anfangen, und zwar keine Strukturdiskussion zu der Frage: Wie muss unser Schulsystem aussehen? - Dazu wird es demnächst eine längere Beratung geben. Dazu wird mit viel Geld und Aufwand extra ein Gremium installiert.

Vielmehr sollten wir uns an dieser Stelle die Fragen stellen: Wo muss Schule verortet sein? Ist es notwendig, dass wir einen Lehrplan entwickeln, der den Lehrer bis aufs Letzte bindet? Ist es notwendig, dem Lehrer so viele Fesseln anzulegen, dass er kaum noch auf den Schüler reagieren kann? Oder ist es notwendig, mit Professor Olbertz mitzugehen und für jeden Schüler einen extra Lehrplan zu entwickeln? Ich bin der Meinung, dass das das Grundübel ist. Wir müssen den Schulen einfach mehr Freiheit geben.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Unsere Kreistage sind schon so weit. Unsere Kreistage geben den Schulen ein Budget, sodass dieser schmale Grat, auf dem sie wandern, die Sachkosten, in den Schulen bestimmt werden kann.

Wir allerdings sind der Meinung, dass möglichst über den Weg eines jeden Lehrers befunden werden sollte und dass der Unterricht dann so weit festgeschrieben werden soll, dass nicht mehr die örtliche Wirtschaft berücksichtigt werden kann, an der die Lehrstellen hängen. Keine Schulform ist enger mit der örtlichen Wirtschaft verflochten als die Hauptschule. Deswegen muss es auch möglich sein, lokal zu reagieren oder auch im Sekundarschulzweig aktuelle Entwicklungen mitzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir nach 15 Jahren darüber diskutieren, etwas zu ändern, dann zeugt das zum einen davon, dass man intensiv beobachtet und im System jederzeit nachjustiert hat. Es zeugt aber auch davon, dass es dringend geboten ist, einmal die aktuellen Tendenzen, die aktuellen Anforderungen an die Absolventinnen und die Absolventen dieser Schulform mit zu betrachten.

Ich folge diesbezüglich nicht der verehrten Kollegin Reinecke, dass die Zunahme der Zahl von Abiturienten ein Negativbeispiel unseres Landes sei. Es ist „verrückte Bildungspolitik“, dass die Steigerung der Zahl der Hochschulabsolventen ein Negativum sein soll. Damit hätten wir mit Sicherheit ein Alleinstellungsmerkmal in Europa, auf das wir keinen Wert legen möchten.

(Zustimmung bei der FDP)

Es ist weiterhin geboten, jungen Menschen die Chance zu geben aufzusteigen, mehr Wissen anzuhäufen. Ich finde es immer positiv, wenn man höhere Bildungsabschlüsse anstrebt. Aber es ist auch notwendig, denjenigen, die andere Begabungen haben, zu ermöglichen, ihre Begabungen auszuleben, und der Wirtschaft die Absolventen zu bringen, die benötigt werden. Da muss nicht jeder mit dem Zeichenbrett herumlaufen, da gibt es auch welche, die den Hammer in die Hand nehmen. Ich glaube, das müssen wir hier auch weiterhin verfolgen, sollten aber nicht in den Lehrplänen herumspielen.

(Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Wenn wir hier aber einmal das Thema aufgerufen haben, dann sollte man das, was die Koalition beschlossen hat, auch nutzen. Deswegen möchte ich für die FDPFraktion den Änderungsantrag stellen, dass diese Berichterstattung, Empfehlung, Beratung usw. nicht im Ausschuss stattfinden, sondern im Bildungskonvent, meine sehr geehrten Damen und Herren. Denn dort sitzen die Fachleute und dort gehört es hin.

(Beifall bei der FDP)

Danke, Herr Kley. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Feußner.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich könnte man den Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS für erledigt erklären bzw. hätte man sich im Rahmen der Selbstbefassung den aktuellen Bearbeitungsstand berichten lassen können. Nun ist es aber Ihr gutes Recht, dieses Anliegen in Form eines Antrags in das Plenum einzubringen, was dem Minister und uns als

Parteien die Möglichkeit eröffnet, öffentlich über die Vorhaben und die Inhalte zu berichten.

Verehrte Anwesende! Die Überarbeitung der derzeit gültigen Rahmenrichtlinien der Sekundarschulen ist, wie es scheint, Ziel aller hier anwesenden Parteien. Das geht auch aus den jeweiligen Pressemitteilungen hervor. Aber die Zielrichtung ist in Fassetten sehr unterschiedlich. Das konnten wir eben an dem Redebeitrag von Herrn Gerry Kley merken. Während das MK eine Entschlackung der derzeitigen Rahmenrichtlinien sieht, möchte die antragstellende Fraktion eine Vielzahl von Intentionen zusätzlich aufgenommen wissen.

Natürlich sollen die politischen Vertreter auch ihr generelles Anliegen klar formulieren, bevor die Fachkommissionen, die bereits erwähnt worden sind, ihre Arbeit aufnehmen. Aber wir sollten uns doch wirklich nicht anmaßen, in die inhaltliche Arbeit einzugreifen. Das geht uns im Plenum wirklich nichts an und auch nicht im Bildungsausschuss.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

In dem von der Fraktion der Linkspartei.PDS formulierten Antrag sind viele Forderungen dazu aufgestellt worden, was die neuen curricularen Anforderungen beinhalten sollen. Dazu muss ich Ihnen sagen: Da fällt mir auch noch so manches ein. Ich möchte aber davor warnen, alle möglichen Themen auf die Schule abzuwälzen, wobei ich nicht sagen möchte, dass alles, was Sie aufgezählt haben, nicht eventuell in ein neues Lehrplanwerk gehören sollte.

Unsere Schulen leiden darunter, dass sie für alle Defizite unserer Gesellschaft verantwortlich gemacht werden. Bei der Lehrplanreform ist es gerade wichtig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und das eigentliche fachliche Anliegen nicht aus dem Auge zu verlieren. Wenn ich Ihren ganzen Katalog sehe, dann weiß ich nicht, was die Schulen noch alles machen sollen.

(Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Wir haben unseren Änderungsantrag auch gestellt, um diesbezüglich nur auf drei wesentliche Punkte hinzuweisen. Das MK hat angekündigt, die Rahmenrichtlinien in Lehrpläne umzuwandeln, um die Inhalte auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Die noch gültigen Rahmenrichtlinien enthalten derzeit einen fakultativen Anteil von ca. 25 %. Da dies in den Schulen aber oft zu Irritationen geführt hat, soll nun auf der Grundlage der beschlossenen und vorliegenden Bildungsstandards der KMK klarer festgelegt werden, was wirklich obligatorisch ist. Dies wird auch weitestgehend begrüßt. Somit ermöglicht man mehr Spielräume für Festigung, Übung und Wiederholung, was von den Schulen im Übrigen auch immer wieder eingefordert wird.

Verehrte Anwesende! Die Lehrplanreform stellt einen weiteren Beitrag - nicht den einzigen - zur Stärkung der Sekundarschulen dar. Es ist deshalb dringend geboten, an den Real- und an den Hauptschulbildungsgang mit unterschiedlichen Ansätzen heranzugehen. Das trennt uns übrigens auch von unserem Koalitionspartner.

(Beifall bei der CDU)