Protocol of the Session on February 22, 2007

Die vorliegenden Anträge, über die wir hier abschließend entscheiden, - diesbezüglich sind wir uns im Ausschuss über die Fraktionsgrenzen hinweg auch einig gewesen - waren einerseits dem Verkaufs- bzw. Privatisierungs

druck geschuldet, den die BVVG gegenüber den Landwirten aufmachte, andererseits dem verständlichen Drängen der Landwirte darauf, langfristige Verpachtungen zu ermöglichen.

Vor diesem Hintergrund waren die Anträge - ich betone ausdrücklich, dass wir unseren Antrag auch so verstanden haben wollten - eine anerkennende Unterstützung der Bemühungen der Landesregierung und insbesondere der Ministerin Wernicke darum, die von der BVVG verwalteten Flächen zu erwerben bzw. übertragen zu bekommen mit dem Ziel, sie über einen Zeitraum von mindestens 25 Jahren gestreckt von der Landgesellschaft schonend weiterveräußern zu lassen.

Auch wenn wir den zwischenzeitlich erstrittenen Kompromiss der Länder mit der Bundesregierung und der BVVG bezüglich der längerfristigen Verpachtung durchaus anerkennen, meinen wir doch, dass das Problem weiter im Blick behalten und nicht zu den Akten gelegt werden sollte.

Mit der Übertragung der BVVG-Flächen auf das Land würde eine größere Einflussnahme der Landesregierung auf die Vermarktung dieser Flächen sichergestellt. Damit dürften sich die Chancen einer langfristig gesicherten Teilhabe an der Vermarktung der Flächen für die ortsansässigen Landwirte deutlich verbessern.

(Zustimmung von Herrn Czeke, Linkspartei.PDS)

Darüber hinaus würde die Landesregierung in die Lage versetzt, mit der mehr oder weniger unmittelbaren Einflussnahme auf die Vermarktung der Flächen noch gezielter als bisher die Umsetzung regionaler Entwicklungskonzepte zu unterstützen sowie die Rahmenbedingungen für die Entwicklung der ländlichen Räume zu verbessern.

Außerdem - das haben wir immer wieder betont - wäre die Übertragung der Verwaltung der Flächen auf die Länder ein sinnvoller Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushaltes. Dies würde schon aus der Einsparung der Institution BVVG selbst resultieren. Die Verwaltung und Vermarktung der Flächen durch die Länder würde also für Bund, Land und Landwirtschaft sowie für die ländlichen Räume mit Sicherheit Vorteile bringen.

Es war nicht unsere Absicht, dass die Flächen käuflich erworben werden. Nach wie vor stehen wir nämlich auf dem Standpunkt, dass ein stabiler nationaler bzw. Landesbodenfonds Bund bzw. Ländern die notwendige Manövrierfähigkeit für eine nachhaltige Entwicklung der ländlichen Räume, der Landwirtschaft sowie des Umwelt- und Naturschutzes gibt.

In den neuen Bundesländern ist in 17 Jahren der Beweis erbracht worden, dass eine im Wesentlichen auf Pacht begründete Landwirtschaft sehr wohl erfolgreich sein kann. Das heißt, dass sie keinen Vergleich mit einer Landwirtschaft zu scheuen braucht, die zu einem großen Teil auf Eigentumsflächen erfolgt. Das Problem aber ist: Eine solche Landwirtschaft braucht Sicherheit. Sie muss langfristig darauf vertrauen können, dass ihr die Flächen, die Bestandteil langfristiger Betriebskonzeptionen sind, nicht entzogen werden.

Darum sollte diese Thematik für uns weiter offen bleiben. Aus diesem Grund können wir die Beschlussempfehlung des Ausschusses nicht mittragen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Krause. Möchten Sie eine Frage von Herrn Hauser beantworten?

Herr Hauser, bitte fragen Sie.

Herr Kollege Krause, es kann sein, dass ich einiges nicht verstehe. Sie haben gesagt, es sei ein Betrag in Höhe von 200 Millionen € gewesen, der strittig ist. Jetzt konkret die Frage: Wer hätte denn diese Mittel aufbringen sollen, damit wir dieses System hätten durchführen können? Dies ist exakt die Frage. Wer trägt die Kosten in Höhe von 200 Millionen €?

Herr Hauser, ich muss ein wenig schmunzeln. Anscheinend bestätigen Sie gerade, dass Sie im Ausschuss entweder nicht anwesend waren oder nicht zugehört haben. Das ist im Protokoll nachzulesen. Wir haben schon in der zweiten Beratung zu dem Thema festgestellt, dass wir eine Möglichkeit dafür sehen und haben uns dafür ausgesprochen, dass der Bund dem Land die Flächen zur Verwaltung überträgt.

Unsere Landgesellschaft ist qualifiziert und stark genug, auch diese Flächen im Sinne der bisherigen Verwaltung von Landeseigentum genauso gut zu verwerten bzw. zu vermarkten wie die BVVG. Wir würden die BVVG sowie Personal- und Sachkosten auf Bundesebene einsparen und hätten die Entscheidungen viel mehr in den eigenen Händen. Das wäre besser, als sich weiterhin in der Abhängigkeit vom Bund zu befinden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Krause. - Die Debatte ist damit beendet.

Wir stimmen jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der Drs. 5/512 ab. Der Ausschuss empfiehlt, die vorgenannten drei Anträge für erledigt zu erklären. Wer folgt dieser Empfehlung? - Das sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der FDP. Wer stimmt dagegen? - Die Linkspartei.PDS. Damit ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses mehrheitlich angenommen worden. Der Tagesordnungspunkt 8 ist beendet.

Ich rufe nun den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite Beratung

Kampagne „Abpfiff - Schluss mit Zwangsprostitution“

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/36

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres - Drs. 5/522

Ich bitte Herrn Madl, als Berichterstatter des Ausschusses für Inneres das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat den Antrag in der 3. Sitzung am 9. Juni 2006 zur federführenden Beratung an den Innenausschuss und zur Mitberatung an die Ausschüsse für Recht und Verfassung sowie für Soziales überwiesen.

Ziel des Antrages ist es, die Kampagne „Abpfiff - Schluss mit Zwangsprostitution“ des Deutschen Frauenrates e. V., der Landesfrauenräte und anderer Frauenorganisationen sowie der Kirchen und zahlreicher Vereine und Verbände während der Fußballweltmeisterschaft und darüber hinaus durch den Landtag zu unterstützen.

Der Landtag wird aufgefordert, die Landesregierung zu beauftragen, sich zur Verbesserung der Rechtsstellung der Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel im Rahmen der Gesetzesberatungen zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2004/81/EG für eine gesetzliche Regelung zur Einführung einer so genannten Bedenk- und Stabilisierungspflicht von sechs Monaten und für die Gewährung eines gesicherten und zugleich unbefristeten Aufenthaltstitels für den Fall, dass sich die betroffenen Personen als Zeugen bzw. Zeuginnen zur Verfügung stellen - jedoch unabhängig vom Verlauf und vom Ausgang des Prozesses -, einzusetzen.

Darüber hinaus soll die Landesregierung aufgefordert werden, über Maßnahmen und Aktivitäten zur wirksamen Unterstützung der Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution in Sachsen-Anhalt zu berichten.

Der Antragstellerin geht es um die Verbesserung des Schutzes und der Rechtsstellung der Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel im Interesse der Opfer selbst, aber auch im Interesse der Bekämpfung einer solchen schweren Menschenrechtsverletzung. Sie möchte Frauen und Männer, die zur Prostitution gezwungen werden, in die Lage versetzen, sich dem Kreislauf von Zwang, Gewalt und ungeklärtem bzw. illegalem Aufenthaltsstatus zu entziehen.

Der Ausschuss für Inneres befasste sich erstmals in der 2. Sitzung am 22. Juni 2006 mit diesem Antrag und beschloss eine Anhörung. Die Anhörung, zu der zahlreiche Institutionen, Vereine und Verbände sowie Beratungsstellen eingeladen wurden, wurde in der 3. Sitzung des Ausschusses für Inneres am 20. Juli 2006 durchgeführt. Zu der Anhörung wurden auch die Mitglieder der mitberatenden Ausschüsse für Recht und Verfassung sowie für Soziales eingeladen.

Eine weitere Beratung über den Antrag erfolgte in der 4. Sitzung des Ausschusses für Inneres am 28. September 2006. Der von den Fraktionen der CDU und der SPD vorgelegte Änderungsantrag wurde mit 7 : 0 : 2 Stimmen beschlossen und zum Gegenstand der vorläufigen Beschlussempfehlung an die mitberatenden Ausschüsse für Recht und Verfassung sowie für Soziales gemacht.

Gegenstand des Änderungsantrages war die Empfehlung an den Landtag, zu beschließen, dass der Landtag die von der Landesregierung vor dem In-Kraft-Treten einer bundesweiten Regelung per Erlass getroffene Regelung begrüßt, um den Anforderungen der EU-Richtlinie 2004/81/EG schon jetzt Rechnung zu tragen. Darüber hinaus wurde dem Landtag empfohlen, die Landesregierung zu beauftragten, sich zur Verbesserung der Rechtsstellung der Opfer von Zwangsprostitution und

Menschenhandel für eine zügige und inhaltsgleiche bundesgesetzliche Umsetzung der EU-Richtlinie einzusetzen.

Der Ausschuss für Recht und Verfassung befasste sich in der 6. Sitzung am 18. Oktober 2006 mit dem Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS und stimmte der vorläufigen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres mit 9 : 0 : 3 Stimmen zu.

Der Ausschuss für Soziales befasste sich in der 9. Sitzung am 6. Dezember 2006 mit dem Antrag und der vorläufigen Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres. Er folgte der vorläufigen Beschlussempfehlung nicht und empfahl einstimmig, den Antrag in der Drs. 5/36 dem Landtag in geänderter Fassung vorzulegen.

Bei diesen Änderungen handelt es sich um die Streichung der Passage „während der Fußballweltmeisterschaft und darüber hinaus“ unter Punkt 1 des Antrages sowie um die Ersetzung der Zeitangabe „von sechs Monaten“ durch die Zeitangabe „von drei Monaten“ unter Punkt 2 Buchstabe a des Antrages. Diese Änderungen wurden während der Anhörung am 20. Juli 2006 zu diesem Thema von einigen Vereinen und Verbänden vorgeschlagen und von den Vertretern des Ausschusses für Soziales zum Gegenstand der Stellungnahme an den federführenden Ausschuss für Inneres vom 8. Dezember 2006 gemacht.

Der Ausschuss für Inneres befasste sich in der 14. Sitzung am 12. Februar 2007 ein weiteres Mal mit diesem Antrag. Der Einführung einer so genannten Bedenk- und Stabilisierungspflicht von drei Monaten, wie vom Ausschuss für Soziales empfohlen, kann der Innenausschuss nicht zustimmen, weil die Experten aus dem Bereich der Polizei und der Strafverfolgung im Verlaufe der Anhörung überzeugend dargestellt haben, dass eine Verlängerung der Bedenk- und Stabilisierungspflicht im Regelfall von mehr als einem Monat nicht vernünftig wäre.

Die Gewährung einer Bedenk- und Stabilisierungspflicht von drei Monaten würde nach der Auffassung der die Regierung tragenden Fraktionen mit dem Strafverfahrensrecht kollidieren; hier wäre zum Beispiel die Sechsmonatsfrist für die Untersuchungshaft zu erwähnen. Die Regierungsfraktionen halten es vielmehr für sachgerecht, im Einzelfall eine Verlängerung vorzunehmen und dabei großzügig zu verfahren.

Das Ministerium des Innern hat die Vorgabe des Europaparlaments inzwischen per Erlass umgesetzt und die Bedenk- und Stabilisierungspflicht in Form einer Monatsfrist mit Verlängerungsmöglichkeiten geregelt. Aus diesem Grund votierte der Innenausschuss gegen die Empfehlung des Ausschusses für Soziales und blieb bei seiner vorläufigen Beschlussempfehlung vom 4. Oktober 2006.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der 14. Sitzung am 12. Februar 2007 verabschiedete der Innenausschuss im Ergebnis der Beratung zu dem Antrag in der Drs. 5/36 mit 9 : 0 : 3 Stimmen die Beschlussempfehlung in der Drs. 5/522. Die Hinweise des GBD fanden bei der Erarbeitung der Beschlussempfehlung an den Landtag Berücksichtigung.

Im Namen des Ausschusses für Inneres bitte ich um Ihre Zustimmung zu dieser Beschlussempfehlung und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Madl. - Bevor wir nun gleich die Beiträge der Fraktionen hören, erteile ich Herrn Minister Hövelmann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits am 9. Juni 2006 befasste sich der Landtag mit dem Thema „Menschenhandel und Zwangsprostitution“ - seinerzeit im Kontext der Fußballweltmeisterschaft. In den Medien wurde damals prognostiziert, dass anlässlich dieses sportlichen Großereignisses ein deutlicher Anstieg dieser besonders menschenverachtenden Form der Kriminalität erfolgen werde. Diese Befürchtung hat sich, wie wir inzwischen aufgrund einer Erhebung des Bundeskriminalamtes wissen, erfreulicherweise nicht bestätigt.

Von den dem Bundeskriminalamt gemeldeten 33 Ermittlungsverfahren wegen Menschenhandels zum Zweck der sexuellen Ausbeutung bzw. wegen Förderung des Menschenhandels, die in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland stehen, wird lediglich bei fünf Ermittlungsverfahren ein direkter Bezug zur Fußball-WM angenommen. SachsenAnhalt ist davon nicht betroffen.

Die Landesregierung misst der Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution einen hohen Stellenwert bei. Die verschiedenen Aktivitäten der Landesregierung wurden im Rahmen der Anhörung im Innenausschuss am 22. Juni 2006 ausführlich dargestellt. Spezielle Maßnahmen aus Anlass der WM gab es nicht.

Jedoch gibt es bereits seit dem Jahr 2000 in unserem Lande eine gut funktionierende Zusammenarbeit zwischen der Polizei, den Ausländerbehörden, den Staatsanwaltschaften und der Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution „Vera“. Diese Zusammenarbeit basiert auf einem entsprechenden Erlass des Ministeriums des Innern, der mit dem Ministerium der Justiz und mit dem Ministerium für Gesundheit und Soziales abgestimmt ist.

Als sich abzeichnete, dass die Umsetzung der Richtlinie des Europarates vom 29. April 2004 in nationales Recht durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union nicht rechtzeitig vor dem 6. August 2006 erfolgen würde, hat das Ministerium des Innern mit Erlass vom 3. August 2006 den bis dahin geltenden Erlass für Opfer des Menschenhandels und der Zwangsprostitution aus dem Jahr 2000 unter Berücksichtigung der angesprochenen EURichtlinie neu gefasst.