Es wurde in Auswertung der Ergebnisse einer Studie des Max-Planck-Instituts über die Dauer von Telefonüberwachungen berichtet, dass die durchschnittliche Dauer dieser Maßnahmen bei etwa 30 Tagen liege. Insgesamt sei festzustellen gewesen, dass die gesetzlich zulässige und gerichtlich ermöglichte Dauer der Überwachung bei weitem nicht ausgeschöpft werde. Es werde also sehr sensibel mit Telefonüberwachungsmaßnahmen umgegangen.
Die Verfasser der Studie seien zu der Aussage gelangt, dass die Telekommunikationsüberwachung als ein wichtiges und unabdingbares Ermittlungsinstrument einzuschätzen sei, das in bestimmten Bereichen nachvollziehbare und grundlegende Erfolge erziele, wenn auch diese Maßnahme selbst als Beweismittel relativ selten verwendet werde.
Zu der Frage der künftigen Gestaltung der gesetzlichen Grundlagen teilte die Landesregierung mit, die Koalitionspartner auf der Bundesebene hätten im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Reform der rechtlichen Grund
Nach dieser Berichterstattung hat sich der Ausschuss für Recht und Verfassung in der 10. Sitzung am 24. Januar 2007 abermals mit der Problematik befasst. Die Landesregierung gab den Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 27. November 2006 zur Kenntnis und stellte ihn dem Ausschuss zur Verfügung.
In der genannten Sitzung sind daneben noch offene Fragen, die sich insbesondere auf die Benachrichtigungspflicht erstreckten, erörtert worden.
Im Ergebnis all dessen hat der Ausschuss sodann festgestellt, dass der Antrag mit den Berichterstattungen der Landesregierung für erledigt erklärt werden könne, und verabschiedete mit 7 : 1 : 3 Stimmen eine gleich lautende Beschlussempfehlung.
Herzlichen Dank für die Berichterstattung, Herr Dr. Brachmann. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt der Ministerin der Justiz Frau Professor Dr. Kolb das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vorsitzende des Rechtsausschusses hat das eben schon sehr ausführlich dargestellt. Die Landesregierung hat sehr umfassend zu dem Antrag der FDP und insbesondere zu den rechtlichen Problemen, die hinter den Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung speziell in Sachsen-Anhalt stehen, beraten und diskutiert.
Grundlage der Darstellung der Zahlen, die von Herrn Dr. Brachmann bereits genannt worden sind, war eine Sonderauswertung der Telekommunikationsüberwachungsstelle des Landeskriminalamtes. Das heißt, 245 einzelne Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung sind im Hinblick auf ihre zeitliche Dauer, auf die Intensität und auf ihre Wirkung auf das sich anschließende Strafverfahren ausgewertet worden.
Wir haben uns im Rechtsausschuss dann auch intensiv mit der Frage der Gewährleistung der Pflicht zur Benachrichtigung der von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen Betroffenen auseinander gesetzt. Hintergrund war, dass in der bereits zitierten Studie des Max-Planck-Instituts festgestellt wird, dass in den wenigsten Fällen eine Benachrichtigung der Beteiligten erfolgt.
Ich habe das zum Anlass genommen, dieses Thema mit dem Generalstaatsanwalt und den Behördenleitern der hiesigen Staatsanwaltschaften zu erörtern. Ich konnte mich davon überzeugen, dass im Land Sachsen-Anhalt dieser Rechtspflicht zur Benachrichtigung der von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen Betroffenen ausreichend Rechnung getragen wird.
Wir haben im Ergebnis dieser Besprechung festgelegt, das Instrumentarium, das uns zur Verfügung steht, zu nutzen, um auch für die Zukunft zu gewährleisten, dass die Betroffenen benachrichtigt werden. So soll in Zukunft in die Abschlussverfügung der Staatsanwaltschaften ein Punkt aufgenommen werden, es soll eine Art Checkliste
erweitert werden, damit in jedem Fall überprüft wird, ob die Benachrichtigung der Betroffenen erfolgt ist. Auch bei zukünftigen Geschäftsprüfungen der Staatsanwaltschaften werden wir auf diesen Punkt besonderes Augenmerk legen.
Vor diesem Hintergrund denke auch ich, dass dem Anliegen des Antrages der FDP-Fraktion Rechnung getragen worden ist, was nicht heißt, dass wir uns nicht auch in Zukunft mit diesen Fragen auseinander setzen wollen und auseinander setzen müssen. Es ist auch auf die Notwendigkeit einer neuen gesetzlichen Regelung hingewiesen worden.
Das Thema der Neuregelung von Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen treibt Bund und Länder schon seit einigen Jahren um. Wir waren erfreut darüber, dass die Bundesjustizministerin im November 2006 einen Referentenentwurf für ein Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/245 der Europäischen Gemeinschaft an die Länder mit der Bitte um Stellungnahme bis Ende Februar 2007 versandt hat.
Dieser sehr umfangreiche Referentenentwurf, der auf der Ebene der Bundesregierung noch nicht abgestimmt ist, sieht eine fast vollständige Überarbeitung des strafprozessualen Rechts der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen vor, sodass sich das Land in Zukunft auch diesbezüglich in die Debatte um eine Neuregelung der Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen einbringen kann.
In Bezug auf die inhaltlichen Neuregelungen möchte ich kurz auf die Probleme eingehen, die auch Gegenstand der zu behandelnden Anfrage waren.
Der Referentenentwurf schafft nunmehr eine einheitliche Regelung für die Benachrichtigungspflicht, die sich auf sämtliche verdeckte Ermittlungsmaßnahmen erstreckt. Das wird durch ein engmaschiges Netz der gerichtlichen Kontrolle ergänzt. Darüber hinaus wird es ein Rechtsmittel geben, das demjenigen, der nicht benachrichtigt worden ist, auch nach der Erlangung der Kenntnis von verdeckten Ermittlungsmaßnahmen noch die Möglichkeit einräumt, hiergegen gerichtlich vorzugehen.
Insgesamt stellen die sehr detaillierten Regelungen ein Verfahren dar, bei dem wir eine noch stärkere Verpflichtung haben, die einzelnen Maßnahmen zu begründen und aktenkundig zu machen. Der Richtervorbehalt wird beibehalten. Auch insoweit wird dem Anliegen des Antrags entsprochen.
Darüber hinaus wird der Richtervorbehalt in drei Punkten auch inhaltlich gestärkt. So wird die Anordnungsdauer von drei auf zwei Monate verkürzt. Eine Verlängerungsmöglichkeit soll in Zukunft nur noch für die Dauer von jeweils einem Monat bestehen. Sofern eine TKÜ-Maßnahme über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten angeordnet werden soll, bedarf es der Entscheidung des jeweils übergeordneten Gerichts. Das dürften dann überwiegend die Landgerichte sein.
Neu soll auch sein, dass der Richter über die Beendigung der Maßnahme, deren Verlauf sowie deren Ergebnisse unterrichtet wird, sodass er im Wege einer Evaluierung feststellen kann, wie sich solche Maßnahmen konkret auswirken.
Aus dem Straftatenkatalog sollen einzelne minderschwere Straftaten gestrichen werden. Neu aufgenommen wer
den weitere einschlägige Korruptionsdelikte und insbesondere Straftaten im Bereich der organisierten Kriminalität.
Erlauben Sie mir an dieser Stelle nur noch den Hinweis, dass auch im Hinblick auf das von der Landesregierung besonders verfolgte Ziel der Bekämpfung der Kinderpornografie eine Erweiterung der in § 184b StGB geregelten Straftatbestände vorgesehen ist, sodass in Zukunft Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen bei allen den Tatbestand erfüllenden Handlungen und nicht wie bisher lediglich beim bandenmäßigen oder gewerblichen Verbreiten möglich sein sollen. Insoweit gibt es in diesem Referentenentwurf einige aus unserer Sicht sehr positive Punkte.
Wir wollen sowohl die positiven als auch die kritischen Bemerkungen der Praktiker, die wir im Land befragen werden, in unsere Stellungnahme einzubeziehen, die wir der Bundesjustizministerin übersenden werden. Insoweit gehe ich davon aus, dass wir heute sicherlich nicht zum letzten Mal in diesem Hohen Haus über das Thema der Telekommunikationsüberwachung gesprochen haben werden. - Herzlichen Dank.
Herzlichen Dank, Frau Ministerin, für den Beitrag der Landesregierung. - Wir beginnen jetzt mit der Fünfminutendebatte. Als erstem Redner erteile ich Herrn Stahlknecht für die CDU-Fraktion das Wort. Es wurde verabredet, dass Herr Kosmehl zum Schluss reden wird. Bitte schön, Herr Stahlknecht, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Berichterstatter und Sie, Frau Ministerin, haben so umfangreich vorgetragen, dass ich dem eigentlich nichts hinzuzufügen habe. Auch wir sind natürlich für das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Wir begrüßen die Änderung der Strafprozessordnung, insbesondere die Einführung der Benachrichtigungspflichten. Wir begrüßen den Richtervorbehalt. Ich denke auch, dass der Referentenentwurf, auf den Sie Bezug genommen haben, sehr verehrte Frau Ministerin, uns die Hoffnung gibt, dass die Telefonüberwachung weiterhin vollumfänglich rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen wird.
Wir sind aber sehr wohl der Auffassung, dass die Telefonüberwachung benötigt wird, um bei ganz bestimmten Straftaten ein vernünftiges und ergebnisorientiertes Ermittlungsverfahren durchführen zu können, weil wir von der CDU sagen: Täterschutz geht vor Opferschutz. Deswegen sind solche ermittlungstaktischen Maßnahmen für ein ergebnisorientiertes Ermittlungsverfahren zur Feststellung eines hinreichenden Tatverdachts unerlässlich.
Uns geht es in erster Linie um ein Ermittlungsergebnis und natürlich auch - aber so ist die Wertung - um datenschutzrechtliche Fragen und um Fragen der Strafprozessordnung. Ich denke, im Ausschuss hat sich in einer angenehmen und sachlich geführten Debatte gezeigt, dass den rechtsstaatlichen Anforderungen auch für zukünftige Überwachungsmaßnahmen Rechnung getragen wird und dass sie noch restriktiver auszulegen sind.
Als überzeugte Demokraten, die wir alle sind, können wir sagen, dass wir auch zukünftig in diesem Staat rechts
staatliche Ermittlungen führen werden, anders als in dem vorhin in der Einbringungsrede zur Abgeordnetenüberprüfung Gehörten. Das ist nämlich der Unterschied zu Diktaturen. Diese Bemerkung möchte ich mir noch erlauben.
Da hat man Menschen überwacht, ohne dass es Gesetze und Richter dafür gab. Man hat es einfach aus Willkür heraus getan. Aus den geschichtlichen Erfahrungen - ich vergleiche das ganz bewusst, meine Damen und Herren von der PDS -, die während des Dritten Reiches und der DDR-Unrechtsdiktatur gesammelt worden sind, haben wir gelernt, dass es wichtig ist, für rechtsstaatliche Grundsätze in jedem Umfang zu kämpfen.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung dafür, die Sache für erledigt zu erklären. - Vielen Dank.
Schönen Dank, Herr Stahlknecht. - Als nächster Rednerin erteile ich Frau Tiedge für die Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe davon aus, Herr Stahlknecht, dass auch bei Ihnen Opferschutz vor Täterschutz geht.
Meine Damen und Herren! Wir haben im Ausschuss für Recht und Verfassung sehr intensiv über das Thema der Telefonüberwachung geredet. Nun kann man der Justizministerin wirklich nicht vorwerfen, dass sie ihrer Informationspflicht nicht nachgekommen sei. Trotzdem bleibt das Unbehagen.
Der Sinn und Zweck einer Telefonüberwachung ist es eigentlich, Straftaten aufzudecken; denn das vorbeugende Abhören von Telefongesprächen ist künftig in Deutschland nur noch unter ganz strengen Voraussetzungen möglich. Ob aber das Ziel, einen Anstieg bei der Erfolgsquote herbeizuführen, mit der Telefonüberwachung erreicht wurde, kann nicht beantwortet werden.
So wurde dann im Ausschuss auch festgestellt, dass den größten Anteil an den Ermittlungserfolgen die mittelbaren Erkenntnisse einnehmen. Das sind Erkenntnisse, die nicht unmittelbar mit dem Grund der Telefonüberwachung, das heißt mit dem konkreten Verdacht einer schweren Straftat, im Zusammenhang stehen. Die durchgeführten Untersuchungen haben auch gezeigt, dass die Telekommunikationsüberwachung relativ selten als Beweismittel verwendet wird - und das bei einer Maßnahme, die gravierend in das verfassungsrechtlich geschützte Fernmeldegeheimnis eingreift.
In der Entschließung der 66. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder heißt es dazu - ich zitiere -:
„Die Telefonüberwachung stellt wegen ihrer Heimlichkeit und wegen der Bedeutung des Rechts auf unbeobachtete Kommunikation einen gravieren
den Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen dar, zu denen auch unbeteiligte Dritte gehören.“
Man möchte nun sagen, steter Tropfen höhlt den Stein; denn die immer wieder vorgetragenen Forderungen der Datenschutzbeauftragten scheinen in einigen Punkten im Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen“ ihren Niederschlag gefunden zu haben. So soll es eine einheitliche Regelung der Benachrichtigungspflicht und ein engmaschiges Netz zur gerichtlichen Kontrolle der Erfüllung der Benachrichtigungspflicht durch die Staatsanwaltschaften geben.
Wir begrüßen die Tatsache natürlich sehr, dass der Richtervorbehalt im Entwurf ausdrücklich neu ausgebaut werden soll. Ein Aufweichen des Richtervorbehaltes, wie er auch im politischen Raum teilweise gefordert wurde, wäre rechtsstaatlich nicht zu vertreten gewesen.