Protocol of the Session on February 22, 2007

(Heiterkeit bei der FDP)

Deshalb weiß ich, dass das, was im Finanzausschuss als Konzept vorgelegt worden ist, sicherlich auch der Eile zuzuschreiben war; das will ich gern zugestehen. Wir haben es eben nicht als ausreichend empfunden. Die Diskussion, die wir zu führen versucht haben, ist relativ unbeantwortet geblieben. Wir sind damals auseinander gegangen - das steht auch so in den entsprechenden Protokollen -, dass wir auf eine weitere Unterlage warten, um die entsprechenden Mittel freizugeben.

Das tun wir in allen Politikfeldern aufgrund der Diskussionen, in denen uns etwas dargestellt wird. Natürlich ist niemand im Finanzausschuss Fachmann oder Fachfrau für alle Themen, die es hier in diesem Bundesland gibt. Wir müssen immer versuchen, ein Gespür, ein Gefühl für das zu entwickeln, was uns vorgetragen wird, und müssen dann auf der Basis dessen, was dargestellt wird, entscheiden.

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

Das ist nicht immer einfach; das gebe ich zu. Es wäre in diesem Fall sicherlich sinnvoll, wenn sich der Sozialausschuss im Vorfeld damit beschäftigte. Das ist damals

auch so angeboten worden. Das ist ähnlich dem, was wir etwa im Bereich der Krankenhausfinanzierung haben. Herr Bischoff als damaliger Ausschussvorsitzender weiß, wie schnell es dann geht, wenn der Finanzausschuss eine profunde Vorlage und eine Empfehlung des Fachausschusses bekommt, auf deren Basis wir entscheiden können. Ich denke, dann brauchen wir uns über das Thema der Kontaktstellen im Sozialhilfebereich und deren Finanzierung anschließend nicht allzu lang zu unterhalten. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDP)

Danke, Frau Dr. Hüskens. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Grimm-Benne.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Es herrscht ja sehr viel Einigkeit zu dem Änderungsantrag der Regierungsfraktionen.

(Herr Tullner, CDU: Das hängt von Ihnen ab!)

Deshalb will ich Ihnen einige Punkte des Änderungsantrages noch einmal näher bringen.

Im Punkt 1 wollen wir die Landesregierung auffordern, bei der Erarbeitung des sozialpolitischen Gesamtkonzeptes in Sachsen-Anhalt - Sozial 2020 - den begonnen Dialog mit den Sozialverbänden fortzusetzen und die im Entwurf enthaltenen Überlegungen zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements weiter auszubauen.

Frau Bull und ich waren letzte Woche beim ersten Sozialforum der Liga zum Thema „Kinder-, Jugend- und Familienhilfe“. Ich kann mir vorstellen, dass Sozialverbände und Wohlfahrtsverbände ein sehr großes Interesse daran haben, mit uns zu Fragen des Bereichs bürgerliches Engagement in einen Dialog zu treten. Das haben wir auch schon in einem großen Forum getan. Das sollten wir nutzen und auch in unser sozialpolitisches Gesamtkonzept einfließen lassen.

Punkt 2. Herr Tullner, das liegt jetzt nicht an mir, das liegt an uns. Ich kann das nicht so toll wiedergeben, wie das im Finanzausschuss war. Wir hatten ein einstimmiges Votum im Sozialausschuss, dass wir Selbsthilfekontaktstellen einrichten wollen. Wir waren von der Sinnhaftigkeit der Selbsthilfekontaktstellen überzeugt. Das Sozialministerium - ich gebe zu, es war etwas kurzfristig - hat eine Konzeption zu Selbsthilfekontaktstellen vorgelegt. Ich weiß nicht, Herr Richard hatte keine roten Ohren, aber ich hatte rote Ohren nach der Reaktion.

(Herr Tullner, CDU: Warum?)

Denn es hat von Ihnen noch einen Lacher gegeben, weil man das als Konzeption bezeichnete. Deswegen möchte ich einfach sicherstellen, dass das beim nächsten Mal, wenn wir es im Finanzausschuss vorstellen, auch klappt.

Deswegen werden wir im Sozialausschuss bei der Konzeption - das meine ich jetzt ernsthaft - auf die Nachhaltigkeit, auf die Sinnhaftigkeit achten, dass man über Selbsthilfekontaktstellen wirklich Ehrenamtliche an bürgerschaftliches Engagement heranführt. Deswegen werden wir das Ministerium bitten, uns die Konzeption am 14. März 2007 im Sozialausschuss vorzulegen, damit wir das notwendige Geld freigeben können, damit die

Selbsthilfekontaktstellen endlich gefördert werden können.

Punkt 3. Die Ministerin hat es schon ausgeführt: Wir sind eines der wenigen Bundesländer, die noch nicht im Haushalt verankert haben, dass wir einen Sammelvertrag zum Unfall- und Haftpflichtversicherungsschutz abschließen können. Ich denke, wir werden mit den Finanzpolitikern darüber reden, dass wir diese kleine Lücke schließen. Ich weiß, dass andere Bundesländer einen Betrag von ungefähr 30 000 bis 40 000 € eingestellt haben.

Der Punkt 4 ist ein Punkt, zu dem Frau Bull sagt, wir bitten die Landesregierung zu prüfen. Die Ministerin hat ja schon ausgeführt, dass es schon Informationen zum Internetportal gibt, insbesondere wie es aufgebaut werden soll.

Ich denke, wenn wir diesen Änderungsantrag heute beschließen, sind wir wieder ein Stückchen weiter in unserem Bemühen, das bürgerschaftliche Engagement in Sachsen-Anhalt zu fördern. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD, von Herrn Kurze, CDU, und bei der Linkspartei.PDS)

Danke sehr, Frau Grimm-Benne. - Frau Bull, haben Sie noch die Absicht zu erwidern? - Das ist nicht der Fall.

Dann treten wir in die Abstimmung zu den Drs. 5/528 und 5/539 ein. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 5/539 ab. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle vier Fraktionen. Damit ist der Änderungsantrag angenommen worden.

Wir stimmen jetzt ab über den Antrag in der Drs. 5/528 in der soeben geänderten Fassung. Wer stimmt dem zu? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Das ist einstimmig angenommen worden. Damit können wir den Tagesordnungspunkt 13 verlassen.

Bevor ich den Tagesordnungspunkt 14 aufrufe, möchte ich noch etwas ansagen. Die Fraktionen haben sich darauf verständigt, den Tagesordnungspunkt 17 noch vorzuziehen, weil wir noch Zeit haben. Das geht aber aus unterschiedlichen Gründen nur nach dem Tagesordnungspunkt 14, also nach dem, den wir jetzt behandeln. Gibt es dagegen grundsätzliche Einwendungen? - Das ist nicht der Fall. Ich werde also nach Tagesordnungspunkt 14 den Tagesordnungspunkt 17 aufrufen.

Doch zunächst zu Tagesordnungspunkt 14:

Beratung

Jugendpolitische Schwerpunkte der deutschen EURatspräsidentschaft: Gleiche Chancen für Kinder und Jugendliche

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 5/532

Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD - Drs. 5/540

Einbringerin wird die Abgeordnete Frau von Angern sein. Bitte sehr.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! In meinen Recherchen zu dieser Thematik bin ich unter anderem auf viele Reden der amtierenden Ratspräsidentin Frau Merkel gestoßen, in denen sie über wirtschaftliche Zusammenarbeit und Innovation redet, jedoch nichts zum Thema Chancengleichheit für Kinder und Jugendliche sagt. Das ist bedauerlich.

Doch Innovation, sehr geehrte Damen und Herren, hat sehr viel mit Kindern und Jugendlichen und vor allem mit ihren Chancen in der Gesellschaft zu tun. Wie wir wissen, sieht es damit in Deutschland nicht allzu rosig aus.

Im Hinblick auf den Inhalt der Reden der Kanzlerin war ich umso erfreuter, als ich im Jugendinfofax SachsenAnhalt las, dass die Jugendpolitik ein Schwerpunkt während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sein soll. Was man im Internet dazu findet, liest sich richtig toll. Es sollen Bedürfnisse und Interessen von Kindern und Jugendlichen in politische Entscheidungs- und Gestaltungsprozesse der EU einbezogen werden.

Unter dem Button „EU2007.de“ sind die im Antrag enthaltenen Themen zu finden: Stärkung der Partizipation von Jugendlichen, Aufbau von Hilfesystemen, Verbesserung des Kinder- und Jugendschutzes usw. Es gibt Kampagnen, nationale Aktionspläne, Jugendevents, den europäischen Pakt für die Jugend und unterstützende Programme. Das ist auch gut so. Es sind aus unserer Sicht die ersten richtigen Ansätze.

Kurzum: Die Homepage des Bundesministeriums sagt, Deutschland ist kinder- und jugendfreundlich, wir kümmern uns, bei uns wird ganz viel getan, es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen und Programmen. Auf Bundes- und Europaebene scheint alles insoweit auf bestem Wege zu sein.

Lebensumwelten von Kindern und Jugendlichen entstehen jedoch nicht auf nationaler Ebene, sondern in den Kommunen. Insofern muss eine Politik, die zukunftsorientiert die Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen verbessern will, die Kommunen und die Länder einbeziehen. - Dieser Satz stammt aus dem UnicefBericht, der in der letzten Woche veröffentlich wurde und der die Frage stellt, wie Deutschland für seine Kinder sorgt, den ich vollständig unterschreiben kann und der mich nun zu folgenden Fragen bringt, liebe Kolleginnen und Kollegen:

Wie sorgt Sachsen-Anhalt für seine Kinder? Wie positioniert sich Sachsen-Anhalt zu den sinnvollen und richtigen jugendpolitischen Akzenten, die auf Bundesebene diskutiert werden? Welche Schlüsse lassen sich für uns daraus ableiten? Welche Probleme lassen sich erkennen und wie gehen wir mit ihnen um?

Das sind die Kernfragen unseres Antrags. Die Diskussion dazu soll unser Antrag anstoßen helfen und einen Beitrag dazu leisten, dass das Problem der Chancenungleichheit von Kindern und Jugendlichen als Querschnittsaufgabe wahrgenommen wird, ohne zu sagen, dass in Sachsen-Anhalt diesbezüglich nichts passiert.

Lassen Sie mich nun auf einige Details unseres Antrags eingehen.

Der erste im Antrag genannte Punkt ist eine Politik für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft, Politik für Kinder und Jugendliche. Kinder- und Jugendpolitik versteht die Bundesregierung als Querschnitts-, Langzeit-

und Zukunftsaufgabe, die sich im Interesse der jungen Generation in alle Politikbereiche einmischen wird.

Mischt sich Kinder- und Jugendpolitik bei uns in andere Politikbereiche ein? Mischt sie sich in die Verkehrs- und Infrastrukturpolitik, in die Umweltpolitik und Raumordnungspolitik ein? Erfolgt das Einmischen nachhaltig oder kommen wir über den Status von interministeriellen Arbeitsgruppen und eines „Wir reden mal im Ausschuss darüber“ nicht hinaus?

Ich bin sehr froh, dass es Studien der Unicef und der Wohlfahrtsverbände gibt, die die soziale Lage von Kindern und Jugendlichen übergreifend abbilden. Sie sind neben Presseberichten und dem, was man wahrnehmen kann, wenn man nicht völlig geschlossenen Auges durch die Gegend läuft, mitunter die einzigen Quellen, die konkrete Bedarfe festhalten und politische Impulse zu setzen vermögen. Diese Studien leisten das, was eigentlich die Jugendhilfeplanung leisten soll. Ich zitiere aus § 80 KJHG:

„Die öffentlichen Träger der Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln.“

Es ist dringend geboten, die Jugendhilfeplanung in Sachsen-Anhalt wieder auf Vordermann zu bringen. In neun Landkreisen wird für Jugendsozialarbeit keine Jugendhilfeplanung durchgeführt. Größtenteils sind die Jugendhilfeplanungen, wo sie noch gemacht werden, Fortschreibungen längst überholter Daten. Beispiel Magdeburg, wo es sich um die Fortschreibung des Standes Mitte der 90er-Jahre handelt. Vor Ort ist so mancher dennoch froh, überhaupt eine Planung zu haben, auch in Magdeburg.

Gleiches gilt für die Landesjugendhilfeplanung. Hierbei herrscht Handlungsdruck und im Interesse von Kindern und Jugendlichen muss sich Landespolitik eben auch hierbei einmischen.

Ein weiterer Punkt betrifft die Verwirklichung einer flächendeckenden Kindertagesbetreuung. Nun werden Sie natürlich sagen, dass wir im Bundesvergleich bereits eine der höchsten Erreichbarkeiten hinsichtlich der Krippen und Kindergärten haben. Dabei bleibt allerdings die Halbtagsproblematik immer noch außer Acht. Ich finde die momentan auf Bundesebene zur öffentlichen Kinderbetreuung geführte Debatte äußerst interessant, insbesondere auch die Beteiligung des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und seine Redebeiträge dazu.

Ich erinnere mich noch sehr gut, als Herr Böhmer in einer Debatte zum Kinderförderungsgesetz hier am Pult stand und meiner Fraktion erklärte, dass er seinen Kollegen aus den alten Bundesländern eben nicht mehr erklären kann, warum sein Land so viel Geld für die öffentliche Kinderbetreuung ausgibt. Ich erinnere mich auch sehr gut daran, dass ich ihm damals sagte, dass wir ihm bei der verteidigenden Argumentation gern zur Seite stehen würden, weil wir genau diese Prioritätensetzung für die Zukunft von Sachsen-Anhalt für entscheidend hielten und immer noch halten.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)