Protocol of the Session on January 25, 2007

Ich möchte auch die öffentliche Meinung kommentieren, die dahin geht: Wir brauchen jetzt erst einmal keine weiteren Mitglieder; wir müssen Schluss machen.

Ich stelle die Frage: Was passiert, wenn wir über den Westbalkan reden? Ich glaube, niemand von uns im Raum und niemand aus der Öffentlichkeit wird sagen, die Westbalkanstaaten gehören nicht in die Europäische Union. Das sind klassische europäische Staaten, aber sie haben weder demokratisch noch wirtschaftlich noch menschenrechtlich derzeit auch nur ansatzweise eine Chance, in die Europäische Union aufgenommen zu werden. Dass sie zu Europa gehören, wird aber niemand in Zweifel stellen.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Es wird auch keine Diskussion darüber geben, dass die ehemaligen westlichen Teile der Staaten der Sowjetunion europäische Staaten sind. Aber die Ängste, sie in die Europäische Union aufzunehmen, und auch die Probleme, die damit bestehen, sind sehr groß.

Wenn ich aber Leute, die gegen die Erweiterung sind, frage „Was haltet ihr denn von der Aufnahme der Schweiz und Norwegens?“, dann sagen sie alle: Ja, sofort. Ich habe noch keinen gehört, der etwas dagegen hätte, die Schweiz und Norwegen aufzunehmen, wenn sie dies wollten.

Was ist das Fazit dessen? - Die wirtschaftlichen Bedenken der Leute, die Ängste der Menschen vor dem Unbekannten, auch die finanziellen Bedenken überwiegen. Auch das hat Herr Czeke vorhin ganz deutlich gesagt: Wenn wir neue Erweiterungen haben, dann werden unsere Mittel reduziert. Genau das ist doch Sinn und Zweck der Sache: Die EU-Mittel, die wir in die alten Mitgliedsländer geben, werden überflüssig, damit es tat

sächlich gelingt, den Entwicklungsstand aller Staaten in Europa anzugleichen.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Scharf, CDU)

Die Ängste der Bevölkerung vor der Globalisierung, mit denen Sie ja hervorragend gespielt haben - Billiglohn, Dumping, Sozialstandards und Umweltstandards herunterdrücken usw. usf. -, sind da. Aber daran ist nicht die Europäische Union schuld.

Die Europäische Union ist nicht daran schuld, dass wir Arbeitsplätze verlagern nach China, nach Japan oder in die früheren osteuropäischen Staaten, als sie noch nicht der EU beigetreten waren. Das ist die Entwicklung des Marktes gewesen. Das Internet, die Verkehrsentwicklung und auch Welthandelsabkommen haben natürlich dazu beigetragen, dass sich diese Situation verschärft. Und davon sind wir nur ein Teil.

Die EU ist nicht das Problem - das sage ich Ihnen, Herr Czeke, ganz deutlich -, sondern die EU versucht, Antworten auf diese Probleme zu geben,

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

indem sie Standards exportiert, Sozialstandards, Umweltstandards und auch rechtliche Standards, Menschenrechtsstandards.

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS - Herr Tull- ner, CDU: Konfliktparteien!)

Diese Standards werden exportiert und an diese Standards müssen sich diese Staaten - natürlich nach einer gewissen Übergangszeit - auch sicher halten, auch wenn es dem einen oder anderen schwer fällt.

Das wird zum Beispiel durch den Trend belegt, dass einige Unternehmen viele manuelle Tätigkeiten inzwischen von Rumänien nach Moldawien oder in andere ehemalige Sowjetrepubliken oder nach Asien verlegen. Das ist genau der Punkt: weil die Löhne inzwischen auch in den neuen Mitgliedsstaaten entsprechend angezogen haben.

Meine Redezeit ist fast um. Ich möchte zum Abschluss sagen, dass für mich der wichtige Punkt der Europäischen Union ist, dass sie eine friedenssichernde Maßnahme in Europa ist, dass wir seit über 60 Jahren keinen Krieg in der EU gehabt haben. Das reicht heutzutage nicht mehr aus, um den Menschen zu verdeutlichen, dass wir ein erweitertes Europa brauchen. Wir müssen auch andere Begründungen bringen. Das sind die Herausforderungen, die die Globalisierung im sozialen, im finanziellen, aber auch im Umweltbereich mit sich bringt.

Ich kann nur dafür werben, dass wir die Chancen, die wir in Rumänien und Bulgarien im Kleinen haben, auch in anderen Bereichen nutzen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Herr Abgeordneter Tögel, es gibt noch drei Fragen. Sind Sie bereit, die Fragen von Herrn Hauser, von Frau Dr. Klein und von Herrn Gallert zu beantworten?

Bevor Sie antworten, noch eines: Der Abgeordnete Czeke hat mir signalisiert, dass er sich persönlich angegriffen fühle. Ich gehe davon aus, dass Ihr Beitrag sich ausschließlich auf den Inhalt der Rede bezog. - Ja.

Der erste Fragesteller ist Herr Hauser. Bitte.

Herr Kollege Tögel, ich habe ein Problem.

(Heiterkeit bei der CDU)

- Meine lieben Freunde von der CDU!

(Herr Doege, SPD: Keine Drohung!)

Sie sprachen von dem beschränkten oder eingeschränkten Blickwinkel der Agrarpolitik.

(Heiterkeit im ganzen Hause)

Erklären Sie uns doch einmal, was Sie damit meinen.

Das ist eine relativ kurze Erklärung. Diejenigen, die schon einige Zeit im Parlament sind und sich mit der Materie beschäftigen, wissen natürlich, dass die Agrarpolitik ein ganz sensibler Bereich, ein nicht unumstrittener Bereich im Rahmen der Europäischen Union ist und dass die Agrarpolitiker in der Regel mit sehr eigenem Hintergrund agieren. Das heißt: Sicherung der wirtschaftlichen Basis der eigenen Betriebe.

Ich kenne Agrarpolitiker aus den alten Ländern, die für differenzierte, kleinere Strukturen kämpfen, und ich kenne Agrarpolitiker aus den neuen Ländern, die mehr für größere Strukturen kämpfen.

(Zuruf von Herrn Daldrup, CDU)

Wenn man die Leute betrachtet, die der Agrarpolitik etwas distanzierter gegenüberstehen, dann wird von diesen natürlich die Frage gestellt: Wie können wir die 50 %, die die EU einmal für die Agrarförderung ausgegeben hat, nach und nach zurückfahren und wieder auf eine nicht vollständig subventionierte Produktion zurückkommen?

Insofern stehe ich schon dazu, dass die Agrarpolitiker einen sehr eigenen und eingeschränkten wirtschaftlichen, agrarpolitischen Hintergrund haben, der nicht von allen Europapolitikern so geteilt wird.

(Zuruf von Frau Wernicke, CDU)

Vielen Dank. - Jetzt gebe ich Frau Dr. Klein das Wort für eine Frage, dann Herrn Gallert.

Herr Präsident, es ist keine Frage, es ist eine Kurzintervention.

Bitte.

Ich bin - um noch einmal auf die Charakterisierung der Rede von Herrn Czeke als destruktiv zurückzukommen -

eine überzeugte Europäerin. Das habe ich hier auch in den letzten Jahren mehrfach sehr deutlich gemacht. Ich bin eindeutig für die Osterweiterung. Ich bin auch für die Erweiterung in den Grenzen Europas ohne Wenn und Aber. Denn entweder ist es eine Europäische Union oder es ist keine Europäische Union.

Aber vor einer solchen Erweiterung müssen auch die Grundlagen dafür gelegt sein, dass es zu einer gleichberechtigten Zusammenarbeit kommen kann.

Wenn man sich die Rede von Herrn Schulz ansieht, dann stellt man fest, es war nur eine Rede nach dem Motto: Welche Gewinne hat Sachsen-Anhalt?

(Oh! bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Nein! - Mi- nisterin Frau Wernicke: Das stimmt doch nicht!)

Sicherlich muss man auch über die Gewinne des Landes Sachsen-Anhalt reden. Aber welche Gewinne die Länder Bulgarien und Rumänien haben werden, das steht bisher lediglich auf dem Papier. In diesen beiden Ländern wird sich erst noch zeigen, welche Fortschritte es geben wird; denn die Frage der Niedriglöhne ist eben nicht im europäischen Rahmen geregelt.

Sicherlich gibt es Bemühungen um die Umweltstandards und um Standards im Arbeitsrecht, aber eine Lösung hinsichtlich der Niedriglöhne steht nach wie vor aus.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wenn Unternehmen aus Sachsen-Anhalt in Bulgarien oder Rumänien produzieren werden, dann ist das für die bulgarischen und rumänischen Arbeiter von Vorteil, für Arbeitskräfte in Sachsen-Anhalt ist es das nicht unbedingt; denn eine gleichberechtigte Ausgangslage fehlt. Das ist das große Problem. Deshalb sagen wir: Es müssen Sozialstandards her. Das ist das Entscheidende, wenn es wirklich eine Europäische Union für die Menschen sein soll.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank für Ihre Intervention. - Ich erteile nun Herrn Gallert für eine Frage das Wort. Bitte.

Herr Tögel, am Anfang meiner Frage möchte ich sagen: Bei diesem komplexen Problem - das ist in Ihrer Rede übrigens sehr deutlich geworden - geht es nicht um die Frage, ob ein Mensch gut oder schlecht, dumm oder klug ist, ob er in erster Linie die Risiken oder in erster Linie die Chancen sieht.