Wäre es möglich, dass wir den Lärmpegel wieder ein bisschen senken, damit wir Frau Mittendorf folgen können?
Meine Damen und Herren! Wir haben ein klassisches Beispiel dafür erlebt, wie ein Politiker reine Klientelpolitik betreibt,
sich anmaßt, Deutungshoheit über alle Vorgänge in diesem Haus zu haben und einen vorgezogenen Wahlkampf macht.
So kann es eigentlich nicht sein, meine Damen und Herren. Dafür ist das Thema, mit dem wir uns befassen, viel zu ernst. Denn ich denke, dass wir mit dem heutigen Antrag, sofern wir ihn verabschieden, nicht nur einen wichtigen Punkt des Koalitionsvertrages verwirklichen - aber auch nur einen Teil davon -, sondern wirklich eine wichtige Aufgabe formulieren, vor der unser Land steht.
Ich möchte auch in Richtung der FDP sagen: Dieser Bildungskonvent ist keine „Kompro-Missgeburt“, sondern er ist ein Ergebnis gelebter Demokratie.
Und es ist - das haben Sie richtig formuliert - eine neue, eine andere Form des Umgangs mit einem bildungspolitischen Problem im Landtag - dies aber nicht, weil wir nicht weiterwissen - jeder von uns weiß weiter -, sondern
weil sich die Frage stellt, wie wir gemeinsam ein Ergebnis formulieren können, mit dem dann die Mehrheit in diesem Landtag, aber auch in der Bevölkerung und vor allen Dingen unsere zukünftigen Schülerinnen und Schüler leben können.
Wir haben im Hinblick auf die Verbesserung des Bildungssystems Vorschläge gemacht. Wir haben dies in einer Broschüre niedergelegt. Es war bei uns auch Gegenstand des Wahlprogramms, aber das war nur die Vorarbeit.
Hätten wir es nicht geschafft, uns in dieser Koalition darauf zu verständigen und uns darauf zu einigen, dass wir diesen Bildungskonvent wollen, dann wäre er auch heute nicht im Landtag und wir hätten nicht die Chance, in relativer Unabhängigkeit von dem, was die festgefahrenen Fronten des Landtages durch die politischen Parteien darstellen, einmal eine andere, eine viel offenere Diskussion zu führen, die nicht so stark von fest geprägten Dingen beeinflusst wird, wie es bei uns der Fall ist. Das ist einfach so.
Insofern, meine Damen und Herren, ist es eine Chance. Es ist eine Chance, verloren gegangenes Vertrauen in die Politik - gucken Sie sich doch mal die Umfragen an -, aber auch in unsere Bildungspolitik zurückzugewinnen.
Wenn es uns gelingt, dieses Vertrauen zurückzugewinnen, dann können wir vielleicht auch Ängste nehmen. Das tut nämlich dringend Not.
Vor allen Dingen haben wir die Chance - das ist schon ziemlich einmalig -, eine aufgrund der internationalen Studien bundesweit vorhandene Debatte aufzugreifen an unserem Beispiel Sachsen-Anhalt, an einem neuen Land, das nach der Einführung der bundesdeutschen Systempolitik für Bildung in den letzten 17 Jahren mit Ergebnissen hervorgekommen ist, die einfach nicht befriedigen können. Also muss man diese Dinge untersuchen und danach fragen.
Viele öffentliche Reaktionen zeigen mir, dass es viele und vielleicht auch zu hohe Erwartungen gibt. Das ist mit Erwartungen immer so eine Sache. Aber, meine Damen und Herren, der Erfolg des Konvents wird sicherlich davon abhängig sein, wie er arbeitet, aber vor allem von dem, was er hervorbringt, Empfehlungen - wie immer er das macht; die Geschäftsordnung beschließen wir noch; man kann hierbei nicht alles vorhersagen.
Die entscheidende Frage wird sein, wie wir als Abgeordnete, als Parlamentarier mit den Empfehlungen umgehen. Denn dabei sind wir gefordert. Es ist die Aufgabe der Politik, die ureigene Aufgabe der Politik, es ist unsere Aufgabe, die Entscheidungen hier vorzubereiten und zu fällen, die notwendig sind, wenn vernünftige Empfehlungen kommen.
Es ist doch selbstverständlich, wir brauchen uns doch hier nichts vorzumachen - ich möchte jetzt nichts beantworten; Entschuldigung, Frau Präsidentin, ich habe die Zwischenfrage vorweggenommen -, es ist doch völlig klar und das ist auch ganz normal so, Gott sei Dank: Wir haben unterschiedliche Meinungen zu Fragen der Bildung. Sonst bräuchten wir auch nicht unterschiedliche Parteien. Das hat nämlich etwas mit unterschiedlichen Ansichten zur Gesellschaft zu tun.
Natürlich wird es auch kontroverse Beratungen im Konvent geben, aber gerade deshalb und wegen der Vielfalt der Mitglieder muss es doch eigentlich möglich sein, zu tragfähigen Empfehlungen zu kommen, die dann hoffentlich auch helfen, die nachweislich bekannten Probleme wenigstens zu minimieren. Noch besser wäre es, sie zu beseitigen.
Ein thematischer Schwerpunkt - um es einmal herauszugreifen - ist die Verbesserung der Bildungschancen. Meine Damen und Herren! Das ist der grundsätzliche gesellschaftliche Ansatz: Wer eine gerechtere Gesellschaft will, eine Gesellschaft, in der weniger Ausgrenzung und mehr Gemeinsamkeit stattfindet, muss sich dafür einsetzen, dass junge Menschen lernen, was Chancengleichheit, wenigstens aber Chancengerechtigkeit bedeutet. Wenn wir bundesweit konstatieren, dass bei uns die soziale Herkunft maßgeblich über die Bildungsbeteiligung und damit über die Lebenschancen entscheidet, dann, meine Damen und Herren, kann man sich mit dem Status quo nicht zufrieden geben.
Das betrifft genauso die Studienberechtigtenquote. Wir wissen heute schon, dass wir in Zukunft mehr akademisch ausgebildete junge Menschen brauchen. Dafür reicht eben eine Quote von 34 % in Sachsen-Anhalt nicht aus.
Ohne Zweifel, meine Damen und Herren: Nicht jeder Schüler oder jede Schülerin muss das Abitur ablegen.
Darum geht es auch gar nicht. Aber es müssen mehr werden. Und wir müssen die vorhandenen Ressourcen besser nutzen; denn ich zumindest bin davon überzeugt, dass es mehr Kinder aus sozial schwachen Elternhäusern gibt, die in der Lage sind, höhere Bildungsabschlüsse als heute zu erlangen, wenn man ihnen denn eine Chance geben würde.
Für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die kein Abitur anstreben und die die Sekundarschulen besuchen, müssen die schulischen Rahmenbedingungen verbessert werden. Das ist genannt worden. Es ist in meinen Augen eigentlich ein Skandal, dass in einem entwickelten Industrieland wie Deutschland und auch bei uns im Bundesland 11 % aller Schüler ohne Hauptschulabschluss bleiben
und dass fast ein Viertel der Schülerinnen und Schüler, die mit einem Abschluss in eine Berufsausbildung gehen, wiederum die Lehre abbrechen. Das kann nicht sein.
Meine Damen und Herren! Ein weiterer Schwerpunkt ist die innere Schulreform. Hinter diesem Begriff verbirgt sich ja viel. Dort wird und muss im Mittelpunkt eine Offensive zur Unterrichtsqualität stehen. Denn - darin gebe ich meinem hochverehrten Kollegen Olbertz
ja Recht, wenn auch ungern -: Man kann sich endlos über die Vor- und Nachteile integrativer und gegliederter Schulsysteme streiten - ist der Unterricht schlecht, spielt das System eine nachgeordnete Rolle. Insofern werden wir, um einen anderen Begriff zu wählen, in den nächsten Jahren in gewisser Weise Systemoptimierung betreiben. Nicht weil mir dieses System besonders gut gefiele, sondern weil ich denke, für grundlegende und aus meiner Sicht eben dringend notwendige inhaltliche und auch strukturelle Veränderungen ist eine breite gesellschaftliche Akzeptanz nötig. Die kann man nur schaffen, wenn man so etwas über eine Einrichtung, zum Beispiel über den Bildungskonvent, anmahnt.
Die Organisationsform der Schule führt aus unserer Sicht sehr wohl auch zu Problemen für die Qualität des Unterrichts. Das hat ganz einfach etwas damit zu tun, wie wir Klassen und Schülergruppen zusammensetzen, welche Leistungs- und Verhaltensbreite sie aufweisen. Das ist nämlich auch die Grundlage für den didaktischmethodischen Ansatz, die Zielsetzung für die Stoffauswahl, für erzieherische Einwirkungen.
Es geht in der Summe darum, das richtige Anforderungsniveau zu setzen. Das ist - das werden alle, die mit der Profession befasst sind, wissen - eine der schwierigsten Aufgaben, vor der Lehrerinnen und Lehrer jeden Tag stehen. Jeden erreichen, keinen zurücklassen, das ist die Aufgabe, vor der wir stehen. Erfahrene Lehrerinnen und Lehrer wissen, dass es rein homogene Lerngruppen nicht gibt, dass in jeder Lerngruppe Leistungsspitzen vorhanden sind und auch nicht so Starke.
Es geht also in der Sache darum, einen erfolgreichen Lehr- und Lernprozess zu gestalten, der jeden und jede entsprechend den vorhandenen Fähigkeiten fördert.
Meine Damen und Herren! Nach unserer Überzeugung benötigen wir differenzierte und differenzierende Unterrichtsformen, nicht unterschiedliche Bildungsgänge. Dass das erfolgreich geht, zeigt die pädagogische Arbeit und die pädagogische Praxis im Ausland, aber auch in Deutschland. Aber leider ist sie viel zu wenig verbreitet.
Meine Damen und Herren! Wir denken, dass unsere konzeptionellen Vorstellungen mit dazu beitragen können, und deshalb werden wir unser Modell einer allgemeinbildenden Oberschule in den Bildungskonvent einbringen und zur Diskussion stellen. Ich bin mir sicher, meine Damen und Herren, dass einiges, was Herr Höhn an Forderungen gebracht hat, sich dort wiederfinden wird. Ich bin mir auch sicher, dass einiges, was die CDU an besonderen Forderungen hat, sich dort wiederfinden wird.
Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung brauchen wir eine zusätzliche Debatte darüber, wie wir Schulstandorte im Lande sichern, wie wir mit Schule auf dem flachen Land, in den Regionen umgehen. Das heißt, wir werden uns mit den Fragen der Schulentwicklungsplanung befassen müssen, neben anderen schwierigen Aufgaben. Doch das ist jetzt nicht meine Aufgabe; das soll der Konvent machen. Dafür richten wir ihn ein.
Ich kann Ihnen sagen: Wenn der Konvent ab März 2007 arbeitet, wird es in dieser Zeit keinen bildungspolitischen Stillstand geben. Wenn wir nicht dafür sorgen, werden es die anderen tun, indem sie sicher entsprechende Anträge stellen.
Mit der heutigen Beschlussfassung beginnt die eigentliche Vorbereitung. Ich denke, dass wir es schaffen wer
Mir und meiner Fraktion liegt sehr viel daran, dass es eine breite Mehrheit für unseren Antrag gibt. Deshalb noch ein Wort zum Änderungsantrag der Linkspartei.PDS: Wir möchten darum bitten, dass getrennt abgestimmt wird, und zwar nach Punkten. Die Punkte 1 und 2 gehören in der Sache zusammen. Diese werden wir ablehnen - nicht weil wir meinen, dass wir diese Institutionen oder Personen nicht einbeziehen könnten, aber das ist ein ausverhandelter Punkt. Es besteht die Möglichkeit, zusätzliche Leute einzuladen.
Dem Punkt 3 werden wir zustimmen, obwohl er unserer Meinung nach eigentlich implizit in einem Begriff enthalten ist. Aber wenn das hilft, Ihre Zustimmung zu erleichtern, tun wir das natürlich gern. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Mittendorf, Sie haben vorhin gesagt, dass Sie „jetzt“ keine Fragen beantworten. Sagen Sie nun, dass Sie sie jetzt beantworten?