Protocol of the Session on December 15, 2006

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 13. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der fünften Wahlperiode. Ich begrüße Sie ganz herzlich. Ich hoffe, Sie hatten gestern eine schöne Weihnachtsfeier. Sie sehen alle recht munter und zufrieden aus.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Die, die da sind!)

- Zumindest diejenigen, die da sind. Der Rest wird sicherlich noch erscheinen.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Wir setzen nunmehr die 7. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung vereinbarungsgemäß mit dem Tagesordnungspunkt 25 - Aktuelle Debatte. Danach folgt der Tagesordnungspunkt 14. Der Tagesordnungspunkt 18, den wir gestern nicht mehr geschafft haben, wird nach dem Tagesordnungspunkt 9 eingeordnet.

Ich erinnere an die Entschuldigungen. Heute sind entschuldigt Ministerpräsident Herr Professor Dr. Böhmer, Ministerin Frau Kolb, Ministerin Frau Dr. Kuppe sowie Staatsminister Herr Robra. Entgegen der Ankündigung wird der Herr Finanzminister heute ganztägig im Hause bleiben. - Das, meine Damen und Herren, waren die Dinge im Vorfeld.

(Unruhe)

- Ich bitte um etwas Ruhe.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 25 auf:

Aktuelle Debatte

Deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007 - Chancen für Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 5/418

Es ist vereinbart worden, dazu eine Debatte mit zehn Minuten Redezeit je Fraktion zu führen. Die Fraktionen reden in der Reihenfolge FDP, SPD, Linkspartei.PDS und CDU. Zunächst erteile ich dem Antragsteller, der FDP-Fraktion, das Wort. Bitte schön, Herr Kosmehl, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich bei all denjenigen entschuldigen, die gestern bei der Weihnachtsfeier waren und heute Morgen gleich als Erste reden müssen. Aber ich glaube, dass die Europapolitik und dieses Thema es wert sind, dass wir uns im Landtag von SachsenAnhalt mit der deutschen Ratspräsidentschaft beschäftigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im ersten Halbjahr 2007 wird Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen. Letztmalig hatte Deutschland diese im Jahr 1999 inne. Was hat sich seitdem nicht alles verändert? Aus der Union der 15 ist eine Union der 25 Mitgliedstaaten geworden. Ab dem 1. Januar 2007 wird es sogar eine Union der 27 Mitgliedstaaten sein.

Wir haben einen Konvent eingesetzt. Dieser hat gearbeitet und ein Ergebnis produziert, nämlich einen Vertrag

über eine Verfassung für Europa. Wir stecken mitten in den Ratifikationsverfahren. Auch für Sachsen-Anhalt hat sich insbesondere durch die EU-Osterweiterung einiges getan.

Ich glaube, die EU-Ratspräsidentschaft 2007 bietet die Möglichkeit, die Europäische Union, Europa und die europäische Idee noch stärker in den Blickpunkt der Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts zu stellen. Dies ist auch notwendig, meine sehr geehrten Damen und Herren, weil laut einer Erhebung des Europabarometers 2006 viele Bürger in Ostdeutschland die Europäische Union noch als Rätsel sehen. Beispielsweise haben 48 % der Befragten in Ostdeutschland die Osterweiterung der Europäischen Union schlichtweg verschlafen.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist nicht nur ein Problem in Ostdeutschland. Das ist auch ein Problem in den alten Bundesländern. Dort sind es nämlich 38 %, die nicht wussten, dass die Zahl der Mitgliedstaaten in der Europäischen Union nunmehr 25 beträgt, und das zwei Jahre nach der Erweiterung.

Diese Tatsache zeigt, wie wichtig es ist, dass wir die Bürgerinnen und Bürger auf dem Weg nach Europa mitnehmen. Das wird insbesondere auch für den Verfassungsvertrag notwendig sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 1. Januar 2007 treten mit Bulgarien und Rumänien die beiden letzten Staaten bei, die durch den Eisernen Vorhang mehr als 40 Jahre lang vom Rest Europas getrennt waren.

Wir haben - ich glaube, darauf sind wir als SachsenAnhalter besonders stolz - im Jahr 1990 die Gelegenheit gehabt, gleich Mitglied der Europäischen Union zu sein und alle Vorzüge zu genießen und teilweise auch die Verpflichtungen und die Auflagen zu erfüllen.

Bulgarien und Rumänien mussten 17 Jahre lang auf diesen Tag warten. Sachsen-Anhalt hat in den 17 Jahren insbesondere seine Beziehungen zu Bulgarien genutzt, um zu helfen, um vorzubereiten, um fit zu machen für die Europäische Union.

Die Herausforderungen, die für diese Länder ab dem 1. Januar 2007 bestehen, sind riesig. Wir haben Gelegenheit gehabt, von der Landesregierung insbesondere über die Frage der Kofinanzierung europäischer Mittel - beispielsweise was es für Bulgarien bedeutet, plötzlich Kofinanzierungsmittel in Höhe von etwa 550 Millionen € bereitzustellen, um EU-Mittel zu binden - informiert zu werden. Wir wissen, wie schwierig das für Sachsen-Anhalt war, und wir stehen im Vergleich zu Bulgarien sehr viel besser da.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es bedarf in dieser Angelegenheit weiterer Anstrengungen. Ich glaube, dass wir als Land Sachsen-Anhalt hierfür weiterhin eine Vorreiterrolle einnehmen und uns einbringen sollten. Nicht nur im Zusammenhang mit der Region Plovdiv, sondern die Zusammenarbeit mit ganz Bulgarien und Rumänien - es gibt bereits eine Zusammenarbeit mit dem Kreis Jasin - muss fortgesetzt und intensiviert werden, um den beiden Staaten zu helfen, sich weiterzuentwickeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung hat ein Strategie- bzw. Schwerpunktepapier zur Ratspräsidentschaft vorgelegt. Dabei steht sicherlich an erster Stelle - das wird auch dieses Hohe Haus interessieren, wenn ich die Debatten der letzten Legislatur

periode richtig verfolgt habe - die Frage des Prozesses der Ratifikation des Verfassungsvertrages.

Deutschland wird wahrscheinlich am Ende seiner Ratspräsidentschaft einen Vorschlag für einen weiteren Fahrplan für die Ratifikation des Verfassungsvertrags vorlegen. Dies wird leider erst am Ende geschehen, weil erst im Mai die Präsidentschaftswahlen in Frankreich stattfinden. Sie wissen, Frankreich hat mit seinem negativen Referendum den Verfassungsprozess zunächst gestoppt.

Ich glaube, es ist wichtig, dass wir alle Staaten in Europa einbinden und dass wir am Ende eine Verfassung für Europa bekommen, die diesen Namen verdient, also - das sage ich ausdrücklich - keine zerstückelte, sondern eine möglichst umfangreiche Verfassung, die von allen mitgetragen wird und die endlich - das ist der wichtigste Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren - die Weichen für die Integration innerhalb Europas stellt.

Wir müssen die Institutionen, die für eine Union von sechs Mitgliedstaaten geschaffen worden sind, endlich fit machen für eine Union der 27 Mitgliedstaaten. Diesbezüglich ist viel zu tun. Dazu hat der Verfassungsvertrag richtige Ansätze, und deshalb ist es wichtig, dass er so schnell wie möglich umgesetzt wird, damit wir in diesem Bereich weiterkommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte auf zwei Punkte etwas näher eingehen. Die Bundesregierung hat in ihrem Schwerpunktepapier besonderen Wert auf einen wichtigen Politikbereich der Europäischen Union gelegt, nämlich auf die Stärkung des Raumes, der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte an diesem Beispiel die Chancen der deutschen Ratspräsidentschaft insbesondere für die Regionen in Europa deutlich machen. Dabei ist nämlich zu lesen, dass sich die deutsche Präsidentschaft stark machen wird für die Stärkung von Europol und die bessere praktische Zusammenarbeit zwischen den Polizeien. Dort heißt es:

„Daneben misst der Vorsitz der Verbesserung der Zusammenarbeit der nationalen Polizeien hohe Bedeutung bei.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eine Bundespolizei. Sie hat auch Kompetenzen. Aber gerade bei der Frage des Raums der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts geht es hauptsächlich auch um Terrorismusbekämpfung. Dabei geht es darum, Bedrohungen abzuwenden. Dabei sind alle Sicherheitsbehörden aller Ebenen gefragt. In Deutschland sind nun einmal die Bundesländer für die Polizei zuständig.

(Herr Borgwardt, CDU: Für die Datenerhebung ist der Bund zuständig!)

- Zu den Daten sage ich noch etwas, Herr Kollege Borgwardt.

(Herr Gürth, CDU: Denken Sie an die Redezeit!)

- Ich habe noch genügend Redezeit, Herr Gürth. - Aber lassen Sie mich zum Thema zurückkommen. Die deutsche Ratspräsidentschaft bringt, weil Deutschland föderal aufgebaut ist, auch die Möglichkeit, Politikbereiche, über die in Europa diskutiert wird und die in Europa zusammengefasst werden, auch unter Berücksichtigung der Erfordernisse der Regionen in Europa stärker zu gewichten.

Dazu vermisse ich Ausführungen im Papier der Bundesregierung. Gerade für diesen Bereich hätte man sagen können, dass man Regionen einbezieht, weil es nicht nur in Deutschland auch Regionen mit Befugnissen, beispielsweise im Polizeirecht, gibt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Viele Entscheidungen in der Europäischen Union sind für den Bürger nicht nachvollziehbar, weil man zwischen den einzelnen Kompetenzen, zwischen einzelnen Einbringern und Entscheidern kaum unterscheiden kann. Es wird auch eine Aufgabe sein, während der deutschen Ratspräsidentschaft, wenn ganz Europa nach Deutschland schaut und Deutschland die Leitfigur in Europa ist, den Menschen klar zu machen, wer wofür verantwortlich ist und wer nach welchem Prozess Entscheidungen fällt.

Ich glaube, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass dabei auch dem Land Sachsen-Anhalt eine größere Aufgabe zukommt. Deshalb freue ich mich insbesondere, dass es die Landeszentrale für politische Bildung bereits möglich gemacht hat, einen Projekttag an Schulen einzurichten. Ich habe der Liste, die wir bekommen haben, auch entnommen, dass sich dankenswerterweise viele Kollegen bereit erklärt haben, dort auch Schülern zur Verfügung zu stehen, um ihnen Europa etwas zu erklären, vielleicht auch auf Fragen zu antworten. Dies ist ein erster Schritt.

Es ist nur ein erster Schritt; denn der Projekttag findet bereits am 22. Januar 2007 statt. Das heißt, wir haben danach noch fünf Monate Zeit, in denen wir uns weitere Projekte ausdenken müssen, wie wir unseren Bürgern in Sachsen-Anhalt sagen, wie wichtig Europa ist.

Denn, meine sehr geehrten Damen und Herren - damit komme ich zum Schluss -, Europa hat uns Deutschen zunächst geholfen, die Teilung zu überwinden. Europa hat es insbesondere für uns Sachsen-Anhalter möglich gemacht und macht es zunächst bis 2013 möglich, dass wir auch in der wirtschaftlichen Entwicklung, bei der wir noch Nachholbedarf haben, aufholen können. Dafür, für den Frieden und für die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten, sollten wir Europa danken. Das sollte uns Ansporn genug sein, die Chancen, die sich uns mit der Ratspräsidentschaft bieten, tatsächlich zu nutzen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Kosmehl. - Für die Landesregierung erteile ich jetzt Minister Herrn Haseloff das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern hat die Bundeskanzlerin vor dem Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zur Europapolitik abgegeben und darin die Schwerpunkte der Bundesregierung für die ostdeutsche Ratspräsidentschaft - -

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, bei der SPD und bei der FDP)

- Ein Freud’scher Versprecher, der eigentlich nur bedeuten kann, dass man versucht, ostdeutsche Themen auch im Sinne des Vorredners zu präsentieren.

Die Bundeskanzlerin hat die Schwerpunkte der Bundesregierung für die deutsche Präsidentschaft im Rat der

Europäischen Union im ersten Halbjahr 2007 erläutert. Deshalb bin ich der Fraktion der FDP für ihren Antrag dankbar. Somit können wir uns heute im Rahmen einer Aktuellen Debatte darüber verständigen, welche Chancen speziell für Sachsen-Anhalt mit der deutschen EURatspräsidentschaft verbunden sind.

Das deutsche Präsidentschaftsprogramm wurde vom Bundeskabinett am 29. November 2006 beschlossen und ist seitdem im Internet für jeden verfügbar. Die Landesregierung hat, ihrer Informationspflicht aus dem Landtagsinformationsgesetz nachkommend, das Programm dem Landtag übermittelt. Lassen Sie mich daher auf einige Inhaltsangaben verzichten und nur auf ausgewählte Punkte eingehen.