Drittens zu den Personalkosten und zu den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Der Ministerpräsident kündigte nach der Kabinettsklausur an - der Finanzminister hat dies heute nochmals aufgegriffen -, dass die Landesregierung im Personalbereich gegenüber dem Ansatz für das Jahr 2002 Einsparungen von insgesamt 118,1 Millionen € plant. Weiterhin heißt es: Die Personalausgabenquote fällt damit im Vergleich zum Vorjahr von 26,8 % auf 25,5 %.
Eine Prüfung dieser überraschend hohen Reduzierung brachte jedoch die Haushaltspolitikerinnen und -politiker von PDS und SPD recht schnell zu der Erkenntnis, dass die Ankündigung falsch und irreführend ist, weil die Personalkosten für die Beschäftigten an den Universitäten - Sie haben es heute selbst zugegeben - in den diesen zugewiesenen Budgets versacken.
Fazit: Das Land bleibt nicht nur bei seinen hohen Personalkosten, sondern steigert diese noch um 22 Millionen €.
Angekündigt wird zudem ein Stellenabbau über das bisher vorgesehene Maß mittelfristiger Planungen hinaus, dessen Kosten und Instrumentarien sich als höchst undurchsichtig und ungesichert erweisen. - Im Übrigen komme ich später noch einmal auf diese Ankündigung zurück.
An dieser Stelle kann ich mir zwei kleine Zwischenbemerkungen an die Adresse des Ministerpräsidenten
nicht verkneifen. Ein ums andere Mal haben uns während des Wahlkampfes die CDU und die FDP mit der ganzen Empörung und mit dem Gestus, dessen eine Opposition fähig sein kann, der Haushaltslügen bezichtigt. Was Sie jedoch in Sachen Personalkosten im Haushaltsplanentwurf abgeliefert haben, mag in Ihren Kreisen, Herr Ministerpräsident, oder in Kreisen des Finanzministers vielleicht als „Umschichten“ bezeichnet werden, in meinen Kreisen sagt man dazu schlicht und ergreifend „bescheißen“.
(Beifall bei der PDS - Ministerpräsident Herr Prof. Dr. Böhmer: Da sieht man, wes Geistes Kind Sie sind! - Zurufe von der CDU)
- Ja, gut, das mögen Sie so sehen. - Schließlich geht es auch um den Kontext, in den Sie diese Behauptungen gestellt haben.
Eine zweite Zwischenbemerkung. Gerade mit Blick auf die Personalkosten und die Personalausstattung des Landes wird immer wieder das Gutachten des Herrn Professors Seitz quasi als Autoritätsbeweis herangezogen. Es mag sich dabei um eine wissenschaftliche Analyse handeln. Abgesehen davon, dass ihr dennoch an einigen Stellen Fehler unterlaufen sind und ihr in wichtigen Punkten die notwendige Tiefenschärfe fehlt, verrät das Herangehen jedoch den Auftraggeber mit seiner Grundauffassung. Insofern kann es niemanden verwundern, dass nunmehr auch das Gutachten immer wieder dafür instrumentalisiert wird, alle Standards und Parameter beispielsweise auf sächsisches Niveau zu kürzen.
Aber auch der sächsische Landeshaushalt hat das Ende der Fahnenstange erreicht. Gleiches gilt, wie wir wissen, für die Thüringer Finanzpolitik. Warum fragt sich an dieser Stelle niemand, weshalb das auch bei den von Ihnen hoch gelobten ostdeutschen Musterländern so ist? Wir haben uns mit dieser absehbaren Entwicklung beschäftigt und sind in der Vergangenheit mehrfach dazu im Landtag initiativ geworden.
Heute, meine Damen und Herren, fällt dem Land ca. ein Fünftel der ursprünglich in der mittelfristigen Finanzplanung prognostizierten Steuereinnahmen aus. In allen Ländern und Kommunen haben die öffentliche Verschuldung sowie die Steuermindereinnahmen ein hohes Ausmaß erreicht, welches ganz maßgeblich durch die Steuerreformen der rot-grünen Bundesregierung in der ersten Amtszeit verursacht worden ist. Auch die SPDRegierung Sachsen-Anhalts hat der Steuerreform im Jahr 2000 zugestimmt.
Schon damals haben wir darauf gedrungen, dass man vorhandene Finanzspielräume auf der Einnahmenseite für die Sanierung des Bundeshaushaltes nutzt. Herr Professor Trepte aus unserer Fraktion hat seinerzeit immer wieder nachgewiesen, dass es auf der Bundesebene einer anderen Steuer- und Finanzpolitik bedarf. Infolge dieser Debatten hat auf unser Drängen hin die SPDLandesregierung im Bundesrat den Antrag auf die Wiederbelebung der Vermögensteuer gestellt.
- Das mag wohl sein, aber es ist auch ganz vollherzig abgelehnt worden. - Dafür gab es so, wie gesagt, damals keine Mehrheiten. Zwischenzeitlich bröckelt aber die Front dieser Ablehnung deutlich. Und nicht nur das: Es sind neue Inhalte in die gesellschaftliche Debatte um die Verbesserung der Einnahmesituation der Länder und Kommunen eingeführt worden.
Der Entschließungsantrag, den wir heute einbringen, enthält daher nicht nur das, was wir für vernünftig und vertretbar halten, sondern er enthält das, was im Zentrum der finanzpolitischen Diskussion in allen Parteien steht. Das sind - um nur einige Stichpunkte zu nennen - erstens die Wiederbelebung der Vermögensteuer bei individueller Veranlagung eines jeden Steuerpflichtigen mit seinem Vermögen, zweitens eine verfassungsfeste Reform der Erbschaftsteuer, drittens eine Korrektur der Unternehmensbesteuerung und viertens eine grundlegende Gemeindefinanzreform auf Bundesebene bei Einhaltung des Konnexitätsprinzips und Erhöhung des Steueranteils der Kommunen.
Wenn wir bei diesen Rahmenbedingungen keine Änderungen erreichen, wird sich die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber dem Steuersystem weiter verringern, weil es eine ungerechte Lastenverteilung zementiert, und die Explosion der Neuverschuldung wird nicht aufzuhalten sein, weil sie zwangsläufige Folge dieser ungerechten Steuer- und Abgabenlast ist.
Wir gehen davon aus, dass sich der Landtag in die Debatte um die Lösungsstrategien einbringen muss. Dem sollte mit einer Überweisung dieses Entschließungsantrages in den Ausschuss Rechnung getragen werden.
Meine Damen und Herren! Wer das Sparen zum allgemeinen und alleinigen Ausgabeprinzip macht, muss erklären, warum er sich nicht um die Ursachen seiner knappen Kassen und damit um zusätzliche Einnahmequellen kümmert. Dennoch ist auch das Sparen im Landeshaushalt nicht nur Ausdruck fiskalischer Ohnmacht einer Opfer-Regierung - Opfer im Sinne der Krise öffentlicher Haushalte infolge falscher politischer Weichenstellungen auf Bundesebene.
Dennoch praktiziert auch diese Landesregierung durch ihren Sparansatz eine ungerechte Lastenverteilung nach unten. Daher komme ich jetzt zur zweiten Seite der Medaille, zur Bewertung des Haushalts unter unseren Prioritäten, also unter den Prioritäten, die die PDS setzt.
Die PDS hat ihrem politischen Handeln deutlich andere Kriterien zugrunde gelegt und diese bestimmen den Kern unserer Haushaltskritik. Zunächst - das will ich noch einmal unmissverständlich sagen - haben wir stets die Auffassung vertreten: Haushaltskonsolidierung gehört ebenso zu den Kriterien für eine nachhaltige Landesentwicklung; sie darf aber nicht von einer inhaltlichen Begründung für das Setzen von Ausgabeprioritäten abgekoppelt werden. Sparen also nicht zum Selbstzweck, sondern sparen und Gestaltungsansatz in zukunftsfähigen Entwicklungsfeldern.
Meine Damen und Herren! Zur Begründung seines Konsolidierungskurses gab der Ministerpräsident an, das Land müsse wieder handlungsfähig werden. Diese Handlungsfähigkeit bedarf materieller und immaterieller Voraussetzungen, wenngleich sich dazwischen bisweilen keine starren Grenzen ziehen lassen. Deshalb kritisieren wir an erster Stelle Ihre Absicht, den nächsten Generationen, also Kindern und Jugendlichen die Zukunftschancen zu kürzen.
In diesem Sinne unterstützen wir dann natürlich auch das Bündnis für ein kinder- und jugendfreundliches Sachsen-Anhalt. Die Demonstrationen der vergangenen Wochen und heute Morgen haben zu Recht die Einhaltung Ihrer Wahlversprechen gefordert. Sie wollten die
Abwanderung stoppen, junge Leute hier halten, ihnen eine Perspektive bieten. Großannoncen, Glanzpapiere, Plakate, Wahlprogramme, Wahlspots - alles nicht mehr wahr!
Und Sie wussten, was mit diesem Haushalt los ist. 18 Leute von Ihnen haben auch schon in der letzten Haushaltsberatung gesessen,
und Sie, Herr Scharf, sind durch Ihre jahrelange Arbeit im Finanzausschuss nun auch nicht ganz so unbedarft.
Die Liste der beabsichtigten Verschlechterungen ist lang. Die Kürzung der Mittel für die Jugendarbeit um ungefähr 2,24 Millionen €, also um nahezu 30 % der bisherigen Summe, für Jugendsozialarbeit und für Jugendschutz um eine reichliche halbe Million Euro wird noch dadurch verschärft, dass die Bereiche im Haushalt getrennt geführt werden. Das heißt, fehlende Mittel an der einen Stelle können nicht mehr durch Ausgabenreste anderer Gruppen abgedeckt werden. Für mehr Flexibilität und Bürokratieabbau spricht das auch nicht gerade.
Die Kürzung der Jugendpauschale um 585 000 € und des Feststellenprogramms um 432 000 €, jeweils gepaart mit der Erhöhung des Anteils, den die Kommunen und Kreise beizusteuern haben, führt letztlich zu einem Aushebeln beider Instrumentarien. Schon der heute vor Ort aufzubringende niedrigere Anteil konnte mehrfach im Land nicht bereitgestellt werden. Das heißt also, Landesmittel werden nicht ausgenutzt, obwohl ein erheblicher Bedarf besteht. Da wird Sparpolitik widersinnig.
Besonders gravierend stellt sich die Verschlechterung des Kinderbetreuungsgesetzes dar. Sie senken die Gesamtausgaben im Haushalt, ohne dass ein Gesetz vorliegt. Das ist schon ein dreister und ziemlich einmaliger Vorgang.
Im Dezember erst soll die erste Lesung stattfinden. Der Haushalt soll dann aber Anfang Februar verabschiedet werden. Bis dahin wird die gesetzliche Grundlage der Mittelkürzung aber noch gar nicht vorliegen können.
Wir werden uns für eine Beibehaltung des Kinderbetreuungsgesetzes und für die Rücknahme der Kürzungen einsetzen und stattdessen eine Erhöhung der Mittel fordern, weil bislang noch in jedem Jahr mehr Kinder als ursprünglich geplant Plätze in Anspruch genommen haben.
Vor fast genau vier Jahren, am 12. November - ich habe extra noch einmal nachgesehen - ließ uns der damalige Vorsitzende der CDU-Fraktion wissen, dass er die demonstrierenden Kindergärtnerinnen und die Kommunalpolitiker nur allzu gut verstehen könne, die „in diesen Wochen der Landesregierung Wählerbetrug vorwerfen“.
Es ist fatal, aber die Situationen ähneln sich. CDU und FDP haben den Wahlkampf ganz gewiss nicht mit der Ankündigung gewonnen, das Kinderbetreuungsgesetz verschlechtern zu wollen.
Ganz im Gegenteil, gerade die FDP ist es gewesen, die diesen Teil zu einem ihrer Kernpunkte gemacht hat. Ich darf nur an die Position zur kostenfreien Vorschule erinnern. Jetzt aber versuchen Sie mit aller Macht, diesen Bereich auf ostdeutschem Durchschnitt einzumotten.
Meine Damen und Herren! Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland gewinnt Stärke und Lebendigkeit aus der Tätigkeit von Verbänden, Organisationen, Hilfsvereinen, Beratungsstellen und vielem anderen mehr. In ihnen werden strukturelle, materielle und personelle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Menschen haupt- und ehrenamtliche Unterstützung in vielen schwierigen Lebensfragen erhalten. Nicht zuletzt werden Mitwirkungsrechte gestärkt, weil Informationen und Aufklärung geboten werden.
Immer mehr hat sich aber - als Grundansatz - in den letzten Jahren der Staat insbesondere auch auf Bundesebene aus solchen unmittelbaren Aufgaben zurückgezogen. Das war schon ein Akt der Einsparung. Entweder sind diese Leistungen dann außerhalb seiner Strukturen aufgefangen worden oder sie sind eben weggefallen. Dort jetzt auch noch die Mittel zu kürzen, ist sozusagen gleichbedeutend mit einem zweiten Rückzug. Die geplanten umfangreichen Kürzungen der Mittel für Beratungsstellen und -angebote
(Herr Gürth, CDU: Ihre einzige Vision sind Schul- den, Schulden, Schulden! Das ist doch keine Zu- kunft!)
- wie beispielsweise bei der Verbraucherberatung und -aufklärung um rund 158 000 €, bei der Suchtberatung um 135 000 €, bei den Schwangerschaftsberatungsstellen um 485 000 €, bei den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege um 384 000 € - führen zu existenziellen Einschnitten bei diesen Verbänden und Organisationen.
Ich komme zu zwei Kürzungsvorhaben, die wir eigentlich als völlig ausgeschlossen angesehen haben, und das vor allem - das sage ich völlig ohne Häme - mit Blick auf Ihr christlich-soziales Ethos als CDU.
Im ersten Fall sollen die Zuschüsse an Aidshilfevereine von rund 200 000 € auf null gefahren werden, was das endgültige Aus dieser Vereine besiegeln würde. Als Kosten zur Projektunterstützung wurde die Summe von 15 000 € geplant.
Als empörend und zynisch empfinden wir die Begründung, mit der dieser Schritt gegangen werden soll: Die Zahl der Verstorbenen ist zu gering. - Das stimmt wohl im Vergleich zu anderen Bundesländern, ist doch aber vor allem auch das Ergebnis einer langjährigen zielgruppenorientierten, themenzentrierten sozialpädagogischen und insgesamt sehr professionellen Präventionsarbeit der Aidshilfen des Landes.