Protocol of the Session on November 14, 2002

Den beiden Anträgen zugrunde liegt letztlich die politische Vorgabe des einstimmig gefassten Beschlusses des Landtages vom März dieses Jahres. Auch die FDPFraktion stellt den Tenor des Beschlusses des Landtages von Anfang des Jahres nicht infrage und bekennt sich zu der festgestellten überregionalen Bedeutung der KZ-Gedenkstätte im Schloss Lichtenburg in Prettin. Als Zeugnis einer traurigen Vorreiterrolle für nachfolgend errichtete Konzentrationslager ist dem Erhalt und dem Ausbau einer Gedenkstätte nur zuzustimmen, um den Menschen warnend vor Augen führen zu können, wozu der Mensch selbst in der Lage ist.

Der Antrag der PDS ist aber in der Bestimmung, was politisch gewollt ist, also der Abwägung zwischen dem Wünschenswerten und dem tatsächlich Machbaren, zu weitgehend. Die Nr. 2 des Antrags erklärt bereits das Dilemma zwischen dem Bund als Eigentümer, dem Kreis als Träger, dem Land als Förderer und der Kommune sowie den Opferverbänden als Beteiligten.

Warum dann in Nr. 1 des Antrages neben der erwähnten heimlichen Ablehnung der Werkstattvariante aber gefordert wird, dass ein Einvernehmen nur mit den Opferverbänden herzustellen ist, erscheint schon hinsichtlich der Eigentümerstellung vermessen. Auch ist ein Einvernehmen letztlich ein Zustimmungsvorbehalt, der den Opferverbänden zugebilligt werden würde. Dieser kann letztlich bei der bestehenden Gemengelage nicht gewollt sein.

Dabei ist auch offensichtlich, dass die Schlossanlage für sich allein viel zu groß ist, um sie als Gesamtgedenkstätte zu nutzen. Eine andere Nutzung des Großteils der Anlage als für eine Gedenkstätte ist also zwingend.

Die unter Punkt 1 enthaltene Behauptung, die andiskutierte Ansiedlung der Gedenkstätte im so genannten Werkstättenbereich würde die Bestandteilseigenschaft verneinen, ist unrichtig. Wie wir gehört haben, wurde der Nordflügel durchaus genutzt und ist letztlich auch Bestandteil der Schlossanlage. Die Werkstätten im Nordteil der Anlage wurden auch zu Zeiten der unrühmlichen Widmung als Teil des KZ genutzt. Von einer Auslage

rung kann vor diesem Hintergrund also nicht die Rede sein.

Erkennt man aber an, dass eine ausschließliche Nutzung als Gedenkstätte nicht leistbar sein wird, die anderweitige Nutzung dem Eigentümer grundsätzlich zu gestatten sein wird, der Betreiber letztlich die Inhalte bestimmt und umsetzt, so kann die Rolle nicht darin bestehen, ein Gesamtkonzept zu erarbeiten und auch noch selbst umzusetzen. Nein, die Rolle des Landes ist kleiner zu gestalten. Das Land muss bei der Erstellung eines Gesamtkonzepts gestaltend mitwirken und die Grundlagen für die Erarbeitung und Umsetzung einer Konzeption für die Gedenkstätte selbst erstellen. Hierbei sind die Interessen der anderen Beteiligten abzuwägen und darüber ist dann zu berichten.

Diesem Anliegen entspricht der Antrag der PDS-Fraktion nicht, wohl aber der Ihnen vorliegende Änderungsantrag der CDU und der FDP, weshalb ich Sie bitte, den Antrag der PDS abzulehnen und dem Änderungsantrag zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Wolpert. - Zum Abschluss der Debatte erteile ich Herrn Gärtner noch einmal das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, es ist schon einigermaßen überraschend, wie Sie, in dem Wissen darum, dass Sie an dem Prozess in der letzten Legislaturperiode, in den letzten Jahren beteiligt waren, hier versuchen, auf unlautere Art und Weise zu argumentieren. Das will ich zu dem Thema SED sagen.

(Herr Gürth, CDU: Er hat doch völlig Recht ge- habt!)

Weil es so ist, dass die SED das Schloss Lichtenburg in einer Art und Weise behandelt hat, die der Bedeutung nicht entsprach, und weil das auch in den letzten Jahren, also nach 1989/90, der Fall war und die überregionale Bedeutsamkeit nicht eingesehen worden ist, habe ich in den letzten Jahren immer dafür gestritten einzusehen, dass das Schloss von der SED in einer Art und Weise benutzt worden ist, die nicht angemessen war; auf der anderen Seite war aber auch klar, dass offensichtlich erst die Forschungen in den 90er-Jahren dazu geführt haben, dass wir zu dem Punkt kamen zu sagen: Dieses Schloss ist von überregionaler Bedeutung. - Ich denke, es ist einigermaßen unlauter, so zu argumentieren.

Ein zweites Argument: Wenn es um die Frage der selbst ernannten Gralshüter des Antifaschismus geht, dann weiß ich, dass Sie womöglich meine Fraktion und mich damit meinen. Ich sage: Hier geht nicht um die selbst ernannten Gralshüter des Antifaschismus, die das fordern, sondern es sind die letzten Überlebenden des Naziregimes, die das fordern, was wir hier vertreten.

(Beifall bei der PDS)

Sie haben hier nur leider keine Stimme, sie können hier nicht reden. In einer Erklärung von neun Opferverbänden - ich darf zitieren - heißt es:

„Wir als Vertreter der Opfer der Nazi-Konzentrationslager, der Teilnehmer am Widerstand gegen den Faschismus und deutsche Angehörige der

alliierten Streitkräfte erklären eindeutig, dass wir mit aller Entschiedenheit eine Vermarktung des Nazi-Konzentrationslagers Lichtenburg und eine Trennung der Gedenkstätte vom Schloss ablehnen. Das ehemalige Nazi-KZ kann nur einer dem Gedenken und dem Charakter des KZ entsprechenden würdigen Nutzung bei Erhalt der Gedenkstätte im ehemaligen KZ zugeführt werden.“

Dies ist unterschrieben vom Gedenkstättenverband e. V., Dr. Hans Maurer, Vorsitzender, vom Interessenverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener e. V., Landesvorstand Sachsen-Anhalt, Joseph Gerats - im Übrigen ein weit über 80-jähriger älterer Herr -, von der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora e. V., Professor Dr. Götz Dieckmann, von der Lagergemeinschaft Ravensbrück Freundeskreis e. V., von der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, HUK e. V., Udo Kelch, vom Sachsenhausen-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V., Andreas Mayer, Vorsitzender, vom Verband Deutscher in der Résistance, in den Streitkräften der Anti-Hitler-Koalition und der Bewegung „Freies Deutschland“ e. V., Ernst Melis, Vorsitzender, vom Verband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener - Bund der Antifaschisten e. V., Fred Dellheim und schließlich von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e. V.

Sie werden doch nicht diesen Leuten vorwerfen, sie seien die selbst ernannten Gralshüter des Antifaschismus. Das halte ich für ungeheuerlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Ich werbe noch einmal dafür, dass wir uns genau dieser Frage, ist es nun ein authentischer Ort oder nicht, die von Herrn Wolpert aufgeworfen worden ist, im Ausschuss stellen, dass wir dort mit denjenigen Leuten darüber reden, die Ahnung davon haben, mit den Leuten, die auch Zeitzeugen sind.

In diesem Sinne plädiere ich noch einmal für eine Überweisung, sage aber auf der anderen Seite ganz deutlich: Wenn die Überweisung abgelehnt wird - das ist für das Verfahren wichtig -, halte ich den Änderungsantrag der FDP und der CDU nicht für einen Änderungsantrag; er ist in seiner Intention vielmehr ein ganz klarer Alternativantrag, weil er in eine ganz andere inhaltliche Richtung geht. Ich bitte um das entsprechende Abstimmungsverfahren, werbe aber noch einmal für die Überweisung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Gärtner. - Damit ist die Debatte abgeschlossen.

Es wurde von der Fraktion der PDS und auch von der Fraktion der SPD beantragt, den Antrag und den Änderungsantrag in den Innenausschuss zu überweisen. Wer diesem Antrag die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die beiden beantragenden Fraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist dieser Überweisungsantrag abgelehnt worden.

Wir stimmen jetzt über die Anträge selbst ab. Ich muss Sie, Herr Gärtner, allerdings insofern korrigieren, als der Änderungsantrag kein Alternativantrag ist. Vielmehr ist er im Grunde genommen mit einem einzigen Wortunterschied nichts anderes als der dritte Punkt Ihres Antrages. Wie auch immer, wir stimmen erst über den Änderungsantrag der Fraktionen der FDP und der CDU ab. - Herr Gallert, bitte.

Herr Fikentscher, das geht aus unserer Sicht genau nicht; denn über den Änderungsantrag könnten Sie nur dann zuerst abstimmen lassen, wenn er wirklich kein Alternativantrag wäre.

(Herr Gürth, CDU: Ist er auch nicht!)

Dieser Antrag von CDU und FDP will eine Berichterstattung. Der Antrag der PDS will eine inhaltliche Aussage treffen und eröffnet außerdem noch die Möglichkeit, darüber im Einzelnen zu diskutieren. Deswegen war auch von uns die Überweisung beantragt worden. Die Ersetzung einer inhaltlichen Aussage durch ein Beratungsverfahren ist der typische Vorgang, der im Landtag Nordrhein-Westfalen dazu geführt hat, dass das Instrument des Alternativantrags eingeführt worden ist.

Wir als PDS wollen, dass über die inhaltlichen Aussagen unseres Antrages abgestimmt wird, und nicht, dass man sich durch einen Antrag zum Verfahren um eine solche Abstimmung herummogeln kann.

Herr Gürth, bitte.

Es ist nicht der Fall, dass ein Sachverhalt durch einen völlig fremden ersetzt wird. Der Antrag der PDS beinhaltet ebenfalls eine Behandlung dieser gesamten Thematik. Wir haben in unserem Änderungsantrag durchaus diese Behandlung, nämlich die Berichterstattung im Ausschuss, vorgesehen. Wir stimmen nur den ersten beiden Punkten dem Sinn nach nicht zu, die im PDS-Antrag ursprünglich vorgesehen sind. Insofern ist das ein klassischer Änderungsantrag.

Man könnte alternativ dazu auch überlegen, ob man über die drei Punkte des PDS-Antrages getrennt abstimmt und den letzten Punkt durch unsere Fassung ersetzt. Aber ich würde der Einfachheit halber eher nach dem von Ihnen, Herr Präsident, eingangs vorgeschlagenen Verfahren vorgehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Zunächst einmal: Dieser Änderungsantrag ist nicht als Alternativantrag eingebracht worden, und es hat sich bis jetzt auch niemand dagegen gewendet, dass er als Änderungsantrag eingebracht worden ist. Er ist bei Verfahrensbeginn also als Änderungsantrag akzeptiert worden. Das muss ich einfach feststellen. Es hat niemand gesagt, dass es kein Änderungsantrag, sondern ein Alternativantrag ist.

Ich hätte es auch für sauberer gehalten, wenn genau das erfolgte, was Herr Gürth jetzt gesagt hat, nämlich dass über die drei Punkte einzeln abgestimmt wird - dann wäre die Sache auch klar - und lediglich das Wort

„regelmäßig“ im dritten Punkt herausgestrichen wird. Das wäre auch möglich gewesen.

Es ist aber eine reine Verfahrensangelegenheit. Die Mehrheiten werden sich so oder so durchsetzen. Aber es ist jetzt nicht meine Aufgabe zu werten, sondern ich habe für das saubere Verfahren einzustehen. - Frau Sitte, bitte.

Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass Herr Gärtner das in seinem Redebeitrag selbst getan hat.

Da ich jetzt nicht in eine längere Geschäftsordnungsdebatte kommen will, wird, glaube ich, das Verfahren, das von Herrn Gürth vorgeschlagen worden ist, das beste sein, um auch zu der Aussage zu kommen, um die es uns bei der Abstimmung geht.

Herr Gürth, sind Sie damit einverstanden? - Ich mache folgenden Vorschlag: Ich nehme das als Änderungsantrag von Ihnen auf, dass das Wort „regelmäßig“ in dem dritten Punkt des PDS-Antrages gestrichen wird. Darüber lasse ich gesondert abstimmen. Dann ziehen Sie Ihren Änderungsantrag zurück und wir stimmen in dieser Reihenfolge ab. Sind Sie mit diesem Verfahren einverstanden, Herr Gürth?

(Herr Gürth, CDU: Eine Sekunde!)

- Wenn es jetzt etwas länger dauert, unterbreche ich die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt.

(Herr Gürth, CDU: Dann bitte ich um eine kurze Auszeit!)

- Dann unterbreche ich die Beratung zu diesem Tagesordnungspunkt an dieser Stelle. Ich erwarte, dass Sie mir demnächst mitteilen, worauf Sie sich verständigt haben, damit wir das auch ordnungsgemäß hinbekommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Zweite Beratung

Europäischer Verfassungskonvent: Bürgerrecht und Stärkung der regionalen Gebietskörperschaften

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/49

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/98