Protocol of the Session on November 14, 2002

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Land ist sich seiner Verantwortung vor der deutschen Geschichte bewusst. In diesem Sinne wird - ich sage es noch einmal - entsprechend dem Beschluss des Landtages vom 14. März 2002 dem Landkreis Wittenberg als Träger der Gedenkstätte bei der dringend notwendigen Sanierung der Gedenkstätte Lichtenburg weiterhin Unterstützung gewährt.

Dies erfolgt auf der Grundlage eines weitgehend vom Land finanzierten Sachverständigengutachtens, das verschiedene Varianten für die Einrichtung einer Gedenkstätte innerhalb des Schlosskomplexes - ich betone noch einmal: innerhalb des Schlosskomplexes - vorsieht.

In zwei dieser Varianten war vorgesehen, in verschiedenen Teilen des Hauptschlosses die Ausstellung und die Verwaltung der Gedenkstätte anzusiedeln. Die Gutachterin, eine auf dem Fachgebiet anerkannte Wissenschaftlerin, schlug als eine dritte Variante die Etablierung dieses Teils der Gedenkstätte im ehemaligen Werkstattbereich vor.

Im Ergebnis eines gründlichen Abwägungsprozesses kam das Land im Zusammenwirken mit dem Bund als Eigentümer der Liegenschaft, dem Kreis als Träger der

Gedenkstätte und der Stadt Prettin zu der Überzeugung, dass der ehemalige Werkstattbereich innerhalb des Schlosskomplexes die besten Bedingungen für die neue Gedenkstätte bietet. Dort wird eine den neuesten Erfordernissen entsprechende Gedenkstätte eingerichtet werden. Sie wird ebenso eine Dauerausstellung beinhalten wie Räume für Wechselausstellungen, für Seminare, eine Bibliothek etc. Bestandteil der neuen Gedenkstätte wird auch der frühere Bunkerbereich sein.

Die Umsetzung dieser Variante wird viele Vorteile bieten, die ich an dieser Stelle lediglich skizzieren kann: Die Gedenkstätte erhält einen ausreichenden Platz, der genügend Raum für eventuelle Erweiterungen bietet. Durch die Loslösung vom Hauptschloss wird eine gewisse Unabhängigkeit von dessen weiterem Schicksal erreicht. Durch die Nutzung des ehemaligen Wirtschaftsgebäudes wird es möglich sein, einen separaten Zugang zur Gedenkstätte einzurichten.

Letztlich will ich nicht verschweigen, dass sich mit der Umsetzung dieser Varianten die Planungs- und Baukosten im Vergleich zur Herrichtung des Hauptgebäudes in kalkulierbaren Grenzen halten werden; denn die Bausubstanz des Schlosses ist völlig marode und der Investitionsbedarf kann nur schwer beurteilt werden.

Schließlich sei vermerkt, dass das immer wieder angeführte Argument, dass die Häftlinge mit dem Werkstattgebäude nicht in Kontakt kamen, schlicht und einfach falsch ist. Nach einer Zeichnung aus dem Jahr 1934 befanden sich dort die Schmiede, die Zimmerei, der Geräteschuppen und ein Feuerwehrdepot. Abbildungen zeigen Häftlinge auf diesem Hof unmittelbar vor der Werkstatt. Auch Zeitzeugenaussagen belegen, dass auf diesem so genannten hinteren Hof des Schlosses sich der eigentliche Lageralltag für die Häftlinge abspielte.

Auch die Werkstatt unterlag wie das gesamte Schloss nach dem Jahr 1945 umfangreichen baulichen Veränderungen. Der Werkstattbereich ist also genauso viel oder genauso wenig authentisch wie der gesamte Schlosskomplex. Doch die vor dem Jahr 1989 durchgeführten Umbaumaßnahmen haben andere zu verantworten.

An dieser Stelle möchte ich Ihnen mitteilen, dass das von mir erwähnte Gutachten dem Gedenkstättenbeirat im Land Sachsen-Anhalt vorgestellt worden ist. Dieser kam nach intensiver Beratung zu der Einschätzung, dass die Umsetzung jeder einzelnen der im Gutachten entwickelten Varianten im Ergebnis zu einer voll funktionsfähigen Gedenkstätte führen würde. Dementsprechend hat er, auch um die Verkaufsmöglichkeiten des Schlosses für den Bund nicht zu verschlechtern, keine Priorität hinsichtlich der Umsetzung einer Variante erhoben.

Auf der letzten Sitzung am 2. September 2002 hat der Gedenkstättenbeirat die Vorgehensweise des Landes noch einmal ausdrücklich gebilligt. Vielleicht ist es für Sie wichtig, an dieser Stelle darüber hinaus davon Kenntnis zu bekommen, dass zum Beispiel der Zentralrat der Juden das vom Land vorgesehene Konzept unterstützt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit meiner Stellungnahme zum Antrag der PDS-Fraktion wollte ich deutlich machen, dass die Landesregierung bemüht ist, den Landkreis Wittenberg bei der Sanierung der Gedenkstätte Schloss Lichtenburg zu unterstützen. Die vom Land favorisierte und mit den einzelnen Beteiligten abgestimmte Umbauvariante stellt sicher, dass die Ge

denkstätte im Schlosskomplex verbleibt; denn die Werkstatt war und ist Teil des Komplexes.

Das Land steht in engem Kontakt mit dem Bund. Ein eventueller Verkauf der Liegenschaft wird nicht zulasten der Gedenkstätte gehen. Das Land wird wie bisher bei der Erstellung des Gesamtkonzeptes den Sachverstand von Fachwissenschaftlern einholen und auch den Gedenkstättenbeirat des Landes konsultieren.

Selbstverständlich wird die Landesregierung im Innenausschuss noch detailliert berichten. Dem Antrag der PDS-Fraktion insgesamt kann aus den dargelegten Gründen jedoch nicht zugestimmt werden. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Jeziorsky. - Die Debatte wird mit dem Beitrag der CDU-Fraktion eröffnet. Es spricht Herr Borgwardt. Bitte, Herr Borgwardt, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Vorsitzender! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Meine Vorredner haben es bereits betont: Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat sich in den zurückliegenden Jahren mit der Frage der sinnvollen Nutzung der Lichtenburg und mit dem Erhalt der KZGedenkstätte befasst.

Interessant ist, dass sich die Einschätzung der Bedeutung der KZ-Gedenkstätte in den Jahren verändert hat. So kam eine in diesem Zusammenhang eingesetzte Enquetekommission des Bundes „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit" im Kapitel VI - „Gesamtdeutsche Form der Erinnerung an die beiden deutschen Diktaturen und ihre Opfer“ - zu dem Ergebnis, dass die Lichtenburg Prettin nicht zu den wichtigen Gedenkstätten aus der NS-Zeit zählt.

Weiteres ist hierzu in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage des Abgeordneten Matthias Gärtner in Drs. 3/2053 ausgeführt worden.

Am 24. Februar 2000 wird in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ferchland eingeschätzt, die Mahn- und Gedenkstätte Schloss Lichtenburg sei nur von regionaler, also örtlicher Bedeutung.

Diese Wertungen sind jedoch im Hinblick auf die neue historische Forschung als überholt zu betrachten. Die Bedeutung der Lichtenburg im System der nationalsozialistischen Konzentrationslager wurde in letzter Zeit maßgeblich durch ein vom Landkreis Wittenberg finanziertes Gutachten erhellt.

Nach der Besichtigung der Anlage und einer Anhörung im Innenausschuss des Landtages am 14. März 2002 - meine Vorredner betonten das ebenfalls - wurde einstimmig der Beschluss gefasst, dass die KZ-Gedenkstätte Lichtenburg von überregionaler Bedeutung ist. Der Ausschuss hat sich zugleich für deren Erhalt ausgesprochen. Die Landesregierung wurde ferner aufgefordert, die Gedenkstätte weiterhin im Rahmen der bisherigen Haushaltsansätze zu fördern. - So weit der Rückblick.

Das Ansinnen eines großen Teils der Opferverbände können wir nachvollziehen. Aber es ist wohl unstrittig,

meine Damen und Herren, dass die Unterhaltung der riesigen Schlossanlage - die Gesamtnutzfläche beträgt mehr als 23 000 m² - das Land finanziell überfordern würde. Allein der Sanierungsaufwand wird in einem Gutachten mit mehr als 25 Millionen € angegeben.

Deshalb kommen wir zu derselben Einschätzung wie die eingesetzte Lenkungsgruppe. In der 3. Sitzung der Lenkungsgruppe am 25. September 2002 wird ausgeführt - ich zitiere aus dem Protokoll über diese Sitzung -:

„Die Konzeption des Regierungspräsidiums Magdeburg für die Gedenkstätte Lichtenburg wurde einstimmig bestätigt. Es wird eingeschätzt, dass auf der Grundlage dieser Konzeption eine moderne Gedenkstätte eingerichtet werden kann.“

Das ist die Konzeption, die der Innenminister bereits skizziert hatte. - Weiterhin heißt es:

„Es besteht Übereinstimmung, dass am geplanten Standort der Gedenkstätte im ehemaligen Werkstattkomplex nicht gerüttelt werden sollte.“

Wir als CDU-Fraktion sind stark an der Erarbeitung eines Gedenkstättenkonzeptes interessiert, welches jedoch im Einklang mit den finanziellen Möglichkeiten unseres Landes stehen muss. Ebenfalls erachten wir, wie im Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP beschrieben, ein enges Zusammenwirken von Bund, Land, Landkreis, Kommune und Opferverbänden für erforderlich.

Deshalb bitten wir um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. Den Antrag der Fraktion der PDS lehnen wir ab. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Borgwardt. - Für die SPD-Fraktion spricht Herr Rothe. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was auf Schloss Lichtenburg in der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geschah, ist im Plenum wiederholt dargestellt worden. Gestatten Sie mir eine persönliche Antwort auf die Frage nach der Bedeutung einer solchen Gedenkstätte.

Als ich vor einem Jahrzehnt das frühere Konzentrationslager Auschwitz besuchte, habe ich diesen Ort als einen Ort unvorstellbaren Grauens empfunden. Letztes Jahr, als der Innenausschuss Prettin besuchte, hatte ich das Gefühl, an einem Ort zu sein, an dem die Dimension dieses Unrechts gerade noch begreifbar ist. Ich will damit sagen, die Verbrechen, die an beiden Orten geschahen, sind von gleicher Art, aber von unterschiedlicher Dimension.

Auschwitz entzieht sich zunächst jeder Vorstellungskraft. Wir brauchen Gedenkorte wie die Lichtenburg auch deshalb, weil sie im Prozess der Erkenntnis dessen, wozu Menschen fähig sind, die Verbindung zu Auschwitz herstellen helfen. Der industriell betriebene Massenmord an den europäischen Juden markiert das Ende einer Spur. Es kommt darauf an, die Spur zurückzuverfolgen, damit wir erkennen, wie es anfing und was die Zwischenschritte waren. Prettin steht für die Ausgrenzung Andersdenkender und von Minderheiten, für ihre Unter

bringung in Konzentrationslagern in den Jahren von 1933 bis 1939.

Die Weitergabe der historischen Erfahrung an die jüngere Generation bedarf vermehrter Anstrengungen. Je weniger Zeitzeugen unter uns leben, umso wichtiger wird das. Besonders wichtig finde ich die Begegnung junger Menschen mit diesem Teil unserer Geschichte und mit Menschen aus den Gruppen, die Objekt der Ausgrenzung waren. Wenn junge Menschen mit Altersgefährten aus anderen Lebenskreisen wirklich ins Gespräch kommen, dann werden sie, so hoffe ich, immunisiert gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Dann entstehen hoffentlich Toleranz und Weltoffenheit.

Auch aus meiner Sicht ist eine Jugendbegegnungseinrichtung im räumlichen Zusammenhang mit der Gedenkstätte die Vorzugsvariante für eine Gesamtkonzeption. Das Bessere sollte jedoch niemals des Guten Feind sein. Wenn der Gebäudekomplex ungenutzt bliebe oder gar verfallen würde, wäre am Ende niemandem geholfen. Wir brauchen eine Nutzung, die Leben in das Schloss hineinbringt und die damit Menschen an die Gedenkstätte heranführt.

Meine Damen und Herren! Wir sollten im Innenausschuss einerseits die Opferverbände mit ihren Vorstellungen zur Gedenkstätte anhören. Das ist bei der auswärtigen Sitzung des Innenausschusses im April letzten Jahres in Prettin noch nicht geschehen. Wir sollten andererseits im Innenausschuss den Dialog mit der Bundesvermögensverwaltung fortsetzen.

Das fortgesetzte Gespräch mit dem Bund als Eigentümer der Immobilie halte ich für erfolgversprechender, als heute per Beschluss eine der Alternativen zu verwerfen, die in dem Gutachten von Frau Dr. Endlich vom Februar 2001 über die Zukunft der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg erwogen und als akzeptabel bezeichnet werden. Ich meine damit die so genannte Werkstattvariante. Aus der Begründung des Antrages der PDS-Fraktion geht deutlich hervor, dass diese mit der unverfänglich formulierten Nr. 1 des Beschlusses gemeint ist und abgelehnt werden soll.

Diese so genannte Werkstattvariante, also die Unterbringung des Ausstellungsbereiches im Nordflügel des Schlosses, ist aus meiner Sicht eine Kompromissvariante. Sie soll eine dem Denkmalcharakter angemessene Nutzung der Schlossimmobilie durch einen Investor erleichtern. Ein solcher Kompromiss ist durchaus sinnvoll, wenn auf diese Weise tatsächlich ein Investor gewonnen wird.

Die Bundesvermögensverwaltung möchte ich jedoch im Ausschuss fragen, ob sich denn ein Investor gemeldet hat, der zum denkmalgerechten Engagement bereit ist, wenn sich die Gedenkstättenarbeit künftig auf den Nordflügel konzentriert. Wenn ohnehin kein Investor zu finden ist, also nur eine ausschließlich öffentliche Nutzung der gesamten Immobilie möglich ist, spricht aus meiner Sicht viel für einen Verbleib der Ausstellungsräume in den Hauptgebäuden des Schlosses und in Bunkernähe.

Zu dem Antrag der PDS-Fraktion möchte ich kritisch anmerken, dass der Bunkertrakt ohnehin Gedenkort bleiben soll. Es geht nur um die Ausstellungsräume, die allerdings nach den Vorstellungen der Variante 4 an den Nordrand des Gesamtkomplexes aus den Hauptgebäuden heraus verlagert werden sollen.

(Herr Borgwardt, CDU: Der Zugang zum Bunker!)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns im Innenausschuss alle Beteiligten anhören und die Suche nach einer angemessenen Lösung fortsetzen. Wir sollten versuchen, im Ausschuss anhand des Antrages der Fraktion der PDS eine gemeinsame Stellungnahme zu formulieren, wie uns das in diesem Jahr schon einmal im Ausschuss gelungen ist.

Ich bitte deshalb herzlich, dass Sie der Überweisung beider Anträge in den Ausschuss zustimmen; denn nur so haben wir eine Grundlage dafür, im Ausschuss einen Text zu formulieren, den wir anschließend im Plenum verabschieden können. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Rothe. - Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Wolpert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag der PDSFraktion kann sich die FDP-Fraktion nur in Teilen einverstanden erklären. Deshalb liegt Ihnen der Änderungsantrag vor.

Den beiden Anträgen zugrunde liegt letztlich die politische Vorgabe des einstimmig gefassten Beschlusses des Landtages vom März dieses Jahres. Auch die FDPFraktion stellt den Tenor des Beschlusses des Landtages von Anfang des Jahres nicht infrage und bekennt sich zu der festgestellten überregionalen Bedeutung der KZ-Gedenkstätte im Schloss Lichtenburg in Prettin. Als Zeugnis einer traurigen Vorreiterrolle für nachfolgend errichtete Konzentrationslager ist dem Erhalt und dem Ausbau einer Gedenkstätte nur zuzustimmen, um den Menschen warnend vor Augen führen zu können, wozu der Mensch selbst in der Lage ist.