Protocol of the Session on November 14, 2002

Wir stimmen jetzt über die Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ältestenrats ab. Sie betrifft die Verhaltensregeln für die Mitglieder des Landtages. Wer der vorgeschlagenen Änderung der Geschäftsordnung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Die Änderung ist angenommen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Überschrift. Sie lautet: „Änderung der Geschäftsordnung des Landtages“. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist die Überschrift angenommen worden.

Nunmehr stimmen wir über die Beschlussempfehlung in der Drs. 4/324 insgesamt ab. Wer der Änderung der Geschäftsordnung in den genannten Punkten zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Bei einer Enthaltung ist die Änderung angenommen worden. Damit haben wir den Tagesordnungspunkt 8 abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zum JugendmedienschutzStaatsvertrag

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/299

Der Gesetzentwurf wird vom Staatsminister Herrn Robra eingebracht.

Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Die Regierungschefs von Bund und Ländern haben sich im März dieses Jahres auf eine gemeinsame Reform der Medienordnung im Bereich des Jugendschutzes verständigt. Das Ziel ist es, das materielle Jugendschutzrecht zu optimieren und überschaubarer zu machen sowie die Zersplitterung der Aufsichtsstrukturen zu überwinden.

Die tragischen Erfurter Ereignisse haben deutlich gemacht, dass an dieser Stelle ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bei Bund und Ländern hinsichtlich einer Verbesserung des Jugendmedienschutzes besteht, weil gerade die Medien, wie wir wissen, einen prägenden Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben. Der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag stellt eine innovative Basis für einen effektiven Jugendmedienschutz dar. Eine zentrale Bedeutung hat dabei insbesondere die verantwortliche Einbindung der Medienunternehmen in den Jugendmedienschutz.

Erstmals ist es den Ländern gelungen, die Medienwirtschaft selbst im Rahmen einer Regelung zur so genannten regulierten Selbstregulierung in die Medienaufsicht einzubinden. Dies ist ein Eckpfeiler für die künftige Realisierbarkeit des Jugendmedienschutzes. Die Masse der Angebote in den Medien, insbesondere aber im Internet, kann durch die Medienanstalten der Länder allein nicht hinreichend kontrolliert werden.

Die Beteiligung der Medienwirtschaft liegt nicht nur in ihrem eigenen Interesse, da sie die Möglichkeit erhält, in einem gesetzlich vorgegebenen Rahmen medienaufsichtliche Entscheidungen selbst zu treffen. Mit dem Instrument der „regulierten Selbstregulierung“ wird auch die Basis für eine Optimierung des Medienschutzes insgesamt geschaffen. Diese Maßnahme dient schließlich auch dem von der Landesregierung verfolgten Ziel der Deregulierung des Medienrechtes. Diesen Weg wollen wir weiterhin beschreiten.

Bei der gesetzgeberischen Umsetzung der Reform des Jugendmedienschutzes hat der Bund seinen Part mit dem Jugendschutzgesetz bereits in diesem Jahr geleistet. Der Bundesrat hat dem Gesetz am 21. Juni 2002 zugestimmt. Es wird erst in Kraft treten können, wenn

die Länder ihren Teil geleistet und den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ihrerseits in Kraft gesetzt haben.

Den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag haben die Regierungschefs der Länder einvernehmlich im September 2002 unterzeichnet. Das In-Kraft-Treten des Gesamtpaketes, Jugendschutzgesetz des Bundes und Jugendmedienschutz-Staatsvertrag der Länder, ist für den 1. April 2003 vorgesehen.

Zu dem Inhalt des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages, sehr geehrte Damen und Herren, lässt sich resümierend feststellen, dass der Jugendschutz in elektronischen Informations- und Kommunikationsmedien und die Stellung der Länder im Bereich des Jugendschutzes effektiv gestärkt werden. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der bereits angesprochen Regelung der Aufsicht in den §§ 14, 19 und 20 zu.

Die Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle unterliegen einem Zertifizierungsverfahren. Ihre Bildung steht damit nicht im freien Ermessen der Medienwirtschaft. Die Zertifizierung erfolgt durch die Kommission für Jugendmedienschutz, die KJM. Diese ist als eine Zentralstelle der Landesmedienanstalten im Bereich des Jugendmedienschutzes vorgesehen.

Neben der Zertifizierung der Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle soll diese Stelle unter anderem die Aufgabe haben zu prüfen, ob sich die Entscheidungen der Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle im gesetzlichen Rahmen halten. Dabei hat die KJM, damit das Ganze effektiv ist und die Medienwirtschaft auch ernstlich in diese Verantwortung eingebunden wird, einen Beurteilungsspielraum dieser Einrichtungen zu beachten.

Lassen Sie mich ergänzend bemerken: Die Meinungsbildung zum Sitz dieser KJM ist in der Ministerpräsidentenkonferenz noch nicht abgeschlossen. Wir würden uns glücklich schätzen können, wenn es uns gelingen sollte, den Sitz in den mitteldeutschen Raum zu ziehen.

Auch in materiell-rechtlicher Sicht stellt der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag eine deutliche Verbesserung des Jugendmedienschutzes dar. Kinder und Jugendliche werden insbesondere vor Gewaltdarstellungen und vor Pornografie geschützt.

Dabei ist zwischen unzulässigen Angeboten in § 4 und entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten in § 5 zu unterscheiden. Unzulässige Angebote sind für Rundfunk und Telemedien differenziert geregelt. Während Angebote im Sinne von § 4 des Staatsvertrages im Rundfunk ausnahmslos unzulässig sind, so zum Beispiel jegliche pornografische Sendung, können bestimmte Angebote in den Telemedien verbreitet werden, wenn - darüber wird zu wachen sein - vonseiten des Anbieters sichergestellt ist, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden.

Neben den unzulässigen Angeboten regelt der Staatsvertrag, wie bereits erwähnt, auch die entwicklungsbeeinträchtigenden Angebote. Das sind solche, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen. Diese Angebote sollen Kindern oder Jugendlichen bestimmter Altersstufen nicht zugänglich sein. Das Ziel soll durch Zeitgrenzen einerseits sowie durch technische oder sonstige Mittel, zum Beispiel effektiv wirkende Jugendschutzprogramme, andererseits erreicht werden.

Die Vereinbarung beinhaltet eine Ausweitung der Zuständigkeiten der Länder im Bereich des Jugendmedienschutzes. Die Länder sind demnach künftig auch in dem bisher weitgehend dem Wildwuchs überlassenen Onlinebereich, dem Internet, für den Bereich des Jugendmedienschutzes zuständig. Diese Regelung führt zu einer ebenfalls spürbar stringenteren Aufsichtsstruktur.

Die Landesmedienanstalten behalten bei der Gestaltung des Jugendmedienschutzes wichtige Aufgaben. Sie können - das wird ein beachtlicher Entfaltungsspielraum sein - durch zusätzliche Satzungen und Richtlinien die gesetzlichen Vorgaben des Staatsvertrages ausfüllen. Ferner sind sie, wie bereits erwähnt, für den Vollzug von Einzelentscheidungen der KJM zuständig und wirken durch ihre Direktoren in dieser Kommission auch mit.

Auch in rechtssystematischer Hinsicht - das soll nicht unerwähnt bleiben - stellt der JugendmedienschutzStaatsvertrag eine wesentliche Verbesserung des Status quo dar. Die bisherigen staatsvertraglichen Regelungen der Länder zum Jugendmedienschutz, die in verschiedenen Quellen zusammengefasst waren, werden nunmehr in einem Staatsvertrag gebündelt. Dies dient dazu, das Jugendmedienschutzrecht transparenter zu machen.

Der Gesetzentwurf, meine Damen und Herren, bringt damit die Verfassungswerte Eigentum, Rundfunkfreiheit und - das ist das Wichtigste - Jugendschutz zu einem angemessenen Ausgleich. Ich darf daher um Ihre Zustimmung zu dem Ratifikationsgesetzentwurf bitten. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Staatsminister. - Wir treten jetzt in die Debatte der Fraktionen ein. Als erstem Debattenredner erteile ich dem Abgeordneten Herrn Höhn für die PDS das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, dass ich mit einem Zitat beginne:

„Die in grellen Farben angepriesene Sendung gibt nicht nur das gesamte gesellschaftliche Leben der Lächerlichkeit preis, sondern sie zielt auf systematische Zersetzung aller positiven zwischenmenschlichen Werte, wie Achtung vor dem Anderen, Toleranz und Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft und Gemeinsinn, konstruktive Problemlösung und nicht zuletzt Bildung und Wissen... Das rücksichtslose Ausleben jeglicher Impulse und Affekte, hemmungslose Aggressivität und Destruktivität werden geschürt und verherrlicht. Hinter einer vordergründig menschlich anrührenden Komik verbirgt sich eine radikale Entmenschlichung.“

Meine Damen und Herren! Es ging gerade um die Fernsehserie „Die Simpsons“. Ich habe dieses Zitat bewusst an den Anfang gestellt, um eines sehr deutlich zu sagen: Immer wenn es darum geht, der Freiheit der Medien Grenzen zu setzen, ist der Schritt von der berechtigten Regulation zur Zensur nicht groß. Grenzen werden schleichend oder - wie eben in dem Zitat eines Medienpädagogen - dreist überschritten, angeblich immer zum Wohle aller und oft zum Schaden der Medienfreiheit.

Es ist aus meiner Sicht ein erhebliches Dilemma, dass wir uns als Politik dem Thema „Gewalt in den Medien“ immer nur dann widmen, wenn die Öffentlichkeit durch schlimme Einzeltaten aufgeschreckt worden ist. Durch diese Verknüpfung erweckt die Politik bei den Menschen eine Erwartungshaltung, die sie niemals einlösen kann. Genau darum ist zu fragen: Ist das, was in diesem Staatsvertrag geregelt wird, zielführend und verhältnismäßig? - Ich glaube, weder das eine noch das andere.

Staatsminister Robra hat laut einer Pressemitteilung der Landesregierung vom 5. November dieses Jahres und auch eben in seinem Redebeitrag darauf hingewiesen, dass die Medien einen prägenden Einfluss auf Kinder und Jugendliche hätten. Herr Minister, Einfluss hat doch letztlich fast alles im Umfeld von Kindern und Jugendlichen. Den größten Einfluss hat immer noch die reale Umwelt und nicht die virtuelle. Wir Erwachsenen prägen zunächst unsere Kinder und irgendwann auch die Medien.

Es ist schade, dass in der Diskussion um dieses Thema oft sehr populär und selten wissenschaftlich argumentiert wird. Konsens der Forschung ist bis dato lediglich - ich zitiere -,

„dass, zumindest was bestimmte Individuen (zum Beispiel durch hohe Aggressivität und soziale Isolation charakterisierte Jugendliche) und Problemgruppen (zum Beispiel aus einer violenten Subkultur stammende Jugendliche) angeht, eine negative Wirkung von Gewaltdarstellungen... anzunehmen ist.“

So Professor Kunczik von der Universität Mainz.

Es ist ein Grundfehler, sich einen Sündenbock zu suchen, statt sich genau dieser Problemgruppen anzunehmen. Wir versagen als Gesellschaft, wenn es um diese Problemgruppen geht. Meine Damen und Herren von der Koalition, auch Sie versagen gerade wieder mit Ihrer Kinder- und Jugendpolitik in Bezug auf diese Problemgruppen.

(Zustimmung bei der PDS)

Was die Regelungen des Staatsvertrages betrifft, so werden sie genau bei diesen Jugendlichen nicht greifen.

Der Staatsminister hat am 5. November weiter ausgeführt - ich zitiere -:

„Das Gesetz bringt die Verfassungswerte Eigentum, Rundfunkfreiheit und Jugendschutz in einen angemessenen Ausgleich.“

Natürlich wäre es übertrieben zu sagen, den Medien würden durch diesen Staatsvertrag über Gebühr Fesseln angelegt. Allerdings teile ich die Skepsis des VPRTPräsidenten Doetz, was die Überregulierung der Selbstkontrolle und die an Auflagen geknüpfte Freiwilligkeit betrifft. Ich freue mich allerdings gleichzeitig darüber, dass der VPRT dafür Sorge tragen möchte, dass die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen nicht zu einer Alibiveranstaltung wird. Zu begrüßen ist in der Tat - darin stimme ich dem Staatsminister zu - die Neustrukturierung des Jugendschutzes im Sinne größerer Transparenz.

Meine Damen und Herren! Gewalt ist unserer Gesellschaft leider alltäglich. Das war sie schon, bevor es elektronische Medien gab, und unsere Gesellschaft wird nicht dadurch friedlicher, dass Sie den Medien verbieten, Gewalt zu zeigen. Zivilisierter wird unsere Gesellschaft zum Beispiel dann, wenn wir als Politiker den Jugendlichen, denen wir auf der einen Seite das Video verbie

ten, auf der anderen Seite auch zeigen, dass Gewalt eben kein Mittel der Problembewältigung ist. Aber genau das tun wir nicht.

Ich kann keinem Jugendlichen erklären, warum er um 19 Uhr in den Nachrichten den realen Krieg zu sehen bekommt, aber der Antikriegsfilm erst nach 22 Uhr ausgestrahlt werden darf.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Schomburg, CDU: Welcher?)

Ein Letztes: Es ist beachtenswert in den öffentlichen Diskussionen, dass diejenigen, die kommerzielles Fernsehen vor 20 Jahren vehement gefordert haben, heute diejenigen sind, die die Ergebnisse dessen am lautesten kritisieren. - Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Abgeordneter Höhn. - Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Schomburg das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal auf einen Beschluss des Landtags der letzten Legislaturperiode vom 18. Mai 2001 verweisen, der unter der Überschrift stand „Einheitlicher Jugendschutz in den Medien“ und der damals durch die CDU-Fraktion initiiert worden ist. In diesem Beschluss forderte der Landtag von SachsenAnhalt - ich möchte einige Punkte noch einmal aufgreifen -, die Rechtsgrundlagen der Konvergenz der Technik anzupassen.

Dieser Punkt ist zumindest teilweise in dem uns vorliegenden Jugendmedienschutz-Staatsvertrag erfüllt worden. Ich sage „teilweise“, weil Fernsehen und Internet nun einer einheitlichen Kontrolle unterstehen und unterschiedliche Beurteilungen nur abhängig von verschiedenen Übertragungsmedien nicht mehr vorkommen sollten. Was außen vor bleibt - das bedauern wir im Übrigen -, ist die Beurteilung von DVD, Video bzw. von Spielen, insbesondere von Videospielen.