Protocol of the Session on October 11, 2002

Mit der Aufkündigung eines generellen Rechtsanspruches beginnt sich die Spirale nach unten zu drehen. Das kann man dort lernen. Dort gibt es bereits lange Wartezeiten auf einen Krippenbetreuungsplatz.

Das Signal aus Sachsen-Anhalt verwundert sogar die Frauenunion. Selbst in Bayern, die seit einiger Zeit vehement Kinderbetreuung fordern, besteht diese Verwunderung. Der bundesdeutsche Trend geht zu einer Verbesserung der Kinderbetreuung. Wir gehen von unserer Spitzenposition ab und wollen Mittelmaß werden.

(Frau Feußner, CDU: Das wollen Sie vielleicht!)

Nein, das ist keine in die Zukunft gerichtete Politik. Das ist finanzpolitischer Aktionismus, der die Folgen des eigenen Handelns nicht berücksichtigt und vollkommen außer Acht lässt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Als die Landesregierung im Jahr 1998 vor der Aufgabe stand, das Kinderbetreuungsgesetz den sinkenden Kinderzahlen anzupassen und das System dauerhaft bezahlbar und damit zukunftsfähig zu machen, sind wir einen anderen Weg gegangen. Wir haben uns für ein abgestuftes Verfahren der Absenkung der Pauschalen entschieden, das den Beteiligten die Möglichkeit gab, sich im Laufe von mehreren Jahren auf die neuen Bedingungen einzustellen.

Uns ging es damals um Berechenbarkeit, Transparenz und Klarheit.

(Herr Schröder, CDU: Es war aber nicht be- rechenbar!)

Wir wussten damals, dass wir uns damit keine Freunde machen würden. Sie kennen die Demonstrationen.

(Zuruf von Frau Liebrecht, CDU)

- Ach, Sie werden das alles noch erleben. - Wir haben diesen Weg aber eingeschlagen, weil uns die schwierige Finanzlage des Landes bewusst war. Wir haben aber eben keinen Kahlschlag vorgenommen, sondern haben darauf geachtet, dass die Belastungen gleichmäßig verteilt wurden, dass den Trägern Luft zum Atmen blieb und dass die Elternbeiträge nicht exorbitant anstiegen. In einem Satz: Wir haben zwar eine schmerzhafte, aber sozial ausgewogene Reform des Kinderbetreuungsgesetzes eingeleitet.

(Beifall bei der SPD - Oh! bei der CDU und bei der FDP)

Was Sie machen, hat eine andere Qualität. Das ist Kahlschlag.

(Frau Liebrecht, CDU: Sie wissen doch gar nicht, was wir machen!)

- Wir werden beim nächsten Mal mehr wissen. Aber bei einem Betrag von 43 Millionen € macht man sich doch so seine Gedanken, oder?

(Unruhe bei der CDU - Frau Dr. Hüskens, FDP: Ja, aber es stimmt nicht!)

Es bleiben auch noch haushaltstechnische Umsetzungsfragen. Frau Dr. Hüskens, die Planung für das Kindergartenjahr bezieht sich auf das Schuljahr.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Ich weiß!)

Sie beabsichtigen, das hier eingebrachte Gesetz bereits im Januar oder Februar des nächsten Jahres zu verabschieden. Sie können es aber frühestens im August/ September des nächsten Jahres umsetzen. Sie haben dann fünf Monate Zeit, 43 Millionen € durch Einsparungen zu erwirtschaften.

(Frau Dr. Hüskens, FDP: Ja!)

Dass bedeutet, Sie müssten die gesamte Kinderkrippenbetreuung auf null zurückführen. Das geht überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht wollen Sie die auch abschaffen.

Im Übrigen, wie wollen Sie es denn begreiflich machen, dass Sie vor vier Monaten Schulden gemacht haben - unserer Meinung nach unnötig hohe Schulden -

(Unruhe bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP - Herr Gürth, CDU: Ihre Schulden!)

und die erhöhte jährliche Zinsbelastung genau diesem Betrag von 43 Millionen € entspricht? Das soll zulasten der Kinderbetreuung gehen. Wir hätten das nicht gemacht.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von Herrn Scharf, CDU)

Es wird also noch zu heißen Diskussionen kommen, wenn der Gesetzentwurf vorliegt.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Sie wollen ihn also im November einbringen und darüber zusammen mit dem Haushalt beschließen. - Können Sie mir einmal erklären, Herr Scharf, warum Sie uns damals aufs Übelste beschimpft haben, als wir Ähnliches machen wollten?

(Herr Scharf, CDU: Wo haben wir denn jemanden beschimpft?)

- Ich werde Ihnen das alles noch vorlesen. - Wir werden Ihnen diese Unehrlichkeit bis zum Ende der Wahlperiode vorhalten; denn dieser Einschnitt hat Langzeitwirkung.

(Beifall bei der SPD)

Er führt zu steigenden Elternbeiträgen, zu Mehrkosten bei den Kommunen und zu einer qualitativen Verschlechterung der Kinderbetreuung.

Ich komme aber noch einmal auf das Thema der Glaubwürdigkeit der Landesregierung zurück.

Herr Bischoff, möchten Sie eine Frage der Abgeordneten Frau Feußner beantworten?

Ich möchte das gern am Ende machen.

Bitte.

Sie erweckten im Wahlkampf ernsthaft den Eindruck, Kinderbetreuung kostenlos ermöglichen zu können. Das forderte hier nicht nur Frau Pieper. Sie ist nun abhanden gekommen und nur ab und zu einmal hier im Landtag - eine tolle Vorbildfunktion.

(Zuruf von Herrn Dr. Püchel, SPD)

Das stand sogar in Faltblättern von Kandidaten. Ich schätze meinen Freund Wigbert Schwenke, der sich in der Stadt Magdeburg für Kinder und Jugendliche einsetzt. Bei dem Thema gehen wir konform. Ich habe das Faltblatt mitgebracht. Ich hebe nicht alle solche Wahlbroschüren auf. Man muss sich ja nicht immer über alles ärgern. Aber darin steht tatsächlich, man sollte einmal schauen, ob das nicht möglich ist; man erweckt den Eindruck, das wäre nach dem saarländischen Modell möglich.

(Herr Schwenke, CDU: Richtig vorlesen!)

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, wie das Modell im Saarland aussieht und wie teuer das für das Land wäre? Wenn man so etwas fordert, dann muss man auch das sagen.

(Zuruf von Herrn Schwenke, CDU)

Dabei steht auch gleich daneben: Bessere finanzielle Unterstützung für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. - Wir sind gespannt, ob sich das in den Haushaltsberatungen tatsächlich durchsetzt.

Was machen die Fraktionen der CDU und der FDP, die kostenlose oder teilweise kostenlose Kinderbetreuung fordern, jetzt? - Anstatt ihre Versprechungen schrittweise wahr zu machen, wird gekürzt. Die Elternbeiträge werden steigen. Wir werden jedenfalls,

(Zuruf von Herrn Schwenke, CDU)

lieber Herr Schwenke, bei dem Thema der Elternbeiträge im Stadtrat von Magdeburg noch einiges auszufechten haben.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Wenn Sie, Herr Gürth, aber partout nicht von ihrem traditionellen Familienbild des vorletzten Jahrhunderts ablassen möchten

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)