Protocol of the Session on February 17, 2006

Die Frage, wie die Binnenwanderungen verlaufen, lässt sich nicht bezogen auf einen Zeitraum von 15 Jahren klären. Die Frage, wie die Binnenwanderung verläuft, hängt insbesondere von der wirtschaftlichen Entwicklung der einzelnen Regionen ab. Warum haben denn die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg eine so große Zuwanderung zu verzeichnen? - Einfach deswegen, weil sie wirtschaftlich besonders erfolgreich sind. Deswegen sage ich: Wenn wir eine erfolgreiche Politik in den nächsten Jahren fortsetzen, dann wird sich auch bei uns der Abwanderungsprozess, wie es jetzt schon deutlich erkennbar ist, verändern.

Meine Damen und Herren! Wir haben alles in allem eine ermutigende Entwicklung. Ich habe heute morgen die Entwicklung des realen Wirtschaftswachstums im Jahr 2005 auf den Tisch bekommen; Herr Bullerjahn wird es auch bekommen haben.

(Zuruf von Frau Budde, SPD)

- Dann sage ich es Ihnen jetzt: Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr in Ostdeutschland im Durchschnitt 0,0 %, in der Bundesrepublik Deutschland im Durchschnitt 0,9 %, in Sachsen-Anhalt real 1,1 %.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

- Herr Thiel, vielen Dank, Sie haben ein bisschen geklopft.

(Heiterkeit - Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Sie haben vorhin ein paar nette Sätze gesagt.

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, Linkspartei.PDS)

- Ich sehe, Sie sind hin- und hergerissen.

Meine Damen und Herren! Ich sage: Wenn wir eine Politik betreiben, die weiterhin in diese Richtung führt, dann

wird dieses Land wieder überwiegend ein Zuwanderungsland werden. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Minister Herrn Jeziorsky)

Wir können die Zahlen doch nicht einfach hochrechnen und sagen: Weil Statistiker dieses oder jenes - bei natürlich feststehenden Parametern - prognostizieren, wird es im Jahr 2020 so sein; lasst uns deswegen Sangerhausen und andere Standorte abschreiben, und das, was wir in bestimmten Orten noch an Entwicklung haben - -

(Zuruf von Herrn Schröder, CDU)

- Ja, Herr Schröder, ich weiß.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich sage ja: Das kann man eben nicht so machen.

Wenn ich auch Wittenberg, Sangerhausen, Zeitz und Stendal in Zukunft weiter zu Höchstsätzen fördern lassen möchte, dann ist das kein Gießkannenprinzip, sondern dann ist das im Interesse einer Gesamtentwicklung dieses Landes, die Sinn macht, weil dadurch Arbeitsplätze entstehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Minister Herrn Jeziorsky)

Meine Damen und Herren! Frau Budde hat es eben wortreich, wie wir sie kennen, dargetan.

(Herr Bullerjahn, SPD: Fast so wie Sie!)

Frau Budde - und vielleicht auch Herr Bullerjahn - sagt: Es ist nicht so, dass man Sangerhausen oder anderwärts - man könnte eine Menge Standorte nennen; ich habe es getan - überhaupt nicht mehr fördert; vielmehr gibt es im Regelfall eine abgesenkte Förderung.

Jetzt verrate ich Ihnen einmal ein Geheimnis:

(Oh! bei der SPD - Herr Bischoff, SPD: Oh, ein Geheimnis!)

Die Ansiedlungen quer durchs Land, die in den letzten fünf, sechs, sieben Jahren - ich beziehe die Vorgängerregierung hierbei mit ein - getätigt worden sind, haben wir durch die Bank nur erreichen können, weil wir Höchstförderungen ausgebracht haben,

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Dr. Hüs- kens, FDP)

und zwar an dem Ort, an dem das Unternehmen gesagt hat: Dort ist es für meine Zukunft am besten.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Natürlich sollten der Staat und wir im Parlament nicht denken, wie seien klüger als alle anderen und wüssten genau, dass Sangerhausen oder Stendal langfristig abzuschreiben seien. Dadurch verschieben sich die Dinge zum Teil dramatisch. Ich freue mich über das Zellstoffwerk. Ich habe immer betont, dass das eine Leistung insbesondere der Vorgängerregierung ist, auch wenn alle Förderbescheide und alle Bürgschaften usw. erst in meiner Zeit gekommen sind. Wir wollen uns darüber gar nicht streiten. Ich habe das immer anerkannt. Aber nach den Prinzipien, die Herr Bullerjahn verkündet, käme ein Unternehmen nie nach Arneburg. Aber Arneburg ist der richtige Standort.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Zurufe von Herrn Daldrup, CDU, und von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Und siehe da, in Arneburg entwickelt sich genau das, was wir gern haben möchten, ohne dass wir es anordnen: ein Cluster. Dort baut jetzt nämlich ein italienischer Konzern für 120 Millionen € eine Papierfabrik, um den Zellstoff zu verarbeiten, und schafft damit weitere 300 oder 400 Arbeitsplätze. Sollen wir das in Zukunft nicht mehr fördern, meine Damen und Herren? Wir wären ja wirklich bekloppt.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Nachdem Herr Thiel so nett gesprochen hat,

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Er kriegt jetzt Schwierigkeiten bei uns! - Heiterkeit)

möchte ich ihm in einem Punkt, in dem er sich zustimmend geäußert hat - damit haben Sie Recht -, auch Recht geben.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren, Herr Thiel und alle, die das auch sagen - ich weiß, das ist das ganze Parlament -: Forschung und Entwicklung müssen für unsere zukünftigen Produkte und Verfahren noch stärker mobilisiert werden. Das ist sonnenklar.

Ich sage nicht, dass wir in diesem Bereich schon das erreicht haben, was wir erreichen wollen. Aber ich weise darauf hin, dass die Höppner-Regierung im Jahr 2001 - damals war Frau Budde als Wirtschaftsministerin verantwortlich - insgesamt 7 Millionen € für einzelbetriebliche Forschungs- und Entwicklungsprojekte hat abfließen lassen. Wir haben diesen Betrag jedes Jahr um etwa 7 Millionen € aufgestockt und waren im vergangenen Jahr bei 33 Millionen €, die echt abgeflossen sind. Das ist doch der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

In diese Projekte sind die Industrie, die Hochschulen und die Forschungsinstitute eingebunden, die in vielfältiger Weise auch von uns gefördert werden.

Also kurz und gut: Herr Thiel, Ihre Forderung ist richtig. Aber nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Wir sind nachdrücklich dabei, das auch umzusetzen und nicht nur zu fordern.

Zu einem anderen Punkt, in dem ich Ihnen widerspreche. Sie fordern mehr Darlehen in Zukunft. Ich weiß, dass es bis zum Finanzminister hin die Versuchung gibt, in diese Richtung zu denken. Das können wir in bestimmten Teilbereichen des Haushalts möglicherweise machen, nicht jedoch bei der Ansiedlungsförderung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ThyssenKrupp Presta im Kreis Wernigerode die größte Nockenwellenfabrik der Welt baut, dann braucht dieses Unternehmen nicht ein Darlehen von uns. Sie können überall Geld bekommen. Sie rechnen insgesamt, was bringt uns der Standort, und kommen zu dem Ergebnis: Der Zuschuss von 30 %, den sie dort bekommen, macht die Gesamtrechnung rund und deswegen kommen sie. Wenn ich ihnen erzähle, in Zukunft bekämen sie ein Darlehen, dann sagen sie: Herzlichen Dank, Herr Rehberger, dann ist der Standort in Polen wirtschaftlicher, also sind wir dann in Polen.

(Zustimmung bei der CDU und von Herrn Qual, FDP)

Das eben war nicht eine gedachte Alternative; das war eine ganz realistische.

Deswegen kann ich nur sagen: Wir werden das nach meinem Dafürhalten nicht tun dürfen. Darin stimme ich übrigens vollkommen mit Herrn Clement, dem bisherigen Bundeswirtschaftsminister, und dem jetzigen Bundeswirtschaftsminister Herrn Glos überein, die sagen: Wenn ihr in Ostdeutschland diese Zuschüsse nicht mehr gewähren könnt, dann wird eure Ansiedlungspolitik aber ganz schön zurückgehen.

Das wollen wir nicht. Wir müssen die industrielle Basis, die hochmodern ist, auch in den vor uns liegenden Jahren verbreitern, und zwar überall dort, wo sich die Industrie ansiedeln will.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister, würden Sie bitte zum Schluss kommen.

Ja, ich bin gleich fertig, obwohl es noch schöne Sachen gibt, die ich sagen könnte.