Protocol of the Session on February 16, 2006

Sie wollten die Neuverschuldung in der jetzigen Legislaturperiode auf null fahren. Das war Ihr Anspruch in Kenntnis der Rahmenbedingungen, Herr Scharf. Ergebnis aber ist: So viel Neuverschuldung gab es noch nie.

Dass es nicht zwangsläufig so sein muss - das ist schon angesprochen worden -, zeigt der Fortschrittsbericht. Die Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg haben es geschafft - auch unter einer SPD-Führung; das werden auch Sie anerkennen müssen -, bei gleich bleibenden Steuereinnahmenproblemen die Neuverschuldung proportional weiter zurückzuführen.

Eine Konsolidierung ist also auch dann möglich, wenn die erwarteten Steuereinnahmen unterschritten werden.

Sie ist aber offenbar nicht möglich, wenn der Schwimmer - vielleicht erinnern Sie sich an das Bild des Schwimmers, der gegen die Elbströmung ankämpft - schlicht zu schwach ist.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollten keine Gebietsreform und keine weitere Reform. Sie wollten sich im Wahlkampf als Retter der kleinen Orte darstellen. Erinnern Sie sich bitte daran. In der Rolle des Retters der kleinen Kommunen - Herr Becker und andere werden das noch wissen - haben Sie zunächst alle Reformen von Manfred Püchel abgeblasen. Dann haben Sie immerhin erkannt, dass es ohne Reformen nicht geht. Was danach kam, war ein Lehrstück für verfehlte Reformpolitik. Sie haben reformiert: spät, zu wenig entschlossen und zu kurz gesprungen.

(Beifall bei der SPD)

Ich sage sehr deutlich: Wenn man auf diese Weise reformiert, dann darf man sich nicht wundern, dass die Bürger kein Verständnis mehr für Verwaltungsreformen haben. Alles wird anders, aber kaum besser. Das kann man sich nicht leisten. Das meine ich durchaus auch im finanziellen Sinne, denn Ihr verfehltes Reformhandeln hat das Land viele Millionen gekostet.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Ergebnisse zusammenfassen. In den vier Jahren Ihrer Regierungszeit wächst die Wirtschaft insgesamt gesehen nur sehr bescheiden. Die Schwelle zur Schaffung neuer Arbeitsplätze wird per Saldo nicht überschritten. Im Gegenteil: Die Erwerbstätigenzahl ist um ca. 40 000 zurückgegangen und liegt inzwischen unter einer Million. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist um acht Prozentpunkte auf 45 % gestiegen.

Wir werden leider jährlich ca. 20 000 Menschen weniger im Land, egal was Herr Rehberger sagt und glaubt. Die Verschuldung des Landes wächst um täglich 2,5 Millionen €. Die Kommunen verfügen über so geringe Landeszuweisungen wie noch nie. Die Hochschulen haben statt der im Wahlkampf angekündigten Budgetaufstockung jetzt weniger Mittel zur Verfügung.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Stimmt auch nicht! - Zuruf von der SPD: Na klar!)

- Wissen Sie, Herr Olbertz, ich habe einmal zusammengerafft, was andere vor vier Jahren auf fünf Seiten geschrieben haben. Wenn Sie aber selbst Zahlen nicht mehr anerkennen, dann weiß ich es wirklich nicht mehr.

(Herr Gürth, CDU: Sie müssen die richtigen Zah- len zitieren und die richtigen Zahlen miteinander vergleichen!)

Ich werde trotzdem darauf eingehen.

Diese Ergebnispräsentation der etwas anderen Art, meine Damen und Herren, ließe sich fortsetzen. Ich will es Ihnen aber bewusst ersparen und nur darauf hinweisen, dass es nicht immer so gewesen ist, als wir noch regiert haben.

Ich will noch auf einige Aspekte der Regierungserklärung eingehen. Der Seufzer „Gott sei Dank sind wir die rote Laterne los!“ ist für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu wenig

(Herr Gürth, CDU: Es ist wichtig, dass wir in die richtige Richtung marschieren!)

und außerdem Teil eines fragwürdigen Wettbewerbs um ein Zehntelprozent.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Wichtig ist doch: Es gibt keine sich selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung und kein Aufholen gegenüber anderen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn man in einer solchen Situation auf Kontinuität setzt, springt man um Längen zu kurz.

(Beifall bei der SPD)

Sie, Herr Böhmer, haben erst kürzlich in einem Interview gesagt, dass auch einmal Schluss sein muss mit den Reformen. Bis zum Jahr 2010/2011 wollen Sie alles wirken lassen und auf Kontinuität setzen. So ähnlich haben Sie sich heute auch geäußert.

Darin könnte ich Ihnen durchaus zustimmen, wenn das Land Sachsen-Anhalt schon auf einem sicheren Wachstumspfad wäre. Dafür spricht aber keine einzige wirtschaftliche Kennziffer. Ihr Motto heißt: Weiter so! Ich sage aber sehr deutlich: Wer Zukunft für das Land haben will, muss mehr von sich und auch von seiner Partei verlangen. Wer Zukunft will, muss mutiger planen und entschlossener handeln.

(Beifall bei der SPD)

So emotional ich das am Anfang eingebracht habe, so gehört für mich dazu ganz klar die Perspektive, über solche Strukturen wie Ländergrenzen nachzudenken, ob Sie es nun wahrhaben wollen oder nicht.

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie mir noch einige Worte zur Zusammenarbeit oder Nichtzusammenarbeit in der Regierung, Ihrer Regierung. Es vergeht kaum noch ein Tag ohne Zeitungsmeldung über Streite zwischen CDU und FDP in Sachsen-Anhalt.

(Lachen bei der FDP - Herr Gürth, CDU: Das hät- ten Sie wohl gern! - Zuruf von der FDP)

- Nicht einmal lesen können Sie. Also wissen Sie!

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Lachen bei der FDP)

- Dass die FDP an dieser Stelle lacht, wundert mich überhaupt nicht.

(Zurufe von der FDP)

Der CDU-Fraktionschef nennt den FDP-Spitzenkandidaten und Finanzminister intellektuell unredlich und unehrlich. Wo er Recht hat, hat er Recht.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU und von der FDP)

Da Sie hier „Gallerjahn“ für Gallert und Bullerjahn einführten, sage ich das nicht einmal mit den Worten eines Scharfmachers.

Die Zeitung mit den großen Buchstaben fragt: „Warum fällt er dem armen Böhmer wieder in den Rücken?“

(Heiterkeit bei der SPD)

Gemeint ist wieder der Finanzminister. Die Themen sind unter anderem Mehrwertsteuer und Mindestlohn.

(Unruhe bei der FDP - Herr Gürth, CDU: Hatten Sie Ihren eigenen Finanzminister nicht einmal als Knalli bezeichnet?)

- Getroffene Hunde bellen zuerst.

Mir zeigt das vor allem eines: Der Vorrat an Gemeinsamkeiten ist endgültig erschöpft. Das Trennende überwiegt das Gemeinsame. Der Kitt ist weg.

(Zustimmung bei der SPD)

Diese Regierung hat sich verbraucht. Schwarz-Gelb hat keine Zukunft.

(Beifall bei der SPD - Herr Stahlknecht, CDU: Das stand aber nicht in der Zeitung! - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Meine Damen und Herren! Bis zum Jahr 2021 liegen drei Legislaturperioden vor uns, die für die Entwicklung Sachsen-Anhalts von entscheidender Bedeutung sein werden. In diesem Zeitraum werden sich die finanziellen Spielräume deutlich verringern. Die Bevölkerung wird weiter abnehmen. Der Standortwettbewerb wird härter. Mit dem Ende des Solidarpaktes II und dem Abschluss der vierten EU-Förderperiode wird der Aufbau Ost abgeschlossen sein müssen.

(Herr Dr. Schrader, FDP: Und Sie knipsen dann das Licht aus, was?)

Um die Wegstrecke bis zum Jahr 2020 auch für unser Land so erfolgreich wie möglich zu bewältigen, müssen Landesregierung und Parlament ihre Politik konsequent auf dieses Datum ausrichten. Wir stellen uns dem.

(Beifall bei der SPD)