Stets geht es dabei um ein Schulnetz, das über alle Schulformen hinweg hinreichend eng geknüpft, mit zumutbaren Wegezeiten erreichbar und vor allem in seinem Bestand stabil und verlässlich ist. Gerade dies erfordert aber, dass wir konsequent bleiben, was die Schulen betrifft, die schon im jetzigen Planungszeitraum die erforderlichen Mindestgrößen nicht erreichen.
Eine Schule ohne Bestandsgewissheit wird sich nicht entwickeln, sich kein Profil und Programm mehr geben, kann kein hinreichend breites Fächer- und Auswahlspektrum und keine stabile Unterrichtsversorgung bie
ten, insbesondere nicht durch Lehrerinnen und Lehrer, die sich der Schule dauerhaft zugehörig fühlen. Von Qualitätsentwicklung brauchen wir dabei nicht mehr zu sprechen. Jede fragile Schule im System, die wir irgendwie erhalten, indem wir den notwendigen Entscheidungen ausweichen, zieht naturgemäß eine weitere fragile Schule nach sich. Das kann bei konstanten Schülerzahlen einfach nicht anders sein.
Das derzeit entstehende Schulnetz soll also bestandsfähig bleiben, auch wenn an manchen Schulen die Schülerzahlen doch noch unter die festgelegten Grenzen sinken sollten. Die Landesregierung hat dazu im April 2005 drei Beschlüsse gefasst. Der erste greift im Wesentlichen den erwähnten Landtagsbeschluss auf. Der zweite ermöglicht bei unzumutbaren Schulwegezeiten einen Gymnasialstandort unterhalb der Mindestzügigkeit oder besondere Modelle wie in Havelberg. Der dritte eröffnet die Möglichkeit, dass die Träger der Schulentwicklungsplanung, also in der Regel die Landkreise, in Einzelfällen ihre Auflagen zum 31. Dezember 2005 erst ein Jahr später erfüllen müssen.
Der neu ausgehandelte Lehrertarifvertrag gewährleistet die Sicherheit der Arbeitsplätze für die Lehrerinnen und Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen bis zum Ablauf des Jahres 2009/2010. Das kann er nur, indem in Verbindung mit einer Untergrenze die Beschäftigungsumfänge flexibel nach dem tatsächlichen Unterrichtsbedarf festgelegt werden. Dieser Bedarf wird auf der Grundlage der Schüler-Lehrer-Relation in den neuen Bundesländern ermittelt und dynamisch fortgeschrieben. Natürlich spielen bei der Berechnung auch die rund 500 Neueinstellungen eine Rolle - das ist eine beträchtliche Zahl -, die wir in den letzten Jahren trotz eines erheblichen Lehrerüberhangs für die Mangelfächer vorgenommen haben.
Der Lehrertarifvertrag wurde also nicht auf Kosten, sondern mit dem Ziel und dem Ergebnis einer stabilen Unterrichtsversorgung abgeschlossen. Inzwischen haben wir die beste Unterrichtsversorgung erreicht, die das Land Sachsen-Anhalt je hatte.
Auch im berufsbildenden Bereich stand für uns die Qualitätssicherung im Mittelpunkt. Mit der umfassenden Neuformulierung der BbS-VO, über die eingehend mit allen beteiligten Verbänden und Kammern beraten worden ist, wurden die berufsschulischen Bildungsgänge auf neue Grundlagen gestellt und vor allem an klaren Qualitätsmaßstäben orientiert. Die Einführung der so genannten Lernfelderdidaktik, die Handlungszusammenhänge und berufspraktische Erfahrungen einbezieht, ist deutlich vorangetrieben worden.
Das alles sind Prozesse, die man nicht als abgeschlossen betrachten kann, sondern die auch künftig große Aufmerksamkeit beanspruchen. Auch aus dem Berufsbildungsgesetz ist nicht nur für die Landesregierung, sondern für alle Beteiligten neuer Handlungsbedarf erwachsen, zum Beispiel in Bezug auf die Anerkennung vollzeitschulischer Bildungsgänge auf die duale Ausbildung oder die Zulassung zur Kammerprüfung.
Parallel dazu wird sich in den nächsten Jahren die demografische Entwicklung auch an den Berufsschulen deutlich bemerkbar machen, ob wir das wollen oder nicht. Eine der größten Aufgaben wird es deshalb sein, im engen Zusammenwirken mit den Schulträgern ein Berufsschulnetz zu entwickeln, das allen modernen Qualitätsstandards, den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler, den Anforderungen der Wirtschaft sowie
den Ansprüchen der Schulträger, auf eine ausgewogene Ressourcennutzung zum Beispiel, entsprechen kann.
Das gilt gleichermaßen für eine auch künftig flächendeckende schulische Ausbildung im dualen System sowie für das Angebot an vollzeitschulischen Bildungsgängen. Gerade dann, wenn die Sekundarschule an Attraktivität gewinnt, werden die berufsbildenden Schulen als Einrichtungen, an denen höhere allgemeinbildende Abschlüsse erworben werden können, ebenfalls an Bedeutung gewinnen.
Bildung besteht für unsere Schulen nicht nur darin, Pisataugliche Ergebnisse vorzuweisen. Ich sagte das bereits. Die Schule hat nicht nur einen Bildungs-, sondern - nach den Eltern - auch einen Erziehungsauftrag. Wenn wir die Schule als authentischen Lebens- und Erfahrungsraum gestalten wollen, dann gehört vor allem die Erfahrung lebendiger Demokratie dazu. Das setzt Kenntnis und Achtung unserer demokratischen Grundordnung voraus, deren Werte die Schule vermitteln soll.
So können die Schülerinnen und Schüler lernen, dass sie Rechte, aber auch Pflichten haben und dass Konflikte kultiviert und gewaltfrei ausgetragen werden sollen.
Auch das Tempo der Produktion von Wissen und die Vielfalt seiner Nutzanwendungen in der modernen Medien- und Informationsgesellschaft birgt enorme Risiken in sich, wenn es nicht an Werte gebunden ist, wenn Beschleunigung ohne Vergewisserung stattfindet, Dynamik ohne Konstanz. Deshalb ist es so wichtig, dass die Forderung nach Leistung auch an ein adäquates Verhalten gebunden wird,
Werte wie Solidarität und Gerechtigkeit im täglichen Leben erfahren und weitergegeben werden. Dazu ist es zuweilen auch notwendig, Heranwachsenden Grenzen zu ziehen; denn anderenfalls werden sie daran zu zweifeln beginnen, ob sie uns wirklich wichtig sind.
Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung besonderen Wert auf die Ausweitung des Werte bildenden Unterrichts gelegt. Zum Zeitpunkt der Regierungsübernahme besuchten 51 % der Schüler an den allgemeinbildenden Schulen eines der Fächer Ethik oder evangelische oder katholische Religionslehre. In diesem Schuljahr sind es 86,4 %.
Den größten Anteil verzeichnen wir bei den Grundschulen mit 98 %, den höchsten Anstieg an den Sekundarschulen mit einer Steigerung von 40 % auf 88 %. Diese beachtliche Entwicklung verdanken wir verschiedenen Maßnahmen, aber auch einer erheblichen Steigerung der Zahl der erteilten Wochenstunden in diesen Fächern. Auch die Mittel für kirchliche Lehrkräfte sind in den letzten Jahren gestiegen. An dieser Stelle darf ich mich einmal ganz besonders bei den Kirchen für die vertrauensvolle Zusammenarbeit gerade bei der Lösung dieses Problems bedanken.
Ausdrücklich bekennt sich die Landesregierung zu den Schulen in freier Trägerschaft. Mit der Schulgesetzänderung vom Dezember 2004 konnten die Bedingungen für sie an mehreren Stellen verbessert werden, etwa bei der Frage der Unterrichtsgenehmigungen, bei der Mehrschü
lerregelung und vor allem mit der vorzeitigen Finanzhilfe für bewährte Träger schon nach einjährigem Schulbetrieb.
Meine Damen und Herren! Bei allen diesen Maßnahmen und Verbesserungen spielen die Gestaltungsspielräume für die Einzelschule eine Schlüsselrolle. Tatsächlich haben die Schulen bereits einen erheblichen Freiraum bis hinein in die Auswahl des Unterrichtsstoffes. In diesem Zusammenhang sind die Einführung flexibler Stundentafeln, die schülerzahlbezogene Zuweisung der Lehrerwochenstunden sowie die Stärkung der Stellung der Schulleiterinnen und Schulleiter zu nennen, aber auch die Übergabe von Landesmitteln an die Schulen zur eigenen budgetierten Bewirtschaftung.
Eigenständigkeit bedeutet natürlich nicht einen Verzicht auf allgemein gültige Maßstäbe, und Verantwortung beinhaltet stets die Bereitschaft, sich und anderen Rechenschaft darüber abzulegen, wofür man die Eigenständigkeit genutzt hat. Bezüglich der inhaltlichen Maßstäbe sind vor allem die Bildungsstandards hervorzuheben, die nach der Verabschiedung durch die KMK in den letzten beiden Jahren an den Schulen SachsenAnhalts eingeführt wurden.
Das ist übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie sich der Föderalismus modernisieren lässt: Maßstäbe vereinheitlichen, Wege vervielfältigen
und dann im Wettbewerb von den jeweils besten Konzepten lernen. Die Bildungsstandards beschreiben Ziele und Inhalte des Unterrichts in Form unverzichtbarer verbindlicher Kompetenzen, über die alle Schülerinnen und Schüler am Ende eines Schulabschnitts verfügen müssen. Zugleich werden diese Anforderungen an Aufgabenbeispielen erläutert.
Diese Grundidee haben wir in Sachsen-Anhalt mit der Einführung von Pools niveaubestimmender Aufgaben für die Kernfächer einzelner Schuljahrgänge aufgegriffen, die inzwischen für die Klassen 2, 4, 6 und 8 vorliegen. Der Sinn solcher Aufgaben besteht also nicht darin, schulischen Output für Externe irgendwie besser messbar zu machen, sondern darin, die Qualität des Unterrichts zu erhöhen.
Über die Ergebnisse der Arbeit mit Bildungsstandards wird in Sachsen-Anhalt in Form von zentralen Klassenarbeiten und Vergleichsarbeiten mit zentralen Aufgabenstellungen Rechenschaft abgelegt, mit deren Hilfe das Wissen und Können der Schüler derzeit im zweijährigen Rhythmus erfasst und analysiert wird. Mit solchen einheitlichen Maßstäben hängt auch die Einführung eines nunmehr echten Zentralabiturs zusammen, das heißt unter Einschluss von Fremdkorrekturen.
In diesem neu ausgestalteten System aus Eigenständigkeit und Rechenschaft kommt natürlich auch der Schulaufsicht eine veränderte, neue Rolle zu, die zumeist mit den Stichworten Evaluation oder Inspektion beschrieben wird. Dabei bleibt die Überprüfung der schulischen Arbeit zunächst eine Aufgabe der Schulen selbst. Dazu können sie aufgrund einer Vereinbarung mit dem Kultusministerium ein von der Bertelsmann-Stiftung zur Verfügung gestelltes, international erprobtes Programm
- SEIS heißt es - nutzen. Außerdem finden künftig in bestimmten Abständen externe Evaluationen statt.
Wichtig dabei ist, dass die Schulen nicht nur belegbare Aussagen über Stärken und Schwächen ihrer Arbeit bekommen, sondern auch konkrete Hinweise oder Anregungen zur Verbesserung, die im Schulprogramm oder in Zielübereinkünften niedergelegt werden können.
Schulprogramme dienen dazu, dass sich Schule, Eltern und Schüler auf grundlegende Schwerpunkte ihrer Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Schule verständigen. Heute arbeiten schon rund 80 % der allgemeinbildenden Schulen mit einem Schulprogramm. 10 % haben ihr Programm nach einer ersten schulinternen Evaluation bereits erfolgreich fortgeschrieben. Die Arbeit an den Schulprogrammen, zu der das Kultusministerium bereits im Schuljahr 2003/2004 alle Schulen aufgefordert hat und anhält, wurde inzwischen auch im Schulgesetz verankert; Sie wissen das.
Vor allem darf kein Zweifel daran bestehen, wie wichtig die Zusammenarbeit zwischen den Elternhäusern und der Schule für den Bildungsweg der Kinder ist.
Darum muss alles unternommen werden, um den Faden zwischen den Erziehungsberechtigten und den Schulen wieder enger zu weben bzw. in manchen Fällen überhaupt erst wieder aufzunehmen.
Viele Schulen haben inzwischen neue Formen der Zusammenarbeit mit den Eltern entwickelt. Nach einer Umfrage des Landesverwaltungsamtes beziehen 90 % der Schulen die Eltern auch in außerschulische Angebote für die Schüler ein. 40 % arbeiten mit Elternvereinbarungen - vor allem natürlich im Grundschulbereich - und gut drei Viertel führen regelmäßig themengebundene Elternveranstaltungen durch. Ich finde, das sind hoffnungsvolle Signale für die Zusammenarbeit, die weiter ausgebaut werden muss.
Wichtig für die Orientierung der Schüler ist auch die Zusammenarbeit der Schule mit außerschulischen Partnern. In diesem Schuljahr arbeiten auf der Grundlage schriftlich fixierter Kooperationsvereinbarungen mehr als 30 % aller allgemeinbildenden Schulen mit einem Sportverein zusammen, rund ein Drittel mit kulturellen Einrichtungen und jeweils 10 % - das ist ein dringend auszubauender Anteil - mit Unternehmen oder sozialen Einrichtungen der Region. Diese Kooperationsbeziehungen, vor allem die Zusammenarbeit mit der Kinder- und Jugendhilfe, können auch einen Beitrag gegen das Schulversagen leisten.
Überhaupt gibt es eine Vielzahl an außerschulischen Bildungseinrichtungen, deren Angebote besonders für einen realienorientierten Unterricht genutzt werden können. So kann der Besuch eines Umweltzentrums, eines Jugendwaldheims oder eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes mitunter mehr Einsichten vermitteln als eine zusätzliche Unterrichtsstunde im Fach Biologie.
Dem Ziel, die Arbeit der Schulen zu verbessern, ist nicht zuletzt die im Jahr 2004 vorgelegte Konzeption zur Lehrerfort- und -weiterbildung zu verdanken. Neben den besonderen Schwerpunkten, die im Bereich der themengebundenen schulinternen Lehrerfortbildung gesetzt wer
den, nenne ich an dieser Stelle nur den Aspekt, dass die Fortbildung um eine vierte - eigentlich übrigens die nächstliegende - Ebene erweitert wurde, nämlich die gegenseitigen Unterrichtsbesuche mit kollegialer Nachbereitung.
Eine der vergleichsweise wenigen kontrovers diskutierten Änderungen im Schulbereich betrifft die Eignungsfeststellung für Kinder, die nach dem Willen ihrer Eltern das Gymnasiums besuchen sollen, obwohl sie keine entsprechende Schullaufbahnempfehlung erhalten haben. Das neue Verfahren hat ein einziges Ziel: Den Anteil der Schülerinnen und Schüler zu senken, die am Gymnasium scheitern.
Das heißt - das ist mir sehr wichtig -, es wird nicht die Eignung der Kinder für einen bestimmten Bildungsgang festgestellt, sondern die Eignung eines Bildungsganges für ein Kind.
Für viele Kinder ist das Gymnasium nicht dazu geeignet, auf ihre besonderen Begabungen und Fähigkeiten ausreichend einzugehen. Immerhin beginnt der Anteil derjenigen, die das Gymnasium vorzeitig verlassen, bei weniger als 1 % in Jahrgangsstufe 5 und steigt bis auf ca. 9 % in der Klassenstufe 10 an. Die Mehrzahl der Gründe für Schulversagen am Gymnasium liegt nach meiner Überzeugung darin, dass an den eigentlichen Stärken der Kinder vorbeigefördert wird.
Die Folge ist Überforderung, oft auch Demotivation. Deshalb ist das Vor- und Umfeld der Eignungsfeststellung wichtiger als die Eignungsfeststellung selbst. Sie setzt langfristig auf elterliche Vorbereitung und Ermutigung. Wenn sich die Eignungsfeststellung auf diese Weise eines Tages erübrigen würde, wäre das für mich ein willkommenes Resultat ihrer Einführung.