Protocol of the Session on December 9, 2005

Zum anderen werden die Ausschließungsgründe zugunsten der Mitwirkungsmöglichkeiten der ehrenamtlich Tätigen und mithin der Mandatsträger beispielsweise bei Wahlen und anderen Bestellungen zu ehrenamtlicher Tätigkeit wie auch bei Abwahl bzw. Abberufung aus solchen Tätigkeiten weiter gelockert. Damit gewähren wir den Mandatsträgern eine weitergehende Mitwirkungsmöglichkeit. Die Mitwirkungsmöglichkeit soll nur eingeschränkt werden, wenn Abstimmungen unter sachfremden Erwägungen wirklich wahrscheinlich sind.

Die Vorschrift über die Gewährung von Aufwandsentschädigungen und Dienstreisen wird den geänderten Rahmenbedingungen angepasst. Über die bisherige Regelung hinaus wird allen ehrenamtlich Tätigen ein Ersatz der tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Fahrtkosten zum Sitzungsort gewährt. Durch diese Regelung wird der Stärkung des ehrenamtlichen Engagements auf der kommunalen Ebene, insbesondere in den derzeit flächenmäßig größten Landkreisen, in dem Landkreis Stendal und dem Altmarkkreis Salzwedel, aber auch in den mit dem Gesetz zur Kreisgebietsneugliederung mit Wirkung vom 1. Juli 2007 neu geschaffenen Landkreisen Rechnung getragen.

Mit der Festlegung eines Quorums für die Abwahl des Vorsitzenden des Gemeinderats wird dessen Rechtsstellung bei Gemeinden mit einem hauptamtlichen Bürgermeister gestärkt. Die Abwahl des Gemeinderatsvorsitzenden wird künftig Zufallsmehrheiten entzogen, indem sie nicht mehr von der Mehrheit der abgegebenen Stimmen der anwesenden Gemeinderatsmitglieder abhängig ist, sondern der Stimmen der Mehrzahl der gesetzlichen Mitglieder des Gemeinderates bedarf.

Mit dem Entwurf werden die gesetzlichen Vorgaben zum Umfang der Tätigkeit der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Interesse der Stärkung der kommunalen

Selbstverwaltung und der Deregulierung gelockert. Künftig sollen die im Gemeinderat ehrenamtlich Tätigen bei Gemeinden mit weniger als 25 000 Einwohnern selbst bestimmen können, ob die Aufgabe der Gleichstellung hauptamtlich oder ehrenamtlich erfüllt werden soll. Es geht nur um die Frage hauptamtlich oder ehrenamtlich, nicht um die Frage ja oder nein.

Ich denke, dass eine solche Regelung der Organisationsgewalt der Kommunen in besonderem Maße Rechnung trägt und mithin die kommunale Selbstverwaltung stärkt.

Der Gesetzentwurf greift zudem die derzeitige Rechtslage zur Bestellung kommunaler Interessenvertreter auf und verankert nunmehr ausdrücklich die Möglichkeit der Bildung von Beiräten für gesellschaftlich bedeutsame Gruppen, wie Senioren, Ausländer, Kinder, Jugendliche usw.

Die Bestellung von Interessenvertretern und Beauftragten sowie die Bildung von Beiräten, die dem Gemeinderat in bestimmten Aufgabenbereichen beratend und unterstützend zur Seite stehen können, dient der Wahrung der spezifischen Interessen und stärkt die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger bei der Gestaltung des kommunalen Geschehens und bei den kommunalen Entscheidungsprozessen.

Zur Stärkung der aktiven Teilnahme am kommunalpolitischen Geschehen erfolgt zudem eine Ausweitung des Anwendungsbereiches für Einwohnerfragestunden. Auch in Sitzungen des Gemeinschaftsausschusses von Verwaltungsgemeinschaften ist demnächst die Einwohnerfragestunde zulässig.

Zur aktiven Mitwirkung aller am kommunalpolitischen Geschehen Beteiligten eröffnet der Gesetzentwurf den Kommunen zudem die Möglichkeit, die Kommunikation innerhalb der Organe auf elektronische Weise abzuwickeln, und folgt damit den dringenden Wünschen einiger Kommunen und kommunaler Mandatsträger, die Kommunalverfassung an den aktuellen Stand der technischen Entwicklung anzupassen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Änderungsgesetz zur Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts ist zur Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung und zur Förderung der kommunalen Handlungsfähigkeit erforderlich. Ich bitte Sie daher, den im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen zuzustimmen, um im Interesse der kommunalen Mandatsträger eine verbesserte Grundlage für die weitere Ausübung ihres Amtes und Mandates zu schaffen.

Mit diesem Gesetzentwurf und mit dem derzeit in den Ausschussberatungen befindlichen Gesetzentwurf über ein neues kommunales Haushalts- und Rechnungswesen legen wir für diese Legislaturperiode den Schlussstein der Reformen im kommunalen Bereich. Damit haben wir in dieser Legislaturperiode eine umfassende Verwaltungsreform vorgenommen.

Nach der Neuordnung der Landesverwaltung haben wir die Reform der beiden kommunalen Ebenen erreicht. Neben der flächendeckenden Bildung leistungsfähiger Verwaltungsgemeinschaften schaffen wir mit der kürzlich beschlossenen Kreisgebietsreform Rahmenbedingungen, die den Anforderungen der Zukunft gerecht werden. Jetzt gilt es, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf auch die persönlichen Rahmenbedingungen für die kommuna

len Akteure zu verbessern. Das können Sie mit Ihrer Zustimmung heute tun. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister, für Ihren Beitrag. - Wir treten jetzt in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Zunächst erhält für die Linkspartei.PDS der Abgeordnete Herr Grünert das Wort. Bitte sehr, Herr Grünert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vorliegende Beschlussempfehlung zum Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts - es ist übrigens mittlerweile die 29. Änderung der Gemeindeordnung - konnte keine inhaltliche Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechtes, wie es eingangs suggeriert wird, hin zu mehr kommunaler Selbstverwaltung, geschweige denn ein Mehr an bürgerschaftlicher Partizipation festschreiben. Es ist und bleibt, wie ich es bereits bei meiner Eingangsrede gesagt habe, eine Mogelpackung der Landesregierung.

Auch die vom Sprecher der CDU-Fraktion Herrn Kolze in der Pressemitteilung vom 1. Dezember 2005 dargestellten Sachverhalte, dass die Änderungen das Ehrenamt stärken, lässt an Populismus nichts zu wünschen übrig. Ich zitiere aus der Pressemitteilung:

„Mit der Änderung des Kommunalverfassungsrechts soll zudem das Ehrenamt gestärkt werden. Kommunale Mandatsträger können künftig ihre Aufwendungen gerechter abrechnen. Die pauschale Aufwandsentschädigung wird durch die Möglichkeit einer Fahrkostenabrechnung ergänzt.“

„Ebenfalls sehr praxisnah ist eine Änderung, die gewährleistet, dass Gemeinde- und Stadträte sowohl schriftlich als auch per E-Mail einberufen werden können. Bisher musste dies auf schriftlichem Weg erfolgen.“

Tatsächlich wurden folgende Bedingungen verschlechtert: Das Recht von Bürgerinitiativen, sich mit Anregungen an den Rat zu wenden und über die Behandlung ihres Anliegens informiert zu werden, wurde abgeschafft.

Die hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten in Kommunen ab 20 000 Einwohnern wurden abgeschafft.

Es gibt ein direktes Durchgriffsrecht der Fachaufsicht auf die Gemeindeorgane, den Gemeinderat und den Bürgermeister.

Überörtliche Prüfungen der Zweckverbände bleiben bei den kreislichen Rechnungsprüfungsämtern, obwohl Sachsen und Thüringen hierzu die überörtliche Prüfung auf den Landesrechnungshof übertragen haben. Wie hieß es heute: Harmonisierung im mitteldeutschen Raum? - Ich kann in dem Gesetzentwurf davon nichts finden.

Es gibt des Weiteren keinerlei Erweiterungen der Prüfungsrechte nach den §§ 53 und 54 des Haushaltsgrundsätzegesetzes für den Landesrechnungshof, ob

wohl der Finanzausschuss dies im Zusammenhang mit der Jahresrechnung 2003 empfohlen hatte.

Meine Damen und Herren! Das von Ihnen unterstellte Ziel haben Sie nicht im Ansatz erreicht. Es erfolgt eher eine Bevormundung statt einer Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.

In diesem Artikelgesetz sind eine Reihe selbstverständlicher Rechtsangleichungen und Rechtsklarstellungen vorgenommen worden, die auch von unserer Fraktion mitgetragen werden, beispielsweise die Fahrtkostenabrechnung, die frühere Ausschreibung der Neuwahl von Bürgermeisterinnen oder die Nutzung moderner Medien für die Einberufung von Ratssitzungen.

Offensichtlich wurden Sie in der Sitzung des Innenausschusses im November durch Ihren eigenen Änderungsantrag - vorgetragen durch das Innenministerium - überrascht. Zumindest lässt Ihr heute vorliegender Änderungsantrag in der Drs. 4/2536 dies vermuten. Die Änderung ist jedoch folgerichtig.

Wie halbherzig Sie an Ihre eigenen Vorschläge herangegangen sind, wird an der Neuregelung zu den Beiräten sichtbar. Es ist zwar zu begrüßen, dass erstmalig in der Kommunalverfassung von Beiräten gesprochen wird und die Bildung von Beiräten möglich ist. Doch mit welchen Intentionen und mit welcher Verbindlichkeit die Ergebnisse der Beratung der Beiräte in der Ratsarbeit berücksichtigt werden sollen, wurde wiederum offen gelassen.

Dies, meine Damen und Herren von der Koalition, hat jedoch mit Zukunftsfähigkeit hin zu mehr bürgerschaftlichem Engagement und zur Ausweitung der Selbstgestaltungs- und Mitspracherechte der gewählten Vertretungen und der Bürger nichts zu tun.

Unsere Fraktion hat im Innenausschuss entsprechende Anträge zur Änderung der Kommunalverfassung eingebracht, die jedoch von Ihnen, vielleicht weil sie die Rechte der ehrenamtlichen Räte und der sachkundigen Einwohner tatsächlich stärken würden, abgelehnt wurden. Dies waren unter anderem folgende Regelungen:

Möglichkeit der Übertragung von Stimmrechten per Hauptsatzung auf sachkundige Einwohner in beratenden Ausschüssen, Rederecht von Mitgliedern von Gemeinderäten auch in Ausschüssen, denen sie nicht als Mitglied angehören, Anbindung der Arbeitsergebnisse von Beiräten an die Tätigkeit des Rates sowie Prüfungsrechte des Landesrechnungshofes gegenüber Zweckverbänden und nach den §§ 53 und 54 des Haushaltsgrundsätzegesetzes für kommunale Beteiligungsgesellschaften.

In unserem Änderungsantrag zur Beschlussempfehlung des Innenausschusses beantragen wir die Beibehaltung der Regelungen zu Bürgerinitiativen nach § 24a bzw. § 17a der Gemeinde- bzw. der Landkreisordnung, die Beibehaltung von hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten ab einer Einwohnerzahl von 20 000 und die Anbindung von Beiräten an die Entscheidungen sowohl des Gemeinderates als auch des Kreistages.

Diese Anbindung an die Entscheidungen der genannten Gremien ist insofern notwendig, als es bereits eine Vielzahl von Beiräten gibt, deren Mitglieder nicht von den Fraktionen vorgeschlagen wurden oder die sich aufgrund von Satzungen bilden, wie Ausländerbeiräte, Wissenschaftsbeiräte, Baukunstbeiräte oder Kulturbeiräte, um nur einige zu nennen. Um diese fachlichen Anregun

gen auch in die Beratungen der Gemeinderäte und Kreistage und deren Ausschüsse einbinden, beraten und abwägen zu können, ist es notwendig, dass mindestens eine Angleichung an die Regelungen für Bürgerinitiativen vorgenommen wird.

Meine Damen und Herren! Wenn ich eingangs von einer Mogelpackung sprach, so ist abschließend festzustellen, dass weder die Landesregierung noch Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, eine echte Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechtes im Sinne von mehr Selbstverwaltung, Bürgermitspracherechten und Stärkung der Mandatsträger wollen.

Ganze Komplexe notwendiger Änderungen blieben bei der Erarbeitung und Beratung Ihres Gesetzentwurfes unberücksichtigt, sei es die Absenkung der Quoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, die Erweiterung der Zulässigkeit dieser Beteiligungsformen, wie bereits in Bayern und Thüringen gang und gäbe, die Stärkung der Bürgerinformationsrechte, die Qualifizierung des Ortschaftsverfassungsrechtes einschließlich der Einführung von Stadtteilbeiräten, die Notwendigkeit eines begründeten Antrages für die Einleitung eines Abwahlverfahrens gegen den Bürgermeister sowie Regelungen für die Aufstellungsverfahren von Bürgerhaushalten, die Absenkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre und Regelungen im Umgang mit Ergebnissen aus Kinder- und Jugendparlamenten. Dies alles wurde nicht zu einem Gegenstand Ihrer Änderungen gemacht, hätte aber tatsächlich zu einer Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechtes im eigentlichen Sinne geführt.

Die Linkspartei richtet nochmals einen Appell an Sie, meine Damen und Herren von der Koalition: Treten Sie unserem Änderungsantrag bei und bekennen Sie sich zu dem Fortbestand der bewährten Regelungen für die Bürgerinitiativen und die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten.

Dem Änderungsantrag der SPD-Fraktion bezogen auf das Lebensalter bei der Bewerbung zu einem Bürgermeisteramt stimmt die Linkspartei.PDS zu. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Grünert. - Für die FDP-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Kosmehl das Wort. Bitte sehr, Herr Kosmehl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will nur einige wenige Anmerkungen zu den vorliegenden Änderungsanträgen machen, zunächst zu dem Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP.

Im Ausschuss ist, wie wir im Nachgang festgestellt haben, versäumt worden, die genaue Bezeichnung der eingetragenen Lebenspartnerschaft in dem Gesetzestext zu verankern. Wir hatten das damals angemerkt - ich habe das noch einmal nachgeschaut -, aber der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst hat dem nicht so Folge geleistet. Ich denke, dass die Klarstellung dennoch erforderlich ist. Ich bitte herzlich um Zustimmung zu diesem Änderungsantrag.

Was den Änderungsantrag der SPD-Fraktion betrifft, stelle ich fest, dass er bereits im Ausschuss gestellt worden ist, unmittelbar - ich glaube, es waren wenige

Tage - nach der Verabschiedung der Koalitionsvereinbarung in Berlin. Der Kollege Rothe hat damals sozusagen sofort Umsetzung gelobt und beantragt, dass man die Erhöhung der Lebensarbeitszeit auch gleich im Bereich der Bürgermeister umsetzt. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir werden diesem Antrag heute nicht zustimmen.

Zu dem Änderungsantrag der PDS-Fraktion. Herr Kollege Grünert, die Änderungen, die Sie heute beantragen, haben Sie auch schon im Ausschuss beantragt. Aber vieles von dem, was Sie zum Ende hin noch einmal aufgezählt haben, was man alles bei der Reform des Kommunalverfassungsrechts hätte berücksichtigen können und sollen, haben Sie in den Beratungen des Ausschusses nicht aufgezählt und auch nicht in der Anhörung aufgegriffen.

Wenn Sie das in der Anhörung gemacht hätten, hätten wir das mit den kommunalen Spitzenverbänden diskutieren können. Dann hätten wir vielleicht auch einen entsprechenden Antrag aufgreifen können, wenn Sie ihn denn gestellt hätten; denn über vieles im Bereich der Kommunalverfassung kann man durchaus streiten. Sie haben das aber nicht gemacht. Bei den wenigen Anträgen, die Sie gestellt haben, haben wir im Ausschuss ausreichend begründet, warum wir die entsprechenden Änderungen nicht wollen.

Ich will noch einmal ein Argument zu dem Themenkomplex der Mitwirkung einzelner Gemeinderäte in Ausschüssen sagen. Wir sind der Meinung, dass es sich in diesem Bereich auf Fraktionen konzentrieren sollte und dass die Möglichkeit der Fraktionen, ihre Vertreter in die Ausschüsse zu entsenden, ausreichend ist und es nicht zusätzlich einer Erweiterung für einzelne Gemeinderäte bedarf. Auch im Hinblick auf die sachkundigen Einwohner haben wir uns darauf verständigt, dass diese Erweiterung nicht notwendig ist.

(Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Doch, die ist not- wendig!)