Protocol of the Session on December 9, 2005

Das Zweite ist die wirtschaftliche Lage. Wenn wir uns die Unternehmen in Sachsen-Anhalt oder in anderen Bundesländern, nicht nur in den neuen Bundesländern, anschauen, dann müssen wir feststellen, dass eine extrem angespannte wirtschaftliche Lage die Verantwortlichen selbst bei grundsätzlicher Ausbildungsbereitschaft arg überlegen lässt, welche Ausbildung zu finanzieren und durchzusetzen ist.

Wenn dann die öffentliche Hand, wie es auch in Sachsen-Anhalt immer wieder festzustellen ist, Aufträge nach dem Prinzip des billigen Jakobs an Unternehmen vergibt, die offensichtlich nicht nur nicht ausbilden, sondern auch gesetzliche Mindestbestimmungen schlichtweg nicht einhalten, dann ist auch der öffentliche Auftraggeber vor Ort mitverantwortlich dafür, dass ausbildungsbereite und -fähige Unternehmen nicht mehr ausbilden können.

(Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Super!)

Dann ist im dualen System der Staat zu nennen; Herr Dr. Rehberger hat zu Recht auf das Engagement hingewiesen. Ich denke, Sachsen-Anhalt ist dabei gut aufgestellt. Wir haben allen Anlass, dafür Dank zu sagen und darüber froh zu sein, dass die Landesregierung mit ihren Anstrengungen, jungen Leuten eine berufliche Perspektive zu geben, so erfolgreich ist.

(Zustimmung von Frau Röder, FDP, von Herrn Schomburg, CDU, und von Herrn Tullner, CDU)

Wir haben die Arbeitslosenquote im Bereich der jungen Leute bis 25 Jahre im Vergleich zu der Zeit vor dem Jahr 2002 von 21,4 % auf 16,1 % gesenkt. Noch stärker ist der Rückgang der Arbeitslosenquote bei jungen Menschen im Alter zwischen 20 und 25 Jahren, die in unserer Regierungszeit um rund ein Drittel gesunken ist. Das spricht für die Politik dieser Landesregierung.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Ich will zum Abschluss auch etwas zum parlamentarischen Stil sagen, weil das mein Kollege von der PDS-Fraktion/Linke Liste bei seinem Redebeitrag zum vorhergehenden Tagesordnungspunkt angesprochen hat: Anders als Sie es dargestellt haben, ist guter parlamentarischer Stil das, was die Koalitionsfraktionen hier praktizieren.

(Lachen bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS - Herr Dr. Thiel, Linkspartei.PDS: Oh!)

Das Thema dieses Antrages ist ein wichtiges Thema, aber der Antrag selbst ist gar kein richtiger Antrag, ist nicht mehr als eine Kleine Anfrage. Aber weil uns das Thema wichtig ist, werden wir, die Koalitionsfraktionen, dennoch Ihrem Ansinnen zustimmen, die Fragen der Be

rufsausbildung in den Ausschüssen zu diskutieren. Die CDU-Fraktion wird dem Antrag zustimmen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU, und von Herrn Schomburg, CDU - Herr Dr. Thiel, Links- partei.PDS: Wir bedanken uns!)

Danke sehr, Herr Gürth. - Für die SPD-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Metke reden. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natürlich gibt es immer mehrere und zum Teil auch unterschiedliche Sichtweisen auf die Dinge. Das ist auch bei der Beurteilung der aktuellen Ausbildungssituation nicht anders. Es gibt zunächst die regierungsamtlichen Gesundbeter, die uns schon seit Wochen über die veröffentlichte Meinung einreden wollen, dass es keine Probleme bei den Berufsperspektiven für junge Menschen in unserem Land gibt.

(Herr Gürth, CDU: Quatsch! Das ist unrichtig!)

- Herr Gürth, Sie dürfen sich gerne in diese einreihen.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Zahlen scheinen Ihnen Recht zu geben, waren doch am 30. September 2005 lediglich knapp 3 % der gemeldeten Bewerber noch nicht vermittelt. Richtig ist sicherlich auch, dass durch zusätzliche Anstrengungen der Wirtschaft in Teilbereichen neue Ausbildungsplätze entstanden sind.

Sieht man sich die aktuelle Situation allerdings unter dem Blickwinkel der strukturellen Entwicklung an, dann wird die gesamte Misere in dem Bereich der Erstausbildung und der beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten für junge Menschen deutlich, oder um es anders auszudrücken: Wir sind gerade dabei, uns ein gravierendes Problem für die Zukunft zu organisieren.

Gerade das angelaufene Ausbildungsjahr 2005/2006 zeigt dies deutlich. Lediglich 30 % der vermittelten Bewerber haben einen betrieblichen Ausbildungsplatz erhalten - eine haarsträubende Zahl im Hinblick auf die noch für dieses Jahrzehnt prognostizierte Fachkräftelücke. Knapp 20 % sind auf außerbetriebliche Maßnahmen angewiesen, um überhaupt noch eine Chance auf Ausbildung zu bekommen, und - das ist die alarmierendste Zahl - 49 % der ursprünglichen Bewerber sehen offenbar im Bereich der beruflichen Bildung keine Perspektive mehr. Sie wenden sich ab, gehen weiter zur Schule, treten ohne Ausbildung eine Arbeitsstelle an, verlassen das Land oder absolvieren eine Berufsvorbereitungsmaßnahme. Genau diese Entwicklung hat zwischenzeitlich dazu geführt, dass wir in Sachsen-Anhalt bei den so genannten Altnachfragern eine Quote von mehr als 40 % haben.

Meine Damen und Herren! Zur Verbesserung der angespannten Ausbildungssituation gibt es zahlreiche Vorschläge. Einer davon bezieht sich auf das neue Berufsbildungsgesetz. Diskutiert werden vollzeitschulische Ausbildungsmaßnahmen mit der Möglichkeit der Kammerprüfung.

Ich halte diesen Weg für falsch: Einerseits kann eine noch so gute schulische Maßnahme nicht die praxisori

entierte betriebliche Ausbildung ersetzen und zum anderen werden die Gewichte damit noch stärker in Richtung einer staatlich finanzierten Berufsausbildung verschoben. Dies ist angesichts der finanziellen Lage des Landes nicht leistbar und würde darüber hinaus das duale Ausbildungssystem weiter aushöhlen.

(Zustimmung von Frau Fischer, Naumburg, SPD, und von Frau Budde, SPD)

Kurzfristig gelöst werden müssen aber aus unserer Sicht auch die Probleme, die sich im Bereich der Benachteiligtenausbildung abzeichnen. Die örtlichen und regionalen Bildungsträger haben in den vergangenen Jahren eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung benachteiligter Jugendlicher gespielt. Die technischen, räumlichen und sächlichen Ausstattungen der Einrichtungen wurden mit einem erheblichen Betrag an Landesmitteln gefördert.

Durch die aktuelle zentrale Ausschreibung und Vergabe von Maßnahmen erhalten zunehmend überregionale und bundesweit agierende Bildungsträger den Zuschlag mit der Folge, dass bewährte Einrichtungen aus Sachsen-Anhalt leer ausgehen, weil offenbar rigoros nach Preis und nicht nach Qualität entschieden wird.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Dr. Thiel, Linkspartei.PDS - Frau Budde, SPD: Richtig! So ist das!)

Es muss über Vergabepräferenzen nachgedacht werden, damit vorhandene und auch in Zukunft noch dringend benötigte Bildungseinrichtungen erhalten bleiben.

Meine Damen und Herren! Die Frage der Ausbildung und der Berufsperspektiven junger Menschen hat für uns als SPD-Fraktion einen hohen Stellenwert, weil davon die Zukunftsfähigkeit unseres Landes abhängt. Mit ihr verbinden sich die Fragen der demografischen Entwicklung, der Abwanderung, des Fachkräftemangels und der wirtschaftlichen Entwicklung in den nächsten Jahren, um nur einige Stichworte zu nennen.

In unseren Zukunftspapieren haben wir deshalb auch für diesen Bereich Vorschläge gemacht. Dazu gehören unter anderem gezielte Vereinbarungen zur Ausweitung der Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze gerade in Branchen, die derzeit unterdurchschnittlich ausbilden, oder der Ausbau der Verbundausbildung, wobei Sachsen-Anhalt gegenüber anderen Bundesländern nach wie vor unterbelichtet ist, weiterhin die Entwicklung und Unterstützung von Ausbildungskooperationen zwischen Schulen, Bildungsträgern und Betrieben, die Einrichtung regionaler Nachwuchskräftepools und deren verstärkte Nutzung zur innerbetrieblichen Fort- und Weiterbildung sowie branchenspezifische Lösungen für die Erhöhung betrieblicher Übernahmequoten.

Auch zur Verbesserung der Ausbildungsfähigkeit und der Berufsorientierung machen wir Vorschläge. Dazu gehören beispielsweise die Schaffung niederschwelliger modularer Schul- bzw. Berufsabschlüsse für schulmüde Jugendliche oder die Ergänzung der bereits obligatorischen Betriebspraktika durch regelmäßige Unterrichtstage in örtlichen und regionalen Unternehmen. Wir wollen außerdem unter Nutzung der Kooperation von Schule und Wirtschaft spätestens ab der Klassenstufe 9 verbindliche Beratungen zur Berufs- und Studienorientierung.

Meine Damen und Herren! Wir halten den Antrag der Linkspartei.PDS für eine gute Grundlage, in den genannten Ausschüssen über alle Vorschläge zur Verbesserung

der Berufsperspektiven junger Menschen zu beraten, und werden dem Antrag zustimmen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Links- partei.PDS)

Danke sehr, Herr Metke. - Für die FDP-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Röder sprechen. Bevor Frau Röder aber das Wort ergreift, möchten wir Seniorinnen und Senioren aus dem Landkreis Bitterfeld bei uns begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Frau Röder, bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Auch für die FDP-Fraktion kann ich sagen, dass die Berufsausbildung und die Perspektiven junger Menschen im Land eine wichtige Sache sind und dass wir deshalb dem Antrag auf Berichterstattung zustimmen werden. Wir werden die einzelnen Vorschläge im Ausschuss mit Ihnen diskutieren, wobei wir Ihre Sicht der Dinge natürlich nicht vollständig teilen.

Ich möchte gleich zu Beginn auf die eine oder andere Frage, die Sie hier aufgeworfen haben, eingehen. In Ihrer ersten Frage unter Punkt 1 fragen Sie, welche Ursachen die Landesregierung für den Rückgang der Zahl der Ausbildungsplätze sieht.

Die Zahlen hat der Minister schon genannt: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Ausbildungsplätze um gut 1 200 verringert. Zwei Drittel davon entfallen auf außerbetriebliche Ausbildungsplätze, nur gut 400 entfallen auf Ausbildungsplätze in der Wirtschaft. Diese 400 Ausbildungsplätze entfallen komplett auf das Handwerk.

Herr Metke, ich kann mich noch sehr genau daran erinnern - vor etwa einem Jahr hatten wir das Thema hier -, es gab einen Aufwuchs bei der Zahl der Ausbildungsplätze im Bereich des Handwerks. Das haben wir alle sehr begrüßt. Aber es ist nun einmal so, dass zahlreiche Betriebe aus diesem Bereich relativ klein sind. Sie können nicht jedes Jahr einen neuen Azubi einstellen und drei bis vier Azubis gleichzeitig bewältigen. Aus diesem Grund ist es vollkommen natürlich, dass nach einem Aufwuchs im Bereich des Handwerks die Zahl der Ausbildungsplätze im nächsten Jahr ein wenig sinkt.

Natürlich ist die Situation für uns noch nicht vollkommen befriedigend. Aus unserer Sicht liegt ein Grund dafür, dass die Zahl der Ausbildungsplätze im Handwerk zurückgegangen ist, auch bei den Lehrlingsvergütungen.

An dieser Stelle möchte ich auf die zweite Frage unter Punkt 1 zu sprechen kommen, nämlich wie dem gegengesteuert werden kann.

Die Landesregierung hat vor geraumer Zeit eine Bundesratsinitiative gestartet, um das Berufsbildungsgesetz im Bereich der Lehrlingsvergütung zu ändern, um eben auch zu ermöglichen, dass ein Azubi zum Beispiel im Handwerk aufgrund von für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge nicht mehr verdienen muss als ein fertig ausgebildeter Geselle. Das ist nämlich auch ein Grund dafür, dass Ausbildungsplätze insbesondere im Handwerk verloren gehen. Hier haben wir versucht gegenzu

steuern. Rot-Grün hat das damals abgelehnt. Vielleicht ist Schwarz-Rot durch die Beteiligung der Schwarzen jetzt ein wenig offener in diesem Punkt. Es wäre den jungen Menschen in diesem Land zu wünschen.

Ein weiterer Punkt. Die Ausbildungsplatzabgabe, von der Sie immer sprechen, ist aus unserer Sicht kontraproduktiv und nur schädlich. Es gibt viele Unternehmen im Land, die sich sehr um Nachwuchs bemühen und die auch erkannt haben, dass die demografische Entwicklung dahin geht, dass es immer weniger Schulabgänger geben wird. Das müssen noch viel mehr Unternehmen und auch die öffentliche Hand erkennen. Dem kann man aber mit einer Zwangsabgabe in keiner Weise entgegenwirken; die ist dafür vollkommen ungeeignet. Über diesen Punkt können wir im Ausschuss gern reden, aber hierfür werden Sie keine Zustimmung von uns bekommen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und sage für die FDP-Fraktion noch einmal: Wir werden dem Antrag auf Berichterstattung natürlich zustimmen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke sehr, Frau Röder. - Frau Rogée, Sie hätten noch einmal die Möglichkeit zu erwidern.

Ich möchte es ganz kurz machen. - Ich sehe den Diskussionen in den Ausschüssen interessiert entgegen und hoffe, dass wir uns wirklich Zeit dafür nehmen und versuchen, eine Diskussion auch anhand der Fragen und Punkte zu führen, die hier vorgetragen worden sind. Ich fand, es war eine sehr interessante Diskussion; es gab sehr viele Sichtweisen, von denen ich denke, damit haben wir eine gute Basis für eine solche Diskussion.

Zu der Ausbildungsplatzabgabe möchte ich noch kurz etwas sagen. Ich weiß, dass das umstritten ist. Es ist mir nicht neu. - Jetzt ist Frau Röder weg.