Protocol of the Session on December 9, 2005

Meine Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 70. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode.

Ich begrüße Sie alle recht herzlich und stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Ich möchte Sie daran erinnern, dass über die Abwesenheit von Mitgliedern der Landesregierung in der heutigen Landtagssitzung bereits gestern informiert wurde. Abwesend sind Frau Ministerin Wernicke und Herr Staatsminister Robra.

Wir setzen nunmehr die 36. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen die heutige Beratung mit den Tagesordnungspunkten 9 und 10, die gestern für den heutigen Tag übernommen wurden, und setzen sie dann mit den Tagesordnungspunkten 12 und 13 fort.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Zweite Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Neufassung der Bauordnung des Landes Sachsen-Anhalt, zur Erleichterung von Investitionen und zum Abbau von Eigentums-, Marktzutritts- und Wettbewerbsbeschränkungen im Land Sachsen-Anhalt (Drittes Investitionser- leichterungsgesetz)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/2252

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/2294

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr - Drs. 4/2520

Änderungsanträge der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 4/2540 und 4/2541

Die erste Beratung fand in der 62. Sitzung des Landtages am 8. Juli 2005 statt. Berichterstatterin ist die Abgeordnete Frau Weiß. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf sowie der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD wurden in der 62. Sitzung des Landtages am 8. Juli 2005 zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr sowie zur Mitberatung in die Ausschüsse für Wirtschaft und Arbeit, für Umwelt, für Inneres, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, für Kultur und Medien sowie für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport überwiesen.

Herr Minister Dr. Daehre machte in seiner Einbringungsrede zu dem Gesetzentwurf im Landtag deutlich, dass es das Ziel der Landesregierung sei, eine Entbürokratisierung durch Investitionserleichterungsgesetze zu erreichen. Er führte weiter aus, so sei nun der Entwurf eines Dritten Investitionserleichterungsgesetzes vorgelegt worden, welcher hauptsächlich die Novellierung der Bauordnung betreffe. Die Landesregierung verfolge weiterhin die Linie, die Regelungsdichte der Anforderungen im baulichen Sektor zu reduzieren und Genehmigungsverfahren zu vereinfachen.

Neben dem Artikel 1, der Neufassung der Bauordnung, beinhaltet dieser Gesetzentwurf auch Investitionserleichterungen bei anderen in einzelnen Artikeln aufgeführten Gesetzen sowie die Änderung bzw. Streichung von Verordnungen.

Um sich allen Artikeln widmen zu können, hat der Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr in seiner ersten Beratung in der 44. Sitzung am 30. September 2005 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf eine umfangreiche Anhörung von Institutionen, Kammern, Vereinen und Verbänden in der 45. Sitzung am 24. Oktober 2005 durchzuführen. Von den 82 eingeladenen Gästen waren leider nur 27 anwesend und sechs entschuldigt. Von allen Anwesenden wurden mündliche und darüber hinaus auch von nicht Anwesenden schriftliche Stellungnahmen zu dem Gesetzentwurf abgegeben.

Dank des Stenografischen Dienstes - diesem möchte ich heute einmal ganz besonders danken -, der uns die Niederschrift über diese Anhörung schon am 28. Oktober 2005 vorlegte, war es möglich, in der 46. Sitzung am 4. November 2005 die vorläufige Beschlussempfehlung an die mitberatenden Ausschüsse zu erarbeiten.

Es lagen dem Ausschuss zahlreiche Änderungsanträge aller Fraktionen vor, in denen die aufgezeigten Schwerpunkte aus der Anhörung ihren Niederschlag fanden.

In der Beratung wurde auch der Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, vorliegend in der Drs. 4/2294, aufgerufen. Er beinhaltete die Aufforderung an die Landesregierung, vor der Beratung des Dritten Investitionserleichterungsgesetzes eine Evaluierung der Wirkungen des Ersten und des Zweiten Investitionserleichterungsgesetzes vorzunehmen und in den Ausschüssen darüber zu berichten. Mit der Vorlage des schriftlichen Berichtes der Landesregierung dazu erklärten sowohl der federführende Ausschuss als auch die mitberatenden Ausschüsse den Entschließungsantrag für erledigt.

Im Ergebnis der Beratung verabschiedete der Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr mit 7 : 3 : 3 Stimmen eine vorläufige Beschlussempfehlung an die mitberatenden Ausschüsse.

In einem Anschreiben teilte der Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr mit, dass es Ziel des Ausschusses sei, in seiner 48. Sitzung am 25. November 2005 die Beschlussempfehlung an den Landtag zu verabschieden.

Rechtzeitig wurde uns von allen mitberatenden Ausschüssen das Votum zu der vorläufigen Beschlussempfehlung mitgeteilt. Während die Ausschüsse für Kultur und Medien, für Inneres sowie für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport dieser unverändert zustimmten, wurden von den Ausschüssen für Wirtschaft und Arbeit, für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Umwelt Änderungen vorgeschlagen, die vom dem federführenden Ausschuss in der vorliegenden Beschlussempfehlung übernommen wurden, so zum Beispiel der Verzicht auf die Änderung von Verordnungen und damit das Entfallen von Artikeln. So entfielen die Artikel 4, 5, 6, 7 und 10.

Dank der Termineinhaltung durch die mitberatenden Ausschüsse war es uns möglich, in der 48. Sitzung am 25. November 2005 eine Beschlussempfehlung an den Landtag zu erarbeiten. Zu dieser Sitzung lagen uns die Beschlussempfehlungen aller mitberatenden Ausschüsse, einige weitere Änderungsanträge sowie zwischen dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Land

tags und der Landesregierung abgestimmte rechtsförmliche Änderungsvorschläge vor.

Alle Änderungsvorschläge der mitberatenden Ausschüsse sowie weitere Änderungsanträge des federführenden Ausschusses wurden in die Synopse der Ihnen vorliegenden Beschlussempfehlung in der Drs. 4/2520 aufgenommen, die mit 7 : 3 : 3 Stimmen Zustimmung fand.

Ich bitte Sie, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, dem Gesetzentwurf in der Ihnen vorliegenden Fassung zuzustimmen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Danke sehr, Frau Weiß, für die Berichterstattung. - Wir treten jetzt in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Es spricht zuerst Herr Abgeordneter Felke für die SPD-Fraktion. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Blick auf die Anwesenheit im Plenarsaal möchte ich festhalten, dass es mich schon einigermaßen erstaunt, dass offensichtlich das Interesse an Investitionserleichterungen nicht sonderlich ausgeprägt ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Man könnte auch anders sagen: Vielleicht ist sogar in den Reihen der Koalition mittlerweile der Glaube abhanden gekommen, dass mit diesen Gesetzen etwas bewegt werden kann.

(Zustimmung bei der SPD - Oh! bei der CDU - Zuruf von Herrn Kurze, CDU)

- Bleiben Sie doch mal ruhig! - Insbesondere verwundert mich allerdings, dass nicht einmal der Wirtschaftsminister anwesend ist, wenn es um das Thema Investitionserleichterungen geht. Es wäre wirklich angeraten, dass er hier zugegen ist.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS)

Meine Damen und Herren! Wann hat es deutlicher zugetroffen, dass ein Gesetz nicht so verabschiedet werden muss, wie es eingebracht worden ist? Das Dritte so genannte Investitionserleichterungsgesetz hat in den Beratungen gravierende Veränderungen erfahren. Es ist geschrumpft von elf auf sechs Artikel, von 183 auf 135 Seiten, und auch das, was jetzt verabschiedet werden soll, unterscheidet sich nicht unerheblich von dem ursprünglichen Gesetzentwurf.

Die Frage, die uns alle beschäftigen muss, lautet freilich, ob und wie dieses Gesetz dem von der Landesregierung und der Koalition postulierten Anspruch der Vereinfachung von Investitionen gerecht wird.

(Herr Kühn, SPD: Gar nicht!)

Das vorgelegte Papier zur Wirksamkeit der ersten beiden diesbezüglichen Gesetze bleibt weitgehend unscharf und vage. Eine ernsthafte Evaluierung sieht anders aus, und den Beweis dafür anzutreten, dass es gerade diese Regelungen waren, die eine Investitionsentscheidung in die eine oder andere Richtung beeinflusst haben, dürfte schwer fallen.

Nicht verkennen will ich den psychologischen Aspekt, mit dem die Politik ein deutliches Signal in Richtung

Wirtschaft aussenden kann. Genau daran aber müssen sich die Gesetze messen lassen: Sind sie Symbolpolitik oder sind tatsächlich Entscheidungen damit verbunden, die Investitionen vereinfachen und das Klima nachhaltig verbessern?

Meine Damen und Herren! Die Aufnahme der Verordnungen betreffenden Artikel in den Gesetzentwurf war schlicht gesagt ein Flop. Nicht nur dass wir als Landtag keinerlei Regelungskompetenz hatten, so führte dies sogar dazu, dass Ihrer Diktion folgend Investitionen behindert wurden. Kaum anders lässt sich nämlich das Geschehene einordnen. Hätten Sie allein auf Regierungshandeln gesetzt, wäre eine erhebliche Beschleunigung allein deshalb möglich gewesen, weil sie rund ein halbes Jahr vorher die entsprechenden Verordnungen hätten verändern oder aufheben können.

Meine Damen und Herren! Auch die Neufassung der Landesbauordnung bleibt mit dem Blick auf mögliche Investitionserleichterungen fragwürdig. Gerade in einem derart umfassend geregelten Bereich wären Verlässlichkeit und Kontinuität schon wichtige Werte an sich. Stattdessen versucht man, der Musterbauordnung in großen Teilen zu folgen, und wird dabei doch immer nur hinterherhasten. Die nächste Novelle der MBO wird kommen. Und irgendwann danach soll wieder eine Anpassung der Landesbauordnung folgen? Mir erscheint diese Verfahrensweise immer fragwürdiger, zumal wenn man sich vergegenwärtigt, wie die MBO zustande kommt. Vieles spricht dafür, selbstbewusst eine eigene, wirklich investitionserleichternde Landesbauordnung zu erarbeiten, die dann auch längerfristig Bestand hat.

(Herr Schröder, CDU: So viel zum Thema!)

Herausragender Punkt bei der Beratung der Bauordnung war die geplante Aufgabe der Schlusspunkttheorie. Mit der jetzt gefundenen Regelung konnte das Schlimmste verhindert werden. Offensichtlich hat hierbei die Anhörung zu einem Umdenken geführt. Letztlich sind wir damit aber wieder bei der Gesetzgebung in den frühen 90er-Jahren gelandet. Eine wirkliche Investitionserleichterung ist nicht erreicht worden.

Dabei wäre mehr möglich gewesen, und zwar dann, wenn man die Baugenehmigung zu dem gemacht hätte, was von vielen gewünscht wird. Dafür müsste sie eine Konzentrationswirkung entfalten und alle Aspekte des Baunebenrechts einschließen. Eine komplette Genehmigung aus einer Hand von einer Behörde, die sich als Dienstleister versteht, könnte dann auch tatsächlich für Investitionserleichterungen stehen. Davon sind wir allerdings weit entfernt.

Weiter entfernt sind demnächst auch viele Investoren von den für sie zuständigen Bauaufsichtsbehörden. Die jetzt geänderte Fassung führt dazu, dass die Möglichkeit zur Übertragung der unteren Bauaufsichtsbehörde auf große kreisangehörige Städte ab 25 000 Einwohnern künftig entfällt. Nach unserer Meinung kann das ebenfalls nicht als Investitionserleichterung angesehen werden.

Meine Damen und Herren! Auch in der geplanten Änderung des Denkmalschutzgesetzes können wir außer plakativem Aktionismus, der zudem den Denkmalschutz diskreditiert, nichts wirklich Wegweisendes erkennen.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Kühn, SPD: Ab- schaffen! - Herr Gürth, CDU: Quatsch!)

Meine Damen und Herren! Unter dem Strich bleibt festzuhalten, dass eine große Kluft zwischen Anspruch und

Gesetzeswirklichkeit bleibt und zu befürchten ist, dass geschürte Erwartungen wieder einmal nicht erfüllt werden.

Wir plädieren für eine artikelweise Abstimmung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.