Protocol of the Session on October 10, 2002

Bitte schön, Herr Püchel.

Herr Kollege Krause, Sie sagten, dass eine Rechtsanwältin von „ungetümen Vorschriften“ sprach, und Sie meinen damit die Besitzwechselverordnung. Können Sie mir bitte sagen, wer zu DDR-Zeiten für die Umsetzung dieser Besitzwechselverordnung zuständig war und wer diese unmenschlichen Entscheidungen getroffen hat?

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU - Bei- fall bei der FDP)

Herr Abgeordneter Püchel, es geht nicht um die Bewertung dieser Rechtsvorschrift aus DDR-Zeiten. Frau Dr. Grün hat als ungetüm und unfassbar betitelt, solch ein Recht aus DDR-Zeiten zum fortgeltenden Recht zu erklären, um den Menschen heute ihr Eigentum wegzunehmen. Das ist eine ungetüme Art und Weise.

Meine Frage war, wer zu DDR-Zeiten diese unmenschliche Verordnung exekutiert hat, wer dafür zuständig war.

(Zustimmung von Herrn Hauser, FDP)

Herr Püchel, ich habe dazu einen Satz gesagt: Dass die DDR aus sozialistischen Erwägungen - es sei dahingestellt, wie man das bewertet - solch eine Verordnung erlassen hat, um das DDR-Staatseigentum zu mehren. Das habe ich gesagt. Aber verwerflich ist, dass sich dieser Staat auf ein solches Recht beruft, um sich seit dem Jahr 1992 an dem Eigentum von Bürgern zu bereichern.

Möchten Sie noch eine weitere Frage beantworten?

Das möchte er nicht. - Wir beginnen mit der Debatte. Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kosmehl. - Mir wird gerade signalisiert, dass sich auch Frau Ministerin Wernicke gemeldet hat. Sie haben den Vortritt. Bitte schön.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die bewährten Abgeordneten wissen, dass diese Problematik in den vergangenen Jahren bereits Gegenstand mehrerer Anträge und Anfragen der PDS-Fraktion oder von einzelnen Abgeordneten war.

Ich will noch einmal auf die gesetzliche Grundlage zurückkommen. Für die Abwicklung der Bodenreform bilden die Bestimmungen des Artikels 233 §§ 11 ff. des EGBGB, die mit dem Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetz am 22. Juli 1992 in Kraft getreten sind, die Grundlage. - So weit zur Erinnerung.

Herr Krause, der Gesetzgeber hat eine Nachzeichnung der DDR-Bestimmungen zum Besitzwechsel von Bodenreformgrundstücken vorgenommen. Das heißt, es soll niemand Eigentum an Bodenreformflächen erwerben und behalten, der auch nach DDR-Recht nicht Eigentümer geworden wäre. Das wollte die sozialistische DDR nicht. Sie hat nie ernsthaft gewollt, dass die Betroffenen in vollem Umfang über das Eigentum verfügen konnten und dass dieses Eigentum in vollem Umfang vererbbar war.

Wir haben bereits mehrfach an dieser Stelle darüber gestritten. Eigentum ist Eigentum. Man kann sich nicht an dieser Stelle als Verfechter der Interessen derjenigen aufspielen, die über 3 bis 5 ha Bodenreformland verfügten, und die verdammen, die mehr als 100 ha besaßen, oder deren Enteignung für gut heißen. Eigentum ist Eigentum, egal in welcher Größe.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Der Landesfiskus hat nach den gesetzlichen Bestimmungen zu handeln. Deshalb muss man einfach die Kritik an der Verwaltung zurückweisen; denn er hat nach dieser Gesetzeslage Ansprüche auf die unentgeltliche Auflassung von Grundstücken, wenn es sich um einen so genannten Alterbfall handelt. Das heißt, dass bei Ablauf des 15. März 1990 eine verstorbene natürliche Person im Grundbuch als Eigentümer eingetragen war, dass es sich um Grundstücke handelt, die im Grundbuch als Grundstücke aus der Bodenreform gekennzeichnet sind und waren und dass kein gegenüber dem Landesfiskus Besserberechtigter, das heißt kein zuteilungsfähiger Erbe, vorhanden ist.

Zuteilungsfähig ist, wer bei Ablauf des 15. März 1990 im Gebiet der ehemaligen DDR in der Land-, Forst- oder Nahrungsgüterwirtschaft tätig war oder wer vor dem Ablauf des 15. März 1990 insgesamt mindestens zehn Jahre in diesem Bereich tätig war und im Anschluss an diese Tätigkeit keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.

Mit diesen Bestimmungen im Hinblick auf die Zuteilungsvoraussetzungen werden die Zuteilungsregelungen - ich

sagte es schon - der Besitzwechselverordnung nachgezeichnet. Die Ämter für Landwirtschaft und Flurneuordnung vollzogen mit der Geltendmachung der Ansprüche auf die Übertragung von Bodenreformflächen in das Landeseigentum die gesetzlichen Bestimmungen des bereits genannten Artikels und Gesetzes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Krause hat schon darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsgemäßheit mit mehreren Entscheidungen bestätigt hat. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Bodenreformland vererbbar war; das kraft erbrechtlicher Nachfolge erworbene Eigentum an Bodenreformland war jedoch öffentlich-rechtlich überlagert.

Durch die Verfügungsverbote war das Eigentum an den Bodenreformgrundstücken seiner Bedeutung als Eigentum im Sinne des bürgerlichen Rechts, um mit den Worten der Juristen zu sprechen, im Wesentlichen entkleidet. Das Gesetz über die Rechte der Eigentümer von Grundstücken aus der Bodenreform vom 6. März 1990, worauf Sie verwiesen, enthielt keine Übergangsvorschriften für die Fälle, in denen die Besitzwechselvorschriften der DDR nicht beachtet worden waren. Dies führte zu Rechtsunsicherheit, da teilweise nicht mehr feststellbar war, welche Grundstücke aus der Bodenreform den Erben zugefallen waren und welche in den Bodenfonds zurückgeführt worden sind. Diese Regelungslücke wurde mit dem bereits mehrfach zitierten Gesetz geschlossen.

Die PDS-Fraktion verweist in dem Antrag auf ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es handelt sich bei diesem Verfahren um eine Individualbeschwerde. Die Beschwerdeführer sehen in den Gerichtsentscheidungen, die in ihrem Fall zur Abwicklung der Bodenreform ergangen sind, einen Verstoß gegen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten.

Die Bundesregierung hat in der vom Europäischen Gerichtshof angeforderten Stellungnahme wie folgt Stellung bezogen: Erstens. Die im Jahr 1992 erlassenen Vorschriften, mit denen die unklaren Eigentumsverhältnisse bei Grundstücken aus der Bodenreform geregelt wurden, stimmen mit der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten überein. Zweitens. Der Gesetzgeber hat sich bei der Frage, wem endgültig ein bestimmtes Grundstück zuzusprechen ist, an den Grundprinzipien der Bodenreform und den dazu ergangenen Besitzwechselverordnungen orientiert.

Diese beiden Punkte stammen aus der Stellungnahme der Bundesregierung gegenüber dem Europäischen Gerichtshof.

Der Europäische Gerichtshof hat die Beschwerde für zulässig erklärt. Die Zulässigkeit der Beschwerde sagt noch nichts über die Begründetheit aus. Es gab freilich Pressemitteilungen, die, mit einer gewissen Erwartungshaltung belegt, Hoffnungen wecken.

Die Zahl der von Herrn Krause angeführten Anträge hat sich reduziert. Am 31. August 2002 wurden noch rund 1 600 Fälle bearbeitet. Dabei wurde bei über 800 Fällen der Verzicht auf Einrede der Verjährung erklärt. Mit der flächendeckenden Recherche hatten die Ämter - das ist ein zweiter positiver Effekt dieser Aufgaben - auch Fälle aufgedeckt, in denen kein Eigentümer feststellbar war

oder der Aufenthaltsort des Eigentümers unbekannt ist. Man hat im Sinne dieser Eigentümer gehandelt, indem durch die Bestellung von gesetzlichen Vertretern die Interessen der unbekannten Grundeigentümer und Erben gewahrt werden. Sie sehen, dass diese flächendeckende Recherche auch einen zweiten positiven Effekt nach sich zog.

Um zusätzliche Kosten für die unbekannten Eigentümer zu vermeiden, haben die Vertreter den Verzicht auf die Einrede der Verjährung erklärt. Anderenfalls wäre das Amt gehalten gewesen, die Ansprüche gerichtlich durchzusetzen. Sie sehen daran, dass die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber den gesetzlichen Vertretern nicht nur im Interesse des Landesfiskus liegt, sondern dass auch ein Beitrag geleistet wird, um offene Eigentumsverhältnisse zu klären.

Es besteht, um das abschließend noch einmal zum Ausdruck zu bringen, keinerlei Veranlassung bei den Ämtern für Landwirtschaft und Flurneuordnung, die anhängigen Verfahren auszusetzen oder einzustellen. Die Verwaltung ist nach wie vor an Recht und Gesetz gebunden. Es hat sich - das betone ich nochmals - an der bestehenden Rechtslage nichts geändert. Es gibt derzeit keine gesetzlichen Vorgaben, um die Vorgehensweise bei der Abwicklung der Bodenreform zu ändern. Aus diesem Grunde ist der Antrag der Fraktion der PDS abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Ministerin Wernicke. - Herr Krause, eine Frage?

(Herr Krause, PDS: Eine Frage!)

Möchten Sie eine Frage des Abgeordneten Herrn Krause beantworten? - Bitte schön, Herr Krause. Sie dürfen fragen.

Frau Ministerin Wernicke, finden Sie es nicht auch sehr bemerkenswert bei dieser ganzen Entwicklung, dass, wenn das Bundesverfassungsgericht feststellt, dass entgegen der Feststellung des Gesetzesgebers das Bodenreformland doch vererbbar war und dass in der Begründung zum Erlass des Gesetzes an dieser Stelle ein Fehler gemacht wurde - bei der Begründung ist man davon ausgegangen, dass das Bodenreformland nicht vererbbar war -, und weiter festgestellt, dass jetzt der Gesetzgebergeber gefordert ist, seit diesem Urteil nichts passiert ist?

Nein, Herr Krause. Es stimmt ja so nicht, wie Sie es darstellen. Das Bodenreformland war nie in vollem Umfang verfüg- und vererbbar. Es war öffentlich-rechtlich überlagert.

(Zustimmung bei der CDU)

Das hat die sozialistische DDR mit Absicht so gehandhabt. Der Gesetzgeber hat im Jahr 1990 einem großen Teil der in der Landwirtschaft Beschäftigten - die Kriterien habe ich genannt - dieses Eigentum abschließend verfügbar und vererbbar zugeordnet. Nur ein gewisser

Teil, der eben dann nicht mehr in der Landwirtschaft tätig war oder das nicht nachweisen konnte, der fällt unter die DDR-Regelung.

(Herr Oleikiewitz, SPD: Richtig!)

Nun wollen wir wirklich einmal bei der Wahrheit bleiben. Dieses Gesetz gilt nach wie vor, und an dieses Gesetz, ob es Ihnen, uns oder wem auch immer nicht gefällt, hat sich die Verwaltung, hat sich die Landesregierung und die rot-grüne Bundesregierung zu halten.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Kühn, SPD: Das ist richtig!)

Noch eine Frage?

Nur eine Anmerkung. Frau Wernicke, ich lade Sie gern ein. Der Vorsitzende des Vereins gegen die Abwicklung der Bodenreform ist auch anwesend. Wir machen eine kleine Schulstunde. Im Urteil - ich werde es Ihnen belegen - steht ausdrücklich drin, dass entgegen der Begründung des Gesetzgebers Bodenreformland vererbbar war, nur überlagert war. Und der Gesetzgeber hat daraus gemacht: Durch die Überlagerung war es nicht vererbbar. Das ist, so Frau Dr. Grün, der große Widerspruch und der große rechtliche Fehler bei der Gesetzesabfassung im Jahr 1992 gewesen. Es ist bemerkenswert, dass keine Bundesregierung und keine Landesregierung im Land Sachsen-Anhalt das jemals zur Kenntnis nehmen will.

Wir kommen zur Debatte. Herr Kosmehl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Die Debatte, die jetzt mit der Einbringung und der Stellungnahme der Landesregierung eröffnet worden ist, hat sich dann in die von mir vermutete Richtung entwickelt, nämlich in die Richtung der Frage der Verfassungsgemäßheit der Regelungen über die sachenrechtlichen Aspekte der Bodenreform.

Während eines Studiums hört man vom Professor häufig den Satz: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. - Ich denke, auch in diesem Falle ist es durchaus richtig, sich einmal die Paragrafen des Artikels 233 genau anzuschauen. Dann kann man nämlich zu dem hier zu belegenden Fall - es ist § 12 - zweierlei Punkte entnehmen: Erstens ist die Berechtigung eines Landes nur ein Auffangtatbestand für den Fall, dass keine natürliche Person besserberechtigt ist, und zweitens enthält § 12 Abs. 3 Voraussetzungen für die Zuteilungsfähigkeit eines Eigentümers, die die Frau Ministerin Wernicke bereits ausgeführt hat.

Die Regelungen des EGBGB zeichnen die Rechtsgrundlagen in der ehemaligen DDR nach. Der Bundesgesetzgeber hat sich 1992 ganz bewusst für eine Nachzeichnung der Rechtswirklichkeit in der DDR und gegen eine reine Erbrechtslösung entschieden. Das war auch gut so; denn eine reine Erbrechtslösung würde bedeuten: Wer im Grundbuch steht oder der Erbe desjenigen, der im Grundbuch steht, soll das Land endgültig zugewiesen

bekommen. Wer die Grundbuchwirklichkeit in der DDR kennt, kann das nicht wollen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Grundlagen dafür sind bereits genannt worden: die so genannten Besitzwechselverordnungen aus den 50er-Jahren und insbesondere die aus den Jahren 1975 und 1988.