Protocol of the Session on December 8, 2005

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 69. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode. Dazu begrüße Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir alle stehen noch unter dem Eindruck der schrecklichen Bilder aus Halberstadt. Am vergangenen Freitagmorgen sind wir Zeugen einer furchtbaren Katastrophe geworden, die uns alle sehr tief getroffen und berührt hat: Neun Männer im Alter zwischen 35 und 54 Jahren sind in einem Halberstädter Obdachlosenheim bei einem Brand ums Leben gekommen.

Die Nachricht hat uns alle schockiert. Hilfsbedürftige Menschen suchten Schutz vor der Kälte und den Gefahren der Nacht und fanden einen grausamen Tod. Ihrer wollen wir jetzt gedenken. Unsere Gedanken sind auch bei jenen, die verletzt worden sind.

Es gehört zur Tragik der Brandkatastrophe in Halberstadt, dass die Rettungskräfte, die sehr schnell vor Ort waren, keine Chance mehr hatten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unmittelbar nach der verheerenden Feuersbrunst haben sich spontan Menschen vor der völlig zerstörten Unterkunft versammelt, Blumen niedergelegt oder auf andere Weise um die Toten getrauert. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger - nicht nur aus Halberstadt - gedachten in einem Gottesdienst am Tag darauf der Opfer.

Es hat die Ärmsten der Armen getroffen. Besonders in der Adventszeit ruft diese Brandkatastrophe uns schmerzlich ins Bewusstsein, welche sozialen Differenzierungen und biografischen Brüche es in unserer Gesellschaft auch gibt. Sie fordert uns dazu auf, über das soziale Zusammenleben mit Menschen jenseits unseres eigenen sozialen Umfelds neu nachzudenken.

Was geschehen ist, meine Damen und Herren, können wir nicht ungeschehen machen. Jeder Tote hinterlässt Menschen, die um ihn trauern. Aber vielleicht ist es den Angehörigen, Freunden und Bekannten der Opfer, die sich in ihrem Schmerz allein fühlen, ein Trost, wenn wir heute und hier bekunden: Unser Gedenken gilt den Toten von Halberstadt, unser Mitgefühl gilt den Verletzten und unsere Anteilnahme den Hinterbliebenen.

Ich bitte Sie, sich zum Gedenken von Ihren Plätzen zu erheben. - Vielen Dank. Nehmen Sie bitte wieder Platz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Mitglied des Landtages Frau Dr. Petra Weiher, Fraktion der Linkspartei.PDS, hat bei mir den Verzicht auf das Abgeordnetenmandat im Landtag von Sachsen-Anhalt erklärt. Ich verweise Sie in diesem Zusammenhang auf die Unterrichtung des Landtags vom 22. November 2005 in der Drs. 4/2511.

Da innerhalb der im Wahlgesetz vorgesehenen Widerspruchsfrist von sieben Tagen kein Einspruch erfolgte, ist Frau Dr. Weiher seit dem 1. Dezember 2005 rechtswirksam aus dem Landtag ausgeschieden und nimmt nunmehr als Senatorin im Landesrechnungshof eine neue verantwortungsvolle Aufgabe wahr.

Ich darf daran erinnern, dass Frau Dr. Weiher seit der dritten Wahlperiode Mitglied des Landtages war. Sie war in der dritten Wahlperiode unter anderem Vorsitzende

des Ausschusses für Gleichstellung, Kinder, Jugend und Sport und in der vierten Wahlperiode Vorsitzende des Ausschusses für Finanzen.

Ich habe ihr auch in Ihrem Namen für ihre Arbeit im Landtag gedankt und ihr für ihre weitere berufliche und persönliche Zukunft unsere besten Wünsche übermittelt.

Vom Landeswahlleiter, meine Damen und Herren, liegt nunmehr die Benachrichtigung vor, dass der Sitz mit Wirkung vom 5. Dezember 2005 auf Frau Angelika Bartz übergegangen ist. Frau Angelika Bartz - vielleicht können Sie sich einmal kurz vom Platz erheben -, ich darf Sie im Namen des Hohen Hauses herzlich willkommen heißen und wünsche Ihnen für die restlichen Monate dieser Legislaturperiode bei der Ausübung Ihres Mandats alles Gute und viel Erfolg.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Es liegen Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung vor. Herr Minister Jeziorsky entschuldigt seine Abwesenheit für den 8. Dezember 2005 ganztägig. Er nimmt an der 179. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder in Karlsruhe teil.

Frau Ministerin Wernicke bittet, ihre Anwesenheit aufgrund ihrer Teilnahme am Bauerntag des Deutschen Bauernbundes in Bernburg am Freitag bis 13 Uhr zu entschuldigen.

Herr Staatsminister Robra lässt sich für beide Sitzungstage entschuldigen. Er nimmt an der Tagung des ZDFFernsehrates in Mainz teil.

Nun, meine Damen und Herren, zur Tagesordnung. Die TAgesordnung für die 36. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Gibt es Bemerkungen zur Tagesordnung? - Bitte sehr, Herr Bischoff, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, unsere Fraktion möchte einen zusätzlichen Tagesordnungspunkt auf die Tagesordnung der Landtagssitzung setzen, und zwar zum Thema der personalrechtlichen Umsetzung der geplanten Forststrukturreform.

Uns ist leider erst nach der Sitzung des Ältestenrates ein Beschluss des Verwaltungsgerichts bekannt geworden, in dem das Verfahren der Neustrukturierung der Landesforstverwaltung hinsichtlich der standardisierten Fragebögen, die dort weder termingerecht noch mängelfrei ausgefertigt worden sind, bewertet wird. Danach besteht die Gefahr, dass es Klagen geben kann und aus diesem Grund die personalrechtlichen Dinge nicht zum 1. Januar 2006 umgesetzt werden können.

Unbeschadet dessen, dass wir selber der Umsetzung der Reform nicht zustimmen, wollen wir wenigstens - in der Hoffnung, dass die Mehrheit es auch will -, dass das Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird, und beantragen deshalb, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen.

Meine Damen und Herren! Es wurde der Antrag auf Aufnahme eines zusätzlichen Tagesordnungspunktes mit dem Titel „Personalrechtliche Umsetzung der geplanten

Forststrukturreform verschieben“ gestellt. Der Antrag selbst ist wohl den parlamentarischen Geschäftsführern schon zugegangen. Haben auch die anderen Abgeordneten diesen Antrag? - Das ist nicht der Fall.

Herr Bischoff hat für diesen Antrag eine ausführliche Begründung gegeben. Ich frage das Plenum, ob es gegen die Aufnahme eines zusätzlichen Tagesordnungspunktes Widerspruch gibt. - Bitte sehr, Herr Gürth.

Herr Präsident, die Forststrukturreform ist eine wichtige, notwendige Reform und es sind sehr viele Mitarbeiter im Landesdienst davon betroffen. Auch wenn man den Antrag inhaltlich so nicht unterstützt, halten wir es für notwendig und sachdienlich, dass wir darüber sprechen, und bitten darum, dass man den zusätzlichen Tagesordnungspunkt im Laufe des heutigen Nachmittags einordnet. Damit ist gewährleistet, dass die zuständige Fachministerin anwesend sein kann.

Vielen Dank, Herr Gürth. - Es gibt also keinen Widerspruch, meine Damen und Herren. Der Antrag wird sofort an alle Abgeordneten ausgeteilt.

Die Frage ist jetzt, wo wir den zusätzlichen Punkt auf der Tagesordnung einordnen. Gibt es dazu Vorschläge? - Frau Dr. Hüskens, bitte sehr.

Da ich davon ausgehe, dass die Opposition den Antrag gern in Anwesenheit der Landwirtschaftsministerin diskutieren möchte, würde ich vorschlagen, dass wir diesen Punkt als letzten Tagesordnungspunkt am heutigen Tag einordnen.

Der Tagesordnungspunkt müsste zeitmäßig gegen 18.30 Uhr eingeordnet werden. Wenn dies die allgemeine Zustimmung findet, dann werden wir so verfahren. - Das ist der Fall. Herzlichen Dank!

Meine Damen und Herren! Es gibt einen weiteren Antrag auf Aufnahme eines zusätzlichen Tagesordnungspunktes, den ich Ihnen ebenfalls sehr empfehlen möchte. Es geht um die Wahl einer Schriftführerin als Nachfolgerin für Frau Dr. Klein, Linkspartei.PDS. Dazu liegt Ihnen bereits die Drs. 4/2534 vor. Ich würde Ihnen vorschlagen, die Wahl einer Schriftführerin bereits nach dem Tagesordnungspunkt 1, also nach der Regierungserklärung, und vor der Mittagespause vorzunehmen.

Gibt es dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann verfahren wir entsprechend der nunmehr geänderten Tagesordnung. Herzlichen Dank!

Nun zum zeitlichen Ablauf der 36. Sitzungsperiode.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die heutige Landtagssitzung werden wir gegen 19 Uhr beenden. Im Anschluss daran werden uns Absolventen der Musikschule Bernburg, wie im vergangenen Jahr, mit einem weihnachtlichen Konzert erfreuen. Die morgige 70. Sitzung beginnt wie üblich um 9 Uhr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beginnen mit dem Tagesordnungspunkt 1 a:

Regierungserklärung des Ministers für Gesundheit und Soziales Herrn Kley zum Thema: „Der gesundheitliche Verbraucherschutz als ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Verbrauchersouveränität in Sachsen-Anhalt“

Zur Abgabe der Regierungserklärung erteile ich Herrn Minister Kley das Wort. Bitte sehr, Herr Minister.

(Unruhe)

- Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte aber etwas um Ruhe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn ich heute eine Regierungserklärung zum Thema „Gesundheitlicher Verbraucherschutz als ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Verbrauchersouveränität in Sachsen-Anhalt“ abgebe, erwarten Sie ganz bestimmt Aussagen zur Lebensmittelsicherheit in Sachsen-Anhalt. Schlagzeilen hat es in den vergangenen Wochen genug gegeben. Eine hat gefehlt: Kontrollquote im Lebensmittelbereich liegt in Sachsen-Anhalt über dem Bundesdurchschnitt.

Diese Aussage können Sie auf die Tatsache stützen, dass von 30 570 Einrichtungen des Lebensmittelverkehrs im Land im vergangenen Jahr ca. 80 % kontrolliert wurden, wobei der Bundesdurchschnitt bei 58 % liegt und die Kontrollquote in manchen Bundesländern lediglich 30 % beträgt. Auch andere Daten belegen, dass wir in Sachsen-Anhalt gut aufgestellt sind, wenn es um die amtliche Lebensmittelüberwachung geht. Das wird öffentlich noch zu wenig wahrgenommen; vielmehr bestimmen einzelne negative Vorfälle den öffentlichen Diskurs.

„Schwarze Schafe mit krimineller Energie gibt es leider immer wieder.“ - So wurde ich kürzlich zitiert, als es um die Beurteilung der jüngsten Fleischskandale ging. „Gefährlicher Lichterglanz zum Fest“ war eine andere Schlagzeile, mit der im konkreten Fall über die Brand- und Stromschlaggefahr berichtet wurde, die von mangelhaften Lichterketten ausging. Eine dritte Schlagzeile hätte lauten können: „Kinderohren unter Beschuss“, wenn es um Ergebnisse der Lärmmessung an Kinderspielzeugpistolen geht.

Man kann übergreifend formulieren: Wenn Verbraucherschutz funktioniert, wird er nicht wahrgenommen. Gibt es dagegen Probleme, führt dies sofort zu Schlagzeilen. Aber auch diese beweisen eigentlich, dass der Verbraucherschutz funktioniert.

Diese Nachrichten betreffen uns, Sie und mich als Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie suggerieren, dass es eine 100-prozentige Sicherheit geben könnte. Sie betreffen Produkte, die sich trotz Mängelbehaftung auf den ersten Blick nicht von unbedenklichen Angeboten unterscheiden und eine Gefahr für unsere Gesundheit darstellen können. Sie zeigen uns, dass wir sehr schnell in eine Situation geraten können, in der wir Unterstützung brauchen, um die richtige Kaufentscheidung, die richtige Auswahl treffen zu können. Diese Unterstützung muss zeitgemäßer Verbraucherschutz leisten. Was ist nun zeitgemäßer Verbraucherschutz?

Seit der erstmaligen Vorlage des Berichtes zur Verbraucherpolitik durch die Bundesregierung im Jahr 1971 hat sich das Bild des Verbrauchers geändert. Aus dem zu

schützenden Bürger wurde der Verbraucher als Marktteilnehmer und Konsument am Ende der Produktionskette. Als Kunde steht er auf dem Markt den Anbietern und Herstellern von Produkten und Dienstleistungen gegenüber.

Obwohl dieses Bild der strikten Gegenüberstellung von Verbrauchern und Herstellern heute durch das Bild der geteilten Verantwortung aller am Marktgeschehen Beteiligten abgelöst worden ist, haben Anbieter und Hersteller in der Regel gegenüber den Verbrauchern einen Wissensvorsprung hinsichtlich Herstellung, Inhalt, Nutzen, Risiken, Konkurrenz, Marktgeschehen und rechtlicher Rahmenbedingungen ihrer Produkte und Dienstleistungen. Demgegenüber können Verbraucher infolge mangelnder Fachkenntnis und Erfahrung relativ leicht übervorteilt werden.

Aus dieser Überlegung heraus ist Verbraucherschutz als Schutz der Verbraucher vor missbräuchlicher Anwendung dieses Marktvorteils seitens der Anbieter und Hersteller anzusehen. Das beschriebene Ungleichgewicht ist so weit wie möglich auszugleichen.

Damit steht Verbraucherpolitik aber auch im Spannungsfeld zwischen der Notwendigkeit, Verbrauchern einen hinreichenden Schutz von Gesundheit und Sicherheit sowie ihrer wirtschaftlichen Interessen zu gewähren, und der Forderung, so wenig wie möglich regulierend in den Markt einzugreifen. Eine zeitgemäße Verbraucherpolitik muss Rahmenbedingungen schaffen, die es allen am Wirtschaftsleben Beteiligten ermöglichen, ihre jeweilige Verantwortung wahrzunehmen.