Protocol of the Session on November 11, 2005

(Beifall bei der FDP)

Das Gleiche gilt für das SGB II. Der Bundesgesetzgeber hat Leistungstatbestände geschaffen, hat Voraussetzungen definiert und wundert sich plötzlich, dass die Menschen das auch in Anspruch nehmen. Das ist völlig inkonsequent. Man hätte bei diesem Gesetz ordentlich arbeiten müssen.

Man hätte das tun müssen, was die CDU-Fraktion, unsere Fraktion und der Wirtschaftsminister schon vor einem Jahr angemahnt haben. Man hätte sich schlichtweg mehr Zeit nehmen müssen, um eine handwerklich saubere Arbeit sicherzustellen und eine belastbare Datenbasis zu haben, aufgrund deren man Entscheidungen treffen kann; denn diese lag bei der Beschlussfassung über das SGB II ebenfalls nicht vor.

(Zuruf von Frau Fischer, Leuna, SPD)

Schon die kleinsten Änderungen bei den Voraussetzungen für Leistungsansprüche im SGB II oder kleine Änderungen bei Freibeträgen oder Einstandspflichten führen zu großen finanziellen Auswirkungen.

Ein wichtiger Punkt ist in diesem Zusammenhang die Definition der Bedarfsgemeinschaft. Hierbei geht es um die Frage, wie Ehepartner, wie Eltern und Kinder und wie nicht verheiratete Paare füreinander einstehen müssen. Zwischen diesen Gruppen muss man differenzieren.

Bei Ehepartnern ist klar, dass sie sich gegenseitig unterhaltspflichtig sind. Das war schon immer so und das wird immer so bleiben. Darauf kann sich der Staat auch berufen. Deshalb kann der Staat auch ein Ehegatteneinkommen anrechnen.

Bei Eltern und Kindern ist das ähnlich. Eltern sind ihren Kindern unterhaltspflichtig. Das erkennt der Staat an, indem er auch Kindern, die älter als 18 Jahre sind, die Möglichkeit gibt, von den Eltern Unterhalt einzuklagen, und indem er auch Eltern Kindergeld gewährt, deren Kinder älter als 18 Jahre sind. Auch in diesen Fällen kann der Staat Einkommen der Eltern anrechnen und so die Bedarfsgemeinschaft definieren.

Bei unverheirateten Paaren ist das schon etwas schwieriger. Dort bestehen keine Unterhaltspflichten. Bei dieser Gruppe hat das zurzeit sehr kuriose Auswirkungen. Das Bundesverfassungsgericht hat schon vor etwa 20 Jahren Kriterien aufgestellt, nach denen das Partnereinkommen bei unverheirateten Paaren angerechnet werden kann. Das Hauptkriterium ist, dass die Partner den Willen haben, dauerhaft füreinander zu sorgen und dauerhaft füreinander einzustehen. Das lässt sich nur anhand von Indizien feststellen. Das Zusammenleben kann eines der Indizien sein. Dieses Indiz ist jedoch bei weitem nicht ausreichend.

Sie haben der Presse sicherlich schon häufiger entnommen, dass Zusammenlebende als Bedarfsgemeinschaft gewertet werden und dass das schon in vielen Fällen dazu geführt hat, dass die Betroffenen auseinander ziehen. Dann wohnen sie getrennt, jeder bekommt den vollen Regelsatz und hat damit 20 € mehr in der Hand.

Gleichzeitig fallen Kosten für eine weitere Wohnung an, die zu mehr als 70 % von den Kommunen getragen werden.

Diese Regelung führt letztlich dazu, dass Verantwortungsgemeinschaften atomisiert werden, wie es der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium so schön sagt. Auf diese Art und Weise hat man auch dafür gesorgt, dass die Kosten ein Stück weit explodieren.

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag unter Berücksichtigung der folgenden Änderung: Wir würden Punkt 2 des Antrags der SPD-Fraktion gern als Punkt 4 in unseren Antrag einfügen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Röder. - Nun spricht noch einmal Frau Bull. Bitte.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich zunächst dafür, dass die Frage des Missbrauchs von allen wirklich mit sehr viel Verantwortungsbewusstsein thematisiert wurde.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das finde ich schon gut, ich will nicht sagen bemerkenswert.

Eine erste Bemerkung zu den 2,5 Milliarden €. Darin liegt nicht der Dissens. Das ist, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sogar im Gesetz festgeschrieben. Aber Einsparungen in Höhe von 2,5 Milliarden € kann ich nur ausrechnen, wenn ich vorher eine Bezugsgröße habe. Hinsichtlich der Bezugsgröße besteht ein Dissens.

Herr Clement hat eine Rechnung aufgestellt, bei der er auf enorme Einsparungen, vielleicht sogar auf eine zweistellige Milliardensumme, gekommen ist. Es sind aber auch andere Sachen möglich, bei denen man tatsächlich auf diese 2,5 Milliarden € kommt. Es gibt noch viele andere Rechnungen.

Die Frage ist: Was ist der Ausgangspunkt für die Berechnung dieser Verbesserungen oder Entlastungen? Das ist eine sehr strittige Frage. Wer von uns weiß, wie sich die Kosten entwickelt hätten, wenn wir weiterhin das BSHG gehabt hätten? Aus meiner Sicht ist das - ich weiß es nicht, aber ich muss auch nicht darüber verhandeln - eine nicht mehr errechenbare Größe. Das ist nur noch politisch verhandelbar. Deshalb haben wir unseren Antrag vorgelegt.

Wir unterscheiden uns nicht bezüglich der 2,5 Milliarden €. Wir sind der Meinung, es muss jetzt einmal ein Strich darunter gezogen werden. Wir müssen klarstellen: Es gibt keine Rückforderung gegenüber den Kommunen - das wäre, nebenbei gesagt, Irrsinn - und der Bundesanteil bleibt auf dem Niveau, auf dem er jetzt ist. Dann hätten wir die Kommunen finanziell in etwa so gestellt, wie sie jetzt sind. - Das also ist der Unterschied.

Zu der Frage der handwerklichen Fehler. So viele kann ich gar nicht finden. Ich billige der SPD zu, dass das immer wieder angesprochene Thema der Bedarfsgemeinschaften und des Anspruches von unter 25-Jährigen auf

eine eigene Wohnung gerade kein handwerklicher Fehler war, sondern dass es - das kann ich nicht begrüßen - der Versuch war, in diesem Gesetz Menschen unter 25 Jahren wenigstens ein kleines bisschen Selbstbestimmung und Autonomie zuzugestehen. Wir müssen uns nicht darüber wundern, dass das nun genutzt wird.

Ich stelle allerdings infrage, dass das Mehrbelastungen in Milliardenhöhe - jetzt ist sogar von 10 Milliarden € oder mehr die Rede gewesen - ausmacht. Um es noch einmal klar zu sagen: Dass das Mehrkosten in Höhe von 10 Milliarden € begründet, halte ich für eine Milchbubenrechnung.

(Herr Tullner, CDU: Milchmädchenrechnung!)

Eine dritte Bemerkung. Ich weiß, dass Sie das nicht so gemeint haben, Frau Fischer. Trotzdem sage ich: Großzügigkeit ist relativ. Jetzt wiederhole ich mich. Die Abschaffung des Rückgriffs habe ich für einen wirklichen Fortschritt in diesem Gesetz gehalten. Jetzt zu sagen, wir schaffen das wieder ab und fallen in das alte Sozialhilferecht zurück, das fände ich - -

(Frau Fischer, Merseburg, CDU: So habe ich die Großzügigkeit nicht gemeint!)

- Das habe ich Ihnen auch nicht unterstellt. Ich wollte nur sagen: Großzügigkeit ist relativ.

Wir haben es einmal an einem konkreten Beispiel durchgerechnet. In Schönebeck haben etwa 500 Jugendliche diese Regelung genutzt. Wenn man einmal unterstellt, dass durchschnittlich 270 € für die KdU gezahlt werden, dann komme ich bestenfalls auf die eine dreistellige Millionensumme, aber nicht auf eine Milliardengröße.

Um es kurz zu machen: Ich würde also sehr vorsichtig damit sein, diese Sache wieder abzuschaffen.

Zu den Vorschlägen zum Abstimmungsverfahren. Ich muss gestehen, dass mir dafür das entsprechende Gen fehlt. Deshalb würde ich das demjenigen überlassen, der den Ausführungen etwas aufmerksamer gefolgt ist, unserem Fraktionsvorsitzenden.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Bull. - Bitte, Herr Gallert.

Ich möchte mich zu der Art und Weise der Abstimmung äußern. Herr Präsident, wir haben es jetzt mit dem Problem zu tun, das im Ältestenrat und auch im Parlament schon mehrfach eine Rolle gespielt hat.

Wir fassen Punkt 2 Buchstabe a unseres Antrages und Punkt 2 des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU und der FDP, der sich mit derselben Frage beschäftigt, als Alternativen auf und sehen somit die Situation eines Alternativantrags. Alternativanträge sind eingeführt worden, um dem Antragsteller zu garantieren, dass über seinen Antrag abgestimmt wird. Dies hätten wir jetzt gern so.

Das heißt, ich beantrage nunmehr, dass wir zum einen über die in den Anträgen enthaltenen Punkte einzeln abstimmen - das ist nicht ganz einfach, weil wir es mit einem Ursprungsantrag und zwei Änderungsanträgen zu tun haben; die einzelnen Punkte lassen sich aber ganz

gut zuordnen - und dass wir zum anderen über Punkt 2 Buchstabe a unseres Antrages, über Punkt 2 des Änderungsantrages der Fraktionen der CDU und der FDP und über Punkt 1 Buchstabe a des SPD-Änderungsantrags alternativ abstimmen.

Herr Gallert, das können wir, formal gesehen, durchaus so machen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das, was dabei am Ende herauskommt, dann alles noch passt.

Ich hätte das nicht als Alternativantrag angesehen. Ich hätte jetzt zuerst über den am weitesten gehenden Änderungsantrag, den der SPD, abstimmen lassen. Er müsste abgelehnt werden, damit wir dann über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP abstimmen könnten.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die SPD ihren Änderungsantrag aufgrund der Änderung des Änderungsantrags der Fraktionen der CDU und der FDP zurückzieht und sagt: Wir akzeptieren das. Dann könnten wir über den Antrag und den Änderungsantrag alternativ abstimmen. Aber wenn wir das jetzt auseinander pflücken müssten, dann haben wir ein echtes Problem. - Herr Gallert.

Ich verkompliziere das jetzt noch etwas, Herr Fikentscher, aber ich mache das, weil die Dinge nun einmal so sind.

Es ist nicht so, dass der Änderungsantrag der SPD der weitergehende ist. Er geht in dem entscheidenden Punkt, nämlich in Punkt 1 Buchstabe a, nicht weiter als unser Punkt 2 Buchstabe a. Mit Ausnahme des in unserem Antrag aufgeführten Begriffs „Inflationsausgleich“ ist der SPD-Änderungsantrag sehr nah an unserem Antrag; der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP ist viel weiter weg. Daher kann die Einordnung, dass der Änderungsantrag der Fraktion der SPD weiter geht als der Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP, auch nicht ohne weiteres vorgenommen werden.

Zunächst wäre nur zu unterscheiden gewesen, ob der Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen oder der Änderungsantrag der SPD-Fraktion weiter geht. Das hätte mit Ihrem Antrag erst einmal nichts zu tun.

(Herr Schomburg, CDU: So ist es!)

Das wäre die Reihenfolge bei der Abstimmung.

Sie sagen jetzt, man kann es als Alternativantrag auffassen. Dann müsste über Ihren Antrag als Erstes abgestimmt werden.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Ja!)

Das kann man natürlich machen. Die Mehrheiten setzen sich ohnehin durch.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Das ist wohl wahr!)