Verständnislos hat Ministerin Frau Wernicke reagiert, als ich sie am 8. Juli 2005 im Plenum in der Aussprache zur Großen Anfrage der SPD zur Umsetzung des Entwicklungsplanes für den ländlichen Raum in Sachsen-Anhalt gefragt habe, welche Kompetenzen für den ländlichen Raum sie den Landräten und Landratsämtern nach erfolgter Kreisgebietsreform übertragen will. Im Protokoll ist folgende Antwort der Frau Ministerin verzeichnet:
„Die Kompetenzen für den ländlichen Raum werden weiterhin den Ämtern für Landwirtschaft und Flurneuordnung zugeordnet werden,
(Zustimmung bei der CDU) “ Das ist eine glatte Absage an die Kernforderung der Landkreisversammlung, wie sie in Oschersleben beschlossen worden ist, meine Damen und Herren. Der Präsident - - (Herr Schröder, CDU, meldet sich zu Wort)
Ich habe eine Frage zu der Position des Landkreistages. Ist Ihnen, Herr Rothe, ein im Landkreistag diskutiertes Positionspapier bekannt, in dem man sich ausdrücklich zu einer Strukturpolitik bekennt, die eine dezentrale Bündelung der sich verknappenden staatlichen Ressourcen vorsieht und mit der eine klare Absage an die Aufgabe wichtiger mittelzentraler Funktionen, zum Beispiel des Kreisstadtstatus, einhergeht? Das kommt - auf Deutsch gesagt - einer klaren Absage in Bezug auf Großkreise gleich und steht demzufolge auch mit den Forderungen der Koalition in Bezug auf das Ordnungsprinzip der dezentralen Bündelung im Einklang. Ist Ihnen das bekannt? - So weit die erste Frage.
Richtig ist, Herr Kollege Schröder, dass der Landkreistag die Größenordnung von 150 000 Einwohnern als Mindesteinwohnerzahl aus dem Leitbild von 1999, von Ihnen später übernommen, für richtig hält und Regionalkreise ablehnt.
- Regionalkreise wären im Wesentlichen auch ländlicher Natur. - Wir kommen hier in einen gewissen Wertungswiderspruch, dem ich gar nicht ausweichen will. Die Landkreisversammlung fordert Aufgabenverlagerungen in einem Umfang, der bei umfassender Umsetzung auch Regionalkreise voraussetzt.
Wenn man die Ämter für Landwirtschaft und Flurneuordnung mit ihrem kompletten Aufgabenbestand kommunalisieren will, dann geht das nach meiner Auffassung nur, wenn man entweder Regionalkreise oder zumindest kommunale Verwaltungsregionen schafft, in denen die kommunalen Gebietskörperschaften der jeweiligen Region zusammenarbeiten.
Man kann nicht die Ämter für Landwirtschaft und Flurneuordnung herunterbrechen auf 14 Gebietskörperschaften der Kreisebene.
Ähnlich verhält es sich bei der Schulaufsicht. Frau Dr. Paschke hat gesagt, dass man jedenfalls den Lehrerpersonalbereich nicht in eine solche Kleinteiligkeit hineingeben kann. Man kann bei der jetzt entstehenden Kreisstruktur allerdings über vieles andere reden. Zumindest die Schulpsychologen gehören in die Landratsämter. Auch die schulfachliche Arbeit sollte ein Stück weit dort angebunden sein.
Es ist aber richtig, dass wir am Ende vor dem Problem stehen, dass die komplette Aufgabenübertragung, wie sie die Landkreise wollen, nur auf Regionen erfolgen kann, also entweder auf Regionalkreise oder auf kommunale Verwaltungsregionen, in denen mehrere Gebietskörperschaften zusammenarbeiten. Das war auch der Grund dafür, dass die jetzigen Oppositionsfraktionen in dieser Legislaturperiode ihr Konzept weiterentwickelt haben und zu dem Schluss gekommen sind, dass eine umfassende Funktionalreform nur in Regionen organisiert werden kann.
Herr Kollege Rothe, Ihnen ist bekannt, dass die Umweltministerin sehr engagiert, auch in Zusammenarbeit mit dem Landkreistag, Aufgaben der Umweltverwaltung kommunalisiert hat, also ein Vorreiter ist, wenn es um die Kommunalisierung geht. Ist Ihnen auch bekannt, dass der Vorgänger des jetzigen Geschäftsführers des Landkreistages davon ausgegangen ist, dass man völlig unproblematisch ad hoc 230 Personalstellen auf die Landkreise übertragen kann?
Wissen Sie, wie viele letztlich zu den Landkreisen gewechselt sind? - Das sind 19; das sind noch nicht einmal 10 %. Das Land behält also das Personal und der Kreis bekommt die Aufgabe. Ist das Ihre Zielrichtung?
Frau Kollegin Wernicke, ich bin gern bereit zuzugestehen, dass die Umweltministerin in Bezug auf die Funktionalreform aus der Ministermannschaft herausragt.
Im Zusammenhang mit dem Übergang von Personal auf die Landkreise erinnere ich mich noch sehr gut daran, dass Herr Minister Jeziorsky an diesem Pult erklärt hat, er werde mit aller Kraft durchsetzen, dass der Personalübergang im Umfang von fast 50 Stellen so vollzogen wird. Wenn es jetzt nur 19 tatsächliche Personalübergänge gibt, dann fordert das natürlich auch zur Kritik an der Landesregierung heraus.
den sie flächendeckend angelegt haben, die Bereitschaft der Beschäftigten zerstört, sich zu verändern und zu den Kreisen zu wechseln.
Das haben Sie rechtsverbindlich für die Zeit bis 2009 vereinbart. Damit haben Sie der Funktionalreform einen Bärendienst erwiesen, meine Damen und Herren. Das hätte man nicht in dieser undifferenzierten Art machen dürfen.
Ich bin natürlich der Auffassung, dass man den Personalkörper nicht einseitig zulasten der Landesbediensteten reduzieren kann. Das heißt, grundsätzlich muss das Personal der Aufgabe folgen. Frau Ministerin - wenn ich Sie jetzt wieder in dieser Funktion ansprechen darf -, genau dazu ist der Präsident des Landkreistages, wie er in Oschersleben zum Ausdruck gebracht hat, auch bereit.
Meine Damen und Herren! Die Leistungsbilanz der Koalition auf dem Felde der Funktionalreform ist wirklich erschütternd. Sie haben selbst anerkannt, dass am 17. Januar 2002 ein Aufgabenkatalog beschlossen worden ist, der zu den von Ihnen jetzt anvisierten Strukturen passt. Vor diesem Hintergrund hätte ich, zumal Sie am Anfang der Legislaturperiode noch sagten, man könne diese Aufgabenverlagerung in die vorhandenen Kreise vornehmen, wirklich erwartet, dass mehr passiert.
In dem Maße, wie Sie sich bei der Umweltverwaltung dank des Engagements von Frau Wernicke und der Vorarbeiten auf die Kommunen zu bewegt haben, haben Sie ihnen bei der Sozialverwaltung Aufgaben entzogen. Herr Kley ist doch der „Anti-Wernicke“.
Dabei ging es darum, dass wir die örtliche und die überörtliche Sozialhilfe bei den Kommunen zusammenführen. Das war unsere Beschlusslage am 17. Januar 2002.
Herr Minister Kley, Sie haben dann gesagt, in weiterer Zukunft wollten Sie es wieder kommunalisieren. Das finde ich toll. Aber erst einmal machen Sie das Gegenteil: Sie nehmen den Kommunen Aufgaben weg.
Tatsächlich sind Sie also nicht einmal mehr auf dem Stand vom 17. Januar 2002, sondern Sie sind dahinter zurückgefallen, meine Damen und Herren.
Herr Kosmehl, ich wäre froh, wenn Sie jedenfalls bis zum Ende der Legislaturperiode klar sagen würden, welche von den Aufgaben, die hier am 17. Januar 2002 beschlossen worden sind, es denn zur Mitte des Jahres 2007 sein sollen. Das ist das Mindestmaß an Verlässlichkeit, das wir von Ihnen erwarten können.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend sagen: Die Ausführungen von Herrn Minister Robra, den
ich sonst eher als einen sachlichen Debattenredner kenne, zu dem, was die Vorgängerregierung geleistet hat, fand ich sehr ungerecht.