Protocol of the Session on November 10, 2005

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Beim Hinausgehen aus dem Forum hörte ich so eine Bemerkung: Fangen wir mal mit dem alten Kaiser an. - Sicherlich, in Quedlinburg war ein Kaiser. Deswegen könnte man jetzt sagen: Quedlinburg war immer ein Zentrum. Dann verdient es jetzt wenigstens den Kreissitz.

Ich will es noch ein bisschen überspitzen und Ihnen sagen, dass aus meiner Sicht eigentlich alle drei Bewerber den Kreissitz verdient haben. Es kommt nur darauf an, unter welchen Aspekten man das betrachten will. Dazu will ich Ihnen einige Dinge nennen, die Sie vielleicht noch nicht wissen oder die man in Erinnerung rufen müsste.

Die Landesregierung hat sich bei den Kriterien, die hier zur Rede stehen, darauf berufen, dass sie messbar und sehr einfach bewertbar sind. Dieser klassische Kriterienkatalog negiert jedoch die strukturpolitischen Auswirkungen bei den bereits bestehenden Disparitäten. Zu diesen Disparitäten werde ich noch etwas sagen.

Wenn die Landesregierung dem Leitgedanken einer Stärkung der stärkeren Kreisstädte ohne Ausgleichsmaßnahmen folgt, wird sich das Gefälle zwischen den neuen Kreisstädten und den verbleibenden Mittelzentren verschärfen, was letztlich den derzeitigen Landesentwicklungsplan selbst infrage stellen wird.

Mit einer Neugliederung und Schaffung größerer Kreisgebiete hat das Land die Chance und die Möglichkeit, die Kreissitzbestimmung als Instrument landesplanerischer Entwicklung und Strukturpolitik zu nutzen. Da die Landesebene angesichts der bekannten finanziellen Situation zu Ausgleichsmaßnahmen wie im Fall der ersten Kreisgebietsreform nicht in der Lage ist, muss die Auswahl der Kreissitze selbst diese Funktion ausfüllen. Es ist eine Kernaufgabe politischer Verantwortung, ausgewogene Bedingungen und Lebensverhältnisse in den neuen Landkreisen zu schaffen.

Die Stadt Quedlinburg hatte im Jahr 1990 bedeutend schlechtere Startbedingungen als die Nachbarkreisstädte. Hierbei sind zu nennen: eine geringere Industriedichte, der vollständige Verlust der Saatgutproduktion als wichtiger Wirtschaftsfaktor in Quedlinburg und Probleme bei Neuansiedlungen insbesondere aufgrund archäologischer Funde von großer Bedeutung. Erschwerend kam hinzu, dass Quedlinburg bei der Verteilung von Landesbehörden deutlich benachteiligt wurde.

Auf der anderen Seite hat Halberstadt, was diese Frage betrifft, eine ganze Menge Vorteile erhalten, wie das Arbeitsgericht, die Agentur für Arbeit, das Gewerbeauf

sichtsamt, die Polizeidirektion, das staatliche Schulamt, das Straßenbauamt, die Staatsanwaltschaft, das Staatshochbauamt und nicht zuletzt einen Teil der Hochschule Harz. Die Folge war eine unterschiedliche Entwicklung der Arbeitslosenquote. Das sind eben die Dinge, die ich als Disparitäten bezeichnen würde.

Der mittelfristige Verlust von weiteren Arbeitsplätzen durch den Wegfall der Landkreisverwaltung und die damit verbundenen Steuerausfälle, der Kaufkraftschwund sowie ein Verlust an Urbanität wäre für den Landkreis und die Stadt Quedlinburg nur schwer zu verkraften. Die Bestimmung der Stadt Quedlinburg als künftiger Kreissitz wäre hingegen ein strukturpolitisches Zeichen und würde zu einer Aufwertung des Standortes führen. Zudem spricht für die Stadt Quedlinburg ihr internationaler Bekanntheitsgrad als Unesco-Weltkulturerbestadt. Mit diesem Titel könnte sich ein neuer Harzkreis schmücken und seine Reputation steigern.

Nun noch einige Bemerkungen allgemeiner Art. Wir haben uns mehrfach darüber unterhalten, wie schwierig die Entscheidungsfindung gewesen ist. Hierbei sind die Stichwörter „Kreisgebietsreform“ sowie „Entscheidung über die Kreisstadtsitze“ zu nennen. Wahrscheinlich haben im Vorfeld einige Abgeordnete nicht im Hinterkopf gehabt, dass ihnen, wenn sie für die Kreisgebietsreform und die damit in Verbindung stehenden Kriterien stimmen, die Geschichte dann auf die Füße fällt, wenn andere Kriterien herangezogen werden sollen.

Ich muss an dieser Stelle meine Rede beenden; denn die Redezeit ist abgelaufen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Maertens. - Für Wernigerode spricht Herr Schomburg.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auf der Tagesordnung der heutigen Landtagssitzung steht die Entscheidung zu den Sitzen der Kreisverwaltungen der neu entstandenen Kreise. Wie in keiner anderen Frage in den letzten Jahren wird es hierbei auf die persönliche Entscheidung jedes einzelnen Abgeordneten ankommen. Deshalb nehme ich heute auch im Namen von Herrn Metke das Wort, um im Fall des Harzkreises für den Standort Wernigerode zu werben.

Wir haben dem neuen Landkreis im und am Harz in der letzten Landtagssitzung zu Recht und gegen den Widerstand aus Niedersachsen den Namen Harzkreis gegeben. Damit erreichen wir, dass das positive Image des Begriffes Harz auf den neuen Landkreis übertragen wird. Sollten wir nun wirklich diejenige Stadt zum Sitz der Kreisverwaltung wählen, die am weitesten vom Kerngebiet, dem eigentlichen Harzgebirge, entfernt liegt?

Die Stadt Wernigerode, die sich mit einigen Stadteilen bis in den Harz hinein erstreckt, ist ideal für die Repräsentanz des neuen Harzkreises. Hinzu kommt, dass die Stadt Wernigerode diejenige ist, die bei nationalen Erhebungen am häufigsten mit dem Begriff Harz in Verbindung gebracht wird.

Sowohl bei der ersten Lesung als auch in der Anhörung ist immer wieder von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bewerberstädte gesprochen worden. Die

Landesregierung war der Meinung, es sei kein geeigneter Maßstab vorhanden, der dieses Kriterium objektiv bemessen könnte. Dem müssen wir widersprechen, da das in Halle beheimatete ISW bereits seit Jahren einen Vergleich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Landkreise, basierend auf mehreren Kriterien, erstellt. Dieser Vergleich wurde bisher unangefochten akzeptiert und kann somit auch bei der Entscheidung über den Kreissitz herangezogen werden.

Zieht man diesen Vergleich zu Rate, so ist festzustellen, dass Wernigerode die bei weitem leistungsfähigste Stadt im Westen Sachsen-Anhalts ist. Bei Wirtschaftsleistung, Steuerkraft, Arbeitslosenzahlen und Kaufkraft liegt Wernigerode vor seinen Nachbarstädten. Das Prognos-Institut bewertete Wernigerode innerhalb Sachsen-Anhalts mit den ersten Plätzen für Dynamik, Demografie und Wohlstand.

Dies hat umso mehr Gewicht, als dies nicht immer so war. Bis zum Jahr 1990 hatten die drei Bewerberstädte eine durchaus vergleichbare Wirtschaftskraft, die sich erst nach dem Jahr 1990 differenzierte. Die Gründe mögen vielfältig sein. Sie haben im Falle Wernigerodes aber mit dem zu tun, was ein Wernigeröder Unternehmer wie folgt beschreibt:

„Das Erfolgsrezept ist ein ganz besonderer Geist der Zusammenarbeit aller an der Region interessierten Menschen aus Politik, Kultur, Bildung und Wirtschaft. Dieser Geist nimmt mit und schafft ein positives Stimmungsbild, auch wenn nicht gleich alle Hoffnungen Realität werden.“

Weiter führte er aus:

„Es ist jedoch bitter nötig, dass der Geist von Wernigerode für die Entwicklung eines neuen Großkreises Harz genutzt wird. Die Aufgaben erlauben keine halbherzigen Entscheidungen zum Verwalten; es muss gestaltet werden.“

Die Wernigeröder wollen Ihr Vertrauen und Ihre Stimme nicht, weil sie etwas haben wollen, sondern weil sie etwas geben möchten.

Ein weiterer Faktor für die gute Entwicklung des Landkreises und der Stadt Wernigerode war die gute Zusammenarbeit zwischen der Stadt und dem Landkreis. Besonders deutlich wurde dies bei der Vernetzung der Verwaltungen und der Schulen sowie der Erstellung einer gemeinsamen Internetpräsentation. Die eng verzahnten Verwaltungsverfahren zwischen den Gemeinden und dem Landkreis zur Ansiedlung neuer und der Erweiterung vorhandener Unternehmen sind weithin bekannt und inzwischen ein eigener Standortfaktor. Besonders augenfällig ist dies in Wernigerode, wo sich zum Beispiel in den nächsten Wochen ein Betrieb aus dem Landkreis Halberstadt ansiedeln wird.

Viele andere Fakten lassen sich noch aneinander reihen, die den Standort Wernigerode herausheben. So erbrachte die Studie „Zukunftsfähige Gemeinden“ für Wernigerode die höchste Familienfreundlichkeit und der Familienatlas des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2005 gab der Stadt die Bewertung „Refugium für Familien“. Das umfangreiche Bildungsangebot mit der Hochschule Harz und dem Landesgymnasium als Flaggschiff sowie das herausragende Kulturangebot schaffen ein lebenswertes Umfeld für die Bewohner und sind ein Magnet für jährlich rund zwei Millionen Touristen, die die Stadt besuchen.

Dies alles hat dazu beigetragen, dass Wernigerode heute bundesweit zu einem Markenzeichen in der Wirtschaft und im Tourismus geworden ist. Diese positiv besetzte Marke nicht für den neuen Harzkreis zu nutzen wäre sträflich. Betriebe müssen viel Geld dafür ausgeben, um eine vergleichbare Markenentwicklung durchzusetzen.

Deshalb helfen Sie uns, eine solide Basis für das erfolgreiche Zusammenwachsen des Harzkreises zu legen. Unterstützen Sie bitte unseren Vorschlag, Wernigerode als Kreissitz des Harzkreises zu bestimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Schomburg. - Nun spricht für Halberstadt Frau Weiß.

(Frau Weiß, CDU: Ich spreche für die Region Harz!)

- Sie sprechen für den Kreissitz Halberstadt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Dass natürlich meine Vorredner für ihre Stadt werben, ist selbstverständlich. Dass ich und die anderen Abgeordneten - das sind Herr Dr. Eckert, Herr Kasten und Herr Daldrup - der Stadt Halberstadt den Vorzug geben, ist selbstverständlich.

Ihnen liegt heute die Drs. 4/2238 zur Bestimmung dieses Kreissitzes vor. Es wird Sie nicht verwundern, dass dieses Anliegen auch alle Abgeordneten des Stadtrates und des Kreisstages der Stadt Halberstadt in einer gemeinsamen Sitzung am 20. April 2005 unterstützt haben. Dieses ist nicht selbstverständlich und das hat es seit dem Jahr 1990 noch nicht gegeben.

Halberstadt in dem Gesetzentwurf zu benennen ist die einzig richtige Entscheidung. Die Stadt Halberstadt - das Tor zum Harz, wie wir in unserem Slogan heißen - ist seit Anfang des 19. Jahrhunderts Kreisstadt und hat diesen Status bis heute behalten. Des Weiteren war und ist die Stadt seit 1 200 Jahren regionales Zentrum. Leider kann ich Sie zu diesen Feierlichkeiten nicht mehr einladen; sie fanden im vorigen Jahr statt. Aber Sie können uns trotzdem besuchen kommen.

Nach dem Gesetz über den Landesentwicklungsplan des Landes Sachsen-Anhalt hat die Stadt Halberstadt gegenüber Quedlinburg und Wernigerode die höchste Priorität. Mit dem Gesetzesbeschluss aus den Jahren 1992 und 1999, zuletzt geändert in den Jahren 2003 und 2004, nimmt Halberstadt eine zentralörtliche Funktion ein.

Halberstadt ist im Landesentwicklungsplan als Mittelzentrum mit Teilfunktion eines Oberzentrums benannt und übernimmt damit überörtliche Funktionen im sozialen, im wissenschaftlich-kulturellen und im wirtschaftlichen Bereich für die Bevölkerung ihres Verflechtungsbereiches, das heißt für die Städte Quedlinburg und Wernigerode, mit, die die Funktion eines Mittelzentrums einnehmen.

Die drei Städte haben in der Region Harz eine unterschiedliche Gewichtung. Für die Stadt Quedlinburg spricht ihr internationaler Bekanntheitsgrad als UnescoWeltkulturerbe. Damit hebt sich der Sektor Tourismus heraus. Ein wesentlich wichtigerer Indikator für die Stadt

Wernigerode ist die wirtschaftliche Leistungskraft und der Tourismus aufgrund der Nähe zum Harz. Das Prägende für die Stadt Halberstadt ist der private und öffentliche Dienstleistungssektor sowie die positive Entwicklung zum Einzelhandelsstandort. Mit der Ansiedlung von Behörden und der damit verbundenen Versorgungsfunktion hat sich die Stadt genau nach den Zielen des Landesentwicklungsplanes entwickelt. Beim Verlust des Kreissitzes wäre Halberstadt am stärksten betroffen.

Aus diesen genannten Gründen bitte ich Sie, Ihre Entscheidung unter fachlich-sachlichen Gesichtspunkten und für das Land als Ganzes zu treffen, wie es auch im Fall Naumburg geschehen ist. Deshalb bitte ich Sie, für Halberstadt zu votieren. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Weiß. - Im Rahmen einer Kurzintervention spricht jetzt Frau Kachel.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns vor fast vier Jahren für den Landtag aufstellen lassen, um dieses Land voranzubringen. Mit der Annahme des Mandates tragen wir eine große politische Verantwortung. Erfahrungen belegen, dass Kirchturmdenken nur hemmt. Bei der Kreissitzentscheidung muss jeder von uns die Gesamtregion sehen, sprich den Harz ins Auge fassen.

Der Vorschlag der Landesregierung fußt auf den Vorstellungen zur Raumordnung und Landesentwicklungsplanung aus dem Jahr 1992. Aber diese sind nun durch die Wirklichkeit längst überholt. Ich sehe keinen logischen Grund für die in allen Begründungen zum Kreissitz verankerte Stärkung der bereits jetzt verwaltungsstarken Mittelzentren.

Synergieeffekte sind bei einer derartigen Konzentration von Behörden entweder nur geringfügig oder gar nicht zu erwarten. Warum muss das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung unbedingt zusammen mit der Staatsanwaltschaft oder dem Staatshochbauamt am Kreissitz angesiedelt werden? In der Bundesrepublik gibt es aufgrund des Föderalismus ein Bekenntnis zur Dezentralisierung; sonst hätten wir das Bundesamt für Umwelt nicht in Dessau.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, daran zu denken: Wenn per Landtagsbeschluss ein Mittelzentrum seine Behörden verliert, werden im Kreis gleichzeitig Hunderte von Arbeitsplätzen abgebaut und der wirtschaftliche Wachstumskern wird weiter geschwächt. Er wird überproportional schrumpfen; denn nicht nur Bevölkerung wird abwandern, sondern auch weitere Institutionen. Es wird sich eine Fehlentwicklung ergeben.

Im Jahr 1994 hat der Landtagsabgeordnete Klaus Jeziorsky in einer Debatte gefordert: Aus seiner Sicht wäre es seinerzeit günstiger gewesen, statt mit einem Finanzausgleich zu operieren, die ganze Problematik Kreissitz auch einmal unter der Maßgabe der Strukturförderung zu betrachten; dann hätten wir mit Sicherheit teilweise gesündere Verhältnisse im Landkreis. - Ich muss sagen, der jetzige Minister hat damals Recht gehabt.

Eine verantwortungsbewusste Landespolitik hätte Konsequenzen aus den Erfahrungen aus dem Jahr 1994 ziehen müssen. Der Verlust des Kreissitzes bedeutet für

Quedlinburg nicht nur den Verlust von Hunderten von Arbeitsplätzen, sondern auch den Verlust von Einwohnern, und das bei einer Stadt, die Unesco-Weltkulturerbe ist und 90 ha historische Bausubstanz erhalten muss. An dieser Stelle wird es durch die Fehlentscheidung große Probleme geben.

Eigentlich - das will ich zuletzt sagen - ist diese Landesregierung gar nicht so unsolidarisch. So hat sie die Finanzausgleichsumlage verändert. Den Gedanken, dass die Starken den Schwachen unter die unter Arme greifen müssen, kann ich nur gut heißen. Doch umso unverständlicher ist die jetzige Strategie.

Daher mein Appell: Stimmen Sie für Quedlinburg! Es ist die Chance, den Gesamtkreis Harz zu stärken. - Vielen Dank.