Rahmen der Gesetzeseinbringung ausführlich dargestellt worden. Auf eine erneute detaillierte Darstellung verzichte ich daher.
Für mich ist entscheidend, dass das in den Gesetzentwürfen niederlegte System nicht generell als falsch oder maßgeblich verbesserungsbedürftig angesehen werden kann; denn das von der Landesregierung entworfene Konzept einfacher, objektiv nachvollziehbarer und der Anzahl nach überschaubarer Kriterien besticht durch seine Einfachheit.
Wir können aber nicht die Tatsache ignorieren, dass die Vielzahl der Änderungsanträge ein Ausdruck dessen ist, dass sich der Diskussionsprozess bezüglich der Vorzüge einer jeden Kreisstadt nicht beliebig steuern lässt. Deshalb hat sich die CDU-Fraktion dazu entschlossen, die Abstimmung über die Gesetzentwürfe zu den Kreissitzen freizugeben. Damit hat sie deutlich gemacht, dass sie grundsätzlich jede der in Rede stehenden Kreisstädte für geeignet hält, Kreisstadt eines neu zu bildenden Landkreises zu sein.
(Zustimmung bei der CDU - Herr Dr. Polte, SPD: Trotz der vorgegebenen Kriterien! - Unruhe bei der Linkspartei.PDS)
Diese Entscheidung der CDU-Fraktion beinhaltet aber auch, dass wir uns nicht sklavisch an die in den Gesetzentwürfen festgelegten Kriterien binden lassen wollen.
Darüber hinaus wissen wir, dass die Rechtsprechung trotz eines vorgegebenen Systems im Einzelfall bei Vorliegen einer besonderen Begründung eine andere Entscheidung respektiert und dem Gesetzgeber einen weiten Beurteilungsspielraum einräumt.
Meine Damen und Herren! Wir alle wissen - auch der Innenminister hat es gesagt -, dass jede der bisherigen Kreisstädte die Funktion des Kreissitzes in einem der neuen Landkreise wahrnehmen könnte. Wir als Abgeordnete sind nun gefordert, nicht nur Partikularinteressen vor Ort zu berücksichtigen, sondern auch im Interesse des Landes eine Entscheidung zu treffen.
Die Schwierigkeit hat sich in den Anhörungen an der Vielzahl der eingeforderten und unterschiedlich gewichteten Kriterien eindrucksvoll gezeigt. Unser Ziel muss es sein, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen. Deswegen sollten wir uns heute trotz der Emotionen, die mit diesem Thema verbunden sind, auf eine sachliche Diskussion beschränken, damit wir heute die Kreisgebietsreform im Interesse unserer Bürger und des Landes zu einem guten Abschluss bringen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kolze. - Damit ist die Debatte, die den allgemeinen Teil betrifft, abgeschlossen. Bevor wir nun zu den speziellen Fragen kommen und Entscheidungen treffen, haben wir die Freude, Damen und Herren der Senioren-Union Sangerhausen sowie Gäste der Landeszentrale für politische Bildung begrüßen zu können.
Nun, meine Damen und Herren, kommen wir in der Einzelberatung zum Tagesordnungspunkt 1 a, zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung des Kreissitzes
des Landkreises Anhalt-Bitterfeld. Die Grundlage der Beratung ist die auf dem Gesetzentwurf basierende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres in der Drs. 4/2455. Dazu liegt ein Änderungsantrag mehrerer Abgeordneter in der Drs. 4/2487 vor.
Ich darf vielleicht noch einmal daran erinnern - die Kundigen werden es wissen -, dass die Beschlussempfehlung des Ausschusses stets mit dem Regierungsentwurf identisch ist, dass es hierbei keine Differenzen gibt.
Wir haben vereinbart, dass über die Gesetzentwürfe eine Debatte mit einer Redezeit von jeweils fünf Minuten geführt wird. Wenn es gewünscht wird, dann sind daneben Kurzinterventionen von drei Minuten möglich.
Ich werde jetzt streng auf die Einhaltung der Zeit achten. Ich habe bisher nicht so streng darauf geachtet; denn bisher ging es um Fragen von allgemeinem Interesse. Aber jetzt wäre es ein nicht gerechtfertigter Vorteil, wenn jemand länger oder ausgedehnter als jemand anderer reden könnte. Aus Gründen der Gleichbehandlung will ich daher streng auf die Zeit achten. Ich denke, wir werden nicht darauf achten, wenn mehrere Redner im Rahmen einer Kurzintervention jeweils eine dreiminütige Redezeit beanspruchen. Daran sollten wir nicht sparen. Aber auf die Einhaltung der Zeit werde ich aus Gründen der Fairness achten.
Wir beginnen nun mit der Debatte. Zunächst spricht jeweils der Redner, der für die Abgeordneten spricht, die den jeweiligen Änderungsantrag gestellt haben. Das ist zu dem Änderungsantrag pro Bitterfeld der Abgeordnete Herr Wolpert. Bitte schön, Herr Wolpert.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben Ihnen einen Änderungsantrag vorgelegt, der es verdient, nicht nur beachtet zu werden. Ich will versuchen, Ihnen nahe zu bringen, warum Sie ihm zustimmen sollten.
Der vorliegende Gesetzentwurf hat zur Begründung der Kreissitzwahl unter anderem die zentralörtliche Bedeutung als Kriterium herangezogen. Das ist unserer Auffassung nach richtig, weil die Entscheidung über den Kreissitz eine raumordnerische ist und im Zusammenhang mit der Einordnung in den Landesentwicklungsplan bereits andere Merkmale, wie vorhandene private und öffentliche Dienstleister, Infrastruktur und anderes, beachtet wurden.
Gleichzeitig werden für die unterschiedlichen Räume Ziele formuliert, die Entwicklungsverläufe vorgeben. Die zentralörtliche Bedeutung umfasst also Wirtschaftskraft und Wirtschaftspotenzial; sie bedeutet also auch die Einschätzung zukünftiger Entwicklungen.
Meine Damen und Herren! Bitterfeld ist ein Mittelzentrum mit der Teilfunktion eines Oberzentrums, weil dem Raum, in dem es liegt, Zukunft zugetraut wird. Das Gesetz berücksichtigt diese Teilfunktion bei Bitterfeld nicht.
„Die Nichtberücksichtigung der Teilfunktion im Gesetz zur Festlegung der Kreissitze bezogen auf Bitterfeld ist systemwidrig und damit das Gesetz verfassungswidrig.“
Ich will Ihnen einen weiteren Gedanken vortragen. Bitterfeld ist auch ein Symbol für Sachsen-Anhalt. Es steht mehr als eine andere Region im Land für Verwandlung, Flexibilität, Mut und Zuversicht. Bitterfeld hatte Ende der 80er-Jahre den traurigen Ruf, die dreckigste Stadt Europas zu sein. Wer sich an das Braunkohlekombinat, das Chemiekombinat und die Filmfabrik erinnert, sieht wieder die Bilder: „Silbersee“, Ruß auf der frischen Wäsche, Schwefel und anderes in der Luft, aus den Rohrbrücken tropfende Säure, Kontaminierung allerorten.
Die Menschen erlebten nicht nur den umweltpolitischen Gau, sondern fast den vollständigen Untergang der ansässigen Industrie. Wer heute nach 15 Jahren durch das Industriegebiet fährt, glaubt wirklich an einen Park. Bitterfeld zieht die Wirtschaft an. Neben altbekannten Größen wie Bayer, Linde, Heraeus und Solvay tummeln sich quirlige Neue wie Mawa, FEW Chemicals bis hin zu Q-Cells und Ever-Q und Co. im Chemiepark.
Meine Damen und Herren! Im Jahr 2002 hat die Flut der Mulde viel Schaden in und um Bitterfeld gebracht. Die Kraft und das Engagement, mit denen sich die Bevölkerung und die Helfer dagegen gestemmt haben, waren beispielhaft. Der aufgerichtete Sandsackdeich wurde das achte Weltwunder genannt, weil er mehr hielt und länger hielt, als er versprach. Als Nebeneffekt wurde der Tagebau Goitzsche geflutet. Wer jetzt dort entlanggeht, findet den Sandsackdeich nicht mehr, aber er findet dafür eine einzigartig gestaltete Freizeitlandschaft, die sich zu einem touristischen Highlight von Sachsen-Anhalt entwickelt.
Meine Damen und Herren! Die Menschen im Raum Bitterfeld haben die Umbrüche der letzten 15 Jahre sehr intensiv erlebt. Sie haben sie aber nicht nur hingenommen, sondern aktiv begleitet und gestaltet. Den Willen zur Zukunftsgestaltung und ihre Fähigkeit dazu haben die Menschen im Raum Bitterfeld zuletzt mit ihrem größten Wurf bewiesen: Die Städte Bitterfeld und Wolfen sowie die Gemeinden Greppin, Holzweißig und Thalheim haben sich zu einer Stadt zusammengeschlossen.
Meine Damen und Herren! Gestern ist der Gebietsänderungsvertrag von der Kommunalaufsicht genehmigt worden. Damit entsteht die größte kreisangehörige und zugleich die viertgrößte Stadt des Landes mit 50 000 Einwohnern.
Die Menschen in Bitterfeld haben die Ziele des Landesentwicklungsplanes ernst genommen. Sie haben den Raum mit Verdichtungsansätzen zu einer Stadt gemacht. Dabei haben sie Ängste und Bedenken mit Mut und Zuversicht überwunden. Meine Damen und Herren! Das ist ein Meisterstück. Geben wir den Menschen einen Meisterbrief. Stimmen Sie bitte für Bitterfeld als Kreissitz. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Wolpert. - Nun kommen wir zu dem Votum für Köthen. Es spricht der Abgeordnete Herr Dr. Sobetzko. Bitte schön.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung spricht sich für Köthen als neuen Kreissitz des künftigen Landkreises Anhalt-Bitter
feld aus. Auch der Ausschuss für Inneres hat sich ohne Gegenstimme in seiner Beschlussempfehlung diesem Regierungsentwurf angeschlossen.
Nachdem zwei wichtige Etappen genommen wurden, geht es heute darum, auch die Zustimmung der Abgeordneten, Ihre Zustimmung, zu erreichen. Dafür, meine Damen und Herren, möchte ich sehr herzlich werben.
Wie Sie wissen, war der Weg bis zu der heutigen Entscheidungsfindung geprägt durch zahlreiche Diskussionen über sehr unterschiedliche Vorschläge in den heutigen Landkreisen Köthen und Bitterfeld und darüber hinaus. Gerade deswegen habe ich mich sehr darüber gefreut, dass am Ende des Diskussionsprozesses Köthen als Kreisstadt nominiert worden ist.
Diese Entscheidung ist fachlich richtig und, wie ich meine, im Übrigen auch gut für Sachsen-Anhalt. Fachlich richtig ist sie deshalb, weil die Stadt Köthen alle von der Landesregierung für die Entscheidung über die Kreissitze zugrunde gelegten Kriterien erfüllt.
Keine Rolle kann es für die heute zu treffende Entscheidung spielen - diesbezüglich teile ich die Einschätzung der Landesregierung -, dass den Städten Bitterfeld und Wolfen im Landesentwicklungsplan eine oberzentrale Teilfunktion zuerkannt worden ist. Alle Fachleute wissen, dass dies nur wegen der Zuordnung zum Oberzentrum Halle
und wegen der damals erhofften Entlastungswirkung für dieses Oberzentrum erfolgt ist. Heute wissen wir, dass diese oberzentrale Funktion weder von den Städten Wolfen und Bitterfeld noch bzw. erst recht nicht von der Stadt Bitterfeld allein, der diese Teilfunktion allein ohnehin nicht zusteht, wahrgenommen wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Allein Bitterfeld steht nach den von der Landesregierung für die Entscheidung über die Kreissitze vorgegebenen Kriterien heute zur Entscheidung an. Danach kommt es hinsichtlich der zu berücksichtigenden Einwohnerzahl darauf an, dass die Gebietszusammenschlüsse zum Zeitpunkt der parlamentarischen Beschlussfassung bereits wirksam geworden sind, das heißt vollzogen worden sind. Hiervon kann bei der Fusion von Wolfen unter anderem mit Bitterfeld nicht ausgegangen werden, weil diese Fusion erst im Jahr 2007 wirksam wird.
Meine Damen und Herren! Im Übrigen ist auch das Verfahren der Fusion beider Städte noch nicht abgeschlossen. Mittlerweile liegt zwar die Genehmigung der Kommunalaufsichtsbehörde vor, nach § 18 Abs. 3 der Gemeindeordnung Sachsen-Anhalt sind jedoch darüber hinaus auch die Gebietsänderungsvereinbarung und die Genehmigung im Amtsblatt des Landkreises zu veröffentlichen. Dies ist bis heute nicht geschehen. Es konnte auch nicht geschehen, weil die Genehmigung erst gestern zugestellt worden ist. Damit fehlt es zusätzlich an der Voraussetzung einer wirksamen Fusion.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nach den Ausführungen zu diesen eher technischen Gesichtspunkten noch einige Sätze zu den so genannten weichen Vorzügen Köthens sagen.
Wir Köthener haben hinsichtlich der Kreisgebiets- und der Kreissitzfrage einen langen Leidensweg und eine Belastung am Rande des Erträglichen erfahren müssen. Wir haben feststellen müssen, dass kommunale Vorvereinbarungen nicht eingehalten wurden, dass eine Fixie
rung auf einen größeren Anhaltkreis keine Partner fand, dass unser Kreissitz über einen kleineren Anhaltkreis nicht zu verwirklichen war und dass nunmehr der kleinere Partner Bitterfeld unsere offensichtlich vorhandenen Vorzüge nicht für eine gemeinsame Kreisstadt nutzen möchte.
Meine Damen und Herren! Köthen hat als ehemalige kulturhistorische Residenzstadt mit bekannten anhaltischen Fürstenhäusern und einem überregionalen Verwaltungssitz einen deutschlandweiten Ruf und durch seine bis in die Gegenwart hinein vorhandenen Alleinstellungsmerkmale mit Blick auf die Barockmusik Johann Sebastian Bachs, auf die Homöopathie von Hahnemann und Lutze sowie auf viele weitere Kulturgrößen und Kulturstätten einen internationalen Ruf erlangt. Das hat unsere Stadt geprägt. Sie ist eine der schönsten größeren Städte des Landes Sachsen-Anhalt und damit eines seiner markantesten Aushängeschilder geworden.
Von besonderer Bedeutung ist die anhaltische Hochschule in Köthen, die deutschlandweit unseren Wissenschaftsstandort fixiert. Die ständig steigende Anzahl ausländischer Studenten weist auf die Attraktivität der Ingenieurstudiengänge hin, von denen ich lediglich die Elektrotechnik, die Biotechnik und die Lebensmitteltechnik hervorheben möchte. Es spricht für unsere Hochschule, dass sich bayerische Unternehmen nach unseren Absolventen reißen.
In einem gemeinsamen Kreis werden wir eine fruchtbare wissenschaftliche Zusammenarbeit organisieren. Diese Zusammenarbeit erfordert auch eine ausreichende Verwaltungskraft, eine ausreichende Verwaltungskapazität. Über diese verfügt Köthen mit einer Verwaltungsgrundfläche von 15 000 m².
Last, but not least weist Köthen die geringste Abwanderungsrate aller Städte auf. Die Menschen fühlen sich bei uns also wohl. Ein Kreissitz braucht dieses Wohlgefühl seiner Bürger, braucht die Identifikation der Bürger mit ihrer Kreisstadt.