Im Übrigen war das Konstrukt des TOA bei seiner Einführung im Jahr 1990 auch keinesfalls unumstritten. Inzwischen beobachte ich aber durchaus positiv, wie sich Minister Becker alljährlich für die Mittel in diesem Bereich stark macht. Ich denke, es lohnt sich auch, sich dafür stark zu machen.
Deshalb wird sich meine Partei auch weiterhin gegen eine Verschärfung und für Veränderungen des Jugendgerichtsgesetzes im Sinne des Erziehungsgedankens stark machen. Ich denke, zur Politik gehört eben auch der Mut, Neues auszuprobieren. Denn wir sind nicht ohnmächtig, sondern wir können alternative Methoden zum Jugendarrest nutzen und vor allem den Menschen erklären, dass ihre Sicherheit dadurch keineswegs gefährdet ist.
In diesem Sinne rege ich an, dass wir uns im Rechtsausschuss im Rahmen einer Selbstbefassung intensiv in ein Gespräch mit weiteren Fachleuten begeben. Ich denke, unsere jeweilige Meinung kennen wir nun hinlänglich. Jetzt sollte auch mal der Sachverstand von außen zu Wort kommen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Eines habe ich noch: Ich gehe natürlich noch auf Sie ein, Herr Kley. Ich denke, Sie wissen, dass mit dem Auslaufen des Programms der Schulsozialarbeit auch die Gelder ausgelaufen sind. Die Mittel der Jugendpauschale allein, auch wenn sie im FAG veranschlagt sind und noch nicht einmal mehr kofinanziert werden müssen,
reichen allein nicht aus. Sie wissen selbst, wie viele Projekte deshalb weggefallen sind. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Ich danke allen Vorrednern für ihre Beiträge, die unterschiedlich nuanciert waren, aber letztlich doch zu dem gleichen Ergebnis gekommen sind: dass Jugendarrest eine Erziehungsmaßnahme unter vielen ist und dass wir auf dem richtigen Weg sind, diesen Jugendarrest weiterhin so anzuwenden, wie er jetzt im Land angewendet wird.
Ich bin auch der Auffassung, dass es sicherlich gut ist - damit nehme ich die Anregung meiner Vorrednerin Frau von Angern auf -, dass sich der Rechtsausschuss einmal im Rahmen der Selbstbefassung intensiv mit diesen Fragen befasst.
Ich möchte zunächst die Mahnung des Kollegen Rothe in den Vordergrund rücken, der gesagt hat: Das Grundgesetz verbietet es dem Parlament, sich als Oberrichter hinzustellen und zu sagen: Dieses Urteil ist gut und jenes Urteil ist nicht gut. Damit haben Sie selbstverständlich Recht, Herr Rothe. Diese Zurückhaltung müssen sich sowohl die Regierung als auch das Parlament auferlegen. Wir haben die Gewaltenteilung zu respektieren und dürfen uns nicht positiv oder negativ über die dritte Gewalt auslassen.
Es ist uns aber sicherlich nicht verwehrt, ein Urteil zum Anlass zu nehmen, über das eine oder andere nachzudenken, und festzustellen, wie zum Beispiel die Öffentlichkeit reagiert. Ich kann wirklich nicht erkennen - Herr Rothe, darüber müssen wir uns dann vielleicht noch einmal unterhalten -, wo in dem Antrag der CDU-Fraktion eine Benotung vorgenommen würde. Es heißt in der Begründung lediglich:
„Gerade der oben geschilderte Fall zeigt, dass das Jugendstrafrecht auch auf ein solches intensives Instrument angewiesen ist.“
Dies ist doch keine Bewertung. Man nimmt diesen Fall lediglich zum Anlass, über die Wirksamkeit des Jugendarrests nachzudenken. Darin kann ich keine Benotung erkennen.
Ich möchte aber feststellen, dass die Öffentlichkeit die Reaktionen, die erfolgt sind, nämlich dass man vom 26. auf den 28. September 2005 gehandelt hat, positiv bewertet hat. Am 26. September 2005 kam es zu dem Vorfall, eine 16-Jährige schlug einer 15-Jährigen mit einem Schlagring auf den Kopf. Das Furchtbare ist: Es geschah früh am Morgen, um 7 Uhr, zu einer Zeit, zu der im Grund genommen noch überhaupt keine Aggressionen aufgestaut sein können; da steigt man eigentlich erst aus dem Bett.
Ich hätte die Frage am Ende ohnehin gestellt, aber Sie haben das schon am Anfang thematisiert. Es geht um den Satz, den Sie vorgelesen haben:
„Gerade der oben geschilderte Fall zeigt, dass das Jugendstrafrecht auch auf ein solches intensives Instrument angewiesen ist.“
Herr Becker, das bedeutet doch nichts anderes, als dass hier bewertet wird: Wenn man diesen Fall nicht so beantwortet hätte, hätte man ein entsprechendes Instrument fehlerhaft nicht angewendet. Das ist doch relativ klar.
Ich frage Sie als Justizminister - ich bin da offen; denn ich bin zum Glück kein Jurist, ich bin Politiker,
Sie meinen also, dass eine solche Form der Behandlung eines spezifischen Gerichtsurteils bei uns im Landtag üblich sein sollte? Ich stelle diese Frage deshalb, weil wir es dann nicht nur in diesem Fall so machen sollten; dann müssten wir es immer so machen. Wir können uns dann aber nicht gegenseitig vorwerfen, dass wir hier Gerichtsurteile bewerten.
Herr Gallert, ich habe ausdrücklich gesagt, wir können uns nicht zum Oberrichter über ein Gerichtsurteil aufschwingen, aber wir können einen Vorgang natürlich zum Anlass für eine Aktuellen Debatte nehmen. Das ist doch ganz klar. Ein Fall kann doch etwas auslösen. Die Frage nach der Notwendigkeit und der Zweckmäßigkeit von Zuchtmitteln kann doch von so einem Fall ausgehend behandelt werden. Mehr als das ist nicht gesagt worden. Ich kann also den Vorwurf, der von Herrn Rothe erhoben worden ist, in diesem Punkt nicht nachvollziehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte sagen, dass die Jugendpolitik meines Hauses - neben dem Haus des Kollegen Gerry Kley sind auch wir für Jugendpolitik zuständig - mehrfach unter die Überschrift „Grenzen setzen und Hilfen anbieten“ gestellt worden ist.
Ich erinnere an die Diskussion über die Änderung der Diversionsrichtlinien, die wir in diesem Hause geführt haben, oder an die schon erwähnte Diskussion über das Jugendstrafrecht, die vor der Sommerpause in diesem Haus stattgefunden hat. Ich bin auch der Meinung, dass Schulsozialarbeit und andere Maßnahmen zunächst Vorrang haben müssten vor allen Sanktionen, die wir dann anwenden.
Der Grundkonsens, dass Prävention vor Repression zu stellen ist, darf uns aber nicht daran hindern, dort, wo es unumgänglich ist, auch die notwendige Härte zu zeigen. Dafür haben wir einen Instrumentenkoffer, den wir alle kennen.
Ich möchte dieses Hohe Haus nicht für eine Lehrstunde zum Jugendstrafrecht missbrauchen; dennoch möchte ich Sie darauf hinweisen, dass der Jugendarrest in der Form des Freizeit-, des Kurzzeit- und des Dauerarrestes eine kurzfristige Freiheitsentziehung ist und einen sühnenden und erzieherischen Einfluss haben soll. Er soll den Jugendlichen bzw. den Heranwachsenden zur Selbstbesinnung führen, ihm dringlich bewusst machen, dass er, der Jugendliche, für begangenes Unrecht einzustehen hat. Künftigen Verfehlungen will man auf diese Art und Weise mit sozialpädagogischen Hilfen vorbeugen.
Zur Historie wissen wir, dass der Jugendarrest in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eingeführt wurde. Damals sind von der Jugendgerichtsbewegung harte Erziehungsstrafen gefordert worden. Die DDR hat den Jugendarrest als „nationalsozialistische Erfindung“ abgeschafft - das war er im Grunde genommen gar nicht; denn er war schon lange Zeit vorher gefordert worden -, um ihn dann im Jahr 1968 unter der Bezeichnung „Jugendhaft“ als kurze Freiheitsentziehung wieder einzuführen.
Wie sieht es in Europa aus? - Europäische Nachbarn wie Großbritannien, die Niederlande und die Schweiz haben ähnliche Einrichtungen geschaffen.
Lange Zeit gab es ideologische Positionen, die den Jugendarrest verteufelten. Bei aller Kritik darf aber nicht verkannt werden, dass die Verurteilten nicht einfach weggesperrt werden; vielmehr werden sie im Arrestvollzug von engagierten Vollzugsleitern und helfenden Kräften erzieherisch betreut.
Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass selbstverständlich auch für mich der Erziehungsgedanke im Mittelpunkt der zu verhängenden Sanktionen steht. Daher kommt es wesentlich auf die Ausgestaltung des Arrestes an.
Nach § 90 des Jugendgerichtsgesetzes soll der Jugendarrest erzieherisch gestaltet werden. Dort heißt es:
„Er soll dem Jugendlichen helfen, die Schwierigkeiten zu bewältigen, die zur Begehung der Straftat beigetragen haben.“
Dieses Ziel kann umso besser erreicht werden, je schneller der Arrest nach der Tat und der Verurteilung vollstreckt wird. Der in Rede stehende Fall ist ein Beispiel, an dem ganz deutlich geworden ist, wie das ablaufen kann und welche Auswirkungen das hat. Wenn Sie sich mit Schülern oder Lehrern an der betreffenden Sekundarschule unterhalten, dann werden Sie als Reaktion hören - das konnten wir den Medien entnehmen -, dass man das schnelle Reagieren als etwas Positives empfunden hat.
Deshalb ist der Jugendarrest nach der Jugendarrestvollzugsordnung in der Regel unmittelbar, nachdem das Urteil Rechtskraft erlangt hat, zu vollziehen. Hierbei wirkt sich der von mir immer wieder gebrauchte Satz „Schnelles Recht ist gutes Recht“ aus. Das ist also auch in Gardelegen geschehen.
Wir versuchen das übrigens in Sachsen-Anhalt immer so zu tun. Ich muss jedoch feststellen, dass wir nur eine
Jugendarrestanstalt haben, und dort gibt es nicht genug Arrestplätze. Deshalb werde ich den Vorfall von Gardelegen zum Anlass nehmen und prüfen, ob eine Beschleunigung des Vollzugs des Jugendarrests zum Beispiel dadurch erreicht werden kann, dass im Rahmen der Nutzung bereits vorhandener Jugendvollzugseinrichtungen auch eine Jugendarresteinrichtung im Norden des Landes vorgehalten werden kann. Das befindet sich bereits in der Prüfung.
Wir haben bislang nur eine einzige Anstalt im Süden, in Halle. Das führt zu weiten Anfahrtswegen, insbesondere bei den kurzen Freizeitarresten oder Erziehungsarresten, die am Wochenende abgegolten werden, sodass Richter sich oft die Frage stellen, ob die Fahrt nach Halle sich eigentlich lohnt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf auch sagen, dass sich der Bundesrat mit Mehrheit für den Jugendarrest ausgesprochen hat. Er sieht darin ein Mittel, um den Jugendlichen unmissverständlich deutlich zu machen, dass eine Verhaltensänderung notwendig ist. Der Arrest ermöglicht zudem eine heilsame Trennung aus dem ungünstigen Umfeld. Diese Auffassung hat der Bundesrat mehrfach zum Ausdruck gebracht und auch die Justizminister haben entsprechend votiert.
Wenn der Jugendarrest im Sinne des so genannten kurzen, scharfen Schocks für die Betreffenden helfen kann, eine Jugendstrafe zu vermeiden, so liefe seine Abschaffung dem Erziehungsgedanken des Jugendgerichtsgesetzes eigentlich zuwider.
Ich meine abschließend feststellen zu können: Der Jugendarrest hat sich bewährt. Einer meiner Vorredner hat auch darauf hingewiesen, dass wir in Bezug auf die Vollziehung des Jugendarrests im Vergleich der Bundesländer weit vorn liegen. Die meisten Jugendarreste werden hier im Lande vollzogen und das ist gut so.
Ich darf zweitens feststellen: Wir werden alles in unserer Macht Stehende unternehmen, damit dieses Zuchtmittel erhalten bleibt und gegebenenfalls noch ausbaut wird, etwa mit dem so genannten Warnschussarrest, der, wie Sie alle aus unserer bisherigen Diskussion wissen, im Gespräch ist. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister Becker. - Damit ist auch dieses Thema abgehandelt worden, die Aktuelle Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 2 abgeschlossen.