Protocol of the Session on October 7, 2005

Die Bereitschaft vieler junger Menschen, in unserer demokratischen Gesellschaft mitzuwirken und Verantwortung zu übernehmen, zeigt aber auch die Notwendigkeit zu einem Mut zur Erziehung. Denn konkrete Mitwirkung und Übernahme von Verantwortung werden nur dann gelingen, wenn sie verbunden werden mit Tugenden wie Fleiß, Ordnung, Pflichterfüllung.

(Zustimmung von Frau Feußner, CDU)

Sie werden gleichsam der soziale Kitt, der ein Zusammenleben erst ermöglicht. Ohne die Einübung solcher Sekundärtugenden wird es auf Dauer nicht gelingen, die hohe Mitwirkungsbereitschaft junger Menschen in konkretes Handeln umzusetzen.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie bilden die Ethik des Selbstverständlichen, von der die Demokratie lebt. Die klassischen Erziehungsinstanzen Familie und Schule allein mit der Vermittlung dieser sozialen Tugenden zu beauftragen, würde bedeuten, sie zu überfordern. Öffentlichkeit, Medien, Parteien, Verbän

de und Kirchen bleiben aufgefordert, an dieser Aufgabe mitzuwirken und ihre Verantwortung dafür wahrzunehmen.

Lassen Sie mich zum Abschluss meines Vortrages all denen danken, die in vielen Stunden täglich oder wöchentlich dazu beitragen, dass Sachsen-Anhalt ein lebens- und liebenswertes Land wird und bleibt. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, von Herrn Bischoff, SPD, von Frau Budde, SPD, und von der Regie- rungsbank)

Vielen Dank, Herr Schomburg. - Meine Damen und Herren! Wir schließen die Aktuelle Debatte ab mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht zu Ihnen Herr Dr. Fikentscher. Bitte sehr, Herr Dr. Fikentscher.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das ehrenamtliche bürgerschaftliche Engagement ist so aktuell wie das Wetter. Insofern könnten wir täglich darüber debattieren. Es ist auch in seiner Vielfalt und seiner Auswirkung auf unsere Gesellschaft von ähnlicher Bedeutung. Deswegen ist es sehr richtig und gut - ich habe es sehr begrüßt -, dass der Ministerpräsident hierzu das Wort genommen hat. Denn es ist tatsächlich eine Querschnittsaufgabe; man darf es nicht auf ein Ressort, auf einen Bereich zurückstutzen.

Aber irgendetwas muss bei der Koordinierung in der Koalition doch schief gelaufen sein. Jedenfalls haben Sie das Thema vorübergehend einmal aus dem Auge verloren. Ich darf daran erinnern, dass am 6. Juli - das ist heute schon erwähnt worden - eine Ehrenamtskonferenz von Ihnen durchgeführt worden ist. Am 8. Juli hatten wir dann hier im Landtag die Diskussion über den PDSAntrag. Der Antrag ist in den Ausschuss für Kultur und Medien und mitberatend in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales überwiesen, aber bis jetzt noch nicht beraten worden.

Man hätte, Ihr Engagement vorausgesetzt, in den Ausschüssen schon etwas tun können.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Feußner, CDU: Aber der Ausschussvorsitzende kommt doch aus Ihrer Partei!)

Diesen Antrag hätte man um denjenigen, den Sie haben, ergänzen können. Das ist aber nicht geschehen.

Sie haben, wie Sie selbst schreiben, den Antrag im September für heute angekündigt und den Antrag nun im Oktober eingebracht und dazu noch eine Aktuelle Debatte beantragt. Warum das notwendig ist, erschließt sich höchstens, wenn man auf den nächsten Sonntag in Gommern schaut.

(Beifall bei der SPD)

Das könnte vielleicht einen Grund haben: die damit verbundene Aufforderung, dass in den Medien darüber berichtet werden möge. Die Begründung für die Aktuelle Debatte ist natürlich mit dem Hinweis auf die hessische Ehrenamtsstudie von Anfang September dieses Jahres nicht ganz aus der Luft gegriffen; man hätte es allerdings auch anders einbringen können. Dass der Regierende Bürgermeister von Berlin am 9. September dieses Jahres die ersten Freiwilligenpässe übergeben hat oder die

Ehrenamtskonferenz am 6. Juli dieses Jahres sind auch Zeichen dafür, wie wichtig das Thema von allen genommen wird.

Ein Wort zur hessischen Landesregierung bzw. zu der Studie. Das ist eine dicke Studie von 80 Seiten Umfang, die erst kürzlich erschienen ist. Sie fußt auf einer Vergleichsuntersuchung aus dem Jahr 1999 und heißt: „Gemeinsam aktiv. Bürgerengagement im Land Hessen“. Die Landesehrenamtsagentur hat sie herausgegeben.

Im Vorwort schreibt Ministerpräsident Koch unter anderem: Besonders wichtig sei, die Unsicherheiten beim Versicherungsschutz seien nun Vergangenheit. - Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der schon in der Debatte im Juli mit zur Sprache kam und heute an verschiedenen Stellen wieder angesprochen worden ist.

Es wünscht sich also jeder, dass der Versicherungsschutz ausgebaut wird. Ministerpräsident Koch wünscht sich für den Rest Deutschlands, dass andere Länder dem hessischen Beispiel folgen sollten. Das, glaube ich, sollten wir auch tatsächlich tun; denn es hat sich herausgestellt, dass wir insgesamt beim ehrenamtlichen Engagement und damit auch bei der staatlichen Förderung und Organisation des Ganzen ein wenig zurückgeblieben sind.

Es gibt aber inzwischen ein Heft, das hauptsächlich von den Sparkassen herausgegeben worden ist mit der Überschrift: „Sicher engagiert - Versicherungsschutz im Ehrenamt“. Darin können Sie nachgucken, jeder kann nachgucken, welchen Versicherungsschutz man in Anspruch nehmen kann, wo man sich erkundigen kann, was in dem einzelnen Amt möglich ist. Versicherungsschutz im Ehrenamt: Unfallversicherung, Haftpflicht, weitere Versicherungen, die entsprechenden Adressen, das kann man alles entnehmen.

Die Publikation gibt Orientierung und greift denjenigen unter die Arme, die sich ehrenamtlich engagieren, und auch denjenigen von uns, die den Ehrenamtlichen Hilfe angedeihen lassen. Das alles gibt es also schon. Vielleicht sollte das auch in unserem Land Schule machen.

Es wird darin auch über Sammelverträge für die Engagierten informiert. Diese Sammelverträge sind staatlicherseits abgeschlossen worden. Eine schöne Landkarte ist dazu abgebildet: die westlichen Bundesländer, nicht die südlichen und nicht die östlichen außer Berlin, sind schon dabei. Sachsen-Anhalt ist noch nicht dabei. Es wäre durchaus möglich, dass sich das Land dem anschließt. Sechs Bundesländer sind dabei, Hessen auch.

(Zustimmung bei der SPD)

Nun noch ein paar Bemerkungen zu dem Antrag, der mit der Aktuellen Debatte verbunden ist, was vernünftig ist. Der erste Punkt, die Bedeutung des Ehrenamts, das weiß jeder, das können wir abhaken. Das ist eine klare Sache und dem widerspricht niemand. Dass der Landtag all den Ehrenamtlichen dankt, ist auch eine schöne Geste; das machen wir gern, bringt aber auch nichts weiter.

(Frau Feußner, CDU: Na also, so nun auch nicht! Das finde ich abwertend!)

- Ich habe es doch nicht abgewertet. Sie haben es geschrieben und ich habe nur gesagt, dass es gut ist und dass wir dazu stehen. Aber darüber brauchen wir jetzt nicht zu streiten.

Der vierte und letzte Punkt, die Aufforderung an die Medien: Ich beteilige mich auch gern einmal an Medienschelte, aber die Medien berichten jedenfalls bei uns, in der „Mitteldeutschen Zeitung“, vergleichsweise viel über ehrenamtliches Engagement, über einzelne Personen oder Gruppen. Sie können aber immer noch mehr machen, und sie aufzufordern, mehr zu berichten, ist in Ordnung.

Kernstück Ihres Antrages ist aber der dritte Punkt. Darin wird zunächst die Landesverwaltung aufgefordert, bürgerfreundlicher zu werden. - Das sollten wir einmal beschließen. Wir beschließen einfach einmal, die Landesverwaltung wird bürgerfreundlicher. Dann hätten wir es doch.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Dass ein gestuftes Anerkennungssystem ausgearbeitet werden muss, das ist auch richtig. Die Landesregierung ist offensichtlich schon dabei, daran zu arbeiten, wenn auch ein bisschen verzögert. Ich sagte schon, wir sind ein klein wenig Entwicklungsland in dieser Hinsicht, aber dennoch ist es gut, dass die Landesregierung daran arbeitet.

Die Modernisierung der Verwaltungs- und Zuwendungspraxis: Im Mai dieses Jahres ist schon der Runderlass des Finanzministers gekommen; der Herr Ministerpräsident hat es erwähnt. Es wäre interessant zu erfahren, was er gebracht hat. Ein bisschen Laufzeit muss man ja einem solchen Erlass geben. Wir werden demnächst sicherlich einmal herausfinden müssen, an welcher Stelle der Erlass etwas gebracht hat. Ich höre immer wieder, dass die Vereine und Verbände, die auf ehrenamtliches Engagement angewiesen sind, unverändert große Schwierigkeiten haben, an Mittel heranzukommen. Ob der Erlass selbst oder seine Umsetzung daran etwas ändern konnte, das lässt sich jedenfalls im Moment für uns noch nicht herausfinden.

Kernstück des Ganzes ist tatsächlich die Modernisierung der Zuwendungspraxis, weil es um das Geld geht, das überall fehlt. Wir müssen feststellen, je besser es einem Land geht, je höher der durchschnittliche Wohlstand ist, umso besser ist auch das ehrenamtliche Engagement. Die Länder und Gegenden, die es am nötigsten hätten, haben also am wenigsten von ehrenamtlichem Engagement. Das ist ein natürlicher Zusammenhang, den wir leider nicht ganz auflösen können, aber mit öffentlicher Hilfe vielleicht ein klein wenig besser machen können.

Ihre weiteren Punkte wie etwa eine Bundesratsinitiative: Nun gut, das kommt öfters vor. Vielleicht kann man in den künftigen Koalitionsvertrag auch diese Punkte mit einbringen. Dieser Vertrag soll ja sehr intensiv verhandelt werden und wird sicherlich sehr viele Punkte enthalten. Das wäre eine Gelegenheit. Dann muss man nicht den Umweg über den Bundesrat gehen.

Fortbildungssysteme gibt es zum Teil schon. Das ist eine schwierige Angelegenheit. Ressortübergreifend wird man im Ausschuss darüber reden können.

Schließlich Handreichungen: Ich habe eine von den wichtigen Handreichungen, die es woanders schon gibt, erwähnt. Das wird man machen müssen, weil sich fast alles immer auf den Versicherungsschutz konzentriert. Sammelversicherungen erwähnte ich; Sachsen-Anhalt sollte diesen Schritt gehen.

Es gibt allerdings noch andere Punkte, die in Ihrem Antrag nicht enthalten sind und die wir in den Ausschuss einbringen werden und diskutieren müssen wie zum Beispiel den Aufbau von Freiwilligenagenturen. Es gibt bisher erst eine arbeitsfähige Agentur in Halle. Im Harz und in Magdeburg sind sie im Begriff, sich aufzubauen. Das reicht noch nicht. Ich weiß aus Halle, dass die Sache funktioniert und dass viel geschieht. Es sind viele sehr engagierte Leute dabei, die das organisieren, weil es viele Menschen gibt, die sagen, sie wollen etwas tun. Darin finden diese eine Stelle, die ihnen sagt, jawohl, für Sie, für dich ist etwas dabei. Das sollte man weiter aufbauen.

Das Landesnetzwerk sollte auch ausgebaut werden. Bundesnetzwerke - wir haben schon beim vergangenen Mal kritisch darüber diskutiert. Ich möchte nicht, dass das Ehrenamt verstaatlicht wird.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Ich möchte aber natürlich gleichzeitig, dass man den Ehrenamtlichen die Hilfestellung gibt, die notwendig und seitens des Landes, des Staates möglich ist. Den richtigen Weg zu finden, wird in einem insgesamt relativ armen Land besonders schwierig sein.

Meine Damen und Herren! Kurzum, dieses Thema ist wichtig und vielfältig. Sachsen-Anhalt hinkt in einigen wichtigen Punkten anderen Bundesländern hinterher. Wir müssen aufholen, wir müssen uns gemeinsam anstrengen. Die Regierung sollte handeln und sich das Beispiel Hessen vor Augen führen. Inzwischen gibt es ja dieses schöne Papier, in das man hineinschauen kann, wie man das alles machen kann.

In den Ausschüssen sollte nun zügig beraten werden - nicht liegen lassen. Wir hatten eigentlich die Absicht, alle Ausschüsse außer dem Petitionsausschuss damit zu beschäftigen, aber das würde ein bisschen zu weit führen, weil wir das Ganze dann vielleicht so lange beraten, bis es der Diskontinuität verfällt. Wir schlagen also die Ausschüsse für Kultur und Medien, für Inneres, für Soziales und Gesundheit und natürlich auch für Finanzen, weil das Thema mit einer Menge Geld zu tun hat, vor.

Der Beitrag des Ministerpräsidenten hat gezeigt, dass die Regierung das Thema ernst nimmt, dass sie von sich aus in einigen Punkten schon tätig ist. Hoffentlich können wir also in den Ausschüssen gemeinsam gut darüber beraten. Wir haben auf einen Änderungsantrag verzichtet, mit dem wir all das, was ich jetzt gesagt habe, hätten einbringen können. Das kann alles im Ausschuss geschehen.

Ich bin nicht ganz der Meinung von Frau Paschke - sie hat es vielleicht auch nicht so gemeint -, dass wir jetzt damit abtauchen sollten, sondern wir sollten das Thema sehr wohl hoch halten und ständig in die Öffentlichkeit bringen,

(Frau Bull, Linkspartei.PDS: Tiefer! - Weitere Zu- rufe von der Linkspartei.PDS)

damit auch alle feststellen, dass sich der Landtag damit beschäftigt und nicht nur Sonntagsreden hält. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Links- partei.PDS, von Frau Dr. Hüskens, FDP, und von Ministerpräsident Herrn Prof. Dr. Böhmer)

Vielen Dank, Herr Dr. Fikentscher.

Meine Damen und Herren! Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit können wir das erste Thema im Rahmen der Aktuellen Debatte abschließen.

Ich rufe das zweite Thema der Aktuellen Debatte auf: