Nach der Kreisgebietsreform wird der sachsen-anhaltische Durchschnittskreis 181 000 Einwohner haben, ver
teilt auf mehr als 1 800 km². Derzeit sind 60 % der Kreise in Deutschland kleiner als 150 000 Einwohner. Nach unseren Vorstellungen sollen es in Sachsen-Anhalt nur noch 27 % sein, und die sind auch aufgrund der Bevölkerungsdichte gerechtfertigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund dieser Zahlen die Zukunftsfähigkeit der neuen Landkreise zu bestreiten, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Die vorgesehenen Strukturen haben beste Chancen, langfristig effektiv zu arbeiten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vergleicht man die ursprünglich von der Landesregierung eingebrachte Fassung des Gesetzentwurfs mit der jetzigen Beschlussempfehlung des Innenausschusses, fällt auf, dass der Entwurf im parlamentarischen Verfahren trotz der mit dieser Thematik untrennbar verbundenen zahlreichen Interessenkonflikte wenige Änderungen erfahren hat.
Nach meiner festen Überzeugung ist diese Tatsache auf die intensive Vorarbeit der Landesregierung vor der Einbringung des Entwurfs in das Parlament, insbesondere auf die umfassende Vorabbeteiligung aller betroffenen Kommunen und vieler Institutionen, Verbände, Kammern und anderer Gruppierungen zurückzuführen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war und ist die Strategie der Landesregierung, keine Reform über die Köpfe der Menschen hinweg zu betreiben.
Ein gutes Ergebnis kann vielmehr nur gemeinsam mit den Betroffenen vor Ort erreicht werden. Deshalb wurde ein sehr umfangreiches Anhörungsverfahren durchgeführt.
Der Gesetzentwurf wurde zudem im Rahmen einer Landrätekonferenz vorgestellt und in Bürgermeisterkonferenzen, die in jedem Landkreis stattfanden, erörtert. Das Anhörungsverfahren erstreckte sich auch auf landesweit tätige Verbände. Auch wurden Kreiskonferenzen in allen Landkreisen durchgeführt, in denen sich auf kreislicher Ebene tätige Vereinigungen wie auch örtliche Politiker und Wirtschaftsvertreter zu dem Entwurf positionierten und eigene Vorstellungen vortrugen.
Diese Einbindung ausnahmslos aller Kommunen des Landes und der Versuch, möglichst viele Institutionen, Verbände, Kammern und andere Gruppierungen einzubinden, geschah in einem Umfang, der seinesgleichen
sucht. Gestatten Sie mir daher an dieser Stelle einen erneuten herzlichen Dank an alle Personen und Institutionen, die den Prozess der Anhörung konstruktiv begleitet haben, gleich ob in der Sache zustimmend oder kritisch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war von Anfang an klar, dass bei einer kommunalen Neugliederung nicht den Wünschen aller Beteiligten entsprochen werden kann. Aber wie Sie, sehr verehrte Abgeordnete, sehen, konnten wir durch das enge Zusammenwirken mit den Verantwortlichen vor Ort einen sehr weitgehenden Konsens herstellen. Nur wenige Bereiche verblieben, in denen die widerstreitenden Interessen nicht ausgeglichen werden konnten. Wir haben aber auch für diese Fälle anhand der Vorgaben des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes und anhand objektiver Kriterien Vorschläge erarbeitet, die wir Ihnen in dem Gesetzentwurf zur Neugliederung der Landkreise vorgelegt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kriterien, nach denen die Landkreise neu geordnet wurden, brauche ich an dieser Stelle nicht zu wiederholen. Sie wurden bereits durch das Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetz festgelegt. Die Anwendung dieser Kriterien engte die Zahl der möglichen Varianten ein. Gleichwohl kann ich als Ergebnis vieler Gespräche vor Ort bestätigen, dass diese Begrenzungen, insbesondere auch die Flächenbegrenzung, ihre Richtigkeit haben.
Immer wieder wurde mir bestätigt, dass die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeiten keine größeren Landkreise als die vorgesehenen zuließe. Diese Meinung vertraten nicht nur Kreistagsmitglieder, sondern ehrenamtlich Tätige in ganz verschiedenen Lebensbereichen. Diese Ansicht wird übrigens auch parteiübergreifend vertreten, sodass ich die verehrten Abgeordneten der Opposition bitten möchte, sich einmal an die eigene Basis zu wenden, wenn immer wieder lautstark noch größere Landkreise gefordert werden.
Sehr geehrte Abgeordnete der Opposition, Sie würden mit größeren Landkreisen das Ehrenamt auf kreislicher Ebene im Kern treffen und der kommunalen Selbstverwaltung auf dieser Verwaltungsebene Schaden zufügen.
Der von uns vorgelegte Gesetzentwurf enthält eine sachgemäße und angemessene Antwort auf die Anforderungen der Zukunft, respektiert und unterstützt das Selbstverwaltungsrecht der Kreise und kommt den Interessen vor Ort so weit es geht entgegen.
Vielleicht ist der Blick von außen manchmal sehr hilfreich. Deswegen gestatten Sie mir, Frau Präsidentin, ein weiteres Zitat, diesmal vom Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Herrn Duppré.
Ich würde Ihnen auch noch drei weitere Zitate gestatten; denn ich muss Ihnen das gar nicht gestatten. Sie können das auch allein tun.
„In diesem Zusammenhang ist es unabdingbar, funktionsfähige Kreisstrukturen zu bewahren. Die beabsichtigte Kreisgebietsreform in MecklenburgVorpommern verkennt beispielsweise, dass das Prinzip der Überschaubarkeit Richtschnur für die künftige Größenstruktur der Kreise als Selbstverwaltungseinheiten bleiben muss. Ansonsten würden die Möglichkeiten der demokratischen Mitwirkung der gewählten Kreisgremien und der Identifikation der Bürger in ihrem Kreis und ihrer Gemeinde zur Farce. Wo hingegen eine Gebietsreform sinnvoll ist, spricht vieles dafür, die Kreisgebietszuschnitte wie in Sachsen-Anhalt auf der Basis von Freiwilligkeit auszutarieren. Eine Maßstabsvergrößerung um jeden Preis hat, wie im nordöstlichsten Bundesland zu beobachten, wenig Chancen auf Akzeptanz und Rückhalt in der Bevölkerung.“
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wenn Sie heute der Beschlussempfehlung des Innenausschusses zustimmen,
dann sorgen Sie für Klarheit bei den Landkreisen darüber, wie die Kreisstrukturen ab dem Jahr 2007 aussehen werden. Die Landkreise warten auf diese Entscheidung.
Ich bin fest davon überzeugt, dass sich die Landkreise aufgrund der Klarheit der heutigen Gesetzgebung sofort und unmittelbar auf den Weg machen und die Vorbereitungen für die dann in gut 20 Monaten anstehenden Fusionen treffen werden, auch mit allen Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Zeit nach dem Jahr 2007 haben, und so einen Übergang in die neuen Kreisstrukturen Mitte des Jahres 2007 organisieren werden, der ohne Brüche abgehen und die Funktions- und Arbeitsfähigkeit der Kreisebene gewährleisten wird.
Danke, Herr Minister. - Es gibt drei Nachfragen. Ich bitte zunächst den Abgeordneten Herrn Gallert, dann Frau Dr. Klein und dann Herrn Bullerjahn.
Herr Minister, Sie sprachen von den Obergrenzen des Grundsätzegesetzes; ich spreche einmal von den Untergrenzen des Grundsätzegesetzes. Es steht ja in dem Gesetz, dass die Landkreise im Jahr 2015 mindestens 150 000 Einwohner haben sollen. Auf wie viele der Landkreise, die Sie heute hier vorschlagen bzw. die zur
Herr Gallert, das wissen Sie auch. Wir haben in unserem Gesetzentwurf die Bildung von Landkreisen vorgesehen,
die die Zahl von 150 000 Einwohnern im Jahr 2015 - jedenfalls nach den Prognosen des Statistischen Landesamtes - wohl unterschreiten werden. Wir haben aber in dem Grundsätzegesetz auch unter dem Aspekt, dass wir Vollfusionen als Hauptziel für die Kreisneubildung haben, Unterschreitungen zugelassen. Genau davon weichen wir nicht ab, auch wenn vier oder fünf Landkreise im Jahr 2015 möglicherweise nicht mehr eine Einwohnerzahl von 150 000 Einwohnern erreichen werden.
Ich sage aber eines dazu: Wir haben heute Morgen eine Diskussion über die Finanzen gehabt. Wenn wir davon ausgehen, dass die Prognosen stimmen, und uns darauf einrichten, dann machen wir einen Fehler. Wir sollten uns in Sachsen-Anhalt darum kümmern, dass die Bevölkerungsentwicklung nicht in diese Richtung geht und wir im Jahr 2015 mehr Einwohner haben.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank - Zurufe von Herrn Gallert, Linkspartei.PDS, und von Herrn Bullerjahn, SPD - Minister Herr Dr. Daehre: Strengt euch doch einmal ein bisschen an, ihr Jugendlichen! - Heiterkeit bei allen Fraktionen)
Herr Minister, Sie haben noch einmal das Problem Ehrenamt und Großkreise thematisiert, dass Großkreise eine Einschränkung des Ehrenamtes bedeuteten. Wir haben jetzt aufgrund der vorliegenden Gesetzentwürfe einen Wettlauf der Städte um Eingemeindungen. Wie soll dann künftig das Ehrenamt in einer Stadt funktionieren, sei es Stadtsportbund oder Feuerwehr, die einen halben Landkreis umfassen wird?
Frau Klein, wir machen hier ein Gesetz, mit dem wir neue Strukturen auf der Ebene der Kreise schaffen. Wenn sich zwischen den Gemeinden Eingemeindungs- oder Zusammenlegungswünsche artikulieren, nämlich auf der Basis von eigenen Entscheidungen der Gemeindeebene, also freiwillig, dann ist dagegen nichts einzuwenden. Wer solch einen Schritt geht, muss dann auch verantworten, in diesem Bereich die Organisation in der Gemeinde weiterhin am Leben zu erhalten.
(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Unruhe bei der Linkspartei.PDS - Zurufe von Herrn Dr. Köck, Linkspartei.PDS, und von Minis- ter Herrn Dr. Daehre)