Protocol of the Session on July 8, 2005

Abschließend möchte ich Folgendes sagen: Insbesondere in den letzten Monaten wurde angesichts massiv zunehmender rechtsextremistischer Straftaten deutlich, dass das Netzwerk für Demokratie und Toleranz in Sachsen-Anhalt dringend mit Leben erfüllt werden muss. Allein im Mai dieses Jahres wurden fast 1 000 rechtsextreme Straftaten im Bundesgebiet registriert. Darunter waren 62 Gewalttaten. Diese ausgewiesenen Straftaten stellten einen langjährigen Rekord dar. Das sollte uns Warnung genug sein. Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Tiedge. - Meine Damen und Herren! Für die Landesregierung hat zunächst

Staatsminister Herr Robra um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Staatsminister.

Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf der Grundlage des einvernehmlichen Landtagsbeschlusses vom 3. März 2005 ist das Netzwerk für Demokratie und Toleranz gegen Extremismus und Gewalt am 23. Mai 2005 in einer, wie ich fand, eindrucksvollen Veranstaltung aus der Taufe gehoben worden.

Viele haben sich daran beteiligt. Mittlerweile haben 102 Vereine, Institutionen und Einzelpersonen den Gründungsaufruf unterzeichnet und sind Partner des Netzwerks geworden. Das Netzwerk arbeitet bereits. Es ist aus der Konzeptphase heraus. Es arbeitet auf der Grundlage der seinerzeitigen Entschließung des Landtages und unter der gemeinsamen Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten und des Landtagspräsidenten.

Schon bei der Gründungsveranstaltung ist deutlich gemacht worden, dass keine neue Trägerstruktur geschaffen werden soll, sondern dass auf bestehenden Trägerstrukturen aufgebaut werden muss, dass durch bewährte Möglichkeiten und Arbeitskapazitäten der Landeszentrale für politische Bildung, die als Geschäftsstelle arbeitet und sich auch bei der Vorbereitung der Gründungsveranstaltung bewährt hat, das Netzwerk geführt wird, dass eine bessere Verzahnung der Netzwerkpartner untereinander zu erfolgen hat, dass Kontakte vermittelt und Erfahrungen weitergegeben werden sollen sowie eine Internetplattform dafür geschaffen werden soll - kurzum, dass echtes ziviles Engagement gefördert werden soll, statt ein von Parteien und der Exekutive dominiertes Netzwerkkonstrukt aus der Taufe zu heben.

Es ist nicht Sache der Landesregierung, diesem Netzwerk aus freien Partnern weitere inhaltliche Vorgaben zu machen. Wir wollen das nicht auf der Ebene der Satzungsdiskussion - wenn man so will - abfertigen, sondern es soll ein lebendiges, dem Zweck, um dessentwillen es geschaffen worden ist, dienendes Netzwerk sein.

Das unterscheidet die Arbeit der Landesregierung - wenn ich das bei dieser Gelegenheit mit Verlaub sagen darf - von der Arbeit der früheren Landesregierung. Als wir die Regierung übernommen haben, fanden wir Konzepte über Konzepte vor, aber es war nichts umgesetzt. Jetzt arbeitet das Netzwerk bereits. Ich kann das nicht deutlich genug sagen: Es wäre nachgerade widersinnig, ihm jetzt, in die laufende Arbeitsphase hinein, ein Konzept von außen aufzupfropfen, ihm dieses Konzept vorzugeben.

Die Voraussetzungen für die Arbeit sind gut. Am 20. und 21. September werden, wie schon in der Gründungsveranstaltung angekündigt, jeweils im Norden und im Süden des Landes regionale Partnerkonferenzen stattfinden, mit denen die Geschäftsstelle einen Rahmen anbietet, in dem sich die lokal angesiedelten Initiativen untereinander darüber verständigen können, wie sie gemeinsam ihre Kräfte mobilisieren, um die Bedeutung von Wahlen für die Demokratie in ihrer Tätigkeit hervorzuheben. Daraus wird sukzessive, wie es sich für ein Netzwerk gehört, ein Miteinander, natürlich auch ein strukturiertes Miteinander erwachsen. Insofern entwickelt sich die Konzeptphase, wenn man so will, kontinuierlich weiter.

Soweit hier gefordert wird, weitere finanzielle Mittel zur Umsetzung des Konzepts bereitzustellen, darf ich eben

falls auf das verweisen, was wir bereits bei der Gründungsveranstaltung gesagt haben: Das Land SachsenAnhalt stellt in den unterschiedlichsten Zusammenhängen ausreichend Mittel auch für die Arbeit des Netzwerks zur Verfügung.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Mehr ist nicht erforderlich. Wenn nun abschließend gar die Forderung erhoben wird, das Land Sachsen-Anhalt solle schon jetzt für den Fall des Auslaufens des Bundesprogramms im Jahr 2006 aus eigener Kraft eine Anschlussfinanzierung sicherstellen, dann möge man - bei allem Respekt - entsprechende Gegenfinanzierungsvorschläge machen. Kein Bundesland ist in der Lage, die bislang von der Bundesregierung bereitgestellten Mittel ohne weiteres zu übernehmen.

Es wird abzuwarten sein, ob und gegebenenfalls in welcher Form sich die Bundesregierung im Jahr 2006 der gesamtstaatlichen Verantwortung auf diesem Feld stellen wird. Das Land Sachsen-Anhalt jedenfalls hat in seinem Haushalt das Notwendige getan. Es hat mit der Gründung des Netzwerkes etwas sehr Vernünftiges und Notwendiges getan. Die Arbeitsvoraussetzungen für das Netzwerk sind gut. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von der Regie- rungsbank)

Herr Minister, sind Sie bereit, eine Frage des Abgeordneten Herrn Gallert zu beantworten?

Jawohl.

Bitte.

Herr Minister, wenn Sie der Meinung sind, dass die materielle Grundlage für dieses Netzwerk ausreichend ist und dass es keinerlei weiterer Anstrengungen bedarf, wie erklären Sie sich dann zum Beispiel, dass die Mitglieder des Runden Tisches gegen Ausländerfeindlichkeit massive Befürchtungen geäußert haben, dass dieses Netzwerk entweder gar nicht arbeitet oder anderenfalls die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, aufbrauchen wird? - Das ist meine erste Frage.

Zweitens eine Bemerkung. Wenn Sie sagen, kein Land sei in der Lage, zum Beispiel Mittel für das CivitasProjekt zur Verfügung zu stellen, dann sage ich Ihnen deutlich: Wenn wir in der Lage sind, Mittel für technische Hilfe aus den EU-Strukturfonds für anderweitige Imagekampagnen zu verwenden, dann sind wir auch in der Lage, diese Mittel für eine solche Imagekampagne zu verwenden, die wahrscheinlich einen bedeutend größeren Tiefgang hat. - Danke.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Verehrter Herr Gallert, ich bin bisher davon ausgegangen, dass Sie sich mit den Voraussetzungen für den Einsatz der Mittel, die unter dem Oberbegriff „technische

Hilfe“ von der Kommission bereitgestellt werden, befasst haben.

(Herr Gallert, PDS: Sehr intensiv!)

Wenn das so wäre, wüssten Sie, dass diese für ein solches Projekt, das keinerlei Affinität zu den Strukturfonds hat,

(Herr Gallert, PDS: Also, Herr Robra! Jetzt reicht’s!)

schlichtweg nicht zur Verfügung stehen.

(Zustimmung von Herrn Dr. Sobetzko, CDU, und von Herrn Tullner, CDU - Herr Gallert, PDS: Mann, Mann, Mann!)

- Wir können das gern bei anderer Gelegenheit vertiefen.

Was die Sorge der runden Tische anbelangt, sage ich: Ich kann immer verstehen, dass runde Tische darüber besorgt sind, dass ihre finanziellen Voraussetzungen nicht auf Dauer gewährleistet sind. Das wird man von Fall zu Fall entscheiden und mit den Betroffenen diskutieren müssen. Im konkreten Fall kann ich die Sorge allerdings nicht nachvollziehen.

Es gibt einen Auftrag an Professor Dr. Roth von der Fachhochschule Magdeburg-Stendal, das Erfahrungspotenzial im Land Sachsen-Anhalt zu bündeln und zusammenzustellen. Die Ergebnisse werden im Netzwerk diskutiert werden. Dann lassen Sie uns einmal darüber reden, ob hier noch Unterfinanzierungen bestehen oder nicht.

Zurzeit - das ist das Entscheidende - ist das Netzwerk handlungsfähig, arbeitsfähig und ausreichend finanziert. Niemand muss sich Sorgen darüber machen, dass die für seinen Bereich zur Verfügung gestellten Mittel gefährdet wären. Wenn diese Erfahrungsberichte vorliegen und wenn das Netzwerk wirklich zum Arbeiten gekommen ist, dann werden wir sehen, was schrittweise erforderlich ist. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten jetzt in eine Debatte mit einer Redezeit von fünf Minuten je Fraktion ein. Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Herrn Tullner das Wort. Bitte sehr, Herr Tullner.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst den Antragstellern Anerkennung zollen, dass Sie sich diesem wichtigen Thema gewidmet haben. Ich denke, es reiht sich in den Kontext der Gründungsveranstaltung ein. Der Staatsminister hat noch einmal ausführlich beschrieben, dass der Landtagspräsident und der Ministerpräsident dieses Netzwerk gemeinsam ins Leben gerufen haben und ihm auch als Schirmherren zur Verfügung stehen. Dass Sie sich dieses Themas angenommen haben, ist, denke ich, nicht verkehrt.

Aber - jetzt komme ich zu der grundsätzlichen Kritik - wir sollten uns jetzt nicht darin übertreffen, alle noch besser werden zu wollen und noch mehr machen zu wollen, und das möglichst auch noch in Forderungen kleiden, dass

es mehr Geld geben soll. Es ist wieder der grundlegende Fehler der von mir so bezeichneten „alten“ Politik, dass wir den Erfolg der Politik immer daran messen, wie viel Geld wir in einen Topf tun und damit ein Problem angehen. Über die Konzeption und über die Lösung der Probleme wird dann aber gar nicht mehr so viel geredet; denn wir haben ja Geld in die Hand genommen und das Problem damit gelöst. Ich denke, dass kann nicht der Ansatz sein, vor allem nicht bei diesem wichtigen Thema.

Mit Geld allein löst man die Probleme nicht; Toleranz kann man nicht von oben herab verordnen - deswegen die Idee des Netzwerkes, dass wir keine Hierarchie aufmachen, dass wir nicht auf uns als Parteien abstellen, die wir qua Verfassung immer den Auftrag haben, Meinungsbildung zu betreiben und in der Bevölkerung für Demokratie zu werben, sondern dass wir einen anderen Weg, den des dezentralen Netzwerkes gehen, welches ohne Hierarchien auskommt und ohne eine von oben verordnete Geschäftsstelle.

Für die technische Hilfe, die zu leisten ist, haben wir die Institution der Landeszentrale für politische Bildung. Die wird das ordentlich ausführen. Dann kommt es darauf an, dass die Träger, Vereine und Einzelpersonen im Land in ihrer breiten Vielfalt sich gemeinsam hinsetzen und zusammenarbeiten.

Wie gesagt, wenn man sich die Definition des Begriffes Netzwerk ansieht, dann wird man sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass eine Hierarchisierung das Gegenteil von Netzwerk ist. Deshalb lehnen wir die erhobene Forderung ab.

Wir lehnen auch die Forderung ab, mehr Geld in die Hand zu nehmen; denn wir haben die entsprechenden Ressourcen einfach nicht. Bei den Haushaltsberatungen werden sicherlich alle miteinander feststellen, dass wir uns an den notwendigen Rahmenbedingungen orientieren müssen. Deswegen sollten wir auch in diesem Punkt Maß halten. Wir haben die Mittel für Maßnahmen zur Stärkung der Demokratie nicht abgesenkt, sondern sie sind in der alten Höhe im Haushalt weiter verankert.

Zu der Forderung, bereits jetzt dafür Vorsorge zu treffen, dass Bundesmittel unter Umständen ab 2006 nicht mehr zur Verfügung stehen werden, muss ich sagen, dass wir erst einmal abwarten sollten, was 2006 wirklich ist. Spätestens im Jahr 2006 wird es eine neue Bundesregierung geben. Die wird dann über Prioritäten ihres Haushaltes nachdenken. Dann werden wir sehen, wie die Prioritäten auf diesen Punkt gelenkt werden.

Im Hinblick auf das einfache Argument, dass dann das Land einspringen müsse, kann ich mich nur den Ausführungen von Staatsminister Robra anschließen. Wir sollten einen Blick in den Haushalt werfen. Dann relativieren sich solche Wünsche von selbst.

Deshalb werden wir diesen Antrag ablehnen. Die Arbeit des Netzwerkes unterstützen wir aber weiter, und zwar im ideellen Sinne als Teilnehmer am Netzwerk, aber auch mit den Ressourcen, die wir in der Landeszentrale bereitstellen, und mit den zur Verfügung stehenden Mitteln. Aber wir können keine zusätzlichen Mittel dafür bereitstellen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Tullner. - Für die SPD-Fraktion erteile ich nun Frau Krimhild Fischer das Wort. Bitte sehr, Frau Krimhild Fischer.

Danke, Herr Präsident. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Ja, Herr Tullner, warten, warten, warten müssen wir nicht. Damit können wir nicht für mehr Demokratie und Toleranz in unserem Land werben. Ich glaube, es gilt etwas zu tun.

Vor einigen Wochen stellte der Innenminister den Verfassungsschutzbericht 2004 vor. Darin zeigte sich ein Anstieg der rechtsextremistischen Personenpotenziale, der politisch motivierten Straftaten im Bereich des Rechtsextremismus und eine Stagnation der Anzahl der Skinhead-Musikveranstaltungen auf hohem Niveau. Sie alle haben den Verfassungsschutzbericht gelesen und kennen den Inhalt.

Nun war sich der Landtag nicht nur wegen des Berichtes über die Errichtung eines Netzwerkes für Demokratie und Toleranz, gegen Extremismus und Gewalt im März 2005 einig. Wie wir alle wissen, fand am 23. Mai 2005 die Gründungskonferenz hier im Plenarsaal statt. Den Gründungsaufruf haben auch die Parteien unterzeichnet.

Aber mit der Bildung eines Netzwerkes allein ist es noch nicht getan. Das Netzwerk muss auch mit Leben erfüllt werden. Ich habe zuerst die Zahl 75 gehört, nun haben aber 102 Institutionen, Vereine und Verbände ihre Mitarbeit erklärt. Das macht deutlich, dass es sich um ein breites gesellschaftliches Engagement handelt. Wir brauchen ein solches Engagement, das auf breiten Schultern ruht.