Protocol of the Session on May 27, 2005

Einbringer in Vertretung des Ministers des Innern ist wiederum Finanzminister Professor Dr. Paqué. Bitte sehr. Es ist jetzt absolute Stille im Haus, Herr Minister.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass wir einen Zustand der produktiven Mittagsruhe erreicht haben.

(Heiterkeit)

Die Landesregierung bringt mit dem Gesetz über ein Neues Kommunales Haushalts- und Rechnungswesen einen Gesetzentwurf in den Landtag ein, der das kommunale Haushaltsrecht umfassend reformieren soll. Es

ist das erklärte Ziel, die Kameralistik, das heißt die bisherige Methode, den Haushalt mittels Einnahmen und Ausgaben zu planen, abzulösen und durch ein zeitgemäßes und im Bereich der privaten Wirtschaft erprobtes und bewährtes Rechnungswesen zu ersetzen, nämlich durch die Buchführung nach kaufmännischen Grundsätzen.

Das neue kommunale Haushalts- und Rechnungswesen soll in den Kommunen und kommunalen Verbänden einschließlich der Zweckverbände, der Planungsgemeinschaften und der Unterhaltungsverbände des Landes eingeführt werden. Dies erfordert eine grundlegende Novellierung der Vorschriften über die Haushaltwirtschaft in der Gemeindeordnung und die Anpassung von Vorschriften in der Landkreisordnung und im Gesetz über die kommunale Zusammenarbeit sowie der eigenbetriebsrechtlichen Vorschriften.

Meine Damen und Herren! Die althergebrachte Kameralistik bildet lediglich das Geldaufkommen und den Geldverbrauch ab. Die kaufmännische Doppik hingegen - so wird sie kurz gesprochen genannt; ich habe allerdings bisher noch nicht herausgefunden, wie diese Abkürzung zustande kommt - beschreibt zusätzlich das Ressourcenaufkommen und den Ressourcenverbrauch.

Nicht zahlungswirksame Größen, wie zum Beispiel Abschreibungen oder Rückstellungen, wurden bislang regelmäßig nicht umfassend berücksichtigt. Damit kann zwar die Frage beantwortet werden, ob genug Geld eingeplant ist, um die zu erwartenden Ausgaben, zum Beispiel für das Personal, zu leisten. Die Frage aber, was eine bestimmte Leistung kostet, das heißt, wie hoch im ökonomischen Sinne der Ressourcenverbrauch inklusive der nichtzahlungswirksamen Größen ist, kann nicht beantwortet werden. Damit sind die Kommunen derzeit auch nicht in der Lage, Auskunft darüber zu geben, ob sie ihren Konsum auf Dauer selbst finanzieren können oder ob von der Substanz oder gar auf Kosten unserer Kinder gelebt wird.

Die Berücksichtigung von Abschreibungen und Rückstellungen sowie von internen Leistungsberechnungen im doppischen System verbessert die Transparenz der Entscheidungsgrundlagen sowohl für die Räte als auch für die Bürgerinnen und Bürger. Damit sind eine bessere Steuerung der Verwaltung und nicht zuletzt die Förderung von nachhaltigem Wirtschaften verbunden.

Den Kern dieser Reform bildet zum einen der Haushaltsplan, der in einen Ergebnisplan für Erträge und Aufwendungen und einen Finanzplan für Einzahlungen und Auszahlungen gegliedert ist. Zum anderen wird ein Jahresabschluss in Form der Bilanz mit den Komponenten der Ergebnis- und der Finanzrechnung eingeführt.

Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir einige Anmerkungen zum Werdegang des Entwurfes und zu seinen Grundzügen. Der Entwurf beruht auf einem Beschluss der Innenministerkonferenz vom 21. März 2003 zur Reform des Gemeindehaushaltsrechts, der zum Ziel hat, im Rahmen eines so genannten neuen Steuerungsmodells die Steuerung der Kommunalverwaltung von der herkömmlichen Bereitstellung von Ausgabeermächtigungen - so genannte Input-Steuerung - auf eine Steuerung nach Zielen für die kommunalen Dienstleistungen - so genannte Output-Steuerung - umzustellen.

Ziel ist die Entwicklung hin zu einer in betriebswirtschaftlichen Dimensionen planenden und handelnden Dienstleistungsverwaltung. Das soll unter anderem erreicht

werden durch die Darstellung der Verwaltungsleistungen als Produkte, durch die Budgetierung der bereitgestellten personellen und sächlichen Ressourcen nach Fachbereichen, durch die Kosten- und Leistungsrechnung über die bisherigen kostenrechnenden Einrichtungen hinaus in weiteren Verwaltungsbereichen und durch die Gesamtdarstellung von Ressourcenaufkommen und Ressourcenverbrauch sowie der Vermögens- und Kapitalposition zur Ermittlung eines vollständigen Bildes über die tatsächliche Ertrags-, Finanz- und Vermögenslage der kommunalen Körperschaft.

Das neue kommunale Haushalts- und Rechnungswesen erfüllt diese Vorgaben in mehrerlei Hinsicht: Zum einen mit seinem veränderten Haushaltsplan, der weiterhin die Grundlage der Haushaltswirtschaft der Gemeinde bleibt, allerdings eine Budgetstruktur und eine Produktorientierung aufweist. Er enthält Informationen über Produkte und Verwaltungsleistungen und eröffnet so die Möglichkeit, diese zur Grundlage von Zielvereinbarungen oder von Vorgaben zu machen.

Der neue kommunale Haushaltsplan bildet in seinem Ergebnisplan den Ressourcenverbrauch und das Ressourcenaufkommen und in seinem Finanzplan die Investitions- und Finanzierungstätigkeit ab. Der Ergebnisplan hat also die Aufgabe, über die Art, die Höhe und damit über die Quellen und die Ursachen des Ressourcenaufkommens und des Ressourcenverbrauchs vollständig und klar zu informieren. Zudem weist er die sich aus der Gegenüberstellung ergebende Über- und Unterdeckung aus.

Die Aufwendungen und Erträge werden grundsätzlich in der Periode gebucht, in der sie verursacht worden sind. Hierdurch wird die Ermittlung des Ergebnisses verursachungsgerecht auf das Haushaltsjahr begrenzt.

Auch im doppischen Haushaltsrecht kann auf eine Planung der Einzahlungen und Auszahlungen, insbesondere der Investitionen, natürlich nicht verzichtet werden. Der Finanzplan ist die Planungskomponente zur Finanzrechnung, eine gegenüber dem kaufmännischen Rechnungswesen neue Rechnungskomponente. Durch die Aufnahme aller Zahlungen in den Finanzhaushalt wird es möglich, aussagekräftige Informationen über die tatsächliche Liquiditätslage und damit zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der Kommunen zu liefern.

Zum anderen, meine Damen und Herren, werden die Vorgaben mit dem Jahresabschluss in Form eines DreiKomponenten-Rechnungssystem aus Ergebnisrechung, Finanzrechnung und Vermögensrechnung, der Bilanz, erfüllt. Die Bilanz, deren Sinnbild die Waage ist, stellt in ihren Waagschalen das Vermögen, die Aktiva, dem für das Vermögen aufgewendeten Kapital, den Passiva, gegenüber.

Erstmalig erlangen die Kommunen auf diese Weise einen vollständigen Überblick über die Entwicklung ihres Vermögens, welcher unabdingbar ist, um eine solch komplexe Organisation nach wirtschaftlichen Grundsätzen führen zu können. Darum müssen grundsätzlich auch die zahlreichen Ausgliederungen und Beteiligungen, die Eigenbetriebe, die Eigengesellschaften und die sonstigen von der Kommune beherrschten Einrichtungen mittels eines Gesamtabschlusses einbezogen werden.

Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir an dieser Stelle die Bemerkung: Das ist ein sehr anspruchsvolles Projekt, weil es hierbei um sehr komplexe Bewertungs

fragen geht, die in der privaten Wirtschaft natürlich längst üblich und gang und gäbe sind, die jetzt zu Recht aus ökonomischen Gründen auch im kommunalen Bereich Einzug halten werden.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf beruht neben dem zitierten Beschluss der Innenministerkonferenz auch auf den Vorarbeiten anderer Bundesländer, die entsprechende Gesetze teilweise schon verabschiedet haben, aber auch auf der Mitwirkung von acht Kommunen dieses Landes, die zusammen mit dem Innenministerium das Ziel verfolgt haben, vor der landesweiten Einführung praxistaugliche und damit Aufwand sparende Regelungen zu entwickeln.

Meine Damen und Herren! Das ist genau der Punkt bei einer solch komplexen Sache: Man muss sie pilotmäßig vorbereiten. Und das ist geschehen. Ich nutze im Auftrag des Innenministers die Gelegenheit, den Städten und Gemeinden Bitterfeld, Aken, Mittelland, Elbingerode, Halle, Magdeburg und Halberstadt sowie dem Landkreis Mansfelder Land den herzlichen Dank der Landesregierung für ihre tatkräftige und konstruktive Mitarbeit auszusprechen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Dieser Dank geht im Übrigen auch an die kommunalen Spitzenverbände, an die Hochschule Harz, an das Studieninstitut für kommunale Verwaltung Sachsen-Anhalt e. V. und an den Landesrechnungshof, die zusammen mit den gerade erwähnten Kommunen in dem vom Innenministerium initiierten Lenkungsbeirat den Prozess aktiv mitgestaltet haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die mit dem Gesetzentwurf angestrebte Umstellung ist wie letztlich jede Umstellung natürlich nicht zum Nulltarif zu haben. Die Kosten werden aber in einem überschaubaren Rahmen bleiben. Im Übrigen wird der dauerhafte Nutzen für unsere Kommunen die Kosten der Umstellung mit Sicherheit deutlich überwiegen. Dies ist nicht nur die Auffassung der Landesregierung, sondern auch die Auffassung der meisten Mitglieder der Innenministerkonferenz und auch die Auffassung der großen Mehrheit der Stimmen aus der kommunalen Familie.

Das Gesetz soll am 1. Januar 2006 in Kraft treten und soll den Kommunen des Landes im Rahmen einer Übergangsregelung bis zum Januar des Jahres 2010 Zeit lassen, ihre Haushalte dem neuen Haushaltsrecht anzupassen. Die Kommunen haben damit ausreichend Zeit, den Umstellungsprozess vorzubereiten und im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung eigenständig zu gestalten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie namens der Landesregierung, diesen Gesetzentwurf zügig zu beraten und zu unterstützen. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Danke, Herr Minister. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Krimhild Fischer.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Die Innenministerkonferenz hat den Weg frei

gemacht für die Umstellung der Rechnungsführung in den Kommunen vom kameralen System hin zur doppelten Buchführung. Das kann man nur begrüßen, wird dadurch doch mehr Transparenz in die Darstellung gebracht. Die Bilanz kann eine Vermögenslage viel besser darstellen als die Ausgaben- und Einnahmenrechnung.

Wir wissen aber auch, dass mit der Einführung der doppelten Buchführung Kosten für die Kommunen verbunden sind. Das wird nicht einfach sein. Es muss eine Software beschafft werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen geschult und qualifiziert werden und vor allen Dingen muss das Vermögen insgesamt erst einmal erfasst und bewertet werden. Das ist ein großer Zeitfaktor, gerade was die Erfassung und die Bewertung des Vermögens betrifft.

Nun haben wir eine Modellregion, eine Modellstadt. Die Stadt Aken, Herr Doege, ist eine solche Stadt, die das bereits seit Januar nach der doppelten Buchführung tut. Ich glaube, zwei bis drei Jahre genügten dafür, die Erfassung des Vermögens vorzunehmen und das Vermögen zu bewerten. Ich denke, dann werden vier oder fünf Jahre für die anderen Kommunen ausreichend sein. Daher geben wir hierzu unsere Zustimmung.

Die doppelte Buchführung hat gegenüber der kameralen einen wesentlichen Vorteil: Man kann deutlich darstellen, wie sich die Einnahmen und Ausgaben verhalten, man kann Abschreibungen integrieren, man hat einen besseren Überblick über Instandhaltungskosten oder Ähnliches. Das heißt also, man kann in den Kommunen eine wirtschaftliche Berechnung deutlich sichtbar machen.

Die Bilanz gibt eine vollständige Übersicht über die Vermögenslage der Gemeinden und der Kreise und auch über die Entwicklung des Vermögens. Man hat zum Beispiel bei geplanten Veräußerungen eine bessere Möglichkeit - ich denke auch an die Gemeinde- und Kreisräte, die oft nicht einschätzen können, wie viel Geld man mit einem Verkauf erzielen kann -, das genau abzuschätzen. Man hat also eine Bewertung und kann das besser überblicken.

Es ist vor allen Dingen für die Gemeinderäte und für die Kreisräte wichtig, dass man mit der Bilanz, mit der doppelten Buchführung die Möglichkeit hat, das, was man im Plan aufgeschrieben hat, am Jahresende genauer zu begutachten und zu bewerten. Damit hat man die Möglichkeit, die Mittel effektiver und dem Zweck besser entsprechend einzusetzen.

Sie schreiben in der Begründung zum Gesetzentwurf zur Stellungnahme der kommunalen Spitzenverbände - ich habe mir einen Satz angestrichen -, dass die Umstellung auf die Doppik auch als Chance verstanden werde, einen gemeinsamen Neuanfang vorzunehmen.

Ich denke, es bietet auch die Chance, die Verwaltungsgemeinschaften in Einheitsgemeinden zu verwandeln. Willi Polte hat die Sache vorhin angesprochen. Wenn ich mir vorstelle, es gibt Verwaltungsgemeinschaften mit zehn oder 20, mitunter 29 Mitgliedsgemeinden und alle müssen neue Software anschaffen, alle müssen sich qualifizieren und bilden -

(Zuruf von Ministerin Frau Wernicke)

vielleicht ist das ein Weg, den wir gehen sollten. Diese Möglichkeit sollten wir nutzen.

(Zuruf von Ministerin Frau Wernicke)

- Ja, man hat eine Verwaltung, aber trotzdem müssen alle Mitgliedsgemeinden einen Haushalt aufstellen, oder nicht?

(Zuruf von Ministerin Frau Wernicke - Unruhe)

- Haben Sie doch aber schon, denke ich.

Wir beantragen, den Gesetzentwurf nicht nur in den Innenausschuss zu überweisen, sondern auch in den Finanzausschuss; denn dort möchten wir auch darüber beraten. Vielleicht sieht auch das Land die Möglichkeit, eventuell auf eine doppelte Buchführung umzusteigen. Die Argumente, Herr Paqué, wären wohl die gleichen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke, Frau Fischer. - Herr Lienau hat für die CDUFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Große Teile der Rede von Ihnen, Frau Fischer, sind deckungsgleich mit meiner Rede, bis auf den letzten Punkt. Darum würde ich, wenn Sie gestatten, Frau Präsidentin, meine Rede zu Protokoll geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich gestatte es.