Protocol of the Session on May 26, 2005

Meine Damen und Herren! Bei vielem von dem, was Frau Budde gesagt hat, hatte ich den Eindruck, dass das nicht einmal die eigenen Leute richtig geglaubt haben. Ich werde es mir erlauben, in den Ausschusssitzungen bei dem einen oder anderen einmal nachzufragen und das einmal auf den Prüfstand zu stellen. Das wird nämlich hochinteressant werden.

Meine Damen und Herren! Die Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsministerium läuft besser als unter der Vorgängerregierung. Die neue Hausspitze hat einen gewaltigen Zug hineingebracht. Es ist ein ganz anderer Biss da. - So sagte es sinngemäß Ende des Jahres 2004 der SPD-Bürgermeister „Erich von Sülzetal“ - natürlich Erich Wasserthal, Sie wissen das.

Meine Damen und Herren! Wenn man über Wirtschaftspolitik spricht, sollte man die Meinung Dritter hören, insbesondere derer, die nicht in der eigenen Partei sind, aber von Wirtschaft und Wirtschaftskompetenz etwas verstehen. Denen sollte man ruhig etwas abnehmen, meine Damen und Herren. Ich muss ehrlich sagen, wir haben uns darüber gefreut, aber das zeichnet diese Leute aus, weil sie ehrlich sind.

Nach gut drei Jahren CDU-FDP-Regierung wird heute eine Zwischenbilanz zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gezogen. Diese Zwischenbilanz kann sich durchaus sehen lassen. Das hat nicht nur die Regierungserklärung gezeigt, sondern das haben uns auch maßgebliche Leute und Institutionen von außen bescheinigt.

Neben haushälterischen und gesetzgeberischen Maßnahmen und Weichenstellungen für die Wirtschaftspolitik ist es vor allem eine Vielzahl von Initiativen und Aktivitäten sowie gekonntes Management gepaart mit Kompetenz und vor allem Engagement, um die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik voranzubringen. Es ist kein Prozess, in dem man sagt, es entwickelt sich alles automatisch. Dahinter stehen Menschen mit Ideen, Konzepten und politischem Durchsetzungsvermögen. Ergebnisse fallen nicht vom Himmel.

Wenn es ermutigende Wirtschaftsdaten gibt und Ansiedlungen klappen, hebt das allmählich die Stimmung im Land, nicht nur bei den Unternehmen. Das macht Mut und gibt Zuversicht - nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die Menschen. Man kann sich nur selbst aus dem Sumpf herausziehen.

Um es ganz klar zu sagen: Von der wirtschaftlichen Gesamtsituation, in der sich Deutschland befindet, kann sich Sachsen-Anhalt natürlich nicht abkoppeln. Dass Deutschland auf der Stelle tritt, nicht mehr Motor, sondern Investitionsbremse, Innovationsbremse und Schlusslicht in Europa ist, macht die Sache für uns nicht leichter.

Aber seit letzten Sonntag gibt es die berechtigte Hoffnung, dass sich ab Herbst im politischen Gefüge Deutschlands einiges ändern wird. Das wird sich nach meiner festen Überzeugung im positiven Sinne auf die Wirtschaft, das Investitions- und Innovationsgeschehen und auf den Arbeitsmarkt in Deutschland auswirken, zwar nicht sofort, aber es wird kommen. Glauben Sie mir, das motiviert gewaltig.

Ich bin froh, dass wir in einer Demokratie leben, in der die Bürger und Bürgerinnen die Möglichkeit haben, alle paar Jahre darüber abzustimmen, ob die Regierenden gut gewirtschaftet haben oder nicht. Das Land Nordrhein-Westfalen ist dafür ein beredtes Beispiel. Wir werden schauen, was im September herauskommt.

Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr gut an die Zeit erinnern - gestatten Sie mir, wenn ich das zwischendurch sage -, als ich Mitte der 70er-Jahre zur Oberschule ging. Dort habe ich mir von Leuten erzählen lassen müssen - diese Leute sind jetzt auch in der PDS-Fraktion -, wie toll der Sozialismus und wie schlimm der Kapitalismus sei. Von dem, was ich vorhin gehört habe,

muss ich sagen: Gott sei Dank leben wir in einer Demokratie und die Bürger können entscheiden, in welche Richtung das geht. Ich habe damals nicht an die Konzepte des Sozialismus geglaubt und heute glaube ich erst recht nicht daran.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Minister Herrn Dr. Rehberger)

Den Koalitionspartnern CDU und FDP war es bei der Regierungsübernahme voll bewusst, dass sie auf dem Gebiet von Wirtschaft und Arbeit eine schwierige Aufgabe und eine große Verantwortung übernehmen würden. Die Erblast war schon bedrückend. Das Image des Landes lag am Boden. Das war keine leichte Herausforderung.

Natürlich können die bisherigen Ergebnisse nicht zufrieden stellen, aber es gibt hoffnungsvolle Signale, die den richtigen Kurs bestätigen. Die konsequente Investitions- und Ansiedlungsoffensive kann sich sehen lassen. Durch die gezielte und angepasste GA-Förderung und die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Bundes- und Europamittel wurden seit 2002 ca. 20 000 neue Arbeitsplätze geschaffen und Investitionen von ca. 7 Milliarden € angeschoben.

Namhafte Ansiedlungserfolge - ich werde jetzt auf die Nennung derer verzichten, bei denen ich weiß, dass diese in Ihrer Periode vorbereitet wurden - wurden erreicht: Nice-Pak, Schuberth-Helme, Recticel, Delipapier, E-Glass, Dell und nicht zu vergessen die Solarzellenwerke Wolfen/Thalheim. Wichtig sind aber auch Erweiterungsinvestitionen - diese vergisst man oftmals -: Hexal, Bayer, Impfstoffwerk Dessau/Tornau, ThyssenKrupp und viele kleine mittelständische Betriebe sprechen für sich.

Sie sprechen immer über die Investitionsbereitschaft und über die Stimmung im Land. Diese kann sich sehen lassen. Frau Budde, hierzu hört sich das, was Sie im November letzten Jahres gesagt und heute nur in Nuancen ein wenig relativiert haben, eigenartig an. Sie sagten, die Wirtschafts- und Förderpolitik sei uneffektiv und intransparent. Erfolge der bisherigen Wirtschaftsförderung seien volkswirtschaftlich gesehen bis auf Arneburg ausgeblieben. Es gebe keine klaren Richtlinien für die Vergabe von Mitteln und deshalb müsse ein Leitbild her. Dieses Leitbild haben Sie uns heute zu präsentieren versucht. In Teilen haben wir es schon vorher gehört.

Wer so etwas sagt, muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die Realität nicht erkannt zu haben oder nicht erkennen zu wollen. Neben den oben erwähnten positiven Signalen im Bereich der Investitionen und der Ansiedlungen hat das Land Sachsen-Anhalt entgegen dem Trend und im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer in den vergangenen drei Jahren bei wesentlichen volkswirtschaftlichen Daten enorm aufgeholt.

Das Wichtigste für mich ist der Aufstieg im Dynamikranking im Bereich Wirtschaft von Platz 12 auf Platz 4. Das ist schon etwas. Das sind nicht unsere Erhebungen, sondern das machen Dritte. Als einziges Land haben wir ein Plus an Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe. Das ist nicht selbstverständlich. Wir haben kräftige Zuwachsraten im produzierenden Gewerbe, in der Periode 2003 bis 2004 bundesweit Platz 3.

Ich gebe ehrlich zu, in den Jahren von 1998 bis 2000 - ich habe mir die Daten hierzu herausgezogen - gab es auch hohe Wachstumsraten, aber damals lagen wir unter dem ostdeutschen Durchschnitt, jetzt darüber. Man muss immer vergleichen, wie die Realität innerhalb der

ostdeutschen Länder ist. Es gibt einen Spitzenwert für Zugewinne bei der Arbeitsproduktivität und - das ist eher ein psychologisches Thema - wir sind nicht mehr Letzter bei dem Thema Arbeitslosigkeit. Volkswirtschaftlich ist es nicht von sehr großer Relevanz, aber psychologisch ist es für die Menschen enorm wichtig, nicht mehr die rote Laterne zu tragen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Diese Ergebnisse kommen nicht von ungefähr und nicht im Selbstlauf. Das ist alles unter der Verantwortung der CDU-FDP-Regierung passiert.

Ein beliebtes und sehr aussagefähiges Thema ist das Wirtschaftswachstum. Herr Thiel und Frau Budde, da Sie es angesprochen haben, werde ich mich kurz darauf konzentrieren. Durch einzelne Großinvestitionen gerade im ostdeutschen Bereich kann das Bruttoinlandsprodukt in den einzelnen Jahren sehr stark schwanken.

Wenn Sie einmal schauen, wie auch in Sachsen und Thüringen die Jahresdaten aussehen, dann können Sie feststellen, dass es sehr wohl Sinn macht, nicht von Jahr zu Jahr schauen, sondern eine Periode von mehreren Jahren zu nehmen. Das wurde hierbei getan. Dabei wurde festgestellt, dass gegenüber dem Jahr 2001 das Bruttoinlandsprodukt in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2004 um 3,6 % gestiegen ist. 1,6 % waren es in Deutschland und 2,3 % beträgt der Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer. Darüber wurde bereits berichtet.

Interessant ist nun der Vergleich, wie die Ergebnisse in Ihrem Zeitraum waren. In dem vergleichbaren Zeitraum von drei Jahren von 1998 bis 2000 - die Basis war das Jahr 1997 - legte das Bruttoinlandsprodukt in SachsenAnhalt bis zum Jahr 2000 um 3,3 % zu. Das hört sich nicht schlecht an. In den neuen Bundesländern waren es aber 4,4 %; das heißt, man lag unter dem Durchschnitt. Wichtig und erstaunlich ist, dass im Zeitraum von 1998 bis 2000 die Steigerungsrate des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland bei 7,7 % lag.

Wenn Sie die Zahlen noch im Gedächtnis haben, dann scheint eines unabweisbar zu sein: Es hat sich in den letzten Jahren ein maßgeblicher Wandel zwischen Ost und West ergeben. Herr Thiel, ich widerspreche Ihnen: Die Schere geht nicht weiter auf, sondern sie schließt sich. Der Osten wächst wieder stärker als der Westen. Bei Zuwächsen in der Bruttowertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe ist der Unterschied im Wachstum zwischen Ost und West noch viel stärker.

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, PDS)

Ich empfehle Ihnen, die Seite 2 der gestern veröffentlichten Broschüre zu lesen. Dort sehen Sie es ganz genau.

(Herr Dr. Thiel, PDS: Ich schaue lieber in das Statistische Jahrbuch! - Weitere Zurufe von der PDS)

- Wissen Sie, wenn wir über gefälschte Statistiken sprechen wollen, dann kommen wir später bei Ihnen darauf zurück.

Natürlich sind wir mit dem Erreichten nicht zufrieden, aber die Fortschritte sind unverkennbar. Hinter diesem steht natürlich ein Konzept. Man kann das zusammenfassen: Vorfahrt für Wirtschaft und Innovation!

Dann kommt die Opposition und fordert ein Leitbild à la SPD für die Wirtschaftsförderung, welches mich immer

wieder an ein Stück Planwirtschaft erinnert. Dieses Leitbild sei notwendig, um wirtschaftlich voranzukommen, behauptet die SPD.

Meine Damen und Herren! Dafür fehlt mir jedes Verständnis. Die Resultate der Jahre von 1994 bis 2002 sind offensichtlich. Tun Sie nicht so, als wenn Sie, die Oppositionsparteien, in diesem Land nicht acht Jahre lang die Verantwortung gehabt hätten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Im Vergleich dazu sprechen die Ergebnisse der Jahre 2002 bis 2004 eine deutliche Sprache. Unsere praktizierte Wirtschaftspolitik - das ist immer das, was Sie nicht verstehen wollen oder nicht verstehen können - steht nicht unter dem Diktat eines starren Planes, sondern optimiert flexibel die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft. Es ist ein klares Konzept. Dazu gehört unter anderem die zweimalige Anpassung der Förderrichtlinien für Investitionen, was auch eine konsequente Reaktion auf das stark gestiegene Investitionsinteresse ist.

Sie als Vorgängerregierung haben noch Geld nach Berlin verschenkt.

(Frau Budde, SPD, schüttelt den Kopf)

Wir brauchen alle Mittel und wir sind gezwungen anzupassen, um möglichst viele zu bedienen. Das ist tatsächlich so. Da brauchen Sie nicht den Kopf zu schütteln.

Meine Damen und Herren! Studien vom IWH und von anderen Institutionen belegen, dass es keine Patentlösung für die Umgestaltung der Wirtschaftsförderung in Ostdeutschland gibt, kein starres Leitbild. Eine ausschließliche Förderung bestimmter Branchen oder bestimmter Regionen wird dagegen durchweg abgelehnt. Das ist konträr zu dem, was Sie immer wollen, nämlich die Zentren fördern und das andere nicht so richtig.

Meine Damen und Herren, Sie können den Wirtschaftsunternehmen nicht vorgeben, wo und wann sie sich ansiedeln sollen. Wenn Sie das versuchen, dann werden Sie Schiffbruch erleiden; denn es ist wichtiger, eine Firma im Land zu halten und sie an einem Standort zu haben, an den man vorher vielleicht nicht gedacht hatte, als sie woanders hingehen zu lassen. Das lehrt ganz einfach die Erfahrung. Wenn Sie in der Regierungsverantwortung gestanden hätten, wäre es wohl nie zu der Ansiedlung in Arneburg gekommen.

Es freut uns sehr, dass sich die Opposition beim Thema Wirtschaftspolitik so stark engagiert und sich auch mit eigenen Vorschlägen einbringt. Das unterscheidet sie maßgeblich von dem Konzept der PDS. Über die Inhalte - darin gebe ich Ihnen Recht - sollte man sich auf fachlicher Basis streiten.

Wenn Sie nun aber Ihre Ideen, die erst noch in die Form eines Leitbildes gegossen werden sollen, als neu verkaufen wollen, kann ich nur feststellen: Die Hälfte dessen, was die SPD in ihrem Papier aufgeschrieben hat, haben wir bereits praktisch umgesetzt, die andere Hälfte ist nicht akzeptabel. Dies bezieht sich auf das planwirtschaftliche Herangehen und auf das Ansinnen, der Wirtschaft mittels unterschiedlicher Fördersätze vorzuschreiben, wo sie sich ansiedeln soll und wo nicht.

Meine Damen und Herren! Sie müssen verstehen, dass wir uns kein theoretisches und starres Leitbild zur Wirtschaftsförderung à la SPD/PDS aufdrücken lassen, schon deshalb nicht, weil die Resultate Ihrer Politik eine andere Sprache sprechen. Nein danke, wir arbeiten lie

ber nach unserem Konzept. Damit sind wir erfolgreicher. Die Ergebnisse zeigen das.

Mich stört jedoch - ich hatte eigentlich erwartet, dass heute schon etwas von Ihrem Konzept „Arbeitsmarkt“ losgelassen wird, das Sie uns morgen präsentieren wollen -, dass Sie keine ordentlichen Lösungsansätze für das Problem der Massenarbeitslosigkeit haben.

Meine Damen und Herren! Das Hauptthema in Deutschland und in Sachsen-Anhalt ist die bedrückend hohe Arbeitslosigkeit. Deshalb muss alles dafür getan werden, mehr und neue Jobs zu schaffen.

Der Mittelstand beschäftigt 70 % der Arbeitnehmer. 80 % aller Lehrlinge werden dort ausgebildet. Der Ausweg aus der Massenarbeitslosigkeit führt demzufolge logischerweise nur über den Mittelstand. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, braucht er gute Rahmenbedingungen. Das, was von Ihrer Partei kommt, nämlich eine pauschale Unternehmerschelte im Rahmen der Kapitalismusdebatte, ist absolut kontraproduktiv und schädlich für den gesamten Mittelstand sowie für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Die Hauptsorgen des Mittelstandes sind entschieden zu hohe Lohnnebenkosten, ein überzogenes Arbeits- und Tarifrecht und viel zu viel Bürokratie. Es geht um Deregulierung im Arbeits- und Tarifrecht, um die Lockerung des Kündigungsschutzes, um flexiblere und mehr Arbeit sowie um Änderungen bei der betrieblichen Mitbestimmung.

Das sind die Ansätze. Diesen versperren Sie sich auf der Bundesebene. Im Land wird vieles von dem, was möglich ist, schon still und heimlich umgesetzt - nicht von uns; das machen die Unternehmen mit den Gewerkschaften und Arbeitnehmern selbst. Hier ist ganz einfach auch auf der Bundesebene Flexibilität gefragt.