Protocol of the Session on April 15, 2005

Schon seit dem Jahr 2000 sind die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet, ein Antidiskriminierungsgesetz zu schaffen, da Diskriminierungen europaweit verhindert werden sollen. Nun reagiert die Bundesregierung endlich, nach langem Ringen um ein effektives, präventives und auch umfassendes Gesetz.

(Herr Gürth, CDU: Aber wie, das ist doch das Ka- tastrophale!)

Aber der Anstieg der Arbeitslosigkeit fand doch bisher schon statt und auch der Abbau der Arbeitsplätze aufgrund so genannter Konsolidierungen in Unternehmen oder in Banken, die eigentlich nur der Gewinnmaximierung dienten. Alles ohne Antidiskriminierungsgesetz.

(Herr Gürth, CDU: Dann müssen wir nicht noch einen draufsetzen!)

Sie machen es sich sehr leicht, wenn Sie nun die Schutzwürdigen nach dem Antidiskriminierungsgesetz

als die Sündenböcke für die Investitionsschwäche der Wirtschaft ausmachen wollen.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Dann muss schon die Frage gestellt werden dürfen, warum man, wenn man nun endlich ein Gesetz macht, nicht versuchen soll, die weiteren Diskriminierungserscheinungen in Deutschland, die leider immer noch anzutreffen sind, auszuschließen; denn wenn der im Grundgesetz festgeschriebene Schutz jedes Bürgers und jeder Bürgerin vor Diskriminierung bereits Tatsache wäre, brauchte man das nicht. Aber Sie wissen, die Wirklichkeit sieht anders aus.

Die noch immer allgegenwärtigen Benachteiligungen von Frauen trotz gleicher Qualifikationen im Arbeitsleben bezüglich Lohn, Beteiligungs- und Aufstiegschancen und die doppelte Diskriminierung behinderter Frauen muss hier und heute auch genannt werden. Übrigens reicht die Behauptung, diskriminiert worden zu sein, für eine Klage nicht aus, wie Sie in Ihrem Antrag unterstellen. Geklagt werden kann nur aufgrund eines konkreten Vorfalls innerhalb von sechs Monaten und auf einen Schadensausgleich von drei Monatsgehältern, aber nicht bis ins Rentenalter hinein. Beweislasterleichterungen und Beweislastumkehr sind auch verschiedene Dinge.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Das gern zitierte Vorbild der USA - die gehen in diesem Fall sehr viel weiter, und auch die anderen europäischen Länder wie Dänemark, Schweden, Finnland, Litauen, Polen, die Slowakei und Ungarn haben bei der Umsetzung der Richtlinienvorgaben noch viel weiter gehende Regelungen getroffen. Sie müssen sich also nicht nur auf Österreich beziehen.

(Herr Gürth, CDU: Aber nicht so weit, wie Rot- Grün das gemacht hat!)

Vom Untergang der Wirtschaft in diesen Ländern habe ich bisher auch nichts gemerkt und auch nichts von einer Klageflut.

(Herr Gürth, CDU: Wollen Sie uns auf ungari- sches Niveau bringen? Das kann doch nicht Ihr Ziel sein! - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Sie behaupten, durch Überregulierung und Rechtsunsicherheit würden sowohl der zu schützende Personenkreis als auch andere Bürger in ihren Chancen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Welche Ideologie steht dahinter? Ich habe vorhin schon danach gefragt. - Es ist Panikmache. Schauspielunterricht ist nichts gegen das, was hier heute gelaufen ist.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Sie wollen weiter runter mit den Löhnen, weiter weg von tariflichen Bindungen. Ich erinnere nur daran: Uns hat man einmal gesagt, den Hausarbeitstag für Frauen müsst ihr abschaffen, sonst werden Frauen nie eingestellt werden. - Die Diskriminierung der Frauen findet heute noch genauso statt.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Herr Kolze, CDU: Die Diskriminierung der Frau be- ginnt dort, wo ihr Abbau besonders gefordert wird!)

Und es geht weiter. Jetzt reden wir über den Mutterschutz, ob der gut für die Unternehmen ist oder ob er

den Unternehmen schadet. Ich frage mich, wo wir noch hin wollen bezüglich unseres Menschenbildes.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird nun endlich der Grundstein für eine Antidiskriminierungskultur in Deutschland gelegt. Er stärkt den Benachteiligten den Rücken. Er wird dafür sorgen, dass niemand wegen der Merkmale Geschlecht, ethnische Herkunft, sexuelle Identität oder Behinderung ungerechtfertigt benachteiligt wird. Und das ist gut so!

(Beifall bei der SPD und bei der PDS - Wider- spruch von Herrn Kolze, CDU, und von Herrn Kurze, CDU)

Für die FDP-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Röder sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die FDPFraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt missbilligt jede Diskriminierung. Die FDP-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt steht auch für europäische Vertragstreue. Aber der Versuch von Rot-Grün, Diskriminierungen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu verbieten, erreicht beide Ziele in unzureichendem Maß.

Das Antidiskriminierungsgesetz kann und wird nicht gegen Diskriminierung wirken. Das folgt zum einen aus unserem liberalen Verständnis vom Rechtsstaat; denn allein die moralische Missbilligung eines diskriminierenden Verhaltens legitimiert noch lange nicht die staatliche Durchsetzung dieses moralischen Prinzips mit den Mitteln des Rechtszwangs im Privatrechtsverkehr.

(Zustimmung bei der FDP und von Herrn Tullner, CDU)

In einem demokratischen, freiheitlichen und dem Prinzip der Toleranz verpflichteten Staat und in einer solchen Gesellschaft soll sich der Staat auf die Durchsetzung des ethischen Minimums beschränken. Ein staatlicher Versuch, mit erzwingbaren Rechtsnormen die Bürger zu besseren Menschen zu erziehen, ist mit den Grundprinzipien unserer Rechtsordnung und ist mit unserem Bild von Staat, Gesellschaft und Individuum nicht vereinbar.

(Zustimmung bei der FDP)

Zum anderen lässt sich der Abbau von Diskriminierung auch nicht per Gesetz verordnen. Vielmehr ist es eine Aufgabe der gesamten Bürgergesellschaft. Um dieses Ziel zu erreichen, ist eine Veränderung des Bewusstseins nötig, keine mögliche Flut von Prozessen; denn damit wäre niemandem, der wirklich diskriminiert wird, geholfen. Es gilt vielmehr, eine Kultur des Miteinander zu entwickeln, in der Diskriminierung und Vorurteile, wo immer sie auftauchen, von der Gesellschaft geächtet und die Menschen in der Vielfalt und Unterschiedlichkeit akzeptiert und toleriert werden. Das ist ein Gesellschaftsbild, für das wir stehen. Ein solches Gesellschaftsbild wird in keiner Weise mit einem gesetzlichen Verbot befördert.

(Zustimmung bei der FDP, von Herrn Kolze, CDU, von Herrn Kurze, CDU, und von der Regie- rungsbank)

Nach Ansicht der Liberalen kann der rot-grüne Gesetzentwurf auch nach seinen jetzigen Änderungen aber genau das Gegenteil bewirken. Er unterstellt Arbeitgebern, Verkäufern oder Vermietern eine Diskriminierungsabsicht, die durch die allgemeine Lebenserfahrung in der überwältigenden Mehrheit der Fälle nicht gerechtfertigt ist.

(Herr Dr. Höppner, SPD: Na, das kann man aber bezweifeln! - Frau Dr. Hüskens, FDP: Oder auch nicht!)

Im ungünstigsten Fall wird das als unangemessene staatliche Bevormundung empfunden, die allenfalls dazu beitragen kann, Ressentiments gegen die geschützten Gruppen zu entwickeln. Das kann und sollte nicht das Ziel dieses Gesetzentwurfes sein.

Das Antidiskriminierungsgesetz ist, wie so viele Dinge, gut gemeint, aber deswegen noch lange nicht gut gemacht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die FDP-Landtagsfraktion kritisiert den Entwurf des Antidiskriminierungsgesetzes aus verschiedenen Gründen. Zum einen geht er weit über die Vorgaben der europäischen Richtlinien hinaus. Das gilt für den Anwendungsbereich der zivilrechtlichen Diskriminierungsverbote und für die Rechte der einzelnen Betroffenen sowie vor allem für die Rechte von nicht betroffenen Dritten.

Wir haben ein weiteres Beispiel für das schon berühmte rot-grüne Gutmenschentum, das auf jede europäische Vorgabe noch ein paar Schippen drauflegen muss. Auf diese Weise wurde und wird immer noch das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in Deutschland Stück für Stück immer weiter eingeengt und langsam erstickt.

(Zustimmung bei der FDP - Zuruf von Herrn Gal- lert, PDS)

Die Ausweitung des Anwendungsbereiches birgt zudem die Gefahr einer negativen Diskriminierung. Was ist denn mit den ganzen Gruppen, die nicht mit diesem Antidiskriminierungsgesetz erfasst werden? Da gab es - ich habe es in der Zeitung gelesen - wundervolle Beispiele: kinderreiche Familien, allein erziehende Eltern, Mitglieder im Fußballverein, die möglicherweise betroffen sind, weil sie aufgrund von Verletzungen oder Zerrungen nicht auf Arbeit erscheinen können. Was ist mit diesen ganzen Gruppen?

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Jede Art von Schippe-Drauflegen im Anwendungsbereich schafft neue Ungerechtigkeiten. Das können wir nicht wollen. Das entspricht nicht dem Ziel der europäischen Richtlinien. Wir sollten aus diesem Grund wirklich nur eine Umsetzung im Verhältnis 1 : 1 fordern.

(Herr Gürth, CDU: Sehr richtig!)

Die Einführung der Verbandsklagerechte, Antidiskriminierungsverbände, § 24 des Gesetzentwurfes. Die Etablierung dieser Verbände ist eine Sache, auch dass die Antidiskriminierungsverbände Betroffene unterstützen sollen, ist eine Sache. Das kennt das deutsche Recht unter anderem dort, wo Gewerkschaftsvertreter Arbeitnehmer zum Beispiel in einem Arbeitsgerichtsprozess begleiten und mit vertreten. Das kann man ansatzweise noch für in Ordnung ansehen.

Problematisch ist es an der Stelle, an der Betroffene ihre Rechte auf Schadensersatz, ihre Rechte auf Schmerzensgeld an die Verbände abtreten können und diese Verbände diese Rechte vor Gericht geltend machen können. Diese Kommerzialisierung der höchstpersönlichen Ansprüche - es geht schließlich um Rechte, bei denen der Einzelne in seiner Persönlichkeit betroffen ist, weil er sich wegen seines Alters, seiner ethnischen Herkunft oder sonstiger Dinge benachteiligt fühlt -, indem man sie an die Verbände abtreten kann, läuft dem Ziel der Richtlinie entgegen und ist auch gegenüber den Betroffenen zynisch.

Aus diesen Gründen ist die FDP-Fraktion gegen diesen Gesetzentwurf und tritt für eine 1:1-Umsetzung der europäischen Richtlinien ein. Ich bitte Sie um die Annahme unseres Antrages. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Danke, Frau Röder. - Für die PDS-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Rogée sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! So könnten Mann oder Frau die Debatte beschreiben, die gegenwärtig zum Antidiskriminierungsgesetz von der CDU und von der FDP geführt wird.

(Beifall bei der PDS - Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Sie äußern, dass Sie zwar gegen Diskriminierung sind - das haben wir alle gehört -, aber so schlimm sei doch das alles nicht, dass dafür ein Gesetz notwendig sei.