Achtens. Wir brauchen - ich will auf eine Differenz hinweisen - nicht nur einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, der das Image eines schlechten, sozusagen eines Aushilfsarbeitsmarktes hat. Es ist völlig richtig, was Sie sagen: Das Wirtschaftswachstum wird es nicht lösen. Das ist absolut korrekt. Wir brauchen deswegen einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, vor allen Dingen im Non-Profit-Bereich, vielleicht ausschließlich im Non-Profit-Bereich. Der darf aber nicht mit dem Makel belegt werden, derjenige zu sein, wo die Letzten ankommen. Das ist nicht die Lösung, insbesondere nicht die Ein-Euro-Job-Variante, mit der wir zurzeit fahren: relativ kurzfristig, immer in Unsicherheit, immer in Abhängigkeit.
Wenn wir allein die Mittel reaktivieren könnten, die wir zurzeit in dieses Abhängigkeitssystem investieren, wenn wir das in einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor steckten, der natürlich dann effizient ausgerichtet sein muss, in dem clevere Leute Effizienzsteigerungen machen müssen, wenn das möglich wird in dieser Bundesrepublik Deutschland, dann haben wir einen wirklichen Beitrag zur Lösung des Arbeitsmarktproblems in diesem Bereich geleistet.
Das ist eine Variante, über die man nachdenken muss, worüber übrigens schon viel mehr Leute nachdenken, als man aus den öffentlichen Diskussionen hört. Das, was wir zurzeit sehen, ist jedoch radikal schlecht gemacht und deswegen keine Variante, die wirklich hilft.
Abschließend kann ich nur sagen, ich habe kurz einige Bestandteile des politischen Konzepts der PDS zur Lissabon-Strategie dargestellt, aber ich sage auch ganz deutlich, wir sind zum Dialog bereit. Herr Böhmer, wenn Ihre Regierungserklärung wirklich ernst gemeint ist, dann - so schätze ich es persönlich ein - sind die Chancen für diesen Dialog besser als in den letzten drei Jahren. - Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie wir heute festgestellt haben, findet Europa nicht nur in Brüssel statt.
Die Regionen Europas - dazu gehört Sachsen-Anhalt - ziehen vielfältigen Nutzen aus der Mitgliedschaft in der Europäischen Union. Allein durch die europäischen Strukturfonds, dem wichtigsten Instrument der EU, erhält das Land Sachsen-Anhalt im Zeitraum von 2000 bis 2006 rund 3,5 Milliarden €. Die Förderung durch die Strukturfonds, die Sachsen-Anhalt erstmals im Jahr 1991 erhalten hat, hat bereits mehrere Zehntausend Arbeitsplätze geschaffen und dabei zahlreiche Projekte realisiert.
Durch die Förderprogramme der EU werden seitdem gemeinsam mit den Förderprogrammen Sachsen-Anhalts Investitionen im Bereich der gewerblichen Wirtschaft, der Infrastruktur, der Umwelt, der Bildung und im ländlichen Raum getätigt, die in erheblichem Maße dazu beigetragen haben, dass Sachsen-Anhalt eine positive Entwicklung zu verzeichnen hat. Die wichtigsten Förderquellen und Programme der EU waren und sind dabei der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, der Europäische Sozialfonds, das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum sowie die Gemeinschaftsinitiativen. Wichtig ist dabei, dass die verschiedenen Förderprogramme optimal ineinander greifen und die Beteiligten vor Ort in den Planungsprozess einbezogen werden.
Daher ist es zu begrüßen, dass die Ziele der Kohäsionspolitik nunmehr auch in der europäischen Verfassung festgeschrieben werden. Artikel III-118 schreibt beispielsweise fest:
„Aufgabe des Europäischen Fonds für die regionale Entwicklung ist es, durch Beteiligung an der Entwicklung und an der strukturellen Anpassung der rückständigen Gebiete und an der Umstellung der Industriegebiete mit rückläufiger Entwicklung zum Ausgleich der wichtigsten regionalen Ungleichgewichte in der Union beizutragen.“
Ohne diese Regionalförderung wäre es für SachsenAnhalt kaum möglich, sowohl regionale Standortnachteile abzubauen als auch regionsspezifische Standortvorteile zu bewahren und auszuweiten. Dabei müssen aus der Sicht der FDP-Fraktion Schwerpunksetzungen, wie die Schaffung von Wachstum und Arbeitsplätzen, durch die Förderung von Investitionsprojekten und von Forschungs- und Entwicklungsprojekten in der kommenden Förderperiode erhalten werden.
Aus unserer Sicht ist es unabdingbar, dass in der kommenden Förderperiode weiterhin ein Hauptaugenmerk auf die gewerbliche Förderung bzw. die Förderung des Mittelstandes gelegt wird. Nur wettbewerbsfähige Unternehmen sichern als Grundlage eines zukunftsfähigen Wirtschaftsstandortes auf Dauer Wachstum und Beschäftigung, die wir in Sachsen-Anhalt so dringend benötigen.
Diese Koalition hat es sich daher seit der Regierungsübernahme zum Ziel gesetzt, mithilfe der Strukturfondsmittel eine konsequente Investitions- und Ansiedlungsoffensive auf den Weg zu bringen, was in erheblichem Maße auch schon gelungen ist. Allein durch die bewilligten Zuschüsse im Bereich des EFRE und der GA-Mittel wurden seit dem Jahr 2002 rund 18 000 Arbeitsplätze geschaffen, beispielsweise durch die Förderung einzelbetrieblicher gewerblicher Investitionen, der Mittelstands- und Unternehmensfinanzierung, des Kultur- und Tourismussektors, aber auch der Krankenhäuser und der sozialen Infrastruktur.
Aus liberaler Sicht darf ich aber auch klarstellen, dass wir nicht für eine lenkende Förderpolitik stehen, sondern das Leitbild des Wettbewerbs anerkennen. Eine lenkende Förderpolitik birgt immer die Gefahr von staatlicher Fehllenkung. Zudem ist der Nachteil zu enger Vorgaben darin zu sehen, dass man nicht flexibel genug auf aktuelle Entwicklungen reagieren und eingehen kann. Wie die Vergangenheit in Sachsen-Anhalt bereits gezeigt hat, bilden sich Innovationscluster meist von allein her
aus. In diesem Zusammenhang ließe sich zum Beispiel die Chemieregion Bitterfeld/Wolfen nennen. In derartigen Fällen ist es wichtig, sofort in der Lage zu sein, die Vernetzung von Forschung, gewerblicher Wirtschaft und Vermarktung zu unterstützen.
Meine Damen und Herren! Daran anknüpfend kann ich sagen, dass der zweite Schwerpunkt für die neue Förderperiode aus unserer Sicht die Förderung im Bereich Forschung und Entwicklung ist, um die technologische Kompetenz und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen, von Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu verbessern und insbesondere miteinander zu vernetzen.
In der Vergangenheit wurde insbesondere im Jahr 2003 ein hervorragender Förderstandard erreicht. Im Vergleich zum Jahr 2001, in dem sich die bewilligten Fördermittel von rund 13 Millionen € auf 160 bewilligte Projekte verteilten, wurden im Jahr 2003 164 Projekte mit rund 68 Millionen € gefördert. Daran gilt es anzuknüpfen. Wenn möglich, sollte in den kommenden Jahren dieser Förderstandard sogar noch ausgebaut werden.
An diesem Ziel wird sich auch durch die Überarbeitung der Richtlinien für Finanzhilfen bei Forschung und Entwicklung seitens des Landes nichts ändern. Trotz aller Unkenrufe würde sich durch die in der Diskussion stehende moderate Absenkung der Fördersätze und die gleichzeitige Kompensation der Absenkung durch zinsgünstige Darlehen keine Kürzung der Forschungsförderung ergeben, sondern es könnten im Gegenteil letztlich mehr Projekte gefördert werden. Darüber hinaus würde die Umstellung der Forschungsförderung eine weitsichtige Haushaltsführung zum Ausdruck bringen. Für die Jahre 2005 und 2006 stünden durch diese Umstellung damit insgesamt rund 70 Millionen € zuzüglich eines Darlehensvolumens in Höhe von 14 Millionen € zur Verfügung.
Ein weiterer Vorteil: Durch die mittelfristige Rückzahlung der Darlehen entsteht zudem ein so genannter revolvierender Forschungsförderungsfonds, das heißt, die Mittel würden wie in einem Recycling-Kreislauf immer wieder der Förderung von Projekten zugute kommen - eine langfristige Sicherung also.
Optimistisch dürften uns im Zusammenhang mit der Forschungs- und Entwicklungsförderung die jüngsten Äußerungen des EU-Kommissars Verheugen stimmen, der in einem Interview mit der Zeitung „Die Zeit“ vom gestrigen Donnerstag, dem 14. April, noch einmal bestätigt hat, dass die EU-Kommission beabsichtigt, den Forschungs- und Entwicklungshaushalt der EU in der kommenden Förderperiode zu verdoppeln. Nunmehr soll Innovation und Forschung höchste Priorität eingeräumt werden, da Dutzende Studien den Zusammenhang zwischen Forschungsaufwand und Wirtschaftserfolg belegen.
Kommissar Verheugen hat aber noch etwas anderes Wichtiges gesagt: Neben allen finanziellen Anreizen müsse sich das Klima für ausländische Forscher und Wissenschaftler in Deutschland verbessern, weil diese das Gefühl hätten, bei uns nicht wirklich willkommen zu sein. Meine Damen und Herren! Das ist ein wirklich nachdenkenswerter Punkt. Diese Aussage geht über Diskriminierungsdebatten und Ähnliches weit hinaus.
Lassen Sie mich ein besonders prägnantes Beispiel für das schlechte Klima auf dem FuE-Gebiet in Deutschland nennen. Es geht um die Grünen und ihre feindliche Haltung gegenüber der Gentechnik. Durch das Schüren
von irrationalen Ängsten haben es die Grünen und auch die Bundesregierung geschafft, ausländische und inländische Investoren und Forscher aus Deutschland zu vertreiben. Herzlichen Glückwunsch!
Der Standort Deutschland hat immer davon gelebt, neueste Technologien und Ideen zu unterstützen, mit zu entwickeln und zu vermarkten. Gerade in dieser wirtschaftlich kritischen Zeit sollte es daher das Ziel sein, die Unternehmen zu unterstützen und nicht zu vergrätzen und selbst entwickelte Vorsprünge auszunutzen. Ich denke hierbei an das Beispiel des Standortes Gatersleben in Sachsen-Anhalt. Wir können es uns in dieser dynamischen Zeit nicht leisten, uns auszuruhen.
Meine Damen und Herren! Das Ziel des Landes Sachsen-Anhalt muss es insgesamt sein, den Förderstandard aus allen zur Verfügung stehenden Fonds landesweit beizubehalten. Dies wurde bereits mehrfach fraktionsübergreifend in diesem Hohen Haus gefordert. Nach dem aktuellen Sachstand ist jedoch zu befürchten, dass Sachsen-Anhalt in zwei Fördergebiete zerfällt: in ein so genanntes Ziel-1-Gebiet und in ein so genanntes Ziel1a-Gebiet. Allem Anschein nach soll die Region um Halle aufgrund des statistischen Effekts davon betroffen sein. Die endgültige Entwicklung diesbezüglich ist abzuwarten. Gerade unter diesen möglichen Voraussetzungen muss es in der Förderperiode ab 2007 aber weiterhin möglich sein, dass die Länder den Gestaltungsspielraum der neuen Verordnungen voll ausschöpfen und die EU-Mittel entsprechend den regionalen Bedingungen und Präferenzen einsetzen dürfen.
Darüber hinaus sollte die Landesregierung in ihren Bemühungen unterstützt werden, darauf hinzuwirken, dass die künftigen Verordnungen eine möglichst große Verwendungsbreite der EU-Fonds zulassen und der nationale Rahmenplan in Deutschland die Verwendungsbreite nicht einschränkt. Dies würde dem vom Ministerpräsidenten erläuterten und angestrebten Konsolidierungsziel dienen, darf aber selbstverständlich nicht dazu führen, dass Konflikte mit den ebenfalls unterstützten Wachstums- und Beschäftigungszielen die Verteilung der Fördermittel verkomplizieren.
Meine Damen und Herren von der Opposition! Neben einer schlüssigen und zukunftsorientierten Förderstrategie des Landes für den Einsatz unterschiedlicher EUFonds ist die Entwicklung von Entwürfen des operationellen Programms des EFRE, des ESF und des EPLR unabdingbar. Sie haben für die zurzeit laufende Förderperiode - ich nehme an, in guter Absicht - ein operationelles Programm für Sachsen-Anhalt zusammengestellt, das aus heutiger Sicht nicht funktioniert hat. Es war zu kleinteilig, zu zersplittert und einfach zu spezialisiert. Die Folge: Nur ein geringer Teil der vorgesehenen Mittel konnte mit Projekten unterlegt und mithin abgefordert werden. Dies hatte zur Folge, dass der Großteil der Mittel des Europäischen Strukturfonds bis Mitte 2002 nicht in Anspruch genommen werden konnte.
Die bereits im Jahr 2002 sichtbar gewordene Bugwelle hätte ohne Korrektur dazu geführt, dass europäische Mittel für den Aufbau in erheblichen Größenordnungen nicht hätten abgerufen werden können und dass somit Mittel zur Beseitigung des strukturellen Defizits Sachsen-Anhalts im europäischen Vergleich nicht hätten genutzt werden können; anders gesagt: Sachsen-Anhalt hätte seine Chance verpasst.
Dass wir zum Ende der Förderperiode im Jahr 2006 dennoch von einem erfolgreichen Weg sprechen können, hat im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens hat die CDU-FDP-Regierung seit der Übernahme der Verantwortung im Mai 2002 ein Hauptaugenmerk auf die Nutzung und den Abfluss europäischer Mittel gelegt. Zweitens kam hinzu, dass im Nachgang zum Hochwasser im August 2002 die Möglichkeit bestand, in der laufenden Förderperiode auch eine Änderung des operationellen Programms vorzunehmen. Durch die Straffung und Vereinfachung einzelner Programme wurden diese wieder nutzbar gemacht.
Heute können der Wirtschaftsminister und die Landesregierung einen Stand beim Mittelabfluss und bei den Bewilligungsverfahren vorweisen, der vorbildlich ist und der erwarten lässt, dass Sachsen-Anhalt alle vorhandenen Mittel des Europäischen Strukturfonds abrufen wird. Allein im Jahr 2003 sind Mittel in Höhe von 429 Millionen € abgeflossen; im Jahr 2004 waren es Mittel in Höhe von 388 Millionen €. Zum Vergleich: Im Jahr 2001 sind im Bereich des EFRE und der GA Mittel in Höhe von lediglich 232 Millionen € abgeflossen.
Meine Damen und Herren! Auch wenn der Landtag nicht entscheidet, werden die Ideen, Hinweise und Erwägungen der Legislative in die Entscheidung Eingang finden. Der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten beispielsweise wird sich in seiner Sitzung im April 2005 ausschließlich mit diesem Thema beschäftigen. Die Vertreter aller Fraktionen sind also gewillt, sich in die komplizierte Materie einzuarbeiten.
Die Landesregierung führt fünf Regionalkonferenzen durch, zu denen die Vertreter der Kommunen und der Verbände eingeladen sind. Dort wird zunächst Stoff gesammelt. Diese Stoffsammlung wird dann den Parlamentariern zur Kenntnis gegeben und dort findet die Meinungsbildung statt. Wie wir gehört haben, ist der Ministerpräsident bereits seit längerem dabei, die Legislative einzubinden, und ist auch gewillt, die Ergebnisse und Vorschläge zu übernehmen.
Meine Damen und Herren! Die Diskussion darüber, dass die Mittel des Europäischen Strukturfonds einen Großteil der Haushaltsplanung der EU betreffen, ist nicht neu. Wie bereits im Zusammenhang mit den Äußerungen Verheugens erwähnt, ist sie wieder aktuell geführt worden.
Eine Reduzierung der Haushaltsmittel der Strukturfonds würde ebenso wie eine Nichterhöhung aus der Sicht Sachsen-Anhalts zur Kürzung der zur Verfügung stehenden Mittel führen. Die aktuelle Debatte zeigt aber auch, dass die Strukturpolitik ein Drittel der Haushaltsmittel der EU in Anspruch nimmt. Sie ist einer der zentralen Politikbereiche innerhalb der Union und damit auch für alle betroffenen Regionen Europas.
Wir dürfen also gespannt sein, wie sich die Diskussion innerhalb Europas, aber sicherlich auch auf der Bundes- und auf der Landesebene sowie in den Parteien und Fraktionen entwickeln wird. Unstreitig dürfte jedoch sein, dass die Mittel des Europäischen Strukturfonds und die Mittel des Solidarpakts II für den Aufbau unserer Region unverzichtbar sind. Für deren bestmöglichen Einsatz will die FDP in Sachsen-Anhalt gern streiten. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
- Haben Sie eine Frage? - Herr Wolpert, möchten Sie eine Frage von Herrn Köck beantworten? - Nein, er möchte sie nicht beantworten.
Meine Damen und Herren! Dann ist die Debatte beendet. Der Tagesordnungspunkt 1 ist abgeschlossen. Bevor wir uns dem Tagesordnungspunkt 17 zuwenden, haben wir die Freude, Schülerinnen und Schüler des Scholl-Gymnasiums in Zeitz begrüßen zu können.
Mehr Spielräume für Sachsen-Anhalts Kommunen bei der Auftragsvergabe - mehr Chancen für den einheimischen Mittelstand