Protocol of the Session on April 14, 2005

Herr Minister, ich fände es gut, wenn es ein paar Leserbriefe zu dem Unterfangen oder zu den familienpolitischen Maßnahmen der Landesregierung gäbe. Aber dass es dazu keine Leserbriefe gibt, liegt schlichtweg daran, dass nichts vorliegt, wozu es etwas zu schreiben gäbe.

Ich habe eine konkrete Frage. Sie sagten, die Abschaffung des Ehegattensplittings würde dazu führen, dass Familien künftig ihre eigenen familienpolitischen Leis

tungen finanzieren. Stimmen Sie mir darin zu, dass die Abschaffung des Ehegattensplittings dagegen bedeutet, dass Ehepaare künftig familienpolitische Leistungen mitfinanzieren, dass damit also eine Umsteuerung der Förderung von Ehepaaren auf Familien mit Kindern vorgenommen würde?

Sehr geehrte Frau Bull, das mag Ihnen nicht so eingängig sein, aber in der Realität ist es auch häufig so, dass Ehepaare diejenigen sind, die Kinder haben.

(Zustimmung bei der FDP - Oh! bei der SPD und bei der PDS - Frau Dr. Weiher, PDS: Das ist doch nicht wahr! - Zuruf von Herrn Gallert, PDS)

Vielen Dank, Herr Minister Kley. - Jetzt beginnt die Debatte, und zwar mit dem Beitrag der CDU-Fraktion. Ich erteile Herrn Kurze das Wort. Bitte, Herr Kurze.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag fordert die SPD-Fraktion die Landesregierung auf, ihr Leitbild für ein kinder- und familienfreundliches Sachsen-Anhalt noch vor der Sommerpause im Landtag vorzustellen. Die PDS legt dazu einen Änderungsantrag vor und fügt den Bereich der Jugendpolitik mit ein.

Wer in den letzten Jahren unsere Regierungspolitik aufmerksam verfolgt hat, der weiß, welche Vorstellung wir auf diesem Politikfeld verfolgen. Von Beginn dieser Legislaturperiode an ist Familienpolitik ein Schwerpunktthema dieser Landesregierung gewesen. Bekanntermaßen hat Herr Ministerpräsident Professor Böhmer vor ungefähr einem Jahr im Rahmen einer Regierungserklärung die Vorstellungen der Landesregierung zur Familienpolitik dargelegt.

Bereits im Koalitionsvertrag haben wir festgeschrieben, dass eine zentrale Aufgabe der Familienpolitik darin besteht, die Vereinbarkeit von Familienleben und Beruf zu ermöglichen. Wir setzen uns dafür ein, dass eine echte Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf für Mütter und Väter in Sachsen-Anhalt gewährleistet wird. Die Familienarbeit und die Erwerbsarbeit in Wirtschaft und Gesellschaft sehen wir als gleichwertig an.

Eine Entscheidungsgrundlage und flankierende Maßnahme dieser aktiven Familienpolitik für Eltern ist dabei das Angebot der staatlichen Kinderbetreuung, welches wir mit unserem Kinderförderungsgesetz vorhalten. Die Rahmenbedingungen, die wir den Eltern anbieten, sind in Deutschland einmalig, und es gibt Bundesländer, die uns darum sehr beneiden.

Diese Rahmenbedingungen passen auch in unseren Konsolidierungskurs im Land und sind von der Mehrheit der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt akzeptiert worden. Am Ende hat der erste Volksentscheid in unserem Lande gezeigt, dass die CDU-FDP-Regierung auf dem richtigen Weg ist.

Bildungsreform, Familienpolitik und Schritt-für-Schritt-Wirtschaftswachstum sind Markenzeichen für unsere bürgerliche Politik in Sachsen-Anhalt. Wir krempeln unsere Ärmel hoch und handeln. Der langen Reden, des ewigen Jammerns und des Schürens von Sozialneid sind die

Menschen überdrüssig. Die Bürger wollen keinen blinden Aktionismus, wie sie ihn in vielen Bereichen aus Berlin bereits kennen gelernt haben.

(Herr Bischoff, SPD: Handeln Sie doch mal!)

In kleinen Schritten nehmen wir uns Thema für Thema vor und bringen unser Land dynamisch weiter nach vorn.

Die Kernpunkte unserer Familienpolitik hat die Landesregierung in dem von ihr zwischenzeitlich zur Anhörung freigegebenen Entwurf eines Familienfördergesetzes umgesetzt, Herr Bischoff. Mit diesem Gesetz werden Anreize geschaffen, um jungen Frauen und Männern die Entscheidung für ein Kind leichter zu machen. Die Landesregierung schlägt damit einen Weg ein, der in der Bundesrepublik bisher von keinem anderen Land gegangen worden ist.

Ein wesentlicher Punkt in diesem Zusammenhang ist die so genannte Familienfreundlichkeitsprüfung. Diese ist vor dem Erlass von Rechts- und Verwaltungsvorschriften durch die Landesverwaltung sowie bei der Planung von Maßnahmen des Landes zwingend vorgeschrieben. Dabei sind die Auswirkungen auf die Familien zu prüfen und die Anforderungen der Familienfreundlichkeit zu berücksichtigen. Das Land geht dabei mit gutem Beispiel voran.

Darüber hinaus enthält der Gesetzentwurf Anreize für Kommunen, beispielsweise indem das Land zugunsten der Kommunen zukünftig auf seinen Anteil bei Rückforderungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz verzichtet. Diese Mittel können von den Kommunen zweckgebunden für Familienprojekte eingesetzt werden.

Weiterhin ist die Einführung eines Familienpasses vorgesehen, der Familien gezielt unterstützen soll. Auch soll die Wohneigentumsbildung als einer der wichtigsten Faktoren für den Entschluss junger Menschen und Familien, im Land zu bleiben, stärker gefördert werden. So sollen Familien beim Erwerb von kommunalen Grundstücken Preisnachlässe erhalten. Das Landesbauministerium wird ein Wohnungsbau-Förderungsprogramm für junge Familien vorlegen.

Dies sind gute Beispiele für konkrete Maßnahmen der Landesregierung, mit denen sie ihr Leitbild für ein kinder- und familienfreundliches Sachsen-Anhalt konkret umsetzt. Bereits Ende letzten Jahres ist das Landesbündnis für Familien gegründet worden, das die von der Landesregierung gestarteten Initiativen begleitet und unterstützt.

Was die angesprochenen Leitlinien für das Handeln der Landesregierung selbst anbelangt, so sind diese in der Präambel des Gesetzentwurfs zum Familienfördergesetz dargelegt. Ich gehe einmal davon aus, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass Sie dieses Gesetz und die Präambel letztlich auch kennen.

All dies zeigt, dass wir nicht nur theoretische Leitbilder benötigen, sondern auch mit konkreten Maßnahmen handeln, die zu einem Wertewandel hin zu mehr Kinder- und Familienfreundlichkeit führen und die strukturelle Barrieren und Benachteiligungen von Familien abbauen werden.

Auch wenn bei den Arbeitgeberverbänden zurzeit Diskussionen dazu laufen, ob die Familienleistungen in Deutschland in Höhe von 150 Milliarden € ihr Ziel erreichen oder dieses sogar infrage stellen, muss ich ganz klar sagen, dass wir Familienförderung in Deutschland brauchen.

Wir müssen uns in der Wertediskussion ganz klar bekennen. Für die CDU ist die Familie, wie sie schon in der Bibel beschrieben wird - Mann, Frau und mit der Geburt ihrer Kinder -, die originäre Keimzelle unserer Gesellschaft. Das war früher so und das wird auch zukünftig so sein, Frau Bull. Ein harmonisches Familienleben kann nicht durch einen Kindergarten und schon gar nicht durch staatliche Hilfeleistungen ersetzt werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Wenn wir in Deutschland nicht aussterben wollen, kommen wir an dieser These nicht vorbei und müssen uns ernsthaft mit dieser Familienförderung beschäftigen. Es reicht nicht aus, dass wir alle nach Familie rufen, wir müssen uns letztlich ganz klar dazu bekennen.

Ein letztes Wort - die Zeit ist gleich abgelaufen - zur SPD-Broschüre „Familie 2020 - Wege in eine kinderfreundliche Gesellschaft“. Wir wollen nicht mehr Staat, sondern weniger Staat. Wir wollen den Bürgern nicht noch mehr Geld aus der Tasche ziehen, wie wir das von der rot-grünen Bundesregierung kennen. Wir wollen mit diesem Thema nicht überregulieren, wie wir es von den Grünen kennen; denn diese sind mittlerweile schon zum Synonym für die Vernichtung von Arbeitsplätzen in Deutschland geworden. Wir wollen schon gar nicht - das muss am Ende gesagt werden - den Eltern und Familien das Kindergeld streichen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die öffentlichen Reaktionen auf diese Vorstellungen der SPD-Landtagsfraktion zeigen, dass die Menschen in unserem Land unseren Weg begleiten wollen.

Meine Damen und Herren! In den Beratungen zum Familienfördergesetz werden wir uns im Landtag noch ausreichend mit den Inhalten, den Leitlinien und den einzelnen Themen befassen können. Aus diesem Grund werden wir den SPD-Antrag und auch den Änderungsantrag der PDS ablehnen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU - Herr Bischoff, SPD: Eigentlich schade! Man hätte sich einmal ausein- ander setzen können!)

Vielen Dank, Herr Kurze. - Nun ist die PDS-Fraktion an der Reihe. Ich erteile Frau von Angern das Wort.

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Gestatten Sie mir zunächst einige einleitende Worte. Unter dem Begriff der Familienplanung versteht man im Allgemeinen alle Maßnahmen von Paaren, die Anzahl und den Zeitpunkt der Geburten von Kindern individuell zu planen. Für die Familienplanung selbst sind sehr unterschiedliche Parameter entscheidend. Hierzu gehören unter anderem persönliche Ziele, Werte, Vorstellungen und Wünsche, die berufliche Karriere, Möglichkeiten der Kinderbetreuung und die Lebensplanung im Allgemeinen, aber eben auch objektive Kriterien wie harte und weiche Standortfaktoren vor Ort.

Die Parameter der Familienplanung sind so stark mit der Gesellschaft und der Politik verbunden, dass die Familienplanung nicht losgelöst von diesen betrachtet werden kann. Hieran zeigt sich der besondere Querschnittscharakter von Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Ich denke, das wird insbesondere in der so genannten DienelStudie sehr deutlich.

Der Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt hat auf dem Sachsen-Anhalt-Tag 2004 eine Umfrage durchgeführt zum Thema: Was wünschen sich Kinder und Jugendliche von der Landesregierung? - Die Veröffentlichung umfasste Antworten wie die eines Neunjährigen, der sich liebere Eltern wünschte, oder die einer Vierjährigen, die sich eine Katze wünschte. Diese Wünsche werden die Landesregierung und auch die Politik im Allgemeinen wohl nicht erfüllen können.

Doch eine Vielzahl von Kindern und Jugendlichen äußerte den Wunsch nach ausreichenden Ausbildungs- und Arbeitsplätzen und nach besseren Freizeitangeboten.

Unsere Debatte heute, die so neu nicht ist, trifft also auch bei Kindern und Jugendlichen auf fruchtbaren Boden; denn sie machen sich über ihre Zukunft Gedanken. Die Politik darf sie mit diesen Gedanken aber nicht allein lassen. Es ist zunächst zu begrüßen, dass die SPDFraktion das Thema Kinder- und Familienfreundlichkeit heute erneut in die Debatte bringt.

Darüber hinaus verfolgen Sie, werte Kollegen der SPD, mit diesem Antrag natürlich das legitime Ziel, Ihr vor kurzem der Öffentlichkeit vorgestelltes Programm „Familie 2020“ gegen die konzeptionellen Gedanken der Landesregierung zur Familienpolitik zu stellen. Ich denke, das ist im Sinne eines gemeinsamen Dialogs völlig in Ordnung. Auch die PDS wird sich konstruktiv in die Gespräche einbringen, zumal sich in einigen Punkten im Grunde ein Konsens abzeichnet.

Das betrifft zum Beispiel das Ziel der SPD, eine kostenlose staatliche Kinderbetreuung zu planen. Auch die PDS fordert das in ihrem Parteiprogramm. Auch die FDP fordert so manches Mal, wenn sie meint, es passt ins politische Stimmungsbild, gern ein kostenloses Vorschuljahr.

Aber darüber, ob diese Kostenfreiheit, wie es die SPD vorhat, durch die Umschichtung des Kindergeldes erreicht werden kann, sollte noch heftig diskutiert werden. Vielmehr sollte bei der geringen Geburtenrate und der damit sinkenden Kinderzahl ähnlich wie bei einigen europäischen Nachbarländern direkt in die Kindertagesbetreuung investiert werden. Im Übrigen sind die volkswirtschaftlichen Einnahmeeffekte solcher Investitionen bereits hinlänglich bewiesen.

Die PDS steht nach wie vor auf dem Standpunkt, dass es notwendig ist, die Betreuungszeiten in der Tageseinrichtung nicht vorrangig am Erwerbsstatus der Familien festzumachen, sondern am individuellen Betreuungs- und Förderungsbedarf der Kinder.

(Zustimmung bei der PDS)

Nach Ansicht der PDS mangelt es im Land momentan aber vor allem an konkreten kommunalpolitischen Bezügen. Auf die Frage, wie das Land die Kommunen zur Schaffung lokaler und wohnortnaher Maßnahmen für Kinder, Jugendliche und deren Familien praktisch unterstützen kann, bleiben die Antworten bisher recht spärlich.

Die PDS hat ihrerseits mit ihren Konzepten zur kommunalen Sozialpauschale und zur Etablierung integrierter Beratungszentren Gedanken entwickelt. Es fällt mir zugegebenermaßen allerdings schwer zu glauben, dass die Landesregierung tatsächlich ein Interesse an einem längerfristigen Konzept hat.

Mit einjähriger Verspätung - ich sagte es heute schon - liegt dem Parlament inzwischen der Kinder- und Jugendbericht vor. Der Unterrichtung ist überraschenderweise zu entnehmen, dass sich lediglich der Ausschuss für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport mit diesem Bericht befassen soll. Versteht die Landesregierung das als einen politisch seriösen Umgang mit einem Querschnittsthema? Denn genau das ist Kinder- und Jugendpolitik. Die PDS vertritt daher die Auffassung, dass sich das gesamte Parlament inhaltlich mit dem Bericht und den daraus zu entwickelnden Schlussfolgerungen auseinander setzen muss.

Zu bedenken geben möchte ich hinsichtlich der gesamten Debatte jedoch, dass sich Sachsen-Anhalt eine Ignoranz oder ein Gegeneinander der politisch Verantwortlichen bei dieser Thematik meiner Meinung nach nicht leisten kann. Mir ist durchaus bewusst, dass wir uns mit schnellen Schritten der nächsten Wahlkampfzeit nähern. Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Kinder, Jugendliche und Familien sind kein Spielball der Politik, und ich hoffe, dass wir uns darin grundsätzlich einig sind.

(Zustimmung bei der PDS)

Den folgenden Satz musste ich ändern, weil ich beim Schreiben dieser Rede davon ausgegangen bin, dass dieser Antrag heute eine Mehrheit findet.

Einen erheblichen Schwachpunkt sehe ich bei dem SPD-Antrag jedoch in der Frage der Jugendlichen. Ich frage mich, warum Sie in Ihrem Antrag bewusst auf Jugendliche verzichtet haben. Ich denke, dass unsere Aufmerksamkeit unbedingt auf diese Altersgruppe und die mit dieser einhergehenden Probleme gelenkt werden sollte und dass sie dringend auch im Kontext der Familienpolitik gesehen werden muss, ohne dabei natürlich ihre Individualität zu verlieren. Genau darauf zielt unser Änderungsantrag ab.

Zum Schluss - hier leuchtet es bereits rot - möchte ich noch etwas zu Herrn Kley sagen. Ich sehe mich sicherlich nicht in der Zuständigkeit, hier die Bundesregierung zu verteidigen, aber ich möchte Sie doch, wenn auch ungern, an Ihre Anzeigenlawine im letzten Jahr und am Anfang dieses Jahres gegen den Volksentscheid erinnern,

(Zustimmung bei der PDS)