Das ist übrigens kein bloßer Populismus; denn ich habe bereits im Jahr 2003 eine ähnliche Initiative unterstützt.
Daran halte ich auch heute fest. Die DNA-Analyse wird nicht zu Unrecht auch als genetischer Fingerabdruck bezeichnet. Sie entspricht in ihrem Wesen tatsächlich dem konventionellen Fingerabdruck. Das werden wir hoffentlich im Rahmen der Anhörung alle deutlich dargelegt bekommen. Rechtliche Unterschiede bei der Anordnung dieser beiden Maßnahmen sind deshalb nicht geboten. Sie resultieren vielmehr aus Bedenken gegen die DNA-Analyse, die längst widerlegt und überholt sind.
Zum einen gibt es die immer wieder geäußerte Befürchtung, bei der DNA-Analyse würden persönlichkeitsrelevante Erbinformationen offengelegt. Dies ist bei der DNA-Analyse im Strafverfahren gerade nicht der Fall. Diese DNA-Analyse dient wie der Fingerabdruck allein der Identifizierung. Dazu werden so genannten nichtcodierende Bereiche der DNA untersucht. Das sind die Bereiche der DNA, die keine Erbinformationen erhalten. Rückschlüsse etwa auf Persönlichkeitsmerkmale des Beschuldigten sind mit Ausnahme der Geschlechterbestimmung gerade nicht möglich.
Ich möchte es deutlich hervorheben: Aus den im Strafverfahren erhobenen DNA-Mustern können also weder Größe, Haarfarbe noch andere genetisch bedingte Merkmale noch Krankheiten oder der Charakter abgeleitet werden. Darauf gerichtete Untersuchungen sind zudem ausdrücklich verboten.
Uns wird entgegengehalten: Was ist aber mit der Gefahr des Missbrauchs? Das ist ein Argument, das man immer wieder hört. Die generelle und wohl auch nur theoretische Möglichkeit des Missbrauchs ist aber meines Erachtens gerade keine der DNA-Analyse spezifisch anhaftende Gefahr. Diese Möglichkeit besteht doch auch bei jeder im Ermittlungsverfahren entnommenen Blutprobe. Trotzdem würde aber niemand auf die Idee kommen, deshalb bei alkoholisierten Autofahrern nicht mehr Blutproben zum Nachweis der Fahruntüchtigkeit zu entnehmen.
Im Übrigen enthält bereits das geltende Recht eindeutige Verbote und Sicherungen vor einem Missbrauch. Gerade im Bereich der DNA Analyse wird dem Missbrauch durch Anonymisierung der DNA-Proben und die gesetzlich geregelten Anforderungen an den Sachverständigen entgegengewirkt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich noch auf zwei Punkte aus der Antragsbegründung eingehen. Darin heißt es: Unschuldsvermutung und Verhältnismäßigkeit.
Verehrter Herr Gallert, wieso soll die Ausweitung der DNA-Analyse durch rechtliche Angleichung an den Fingerabdruck gegen die Unschuldsvermutung verstoßen? Wir haben uns das im Hause lange überlegt und sind
nicht zu einer Lösung gekommen, was damit gemeint ist. Vielleicht können wir die Dinge einmal im Sechs- oder Vier-Augen-Gespräch miteinander erörtern.
Was die Verhältnismäßigkeit anbelangt, so gilt natürlich dieser Grundsatz auch bei der DNA-Analyse. Den kleinen Eierdieb, den Kleinkriminellen kann man ja auch heute schon erkennungsdienstlich im Grunde genommen nicht behandeln. Auch dort gilt bereits der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Deshalb meinen wir: Wir sollten es zur Anhörung kommen lassen und sollten all die Dinge, die von mir auch kritisch angesprochen worden sind, erörtern. Ich hoffe, dass wir dann, verehrter Herr Kosmehl, zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Minister, der Abgeordnete Herr Gallert möchte eine Frage stellen. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?
Es ist wahrscheinlich eher eine Zwischen-, nunmehr Endintervention und keine Frage. - Herr Becker, als Erstes zu der Sache mit dem Hühnerstall und dem Fuchs. Glauben Sie mir, selbst ich unterschreibe manchmal Anträge, die inhaltlicher und nicht taktischer Natur sind. Aber was ich denk’ und selber tu’, trau’ ich wohl auch den andern zu, Herr Becker. Nur, an dieser Stelle war es wirklich eine Frage, die die inhaltliche Klärung anbelangt. Dass deswegen Ihre Koalition auseinander bricht, diese Hoffnung hatte ich ohnehin nicht. Wenn ich sie gehabt hätte, hätten wir den Antrag natürlich doppelt gern gestellt. Aber so weit müssen wir nicht gehen.
Zweitens zu der Unschuldsvermutung, die Sie hier avisiert haben. Ich glaube, Herr Gärtner hat relativ deutlich erklärt, worin deren Gefährdung besteht. Die Überlegung, dass die DNA an einen Tatort oder in die Nähe eines Tatortes kommt, ist sehr viel umfangreicher gegeben als bei einem Fingerabdruck. Wenn zum Beispiel allein aus dem Haar die DNA-Analyse erfolgt, dann ist schon die Frage, inwieweit man sich möglicherweise dann rechtfertigen muss, weil dort von jemandem etwas gefunden worden ist. Möglicherweise war er dort gar nicht anwesend. Dazu sage ich: Fingerabdrücke lassen sich eben nicht so leicht wie eine Haarschuppe an einen anderen Ort transportieren. Da gibt es aus unserer Sicht schon einen Unterschied.
Sie müssen auch zur Kenntnis nehmen, Herr Becker: Die wissenschaftliche Forschung ist vielleicht heute noch nicht so weit, aber Sie können mich nicht ernsthaft glauben machen, dass es nicht möglich sein wird, in absehbarer Zeit aus solchen Informationen, die dann gespeichert werden, sehr wohl hochsensible Daten, zum Beispiel Krankheitsbilder, zum Beispiel Risiken, herauszufiltern, was beim Fingerabdruck im Normalfall nicht der Fall ist.
Verehrter Herr Gallert, zwei Dinge. Was das Letzte anlangt, so wissen wir: Überall dort, wo Menschen sind, besteht die Gefahr von Missbrauch. Genau deshalb wird man da sehr aufpassen müssen, die Schranken möglichst hochzuziehen, damit dieser Missbrauch nicht betrieben werden kann.
Was den Antrag anlangt, den Sie gestellt haben: Lieber Herr Gallert, für mich sind Sie ein homo politicus und für mich ist es deshalb klar, dass auch Sie gegebenenfalls solche Anträge nutzen, um uns ein bisschen zu kitzeln. Das ist doch verständlich. Dafür sind wir doch beide 15 Jahre in diesem Parlament.
(Zustimmung bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Nein, er nicht ganz! - Herr Gallert, PDS: Ich habe die ersten vier Klassen übersprungen!)
Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Fünfminutendebatte ein. Für die CDU-Fraktion erhält der Abgeordnete Herr Stahlknecht das Wort. Bitte sehr, Herr Stahlknecht.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt gelegentlich Themen, bei denen die FDP und auch Herr Kosmehl ihr liberales Gewissen ganz besonders entdecken, wo sie meinen, das Gewissen des Bürgers zu erkennen. Letztlich ist das, worüber wir diskutieren, etwas, was man rechtstaatlich ganz einfach organisieren kann und darf.
Wenn man sich das einmal vor Augen führt, ist eine DNA-Analyse, wenn Sie sie in ihrer Gesamtheit nehmen, vergleichbar mit einer 1 000 km langen Autobahn. Von diesen 1 000 km werden für erkennungsdienstliche Maßnahmen die ersten 20 cm genutzt und der Rest wird überhaupt nicht verwertet.
Herr Gallert, die Dinge, die Sie ansprechen, die befinden sich eben in diesen Kilometern und Abschnitten, die überhaupt nicht verwandt werden und dann vernichtet werden. Insofern besteht überhaupt keine Gefahr, dass diese so genannten Überschussinformationen genutzt werden.
Es ist natürlich richtig, dass man, wenn man eine Ausweitung der DNA-Analyse macht, regeln muss, dass diese Überschussinformationen nicht verwertet werden.
Das andere: Ich habe das vorher auch schon vom Datenschutzbeauftragten gehört, dass ein Träger von DNA leichter an den Tatort kommt. Das halte ich für eine sehr theoretische Erwägung. Natürlich gibt es die Möglichkeit, dass ein Haar, wenn Sie heute in der Straßenbahn das Haar verlieren, den Weg zum Bahnhof macht, ja in der Eisenbahn nach Berlin weiter fährt und dort plötzlich an einem Tatort aufgefunden wird. Solche Szenarien kann man aufstellen, aber ich halte deren Wahrscheinlichkeit für gegen Null tendierend.
- Wenn Sie Haarausfall haben, dann kann das Haar an mehrere Tatorte kommen. Das kann man alles damit verbinden.
Nun will ich noch eines aus meiner Sicht - ich denke, auch aus der Sicht der CDU-Fraktion - sagen: Letztlich ist nicht gewollt - dazu gibt es auch extreme Meinungen -, schon bei der Geburt von allen Menschen eine solche DNA-Probe zu entnehmen, sondern wir entnehmen und wollen diese Proben für die DNA-Analyse von Menschen nehmen, die straffällig oder auffällig geworden sind und möglicherweise auch rechtskräftig verurteilt worden sind. Da muss ich aus meiner Sicht ganz einfach sagen: Ich sehe nirgends im Land ein Gebot oder einen Zwang, kriminell zu werden. Wer sich in die Nähe von Straftaten begibt oder diese ausführt, muss eben wissen, dass der Preis dafür, dass er dieses tut, ist, dass von ihm eine DNA-Probe genommen wird.
Das dient doch dazu, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zu schützen und bei Wiederholungstätern, Herr Kosmehl, bei sexueller Nötigung und bei Vergewaltigungen können weitere Straftaten verhindert werden.
- Herr Kosmehl, das ist so. Sie haben nicht in der Staatsanwaltschaft gearbeitet. Wir wären froh gewesen, wenn wir manche Straftat dadurch hätten verhindern können, und manches Menschenleben wäre erhalten worden. Den Hinterbliebenen der Opfer können Sie mal ihre liberalen Ansichten mitteilen. Sie werden dazu eine andere Auffassung haben.
- Bleiben Sie doch mal ganz ruhig. Es ist Freitagabend, wir sind kurz vor dem Schlusspunkt. Wollen wir doch den Blutdruck nicht umsonst hochtreiben.
Wir sind dafür, dass wir dieses Thema im Rechtsausschuss diskutieren, um uns auch die Meinungen der Rechtsmediziner anzuhören. Sie werden erstaunt sein, was Ihnen Herr Professor Dr. Krause mitzuteilen hat.
- Herr Kosmehl, Professor Krause ist eine anerkannte Kapazität in Sachsen-Anhalt. Wenn Sie ihm auch noch erklären, dass Sie ihn nicht anerkennen, dann kommen Sie aber ins ganz kurze Gras, vermute ich.
Im Übrigen: Dass wir uns mit der FDP an dieser Stelle einmal reiben, das bringt ja in gewisser Weise auch Freude. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Stahlknecht. - Für die SPD-Fraktion erhält der Abgeordnete Herr Rothe das Wort. Bitte sehr, Herr Rothe.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Stahlknecht, wir Juristen sind doch immer gerade dort Herr der Lage, wo wir keine Ahnung haben, nicht wahr?