Protocol of the Session on December 17, 2004

(Zu Protokoll:)

Die Landesregierung hat heute den Entwurf eines Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag eingebracht. Mit der Thematik beschäftigen wir uns jedoch nicht erst seit heute. Über viele Monate zieht sich die Diskussion um diesen Staatsvertrag bereits hin.

In der Öffentlichkeit war jedoch vor allem die Debatte um die Rundfunkgebühren wahrnehmbar. Hierzu haben sich nicht nur Politiker geäußert, sondern die Diskussion wurde auch in der Bevölkerung geführt. Verständlich, schließlich sind wir ja auch alle Fernseh- und Radionutzer und haben ein gewisses Eigeninteresse mitzureden, wie viel wir wofür bezahlen müssen.

Ich will keinen Hehl daraus machen, dass es auch innerhalb unserer Fraktion ein sehr differenziertes Meinungsbild gibt. Wir alle bekennen uns grundsätzlich zu der Form des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, doch die Frage, was er uns kostet, müssen wir uns schon stellen. Auch was er leisten soll, gilt es zu erörtern.

Sicherlich, ARD und ZDF haben ein weltweit einmaliges Angebot an öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen. Aber manche warnen schon seit geraumer Zeit vor einer gefährlichen Entwicklung. Sie befürchten, dass sich unsere Sendeanstalten teilweise zu bürokratischen Kraken entwickelt haben, die gefräßig sind, ohne jemals satt zu werden. Ein Monstrum, das 6,5 Milliarden € Gebühren einnimmt und dem eben doch die Sicherheit fehlt, wie dieses Geld im Sinne der Gesellschaft adäquat einzusetzen ist.

Hier ein Zahlenbeispiel, das Bände spricht: In dem Zeitraum von 1988 bis zum Jahr 2001 haben sich die Gebühren von 16,60 DM auf 31,58 DM nahezu verdoppelt, und nun soll der nächste Schluck aus der Pulle folgen. Die unabhängige Gebührenkommission hat die Bedarfsanmeldungen der Intendanten der öffentlich-rechtlichen Sender bereits korrigiert. 1,09 € - so lautete der Vorschlag.

Dennoch stellt sich mir persönlich angesichts der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Situation die Frage, ob nach einer bereits erfolgten Verdoppelung der Rundfunkgebühren wirklich nochmals ein so kräftiger Zuschlag vertretbar ist. Wenn ich mir die Situation der privaten Haushalte ansehe, die reale Lohneinbußen hinnehmen müssen und vielfach auf Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten müssen, dann kommen mir wahrhaft Zweifel.

Wenn die Ministerpräsidenten nun einen niedrigeren Satz von 0,88 € monatlich vorsehen, der immerhin eine Erhöhung auf 17,03 € darstellt, dann halte ich diese Reduzierung für gesamtwirtschaftlich sinnvoll und vertretbar. Meiner Meinung nach ist das auch absolut verfassungskonform. Denn das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 1994 in seiner Rechtsprechung zur Gebührenfrage klargestellt, dass es Aufgabe der Länder ist, die finanziellen Interessen der Rundfunkgebührenzahler

wahrzunehmen.

Und diese müssen nun einmal reale Einbußen bei den Löhnen hinnehmen und vielfach auf Sonderzahlungen verzichten. Auch die privatwirtschaftlichen Unternehmen

sind derzeit nicht auf Rosen gebettet. Die Zahl der Insolvenzen erreicht in Deutschland ihren Höchststand, Umsätze von Firmen stagnieren oder sind rückläufig. In dieser Lage können wir es nicht zulassen, dass Rundfunkintendanten „Wünsch dir was“ spielen.

Deshalb finde ich es auch richtig, wenn im Rundfunkänderungsstaatsvertrag darauf abgehoben wird, programmliche Austauschentwicklung und Kostenneutralität zu Pflichtveranstaltungen zu machen und neue Programmvorhaben mit einem Verzicht an anderer Stelle einhergehen zu lassen. Auch eine Begrenzung der Anzahl der Fernseh- und Radioprogramme halte ich für absolut zielführend. Ebenso ist es richtig, wenn die Prüfmöglichkeiten der KEF noch ausgeweitet werden.

Dies alles ist richtig und wichtig, aber meiner Meinung nach noch nicht wirklich ausreichend, um die öffentlichrechtlichen Sendeanstalten fit für die Zukunft zu machen. Wir müssen wirklich ernsthaft über Strukturen reden. Daran führt kein Weg vorbei.

Die Anhörung mit den Intendanten und Vertretern der KEF hat gezeigt, dass das mit Abstand größte Kostenproblem in den Pensionszahlungen liegt. Man kann fast sagen, da tickt eine finanzielle Zeitbombe. Wenn die öffentlich-rechtlichen Anstalten Handlungsspielräume gewinnen wollen, müssen sich die Tarifpartner flexibel zeigen und auch bei Altverträgen zu einer auskömmlicheren Regelung finden. Diese schwere Hausaufgabe müssen wir ihnen stellen.

Auch der Online-Bereich - sicherlich ein Faktor der Zukunft - darf nicht zur satt grünen Spielwiese werden. Das Informationsangebot ist richtig und wichtig, aber jede Mode kann ein öffentlich-rechtlicher Sender nicht mitmachen.

Das Gleiche gilt auch für das Programm. Ich sehe bei den öffentlich-rechtlichen Sendungen absolut Effizienzsteigerungspotenzial. Nehmen wir das Beispiel der Fußball-EM. Allein für die ARD gab es mehrere Teams von verschiedenen Sendern. So kamen die Berichte und Interviews für das Morgenmagazin vom WDR, im Mittagsmagazin berichteten die Kollegen vom Bayerischen Rundfunk über Rudi Völler und seine Truppe. Zur ausufernden Berichterstattung über diverse Prinzenhochzeiten habe ich mich über die Presse ja schon ausgiebig geäußert.

Wenn wir einen neuen Aufbruch wagen wollen, müssen Strukturreformen her. Es ist wie mit der Medizin. Am Anfang ist sie bitter, wenn sie am Ende wirkungsvoll sein soll.

Ein Blick über Deutschland hinaus zeigt mir, dass man auch mit moderateren Anpassungen ein qualitativ hochwertiges öffentlich-rechtliches Fernsehen machen kann. So verfügt die britische BBC - weltweit bekannt als Flaggschiff des öffentlich-rechtlichen Rundfunkjournalismus - im Jahr über 4,1 Milliarden € Gebühren, während ARD und ZDF 6,7 Milliarden € zur Verfügung haben. Jeder britische Haushalt zahlt im Jahr 180 € Gebühren, der deutsche Durchschnittshaushalt ab April 2005 dann 204 €. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die BBC im Gegensatz zu unseren deutschen Anstalten werbefrei ist. Die BBC bietet dennoch acht nationale Fernsehprogramme, zehn landesweite und 50 regionale. Für ihr Hauptprogramm gibt sie 1 Milliarde Pfund, für BBC 2 500 Millionen Pfund im Jahr aus.

Nach der Einbringung heute werden uns sicher spannende Debatten im Ausschuss für Kultur und Medien

und in den Fraktionen bevorstehen. Lassen Sie uns diese Debatten nutzen, um kreativ und ohne Tabus über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nachzudenken.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um die Überweisung in den Ausschuss für Kultur und Medien.

Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Einer Überweisung als solcher steht nichts im Wege. Bisher habe ich lediglich vernommen, dass es um eine Überweisung in den Ausschuss für Kultur und Medien geht.

Wer dem Antrag zustimmt, dass die Drs. 4/1930 an den Ausschuss für Kultur und Medien überwiesen wird, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Gesetzentwurf in den Ausschuss überwiesen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 20.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf:

Beratung

Leitbild für die Integration von Migrantinnen und Migranten

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/1910

Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/1958

Die Einbringerin für die SPD-Fraktion ist die Abgeordnete Frau Krimhild Fischer. Bitte sehr.

(Minister Herr Dr. Daehre: Geben Sie zu Proto- koll?)

Nein, ich habe etwas zu sagen.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Wir haben im Innenausschuss mehrfach das Leitbild für Integration angesprochen und wurden darüber informiert, dass es bereits seit der vergangenen Legislaturperiode, parallel zur Einrichtung der Zuwanderungskommission auf der Bundesebene, eine Arbeitsgruppe im Innenministerium gibt, die an der Erstellung eines Leitbildes für Integration arbeitet.

Im Juni 2004 wurde im Innenausschuss angekündigt, dass uns dieses Leitbild nach der Beschlussfassung zum Zuwanderungsgesetz vorgestellt wird. Nun wurde das Gesetz im Juli dieses Jahres verabschiedet und es wird am 1. Januar 2005 in Kraft treten. Trotzdem ist in Sachsen-Anhalt diesbezüglich nichts passiert. Darum haben wir uns entschlossen, diesen Weg zu gehen und hier einen Antrag einzubringen; denn unsere bisherigen Versuche sind erfolglos geblieben.

Wir halten es für notwendig, dass es ein Leitbild für Integration gibt, wie es in einigen anderen Bundesländern bereits vorgelegt wurde. Niedersachsen hat ein Leitbild bzw. ein Handlungsprogramm; in Nordrhein-Westfalen gibt es eine parteiübergreifende Integrationsoffensive.

Ein solches Leitbild ist zum einen notwendig, damit Migrantinnen und Migranten die Vorstellungen kennen;

es ist zum anderen notwendig für die Institutionen und Personen, die in diesem Bereich arbeiten. Alle brauchen einen klaren Handlungs- und Empfehlungsrahmen.

Seit mehr als einem Jahr, genau seit dem 23. Oktober 2003, gibt es in Sachsen-Anhalt das Bündnis für Zuwanderung und Integration. Es wurde auf Initiative der Liga der Freien Wohlfahrtspflege gegründet. Ihm gehören neben anderen auch die Parteien unseres Landes an und auch der Runde Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit, dessen Schirmherr unser Landtagspräsident Professor Spotka ist.

In der Lenkungsgruppe dieses Bündnisses wurde ich mehrfach auf das Leitbild der Landesregierung angesprochen. Unter anderem haben wir auch deshalb immer wieder die Nachfragen im Innenausschuss gestellt.

Was Integration für uns bedeutet, das haben wir, denke ich, in den verschiedenen Debatten zum Zuwanderungsgesetz bereits deutlich gemacht. Ein wichtiger Bestandteil ist die Sprachkompetenz als Voraussetzung für die berufliche und soziale Integration. Dazu gehören auch Kenntnisse im Bereich der Allgemeinbildung über das Land, die Gesellschaft und die Kultur. Dass wir anderen diese Integrationsangebote machen, ist auch der Zuwanderung dienlich. Die berufliche Integration ist wichtig.

Aber - ich kürze ein wenig ab - die Integration ist nicht nur einseitig zu verstehen. Integration bedeutet in meinen Augen auch, dass wir uns mit anderen Kulturen auseinander setzen, von diesen lernen. Auch das stellt eine Bereicherung dar. Es gilt auch weiterhin in Deutschland über Ausländerinnen und Ausländer aufzuklären und damit noch mehr Akzeptanz bei der Bevölkerung zu schaffen und der Fremdenfeindlichkeit entgegenzuwirken.

Wie die Untersuchung „Deutsche Zustände 2004“ aussagt, hat die Fremdenfeindlichkeit in Deutschland auch im Jahr 2004 wieder zugenommen. Das belegt diese Studie. Dieser Trend ist gerade in den neuen Bundesländern verschärft zu verzeichnen.

Die endlose Geschichte um das Zuwanderungsgesetz ist nun beendet. Nach jahrelangem Streit bekommt Deutschland ein modernes Zuwanderungsgesetz. Die Integration der Migrantinnen und Migranten nimmt in den Regelungen breiten Raum ein. Dazu zählen unter anderem auch Kursangebote, die der Bund in eigener Regie und auf eigene Kosten durchführt. Die Verordnung zu diesen Integrationskursen ist bereits beschlossen worden. Dafür stehen insgesamt Mittel in Höhe von 208 Millionen € zur Verfügung.

Es wird jedoch nicht nur Geld für diejenigen zur Verfügung gestellt, die neu zuwandern, sondern auch für die bereits in Deutschland Lebenden, die trotzdem noch Bedarf daran haben, die deutsche Sprache zu lernen. Diese Aufgabe wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wahrnehmen. Aber auch Entwicklungshilfepolitik gehört dazu, die die Fluchtursachen in den Herkunftsländern beseitigen hilft.

Auf der Landesebene gehört ein Leitbild für Integration dazu, weil es auch in Sachsen-Anhalt gilt, die Leistungen aus dem Zuwanderungsgesetz in den Kommunen umzusetzen und die bereits vorhandenen Netzwerke für Integration einzubeziehen, zum Beispiel das Bündnis für Zuwanderung und Integration in Sachsen-Anhalt.

Ich möchte kurz auf einige aktuelle Geschehnisse eingehen. Gerade in diesen Tagen wird in der deutschen

Öffentlichkeit intensiv über das Zusammenleben von Ausländern und Deutschen diskutiert. Dabei geht es insbesondere um das Verhältnis von Migranten moslemischen Glaubens zu Deutschen und umgekehrt und darum, ob die grundlegenden Werte unserer Gesellschaft gesichert sind und bleiben.

Genau in dieser Situation findet am 6. und 7. Dezember 2004 in Düsseldorf ein CDU-Bundesparteitag statt. Dazu gibt es einen Beschluss C 34 mit der Überschrift „Im deutschen Interesse - Integration fördern und fordern, Islamismus bekämpfen“.

Dazu muss ich Ihnen sagen: Das ist genau die Art von Beschlüssen, die leider die bestehenden Ressentiments schüren. In den vergangenen Tagen konnte man viel darüber lesen, nämlich anlässlich der Veröffentlichung der bereits genannten Studie, dass die Fremden- und Islamfeindlichkeit in Deutschland zunimmt. Ich denke, genau mit einem solchen Beschluss wird diese Stimmung noch verstärkt.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich möchte hier nur kurz zwei Beispiele aus diesem Beschluss vorbringen. Da ist zunächst die Forderung, Kinder, die keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben, sollten nicht eingeschult werden. Das ist, wie wir finden, ein falscher Schritt. Durch eine Bestrafung in dieser Form wird kein Beitrag zur Integration geleistet. Sie behebt noch lange nicht das Problem. Es muss unserer Meinung nach doch viel eher mit Sprachkursen begonnen werden.

Außerdem bezieht sich dieser Beschluss auf den Nachzug von Kindern bis zu einem Alter von sechs Jahren. Das wird hier vorgesehen. Ich denke, damit bleibt man weit hinter dem zurück, was im Zuwanderungsgesetz nach auch mühsamen Kompromissverhandlungen verabschiedet worden ist.