Protocol of the Session on November 12, 2004

Ich fasse zusammen: Die Lichtenburg markiert einen Ort schwerster Menschenrechtsverletzungen während des gesamten Dritten Reiches, die uns und kommenden Generationen auch künftig zum Gedenken und zur Mahnung gereichen muss. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei allen Fraktionen und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Minister Becker. - Meine Damen und Herren! Wir setzen nun die Debatte fort mit dem Redebeitrag der FDP-Fraktion, den Herr Kosmehl vorbringen wird. Bitte sehr, Herr Kosmehl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entwicklung der letzten Tage hat, denke ich, uns alle in diesem Hohen Hause überrascht: die Ankündigung und die Durchsetzung der Schließung durch den Landrat in Wittenberg.

Ich will aber in die Entwicklung der letzten Tage ausdrücklich auch den heutigen Tag ein Stück weit einbeziehen, weil das Konzept, das Herr Minister Becker gerade umrissen hat, das angedacht ist, sicherlich dem gerecht wird, was der Landtag auch in seinen früheren Beschlüssen immer wieder betont hat: eine überregionale Bedeutung der KZ-Gedenkstätte Lichtenburg.

Man wird aber im nächsten Jahr in den Gesprächen klären müssen, ob diese gedachte Lösung sich auch möglichst zügig umsetzen lässt. Ich glaube, dass eine länger andauernde Schließung ein Stück weit auch einen Verlust bedeuten würde, sodass ich zum einen darum bitte, dass man, wenn man dieses Konzept umsetzen will, das auch zügig zu machen versucht.

Zum anderen - jetzt komme ich zu dem, was der Kollege Herr Gärtner gesagt hat - weise ich darauf hin, dass für die Entscheidungen vor Ort eben nicht der Landtag und nicht die Landesregierung zuständig ist, sondern dafür sind der Landkreis Wittenberg und der Landrat Dammer zuständig. Diese Entscheidungen sollten ein Stück weit überdacht werden, weil sie letztlich dazu geführt haben, dass diese Gedenkstätte derzeit geschlossen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Landtag hat sich in den letzten Jahren mehrfach und, so glaube

ich, auch zu Recht mit diesem Thema beschäftigt. Wenn sich, wie es der Herr Minister Becker hier vorgetragen hat, im Laufe des nächsten Jahres oder in der Zukunft eine Lösung abzeichnen könnte, die allen Beteiligten vor Ort wie auch dem Land zugute kommen könnte, dann begrüßen wir das ausdrücklich.

Allen Beteiligten, auch denen vor Ort, ist bekannt, dass es hierbei nicht um die gesamte Lichtenburg geht, sondern nur noch um einen kleinen, abgegrenzten Teil und insbesondere um eine Ausstellung, die sicherlich auch heutigen Erkenntnissen entsprechend angepasst werden muss, also auch inhaltlich überarbeitet werden muss. Das kann dann allerdings durchaus im Zuge dieser Neukonzipierung geschehen. Ich setze meine Hoffnung darauf, dass wir dann eine Gedenkstätte haben, die in der Tat zum Gedenken sozusagen verleitet und vielleicht auch dazu führt, dass das dort und andernorts Geschehene nicht in Vergessenheit gerät. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei allen Fraktionen und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Kosmehl. - Für die SPD-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Rothe das Wort. Bitte sehr, Herr Rothe.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was ich vorbereitet hatte, kann ich beiseite lassen. Ich freue mich außerordentlich über das, was Herr Minister Becker hier namens der Landesregierung erklärt hat. Es hat inhaltlich keinen Zusammenhang mit dem Ärgernis, das der Auslöser der heutigen Aktuellen Debatte ist, nämlich der Alleingang des Landrats des Landkreises Wittenberg, der die Mitarbeiterin aus dem Museum abgezogen hat.

Zu diesem Punkt will ich sagen: Ich hoffe, dass der Kreistag dies unverzüglich korrigiert. Es handelt sich mit Sicherheit nicht um ein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung, über das ein Landrat allein entscheiden könnte. Nunmehr ist der Kreistag gefragt, dieses Fehlverhalten des Landrats - diese Bewertung erlaube ich mir an dieser Stelle - zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Die Entscheidung der Landesregierung, die Herr Minister Becker uns heute hier bekannt gemacht hat, ist nach meiner Einschätzung auf das zurückzuführen, was im Plenarsaal im Januar 2004 stattgefunden hat, nämlich die Ansprache von Edzard Reuter, dem Sohn von Ernst Reuter, den der Kollege Gärtner vorhin als einen der Insassen des KZ Lichtenburg erwähnt hat.

Edzard Reuter hat im Januar 2004 den Appell an die Regierung gerichtet, die Trägerschaft des ehemaligen Konzentrationslagers zu übernehmen. Es hat dann vor Ort eine Beratung des Ministerpräsidenten Professor Böhmer mit Edzard Reuter und anderen Teilnehmern gegeben - Kollege Borgwardt war dabei -, bei der dieser Gedanke geboren worden ist, den der Minister eben ausgebreitet hat und den ich auch für sinnvoll halte: dass man eine Stiftung gründet, in der die bisher in der Trägerschaft des Landes befindlichen Gedenkstätten mit anderen zusammengeführt werden.

Dabei muss man sich noch einmal die Gesamtkonzeption vor Augen halten und prüfen, inwieweit dann auch

andere Standorte - ich erwähne Langenstein-Zwieberge oder Hötensleben - in diesem Zusammenhang Berücksichtigung finden können oder nicht. Ich denke, das wird uns im Innenausschuss zu beschäftigen haben.

Der Innenminister hat zugesagt, in der nächsten Sitzung des Innenausschusses am kommenden Mittwoch das Thema weiter zu behandeln. Man wird das sicherlich nicht abschließend tun können, aber ich denke, es ist wichtig, dass der Innenausschuss in diesen Prozess fortlaufend einbezogen wird.

Ich will den Bogen noch ein bisschen weiter spannen. Ich erinnere mich gut an einen Besuch des Innenausschusses auf Schloss Lichtenburg in der vergangenen Legislaturperiode, an dem Herr Becker als damaliges Mitglied des Innenausschuss teilgenommen hat und bei dem er auch seine Erfahrungen aus seiner Tätigkeit in der Zentralstelle für die Verfolgung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg eingebracht hat.

Sie haben vorhin erwähnt, Herr Becker, dass Sie auch in Bezug auf Ravensbrück und die Lichtenburg, die eine Art Vorläufer des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück war, tätig gewesen sind. Ich muss sagen: Ich freue mich, dass gerade Sie, Herr Becker, uns heute das haben mitteilen können, was die Landesregierung entschieden hat. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rothe. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird abgeschlossen durch einen Redebeitrag der CDU-Fraktion. Dazu erteile ich dem Abgeordneten Herrn Borgwardt das Wort. Bitte sehr, Herr Borgwardt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie der Presse zu entnehmen war - meine Vorredner haben schon darauf hingewiesen - wurde die Mitarbeiterin der Gedenkstätte Frau Grabow durch den Landrat in die Arbeitsgemeinschaft zur Umsetzung der Hartz-IV-Gesetze überführt, sodass der eigentliche Betrieb der Gedenkstätte derzeit eingestellt ist.

Zu ergänzen ist aber, dass die Gedenkstätte darüber hinaus über weiteres Personal verfügt, nämlich über einen Hausmeister, der die Schwerkraftheizung in Betrieb hält und somit die absolut existenznotwendigen Maßnahmen zum Erhalt der Gedenkstätte aufrechterhält. Dabei wird übersehen, dass auch in den vergangenen Jahren zu Beginn der Winterzeit der Gedenkstättenbetrieb wesentlich eingeschränkt wurde, gerade weil sich die gesamte Gedenkstätte, insbesondere die sanitären Anlagen, in einem desolaten Zustand befindet.

Dies ist in diesem Jahr also nicht die Besonderheit. Diese besteht vielmehr darin, dass der Landrat die Mitarbeiterin umgesetzt hat, sodass nach außen hin der Eindruck entstanden ist, dass der Gedenkstättenbetrieb nunmehr vollständig und für immer eingestellt werden soll.

Meine Damen und Herren! Es steht, wie auch meine Vorredner eindeutig gesagt haben, für uns alle fest, dass sich die Gedenkstätte in ihrem heutigen Zustand nicht auf dem aktuellen wissenschaftlichen Niveau befindet. Deshalb war es von der Landesregierung und den beteiligten Verbänden schon lange und unabhängig von den

jetzigen Vorkommnissen geplant, den Charakter und das Erscheinungsbild dieser Gedenkstätte auf ein neues, dem heutigen wissenschaftlichen Stand entsprechendes Niveau zu bringen und dieses Vorhaben im Zusammenhang mit der Realisierung der Werkstattvariante umzusetzen.

Weder die CDU-Fraktion noch die Landesregierung plant - dies habe ich im Hohen Hause bereits mehrfach persönlich erklärt - die Schließung dieser Gedenkstätte. Vielmehr wollen wir, wie oben ausgeführt, die Werkstattvariante umsetzen, die, wie Sie wissen, das Resultat eines langen und schwierigen Prozesses gewesen ist. Minister Herr Becker führte bereits aus, dass die Landesregierung derzeit überlegt, die Lichtenburg in eigene Trägerschaft bzw. eventuell auch in eine Stiftung zu übernehmen.

An dieser Stelle möchte ich das Wort an meinen Kollegen Herrn Gärtner richten. Herr Gärtner, wenn Sie mich oder einen anderen an dem Gespräch am 31. März Beteiligten gefragt hätten, hätten Sie erfahren, was dabei herausgekommen ist. Aber hier einfach zu behaupten, bei diesem Gespräch sei nichts herausgekommen, das halte ich, gelinde gesagt, nicht für redlich.

(Zuruf von der CDU: Das ist eine Frechheit! - Herr Gärtner, PDS: Wir haben im Innenausschuss die Debatte geführt! Da gab es keine Antwort!)

- Ich hätte es Ihnen gesagt, wenn Sie gefragt hätten.

(Zuruf von Herrn Gärtner, PDS)

- Herr Gärtner, Sie hätten mich nur zu fragen brauchen.

(Lachen bei der PDS - Zuruf von Herrn Gärtner, PDS)

- Oder jemand anderen.

(Unruhe bei der PDS und bei der CDU)

Genau so ist es. Oder fragen Sie Herrn Becker, Herr Gallert.

Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Landesregierung klar für die Gedenkstätte ausspricht und engagiert.

Wegen der widersprüchlichen Berichterstattung, die auch uns überrascht hat, habe ich durchaus Verständnis für die von Ihnen beantragte Aktuelle Debatte. Das will ich hier ausdrücklich sagen.

Praktische Politik verlangt eben, dass man sich vor Ort informiert - das habe ich getan -, sich mit den Akteuren auseinander setzt und sich aktiv in den Prozess einbringt. Nicht ausreichend ist es, meine Damen und Herren von der PDS-Fraktion, lediglich durch Pressemeldungen aufzufallen. Das sage ich ganz deutlich.

Am Mittwoch dieser Woche habe ich mich in Prettin unter anderem mit der Bürgermeisterin Frau Welz getroffen und mich konkret informieren lassen. Neu ist, dass in Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität Berlin unter der Federführung von Frau Professor Dr. Jakubeit und der Bauhaus-Universität Weimar unter Leitung von Herrn Sebastian Wolf gemeinsam eine Außenstelle in Prettin eröffnet werden soll. Hierzu werden drei Räume im ehemaligen Amtsgericht angemietet.

Das Ziel besteht unter anderem darin, Geschichtsforschung zur Problematik der Gedenkstätte Schloss Lichtenburg zu betreiben sowie, wie ich dort erfahren habe, im Innenhof des Schlosses Stahltafeln aufzustellen.

Hierzu ist sicherlich noch eine Abstimmung sowohl mit dem Träger als auch mit dem Bund und dem Land vorzunehmen.

Zum Abschluss möchte ich einiges richtig stellen. Es ist nicht so, wie es gestern in einer Tageszeitung beschrieben wurde, dass ich zurzeit Gespräche führe, um eine eventuelle Kostenübernahme für die geplanten Stahltafeln zu erreichen. Richtig ist, dass ich von der Bürgermeisterin Frau Welz erfahren habe, dass diese Stahltafeln ca. 27 000 € kosten sollen. Die in den Haushalt eingestellte Verpflichtungsermächtigung dient zurzeit ausschließlich der Realisierung der bekannten Werkstattvariante. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Borgwardt. - Meine Damen und Herren! Wir begrüßen auf der Nordtribüne Gäste aus der Region, über die wir soeben debattiert haben, nämlich Seniorinnen und Senioren aus Jessen.

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Die Debatte ist damit abgeschlossen. Beschlüsse zur Sache werden gemäß § 46 Abs. 6 der Geschäftsordnung nicht gefasst. Damit ist das zweite Thema der Aktuellen Debatte beendet und der Tagesordnungspunkt 5 ist abgeschlossen.

Wir kommen nun zu Tagesordnungspunkt 15: