- Gerichtsentscheidungen können Sie auch nicht akzeptieren. - Dieser stehen staatliche Vorgaben von Mindestgrößen kommunaler Einheiten, terminliche Vorgaben für freiwillige Zusammenschlüsse und die Androhung staatlichen Zwanges entgegen. Derartige Druckmittel lassen sich nach unserer Erkenntnis auch nicht mit einem „Blick über den Gartenzaun“ nach Sachsen und Thüringen oder woanders hin begründen. In Sachsen und Thüringen bestehen völlig unterschiedliche Kommunalstrukturen.
Ich hatte in meinem Haus vor wenigen Wochen eine Gruppe leitender Verwaltungsbeamter der schleswigholsteinischen Ämter zu Besuch. Diese haben mir in beeindruckender Weise ihre kommunalen Strukturen erklärt, die ohne Mindestgrößenvorgaben bei amtangehörigen Gemeinden auskommen. Deren Modell funktioniert. Ich kenne niemanden, der die Leistungsfähigkeit der schleswig-holsteinischen kommunalen Selbstverwaltung infrage stellt.
Wenn ich mir nun vor Augen führe, dass das Land Sachsen-Anhalt hinsichtlich seiner Einwohnerzahl und der heutigen Gemeindezahl in etwa diesem nördlichsten Bundesland entspricht, dann frage ich mich: Wo sind die zwingenden Gründe, die es rechtfertigen könnten, unsere Kommunen ihrer Eigenverantwortung zu berauben? Ich sehe keinen Grund.
Meine Damen und Herren! Die Inhalte unserer Kommunalreform lassen sich unter den Stichworten „Freiwilligkeit“, „Eigenverantwortlichkeit“, „Gestaltungsfreiheit“, „Leistungsfähigkeit“ und damit „Akzeptanz vor Ort“ zusammenfassen. Ausdruck dessen ist das, ist das
- Entschuldigung - heute zur Verabschiedung anstehende Gesetz. Die Koalition und die Landesregierung erfüllen damit zeitnah ein Versprechen, das bereits im Vorfeld der Landtagswahlen gegeben wurde. Die von den Reformvorhaben betroffenen Menschen müssen erkennen können, dass Reformen sie nicht bloß als Objekte, sondern als Subjekte sehen, denen die Neugestaltung bei der Aufgabenerledigung helfen soll.
Meine Damen und Herren! Die Kommunalreform hat die Gemüter in unserem Land nachhaltig bewegt. Wir brauchen hier klare Orientierungen, auf die sich die Menschen auch künftig verlassen können. Dies können wir angesichts der handlungsfähigen Mehrheiten in diesem Haus politisch leisten und wir wollen es heute auch fachlich tun. Mit dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf wird klargestellt:
Es gibt auf der gemeindlichen Ebene drei Modellformen für hauptamtliche Verwaltungen, deren sich unsere Kommunen für ihre Aufgabenerledigung bedienen können: Gemeinden mit eigener Verwaltung, Verwaltungsgemeinschaften des Modells „Gemeinsames Verwaltungsamt“ und Verwaltungsgemeinschaften des Modells „Trägergemeinde“. Diese Strukturen sind den Menschen in unseren Kommunen seit dem Jahr 1994 bestens vertraut; diese Modelle reichen aus.
Ich möchte an dieser Stelle nochmals grundlegend klarstellen: Unser Ansatz bedeutet nicht, wie es vereinzelt fälschlicherweise - eben auch von Herrn Püchel - dargestellt wurde, dass wir die Kommunalreform zurückdrehen oder gar stoppen. Dies war zu keiner Zeit beabsichtigt und ist es auch künftig nicht. Wir stellen lediglich
die zeitliche Abfolge um und schaffen den Zwang ab. Überall dort, wo Prozesse der Konzentration gewollt sind oder sogar stattfinden, sollen und können sie weiterlaufen.
Nein. - Es wäre geradezu sträflich, die vielen Kommunen, die sich bereits gefunden oder zusammengeschlossen haben bzw. auf einem guten Weg dahin sind, an der Fortsetzung des Vorhabens zu hindern. Mein Haus und ich werden unsere beratende Unterstützung überall dort, wo sie gewünscht wird und notwendig ist, gern geben. Laufende Vorhaben sollen fortgesetzt werden. Lediglich dort, wo Kommunen angesichts der damals drohenden staatlichen Zwangsphase der Gebietsreform in den Konzentrationsprozess genötigt worden sind, sollen sie die Chance der Meinungsneubildung haben. Die Landesregierung wird aber niemandem ein Reformvorhaben ausreden, wenn es dem freien Willen der betroffen Kommunen entspricht.
Meine Damen und Herren! Die Reform geht also weiter, sie wird nicht angehalten. Sichtbarer Ausdruck dessen ist, dass ausdrücklich all die Vorschriften erhalten bleiben, die ein gedeihliches Zusammenwachsen von Kommunen erleichtern und fördern. Ich nenne insbesondere Regelungen des Ersten Vorschaltgesetzes zur Personalüberleitung, zur Stärkung des Ortschaftsrechts und zum Kommunalwahlrecht, die dem ehrlichen Interessenausgleich dienen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren der Opposition, ich lege Ihnen die Lektüre unseres Gesetzes ans Herz. Sie werden beim Lesen, sofern Sie dies unvoreingenommen tun, feststellen, dass ein Großteil Ihrer Kritik nicht haltbar ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in allen Diskussionen um Verwaltungs-, Funktional- und Kommunalreform stets betont, dass die Reform kein Selbstzweck ist. Sie muss der Straffung der Verwaltung und der konstruktiven Aufgabenerledigung im Interesse der Bürger dienen. Wenn also die bestmögliche Aufgabenerledigung das Hauptziel ist, dann ist es selbstverständlich, dass alle Maßnahmen, die der Erreichung dieses Ziels dienen können, unterstützt werden müssen.
Daher finden die Intentionen des Antrags in Drs. 4/67 zur interkommunalen Funktionalreform durchaus meine Zustimmung. Der Antrag ist aber entbehrlich, weil die gleichen Intentionen im Beschluss des Innenausschusses zum Entschließungsantrag enthalten sind. - Herzlichen Dank.
Jetzt erklärt sich Herr Minister Jeziorsky bereit, Fragen zu beantworten. Es gibt drei Fragen. Zuerst bitte ich Frau Dr. Paschke, ihre Frage zu stellen.
Herr Minister, Sie haben gesagt, mit dem in Ihrem Gesetz zum Ausdruck kommenden Reformansatz erhielten die Kommunen eine klare Orientierung; gleichzeitig wurde in der Öffentlichkeit immer wieder verkündet, die Verschuldung, also die finanzielle Situation von Kommunen werde ein Maßstab für eventuelle Zwangsneugliederungen werden. Mehr als 10 % der Kommunen unseres Landes befinden sich in einer so kritischen finanziellen Situation, dass sie Anträge an den Ausgleichsstock gestellt haben. Ist in allernächster Zeit zu erwarten, dass Sie ein finanzielles Kriterium setzen, ab welcher Höhe der Verschuldung in die Zwangsstrukturreform übergegangen wird?
Ein Antrag auf Mittelzuweisung aus dem Ausgleichsstock kann kein alleiniger Grund dafür sein. Dieses Instrument, Kommunen im Einzelfall bei Liquiditätsschwierigkeiten zu helfen, wurde immer gebraucht und wird auch zukünftig gebraucht werden.
Nein, Frau Dr. Paschke, die hiermit beschriebene Situation heißt nur eines: Wenn durch Gesetzgebungsverfahren in die kommunale Selbständigkeit eingegriffen werden soll, braucht es dafür gute Gründe. Ein Grund, im Interesse des öffentlichen Wohls eingreifen zu müssen, könnte eine derartige finanzielle Schieflage sein, die sich auch mithilfe von Bedarfszuweisungen mittel- oder langfristig nicht beheben lässt. Nur dann hätten Sie einen ausreichenden Grund, mit dem Verweis auf das öffentliche Interesse gesetzgeberisch einzugreifen, anderenfalls nicht.
Herr Minister, Sie haben erwähnt, dass Sie mit Beamten aus Schleswig-Holstein gesprochen haben. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, hat Schleswig-Holstein jedoch einen klaren zweistufigen Verwaltungsaufbau. Ist das richtig?
Einen klaren zweistufigen Verwaltungsaufbau hat auch Schleswig-Holstein nicht; das könnte ich Ihnen so nicht bestätigen.
Ich habe mit leitenden Verwaltungsbeamten der Ämter gesprochen, also der Gemeindeverwaltungsstrukturen. Darauf hatte ich mich bezogen. In den Ämtern sind Gemeinden auch mit weniger als 500 Einwohnern vertreten. Es gibt jedoch auch Ämter, die in ihren Amtsbezirken mehr als zehn Gemeinden zu verwalten haben. Das sind ähnliche Strukturen wie in Sachsen-Anhalt.
Herr Minister, wie schätzen Sie die Stadt-Umland-Problematik in Bezug auf Halle, den Saalkreis und den Landkreis Merseburg-Querfurt ein, wenn zunächst die freiwillige Phase andauert und eine Überprüfung erst in zwei Jahren stattfinden soll?
Diese Frage habe ich Ihnen heute Morgen im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage bereits beantwortet.
Danke, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Ich erteile nunmehr für die PDS-Fraktion der Abgeordneten Frau Dr. Paschke das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Als das Zweite Vorschaltgesetz zur Kommunalreform und Verwaltungsmodernisierung am 6. April vergangenen Jahres hier in diesem Landtag verabschiedet wurde, habe ich namens meiner Fraktion die Überzeugung geäußert, dass sich Sachsen-Anhalt zu diesem Zeitpunkt zwischen Risiko und Chance befunden habe und mit der Verabschiedung des Zweiten Vorschaltgesetzes der Chance ein ganzes Stück näher gekommen sei. Heute sage ich: Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur „Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung“ werden wir nahezu alle diese Chancen zu Grabe tragen.
Wir verabschieden uns von der Chance, ein in seinen Grundzügen aufeinander abgestimmtes rechtliches Fundament für einen homogenen Verwaltungsaufbau vom Land bis in die Kommunen hinein zu realisieren. Wir verabschieden uns von der Chance, zukunftsfähige Landes- und Kommunalstrukturen auch im Kontext der europäischen Entwicklung mindestens über ca. 15 Jahre zu gewährleisten.
Wir verabschieden uns von der Chance, tatsächlich bürgernah und effizient nicht nur die Dienstleistung zu erbringen, sondern auch die Entscheidungskompetenz an die vergrößerte Gebietskörperschaft heranzutragen.
(Beifall bei der PDS - Herr Becker, CDU: Das wollen wir gerade! - Frau Bull, PDS: Das werden wir sehen!)
Diese Chancen sind sehr minimiert, aber die Risiken für die und innerhalb der Reform sind gestiegen. Warum? - Es ist erklärtes Ziel der Koalitionspartner, die Stagnation zu beenden und die Verkrustungen aufzubrechen. Sie wollen mit Priorität die Verwaltungs- und Funktional
Zu einer modernen und effizienten Verwaltung gehört aber in erster Linie ein aufeinander abgestimmter Aufbau der Verwaltungen im gesamten Land.
Man kann fachlich nicht so schlecht sein, um dies nicht genau zu wissen; Sie sind es auch nicht. Es gibt für diese Vorgehensweise nur eine Erklärung: Sie zerschlagen jetzt ein Konzept, um ein Wahlversprechen einzuhalten, das ausschließlich aus Ihrer damaligen Oppositionsrolle heraus erwachsen ist
und allenfalls in einer großen Koalition mit entsprechend weitreichenden Rückzugsvarianten hätte umgesetzt werden können.
Sie hätten selbst nie daran geglaubt, es in Reinkultur umsetzen zu müssen. Der überstürzte Ausstieg aus der Gebietsreform gehört zu den schwersten Fehlern der neuen Regierung; diese Meinung teilen sehr viele.